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Nachtleben in Sirmione

Nachtleben in Sirmione

Sirmione gilt als schönster Ort am Gardasee. Und in der Tat: Wären wir hier bei den Oscars, wäre das Städtchen sicherlich die Diva im aufsehenerregenden Abendkleid. Eine alte Diva, denn die ersten Siedler lebten hier schon in der Steinzeit. Davon ist heute nichts mehr zu sehen. Dafür erstreckt sich eine ernsthaft romantische Altstadt den Hügel hinauf und drumherum die fast unwirklich blauen Wellen des Gardasees.

Wer Sirmione besichtigen will, muss durch das große steinerne Stadtportal neben der prachtvollen Scaligerburg. Und wer zum steinernen Portal will, muss erstmal vier Kilometer über die Halbinsel laufen, fahren oder radeln. An diesem Abend tun viele Menschen alles drei. Eigentlich sollten wir nicht überrascht sein, es ist schließlich Samstag. Aber nachdem es mittags noch so beschaulich am Ufer des Gardasees zuging, haben wir mit weniger Volk gerechnet.

Die Strecke entlang der Via XXV. Aprile soll in Italien die einzige bleiben, auf der ich mich nicht wohlfühle. Denn hier gibt es keinen eigenen Fahrradweg. Wir schwanken von Kanaldeckel zu Schlagloch, immer am Straßenrand lang, und viel zu nah überholen uns die Autos. Zwar nicht schnell, aber ständig. Auf den Bürgersteig können wir hier auch nicht ausweichen, denn es sind ganz einfach zu viele Bürger auf diesem Steig.

Sehr froh bin ich, als wir schließlich nach 30 Minuten Fahrt die Scaligerburg vor uns aufragen sehen. Wir schließen die Räder an und lassen uns vom Strom mitziehen, der unaufhaltsam in die Stadt hineinfließt. Wir sind nicht zum ersten Mal hier. Selbst unsere Tochter erinnert sich noch. Denn es ist ein besonderer Ort für sie: Hier hat sie vor fünf Jahren nach dem herzhaften Biss in eine Kokosnussscheibe ihren ersten Milchzahn verloren.

Scaligerburg in Sirmione Mädchen mit Kappe und Zahnlücke Promenade Sirmione

Ein zweite Erinnerung ist die an riesige Eiskugeln, die hier in leckeren Waffeln verkauft werden. Damals lebte ich zuckerfrei und konnte mir keine gönnen. Heute habe ich einfach keine Lust drauf, aber der Rest der Familie Hose lässt es sich schmecken, während wir am kleinen Yachthafen sitzen. Ein Paar mittleren Alters steigt gerade in ein edles Boot. Die Dame mit extratiefem Dekolleté und Hochsteckfrisur, der Herr mit einer Flasche Champagner in der Hand. Die Nacht hat gerade erst begonnen und als der Bootsführer Gas gibt, sind sie bald nur noch ein Schatten auf dem See. Uns aber zieht es in die Altstadt. Wir schlendern durch die Gassen, bewundern die Auslagen der Geschäfte, hüpfen zur Seite, wenn sich ein Auto einen Weg durch die Menschen bahnt.

Laden in Sirmione Restaurant in Sirmione Beleuchtete Olivenbäume in Sirmione

Weiter oben wird es ruhiger und dunkler. Links und rechts erahnen wir Parkanlagen unterm Sternenhimmel. Hier müssen irgendwo die Grotten des Catull, Überreste einer römischen Villa, liegen, die wir heute aber nur mit Nachtsichtgeräten besichtigen könnten. Da wir gerade keine dabei haben, erfreuen wir uns stattdessen an den beleuchteten Olivenbäumen auf dem Plateau. Mit ihren knorrigen Verwachsungen sehen sie aus, als würden sie tanzen. Wenn wir nicht schon verheiratet wären, wäre hier ein schöner Antragsort.

