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Bei Melanie in Malans

Bei Melanie in Malans

Umso froher machten wir uns nun an die nächste Etappe, die uns zu einer lieben Freundin und Patentante von Tochter Hose in die nördliche Schweiz führen sollte. Was soll ich sagen, dieser Teil der Tour war einfach atemberaubend. Zwei Eindrücke sind mir am klarsten in Erinnerung. Der Blick aus unserem Cockpit auf den Lago d’Isola am San Bernadino Pass, in dem sich die herbstlich bunten Uferbäume so eins zu eins widerspiegelten, dass man das Bild hätte einfach umdrehen können. Und dann die sich hinaufschraubende Autobahn 13, die in so engen Serpentinen über den Pass verläuft, dass man das Gefühl hat, man fahre gerade parallel an sich selber vorbei. Weit oberhalb verlaufen Brücken, die in die gleiche Richtung führen und es scheint unvorstellbar, dass man dort auch noch langkommt. Aber es passiert.

Hinter dem Rastplatz San Bernadino Nord ging es dann Richtung Nordosten ins Rheintal mit Kurs auf Malans, einem graubündener Bilderbuchort, wo wir bereits erwartet werden. Zum einen von unserer Freundin, die ein sehr leckeres Mittagsessen gezaubert hat, und zum anderen von einem fantastischen Stellplatz am Bahnhof, von dem aus wir in Null-Komma-Nichts im Ort sind und der uns ein bisschen mit dem Erlebnis am Lago Maggiore versöhnt. Zwar hätten wir hier über Nacht nicht stehen dürfen, aber für den Nachmittag sind wir perfekt platziert. Wir befinden uns in der Heimat von Heidi und dem Geißenpeter. Tatsächlich gibt es in der Nähe ein schönes Heididorf-Freilichtmuseum, das wir bei anderer Gelegenheit besucht haben. Direkt im Weinort Malans fährt im Sommer die quietschgelbe Älplibahn auf die Höhe.

Tochter mit KuhStellplatz Malans am Bahnhof

Nun ist es aber Herbst und der Oktober hat uns mit klassischem Nieselregen-Wetter wieder eingeholt. Aber wozu gibt es Regenjacken. Und so radeln (Papa Hose und Tochter Hose) und wandern wir mit unserer ortskundigen Begleiterin durch das Dorf und die angrenzenden Wiesen. Auf einem Bauernhof streicheln wir Katzen und Kühe, etwas weiter den Weg entlang baden zwei Hunde im Bach. Der Wind pfeift und ein paar Tropfen Herbstregen benetzen unsere Gesichter, aber die goldgelben Weinreben geben dem grauen Tag ein Leuchten. Gegen Abend verabschieden wir uns. Wir wollen heute noch bis zu unserem Übernachtungsort in Neu-Ulm.

Die Nachbarin – froh über die schöne Begegnung

Guten Abend, gute Nacht

Guten Abend, gute Nacht

Mittagsschlaf stärkt und so zieht es uns am späten Tag nochmal ans Meer. Wenn wir unser Wohnmobil pünktlich wieder zurückbringen wollen, müssen wir morgen los. Es ist also unser letzter Abend hier in Marina di Pisa. Wir schnallen die Kinnriemen unserer Fahrradhelme fest und düsen, nach einer ausgiebigen Streichelrunde unter diversen Katzen am Rande des Stellplatzes, über den Trammino in Richtung Abendrot. Und das hat es heute wirklich in sich. Ganze Armadas von Engeln müssen hier irgendwo Plätzchen backen.