Gerne würden wir noch bleiben, aber es steht noch der Radelrückweg zum Wohnmobil an. Schön, aber eben ein bisschen ungemütlicher, als sich mal eben ins Auto fallen zu lassen. Nachdem wir das Stadttor passiert haben, treffen wir einen alten Bekannten, den wir schon vor fünf Jahren sehr bewundert haben: einen goldenen Rolls Royce, der auch jetzt wieder seine Streicheleinheiten bekommt. Mit diesem letzten Eindruck treten wir unsere Rückfahrt an und sind eine halbe Stunde später an unserem rollenden Zuhause angekommen. Mal ehrlich, wer braucht schon eine Protzkarre, wenn er ein Wohnmobil haben kann 😉

Goldenes Auto Goldenes Auto bei Nacht

Eure Nachbarin – romantisiert

 

 

Der Zug ist abgefahren…

 

 

 

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Mediterrane Begrüßung am Gardasee

Mediterrane Begrüßung am Gardasee

In der Morgensonne fahren wir aus Klausen hinaus und tanken zum ersten Mal in Italien. Ein erfreuliches Ereignis für sagenhafte 1,79 Euro pro Liter (in Deutschland liegt der Preis zu diesem Zeitpunkt weit über 2 Euro). Die Tanke und ihr Wärter sind eine Sache für sich. Der Metal-Fan lümmelt entspannt in einem Gartenstuhl in seiner Baracke und lässt sich bedröhnen. Was man halt so samstagmorgens um halb acht so macht. Als wir an der Zapfsäule andocken wollen, schießt er erstaunlich behände aus seinem Kabäuschen heraus und ruft uns zu: „Obacht! Die Zapfsäule ist mit Service. Da kostet der Liter 2 Euro.“ Dankbar für die rettende Info ziehen wir uns den Zapfhahn von der gegenüberliegenden Seite heran. Und Iron Maiden schlurft wieder zurück in sein Häuschen. „Der hatte auch keinen Bock auf Service“, lacht mein Mann erleichtert und füllt unseren Tank auf. Bald darauf sind wir wieder auf der Autobahn und genießen die Alpen, die nach und nach immer mehr zur Seite weichen, wie ein Sesam öffne dich.

Italienischer Kreisverkehr

Zweieinhalb Stunden später sind wir in einer völlig anderen Welt. Pinien und Zypressen säumen die Straße, blühender Oleander und Zitrushecken die Gärten. Ich schaue in meinen Handykalender: Ja, es ist definitiv der 8. Oktober und nicht der 1. September. Aber für die nächsten Tage tun wir mal so als ob. Ein letzter Kreisverkehr und schon biegen wir rechts in den Zuweg zu unserem nächsten Stellplatz in Desenzano ein. Garda Agricamper – der schönste Aufenthaltsort unserer Reise. Als erstes fällt mir der blütenweiße Kies auf, als zweites die gepflegten Beete, als drittes die vielen freien Stellplätze, die durch saftiggrüne Hecken und Bäumchen abgegrenzt sind. Ein freundlicher Rezeptionist begrüßt uns und wir dürfen uns einen Platz aussuchen. Es gibt Strom, Frischwasser, saubere Sanitäranlagen und einen Platz zur Entsorgung.

Hängematten

Außerdem Hängematten, einen Pool, eine Halle mit Kicker und ähnlichem, einen kleinen Spielplatz und einen Pfau, auf den sich unsere Tochter gleich stürzt, während wir uns auf Platz 7 anstöpseln. Wir sind im Paradies! Jetzt müssen wir nur noch herausfinden, wie wir hier wieder weg, bzw. zum See kommen. Ein Versuch zu Fuß bringt uns zum verschlossenen Portal eines Fünf-Sterne-Campingplatzes. Dahinten glitzert der See – ganz nah und doch unerreichbar für uns, denn heimlich einschleichen wollen wir uns auch nicht. Also zurück zum Camper und nach dem nächsten öffentlichen Strand gesucht. Der ist zehn Fahrradminuten entfernt. Und wieder merken wir, wie wichtig unsere Drahtesel im Wohnmobilurlaub sind.

Wir packen Badesachen, Sonnenschirm und Wegzehrung in Körbe und Satteltaschen. Und dann erleben wir, wie es ist, in Italien mit dem Rad zu fahren, nämlich völlig anders als erwartet. Gut… dass es in Oberitalien anders zugeht als in Neapel, war mir von früheren Urlauben durchaus bekannt. Mein Vater, der sich in den Achtzigern noch mit großer Begeisterung in das hupenden und fluchende Chaos namens italienischer Verkehr stürzte, nennt es „geradezu langweilig“. Also genau das, was wir brauchen! Die breiten, gut zu fahrenden Radwege führen uns an der Straße entlang, sind aber mit niedrigen Hecken von der Fahrbahn abgegrenzt. Das ist sehr angenehm. Wir teilen uns den Weg mit Fußgängern, aber so wirklich viel ist nicht los.

Mann und Kind im Gardasee

Als wir Richtung See abbiegen, wird es noch ruhiger. Es ist Mittagszeit – Siesta – und hier verirrt sich gerade niemand hin. Schon gar nicht ins Wasser, aber das kennen wir schon. Meine beiden Wasserratten sind selten davon abzuhalten, ins kühle oder auch echt kalte Nass zu springen. Ich schaffe es bis zur Hüfte rein und wate nach ein paar Anstandsminuten wieder dankbar nach draußen. Eine entspannte Ruhe überkommt mich, während ich Vater, Kind und unseren aufblasbaren rosa Doughnut im Wasser beobachte. Wir sind in Italien, die Sonne scheint, was braucht man mehr zum Glücklichsein. Also ich gerade nichts!! Nach einer Weile fahren wir weiter am See entlang, auf dem breiten Holzsteg, Richtung Dezensano.

Boote am Gardasee

Eigentlich darf man hier nicht radeln – auch wenn es keinen interessiert. Deshalb steigen wir hin und wieder ab und schieben. Bis zu einem schönen Strandcafé am Porto di Rivoltella, wo wir uns die erste (und noch lange nicht die letzte) Pizza des Urlaubs schmecken lassen. Leute gucken, Spatzen füttern, die Seele baumelt irgendwo rum. Das nennt man Dolce Vita, erkläre ich dem Nachwuchs. Bald danach zieht es uns zum Camper zurück. Noch ein bisschen chillen, denn abends wollen wir nach Sirmione.

Eure Nachbarin – sehr gechillt

 

 

Nachtleben in Sirmione

Auf dem Brenner in die Vergangenheit

Auf dem Brenner in die Vergangenheit

Wie toll ist bitte der Brenner?? Autobahn meiner Kindheit, Schönheit mit rostigen Leitplanken und bezaubernden Aussichten. Ich liebe diese Strecke einfach, denn sie führt mich in mein Lieblings-Urlaubsland. Meine erste Reise nach Italien war einfach so abenteuerlich und traumhaft, dass ich seither Fan (w) bin. Ich war sechs und wir fuhren mit dem Nachtzug. Ich erinnere mich, dass wir durchs Dunkle glitten und plötzlich ein hell erleuchtetes Schloss durchs Zugfenster leuchtete. Okay, vielleicht war es auch nur ein Bahnhof oder ich hatte zu viel Kakao getrunken. Aber ich schwöre, da war ein goldenes Schloss. Wir lagen in einem Sechserabteil mit jeweils drei Stockbetten auf jeder Seite. Mein kleiner Bruder wollte nachts zu meiner Mutter krabbeln, verpasste den Abzweig und landete bei einer Asiatin, die wohl dachte, das müsste so sein. Jedenfalls rührte sie sich nicht. Von dem Versehen lautstark in Kenntnis gesetzt, wurden wir dann erst später, als mein Bruder es selbst bemerkte.

Rostige Leitplanken BrennerIch erinnere mich an Rom, wo wir in einem Kloster unterkamen – mit riesigen Türen und Schlüsseln so groß, wie mein Unterarm. Die ängstigten mich ein bisschen, aber das zuckrige Frühstück der Italiener riss es wieder raus. Unser Ziel war aber Gaeta, das zwischen Rom und Neapel an einer der schönsten Küsten der Welt liegt. Dort waren wir auf einer – wie heißt das italienische Pendant zu Finca? – ah ja, auch Finca – zu Besuch, die der Schwester der italienischen Patentante meiner Mutter gehörte. Um mehrere flache Häuser herum breitete sich ein mediterraner Garten aus, der auf sonnigen Terrassen angelegt war und ein Reigen an Palmen, Feigen, Kakteen und Eidechsen beherbergte. Über eine lange Treppen gelangte man nach unten an den Sandstrand und das badewannenwarme Meer. Ich glaube, seither suche ich den Urlaub, der mir dieses Gefühl noch einmal gibt. Annähernd gefunden habe ich ihn immer nur in Italien. Und deshalb liebe ich den Brenner, egal, ob er mich Richtung Südtirol, Venedig, Pisa oder sonst wohin bringt.

An diesem Tag endet unser Weg in Klausen etwas südlich von Brixen, Mitten in Südtirol. Aber erst nach einer Fahrt durch Österreich im Abendgold. Wir kaufen uns eine Vignette an der letzten deutschen Tankstelle.Abendlicht in der Alpen Mittlerweile gibt es sie auch online, aber fast doppelt so teuer. Wir vergessen auch nicht, die Sicherheitstafel für unseren Fahrradträger anzubringen. Die Tafel muss viereckig und 50 mal 50 cm groß sein. Aus Metallblech und mit reflektierendem Material überzogen. Diagonal haben rote und weiße Streifen zu verlaufen und zwar im Muster „Rot-Weiß-Rot-Weiß-Rot-Weiß-Rot“. Und nicht etwa wie in Spanien „Weiß-Rot-Weiß-Rot-Weiß-Rot“. Wer sich nicht daran hält, ein Warnschild aus Kunststoff verwendet (so wie wir – ähem) oder aber aus Versehen die spanische Variante, riskiert ein Bußgeld von 80 Euro. Und da heißt es, die Deutschen seien pedantisch.

Weiter geht es über Brücken und durch Tunnel. Innsbruck und das Stubaital lassen wir rechts liegen, bewundern Burgen und Schlösser, Gebirgsflüsse und schneebedeckte Gipfel, hinter denen langsam der Mond aufgeht. Noch nie habe ich diese Aussicht so genossen. Wir sitzen hoch oben in unserem Fahrerhäuschen, die Straße weit unter uns, und haben einen einmaligen Rundumblick. In Klausen kommen wir im Dunklen an, was wir grundsätzlich nicht so lieben. Aber es geht alles gut, wir verfahren uns nicht und mein Mann managt die engen Gassen bis zum Parkplatz souverän. Tatsächlich steht neben vielen Autos noch ein weiteres Wohnmobil hier. Und so parken wir ganz am Ende über zwei Parktaschen hinweg. Diese Nacht ist für uns kostenlos.

Klausen mit Burg und AbteiGerne wäre ich noch durch dieses schöne Städtchen flaniert, am Flüsschen Eisack entlanggeschlendert mit Blick auf die malerische Burg Branzoll und die Abtei Säben. Tatsächlich aber wollen wir am nächsten Morgen zeitig los, damit wir früh am Gardasee sind. Der Samstag soll nämlich dort noch warm und trocken sein, bevor in den Tagen danach ein Tiefdruckgebiet durchzieht. Und Töchterchen muss einfach in den See!! Das weiß sie, das wissen wir: Daran führt kein Weg vorbei. Und so ziehen wir alle Vorhänge zu und verbringen wir den Abend mit Telefonieren – meine Mutter hat Geburtstag – und mit Dixit spielen, bevor wir unsere Kojen entern. Heute ist es das Rauschen der Eisack, das mich sanft ins Land der Träume hinüberträgt.

Die Nachbarin – brennerverliebt

 

 

 

 

Mediterrane Begrüßung am Gardasee

 

Ver- und Entsorgung und ein Schnack auf Englisch

Ver- und Entsorgung und ein Schnack auf Englisch

Der nächste Morgen beginnt mit einer Reihe von Aufgaben, die zu Wohnmobilreisen notwendigerweise dazu gehören und die wir heute zum ersten Mal erledigen. Entsprechend aufgeregt sind wir. Gestern hatten wir schon einmal die Ver- und Entsorgungsstation in Augenschein genommen und jetzt ist es soweit. Denn wir wollen heute weiter gen Süden – Richtung Österreich/Italien – unsere erste praktische Übung aber sicherheitshalber auf deutschem Boden erledigen. Auf der To Do Liste steht:

  1. Toilettenkassette entleeren und säubern am Automaten
  2. Grauwasser entsorgen
  3. Frischwasser tanken

Für unsere Tochter ein entspannter Vorgang, denn sie bleibt in einfach in ihrer Koje liegen und – das Tollste für sie – darf sogar mit Rausfallschutz in ihrem Alkoven bleiben, während wir kurz über den Platz zuckeln.

Toilettenkassette entleeren und säubern am Automaten

Der Toilettenautomat ist schnell erklärt. Toilettenkassette aus der Klappe am Womo entnehmen. Geld in den Automaten einwerfen, in unserem Fall zwei Euro. Kassettenart wählen. Dann öffnet sich automatisch ein Rolltor und man kann die Kassette hineinstellen. Vorher bitte noch die Verriegelung für den Deckel öffnen. Dann fährt das Rolltor zu. Es rumpelt und pumpelt und wenn das Rolltor wieder auffährt, kann man eine komplett saubere, nach Lilien duftende, mit Blattgold verkleidete Toilettenkassette entnehmen und sie wieder an ihre Stelle im Wohnmobil schieben. Hier kann man sich das ganze in Bildern ansehen. Okay, das „komplett Saubere“ kam erst nach zwei Durchgängen, also – 4 Euro – zustande. Und dass mit den Lilien war schlichtweg gelogen. Entweder ist dem Automat der Sanitärzusatz ausgegangen oder dieser riecht selber echt übel, weshalb wir bei der nächsten Reinigung per Hand unseren eigenen verwendet haben. Das hatte auch seine Tücken, aber das ist eine andere Geschichte.

Grauwasser entsorgen

Grauwasser ist all das, was nicht Frischwasser und nicht Toilette ist und muss ab und an entsorgt werden. Hier gibt es vor dem Toilettenautomaten einfach einen Gulli  in einer Betonplatte. Da fahren wir so drüber, dass er mittig vor der Hinterachse liegt, ziehen seitlich an einem grauen Griff und schon ergießen sich Niagarafälle in die Kanalisation. Hinter uns wartet schon ein Paar aus England mit einem kleinen Camper darauf, dass wir die Bahn frei machen. Allerdings müssen wir ja noch Frischwasser tanken.

Frischwasser tanken

Dazu gibt es am Sanitärensemble einen Zapfhahn, auf den jedoch unser Schlauchadapter nicht passt, wie wir etwas ungläubig feststellen. Weitere haben wir nicht dabei und so wenden wir uns an die Engländer, die netterweise bereit sind, uns auszuhelfen. Sie erzählen, dass sie aus Bristol  kommen, gerade 6 Monate Sabbatical machen und sich ihren Camper – einen kleinen Bus – komplett selbst eingerichtet und ausgestattet haben. Die Küchenzeile, die ich durch die geöffnete Schiebetür sehe, sieht schon mal super aus. Vollholz mit hellblau gestrichenen Türen und einem dunkelblauen Fliesenspiegel an der Wand. Das hat schon Schöner-Wohnen- Qualität. Während unser Frischwassertank Liter um Liter schluckt, höre ich gerne dem Reisebericht der jungen Engländerin zu:

Vom Bristol aus sind sie erst nach Spanien, dann Frankreich und Italien gereist. Dort besuchten sie auch Neapel, die „coolste Stadt“ ihrer Reise. Ich selbst habe an Neapel nur die Erinnerung, dass mir vor 20 Jahren mal meine Tasche vom Rücksitz unseres Autos geklaut wurde. Und zwar vom Motorroller aus, während der Fahrt. Aber das ist lange her. Unser britisches Pärchen jedenfalls ist dann mit der Fähre auf den Balkan übergesetzt und dort zuerst nach Albanien (anscheinend ein Traumland) und dann über Montenegro, Bosnien, Kroatien, Slowenien und Österreich nach Deutschland getourt. Nun bleibt ihnen noch ein halber Monat bis zum Ziel ihrer Reise: Paris! „Wir wollen nicht nach Hause“, sagen beide und ich kann sie sehr gut verstehen!

Eigentlich habe ich mit vielen solcher Gespräche und mehr Kontakten auf den Stellplätzen gerechnet. Auch, weil meine Wohnmobilisten-Freundin immer so viel über ihre spannenden Begegnungen erzählt. Wir haben das nicht erlebt, kaum, dass mal jemand grüßte auf den Plätzen. Vermisst haben wir es aber auch nicht wirklich. Frisch aufgetankt und zufrieden mit unserer ersten Ver- und Entsorgungserfahrung winken wir den Engländern und der Allianz Arena und fahren Richtung Autobahn. Zufällig liegt mal wieder ein Baumarkt am Wegesrand, wo wir schnell noch zwei weitere Adapter für unseren Trinkwasserschlauch erstehen, bevor die A9 uns Richtung Süden führt. Die Bavaria Filmstadt ist unser Vormittagsziel.

Ahoi – Eure Nachbarin

 

Bavaria Filmstadt

 

 

Mit dem Fahrrad durch München

Mit dem Fahrrad durch München

Der nächste Morgen weckt uns mit Sonnenstrahlen. Ein perfekter Tag, um die Räder zu bewegen. Im Internet lese ich von Fahrradwegen, die direkt hier an der Allianz Arena beginnen. Also schnell mit dem Blick auf die eindrucksvolle Heimstadt des FC Bayern gefrühstückt und die Drahtesel gesattelt. Eine Bremse ist mal wieder verstellt, aber Selbstmade-Zweiradmechaniker Papa Hose richtet es in Minutenschnelle. Dann geht es in Richtung Isarauen, die sich so ziemlich unmittelbar an das Arena-Gelände anschließen. Geil! Schon tauchen wir in den herbstlich gefärbten Wald ein und erreichen nach einer Viertelstunde die schöne, wilde und bootsfreie Isar. Als Rheinländer, für die ein Fluss eigentlich die größte Straße einer Stadt ist, mal ein ganz anderer Eindruck. Entspannt (ich) und nicht ganz so entspannt (Tochter/hasst Schotterwege) radeln wir am Fluss entlang, bis wir den englischen Garten erreichen.

Raupe vom Buchenstreckfuß oder BuchenrotschwanzEin Schild erzählt uns erstmal, wo wir in den Parkanlagen nicht fahren dürfen ( auf Wegen, an denen Bänke stehen). Leider gibt es keine Auskunft, wo man fahren darf oder wo wir hier überhaupt sind. Also einfach mal weiter und gucken, wie die anderen fahren. Die Antwort lautet: kreuz und quer. Während einer kleinen Pause macht unsere Tochter das, was sie draußen immer macht: In der Natur rumstochern. Sie findet dabei eine krassgelbe Raupe mit rotem Schwanzbüschel. Exotisch, dieser Englische Garten, denke ich, bevor mir Wikipedia erklärt, dass der Buchenrotschwanz eigentlich überall in Deutschland weit verbreitet ist. Da müssen wir erst nach München kommen, um das zu bemerken. Die Stimmung unserer Tochter heilt das nur für ein paar Meter. Dann wird sie/es ihr schon wieder anstrengend. Okay, wir haben E-Bikes, sie nicht. Aber ist doch schön hier!

Über verschlungene Wege erreichen wir schließlich den Chinesischen Turm, nur um festzustellen, dass er gerade bis oben eingerüstet ist. An dieser Stelle kommt mir der Gedanke, dassEingerüsteter Chinesischer Turm im Englischen Garten wir vielleicht doch bis Pisa fahren müssen, damit ich dem mäßig beeindruckten Nachwuchs einen wirklich coolen Turm präsentieren kann. Vorerst beschließen wir bei strahlendem Sonnenschein bis zum Maximilianeum weiterzufahren, die Räder dort abzustellen und dann nochmal in die Tram 19 zu steigen. Nach einem Abstecher zum Rewe (Essen und Trinken hebt die Laune unserer Mini recht zuverlässig), einer Pause bei den Mandarin-Enten am Achtersee (ich hätte sie eher am Chinesischen Turm vermutet) und einer weiteren an den Isarkaskaden, erreichen wir den Bayerischen Landtag.

Mittlerweile bin ich schweißgebadet, denn auch wenn die bajuwarische Hauptstadt gut mit Fahrradwegen ausgestattet ist, so ist der Verkehr auf der Straße UND den Wegen doch reichlich und ich mache mir Sorgen, um unsere Dorfmaus. Entsprechend erleichtert schließe ich mein Rad im Auge der Landtags- Überwachungskameras an. Hier sollten sie sicher stehen. Die Tram beschert uns nochmal wunderbare Eindrücke der Maximiliansstraße im Hellen, bevor sie uns am Stachus ausspuckt, wo unsere Tochter sich gleich so enthusiastisch in den Springbrunnen stürzt, dass sie klatschnass wird. So richtig warm ist es nicht, die Sonne hat sich verzogen und so gebe ich ihr mein Leibchen (kids first) und friere mir hernach so den Arsch ab, dass ich spontan einen Hoody aus Biobaumwolle im C&A erstehe.

Nass werden am Stachus (Mädchen im Springbrunnen)Türkisch essen wie beim Mama

 

 

 

 

 

 

Mittlerweile hat auch mein Mann Hunger und jetzt ist höchste Eile geboten. Wir suchen uns was Landestypisches und essen Türkisch wie daheim in Mama’s Küche. Im Falle meines Mannes stimmt das sogar ungefähr, weil er sieben Jahre seiner Jugend in Antalya verbracht hat. Das Essen in dem niedlichen kleinen Hinterhof katapultiert ihn in die goldenen Neunziger zurück und macht ihn glücklich, wie ein kleines Kind. Auch unsere Tochter ist mehr als angetan. Mir selbst reicht es, den beiden beim Schlemmen zuzusehen und mich mit ihnen zu freuen. Derart abgefüllt wagen wir noch einen Abstecher zur unfassbaren Asamkirche, der sich wirklich lohnt.

Asamkirche München Innenansicht Allianz Arena Gang

Zurück geht es mit der Tram 19 zu den Rädern und dann an der Isar entlang bis zur 12 km entfernten Allianz Arena. Dort entdecken wir, dass Menschlein ein- und ausgehen und beschließen, uns das spannende Gebäude mal näher anzusehen. In den leeren Gängen riecht es nach Weißbier und Wurst. Die Füße kleben auf dem pappigen Asphalt. Die Wände zieren überlebensgroße Gemälde von Lahm, Müller und Co. Fasst meint man skandierende und jubelnde Fans zu hören, aber es ist nur der Wind, der durch die leeren Ränge pfeift. Den Abend lassen wir gemütlich im Wohnmobil ausklingen, kochen uns was auf unseren Gaskochplatten und spielen Dixit, das während der Fahrt unser Standardspiel werden soll. Ach, die Welt ist schön!

Beste Grüße von Eurer Nachbarin (erfüllt)

 

 

Ver- und Entsorgung und ein Schnack auf Englisch

Am Fuße der Allianzarena

Am Fuße der Allianzarena

Meine Erwartungen an einen Urlaubsort sind in der Regel hoch. Auf Reisen möchte ich bitte nur schöne Dinge sehen, riechen, hören und schmecken. Natürlich weil in der Werbung ja auch immer nur schöne Dinge zu sehen sind. Was Müll, Dreck, Verkehr, Lärm und Verschleiß angeht, bin ich daher eher empfindlich. In unserem Wohnmobilurlaub war das irgendwie anders. Solange mich niemand zwang, auf fremde Klos zu gehen, war ich auch mit einem kippengepflasterten Stellplatz in unmittelbarer Nähe der Autobahn zwei Meter neben einem öffentlichen Urinal mehr als zufrieden. „Hach, hier lässt es sich aushalten“, sagte ich glücklich zu meinem Mann, als wir das Stromkabel erfolgreich in den Kasten vor unserem Wagen gestöpselt hatten. Denn: Landstrom ist schon was Tolles! Man kann Handys, elektrische Zahnbürsten und – ganz wichtig – Fahrradakkus laden!! Was Besseres, um ein richtiges Urlaubsgefühl zu erzeugen, gibt es ja wohl nicht!!

Da stehen wir also nun, keinen Tag zu früh, auf dem riesigen sonnigen mit zarten Bäumchen bepflanzten Areal. Bei Spielen und Veranstaltungen parken – und pinkeln – hier Fans und Besucher. Aber seit heute ist der Platz wieder für Wohnmobile freigegeben. Auch wenn ein großes Banner an der Schranke noch etwas anderes sagt, können uns die etwa 10 bereits geparkten Wohnmobile überzeugen: Hier sind wir richtig. 15 Euro kostet die Nacht am Fuße der Arena. Dafür bekommt man kostenlosen Strom (zumindest, wenn man in der Nähe der zwei Stromkästen steht oder ein sehr langes Kabel dabei hat). Außerdem Toiletten, Frischwasser, einen Entsorgungsschacht für Grauwasser aus Dusche und Spüle und einen hochmodernen Automaten zur Reinigung von Bordtoiletten. Das Paradies!!

Neues Rathaus in München im Dämmerlicht

Auf der anderen Seite der Arena – etwa 10 Fahrradminuten entfernt – steigen wir am späten Nachmittag in die S-Bahn und fahren gemütlich bis ins Herz von München zum Marienplatz. Und hier kommt mein normales Urlaubs-Ich so richtig auf seine Kosten. Das Neue Rathaus ist nicht von dieser Welt. „Wie viele Erker, Wasserspeier, Türmchen und Verzierungen kann es bitte geben??“ Neues Rathaus: „Ja!“ –  Unsere Tochter findet sogar ihr Lieblingstier – einen Drachen – an der Ecke. Es riecht nach gebrannten Mandeln, die an mehreren Ständen in der Fußgängerzone verkauft werden, ich höre die Glocken der Marienkirche und Stimmengewirr in allen möglichen Sprachen, schmecke Wiener Schnitzel im „Heimwerk“ und Kaiserschmarrn To Go von „Café Rischart“.

Mädchen und Mann essen Schnitzel

Der Oktoberabend gibt alles, um lau und mediterran rüberzukommen, während wir durch die Altstadt, die Fußgängerzone und über den Viktualienmarkt streifen. Nahe des komplett verrammelten Odeonsplatzes, wo derzeit eine Riesenbaustelle ist, steigen wir in die Tram 19 und fahren entlang der Maximilianstraße mit all ihren Prachtbauten, Edelläden und Fünf-Sterne-Hotels. Leider ist es da schon dunkel und die Gebäude energiesparbedingt nicht beleuchtet, so dass wir beschließen, die Tour nochmal am nächsten Tag zu machen. Die Straßenbahn mit der Nummer 19 bietet sich an, wenn man einfach mal einen kostengünstigen Überblick über die Schönheiten der Münchner Innenstadt bekommen will. Mehr Infos dazu gibt es auf Muenchen.de.

Wir nehmen die S-Bahn zurück zur Allianz Arena und sind sehr froh, die Räder am S-Bahnhof geparkt zu haben. So sind wir nach 10 Minuten im Dunklen durch den kalten Abendwind (ja es ist in der Tat schon Oktober) wieder zu Hause. Denn genauso fühlt sich unser Wohnmobil für uns an. Wir bleiben einfach noch ne Nacht länger hier beschließen wir, einfach, weil wir es können. An diesem Abend dämmert uns, dass uns wohl das Womo-Fieber erfasst hat und die verbleibende Urlaubswoche viel zu kurz ist! Eingekuschelt in unsere Höhlen und mit dem beruhigenden Rauschen der Autobahn im Ohr, schlafen wir mit diesem Gedanken einem neuen Tag entgegen.

Beste Grüße Eure Nachbarin – angekommen

 

 

Mit dem Fahrrad durch München