 

Marina di Pisa im AbendrotHerz am Strand

Wir stellen unsere Räder an der verwaisten Promenade ab, suchen uns eines der menschenleeren Bagnos aus und toben im Sand und im knietiefen Wasser herum. Die Horizontlinie entzieht sich wegen eines aufgeschütteten Steinwalls unseren Blicken, dafür liegt das Wasserbecken abgeschirmt von der Brandung da wie ein Spiegel. Gleich oberhalb unseres Strandabschnitts steht ein einzelnes Wohnmobil, das auch gestern schon dort parkte. In der ersten Reihe, mit dem grandiosesten Meerblick aller Zeiten. Es scheint niemanden zu stören. Drin sitzen Vater und Sohn und es sieht einfach nur gemütlich aus. Abschied hängt in der Luft und Dankbarkeit für unseren Urlaub, die vielen Eindrücke, die harmonische Dreisamkeit, unser treues Gefährt und diesen letzten schönen Abend am Meer. Jetzt kann es nach Hause gehen.

Marina di Pisa am Abend

Die Nachbarin – dankbar

Mit dem Fahrrad vom Meer nach Pisa

Mit dem Fahrrad vom Meer nach Pisa

Was unseren Stellplatz in Marina di Pisa zum besten Stellplatz aller Zeiten macht, ist nicht die hohe Katzendichte (obwohl das Tochter Hose definitiv anders sieht). Es ist nicht die Lage beim Meer oder die zufriedenstellende Ver- und Entsorgungssituation. Nein, es ist die unmittelbare Nähe zum „Ciclopista del Trammino“, einem Radweg, der entlang einer ehemaligen Bahnstrecke angelegt wurde. Bis in die 1960er verband der Zug Pisa und Livorno über die Küste. Heute rollen hier Räder statt Waggons. 2020 wurde die Strecke neu eingeweiht und sie erfüllt Radlerwünsche, von denen man noch nicht mal wusste, dass man sie hatte: Das Ding ist eben, glatt asphaltiert, breit, führt viele Kilometer durch die Natur und ist durch Felder, Wiesen und Gärten von der parallel laufenden Straße getrennt. An diesem sonnigen und milden Oktobermorgen ist die Fahrradautobahn leergefegt und wie cruisen dahin wie der Wind. Unsere E-Motoren auf Highspeed, die Tochter auf ihrem normalen Fahrrad zwischen uns gespannt, geht es durch Alleen und an Bauernhöfen vorbei in Richtung Pisa.

Trammino di Pisa

Für alle die, die Strecke genau wissen wollen, bitte kursiv weiterlesen. Sonst überspringt den Absatz einfach.

Wir folgen der Piste bis zu Via Livornese, an der wir auf einem gut gesicherten, von der Straße getrennten Fahrrad- und Fußgängerweg, weiterfahren. Wir überqueren den Canale dei Navicelli. Dahinter wird es dann kurz etwas verkehrsreicher und wir müssen auf Autos und Busse achten. Dann aber führt uns der Trammino durch eine breite Unterführung in die baumbestandene Via Aldo Moro. Nach ein paar Metern schließt sich halb links ein reiner Radweg an, der zur Via Conte Fazio mit einem gesicherten Fahrradweg führt. Hinter einer Eisenbahnüberführung halten wir uns halb rechts, überqueren die Via Porta a Mare und rauschen durch das Tor der Stadtmauer nach Pisa hinein. Wir folgen der Straße Largo Uliano Martini, bis zu einer stärker befahrenen Kreuzung, schieben unsere Räder über die Straße und tauchen in die Altstadt ein. 

Arno und Dornenkirche in Pisa

Die ruhige Via San Antonio führt uns direkt zur wunderschönen Kirche Santa Maria della Spina am breiten Fluss Arno. Ein Kleinod, das vom Giebel bis zum Fundament mit Figuren und Türmchen verziert ist. Früher wurde hier als Reliquie ein Dorn der Dornenkrone aufbewahrt, daher heißt sie auch Dornenkirche. Nach einer Pause zieht es uns weiter. Der Schiefe Turm wartet. Ein Hüpfer noch über die Ponte Solferino und geradeaus über den Piazza Solferino in die Via del Roma hinein und schon nehmen wir direkten Kurs auf unser ultimatives, erträumtes Urlaubsziel. Mit jedem Meter, den wir uns nähern, wird es voller. Ein Sprachengewirr umfängt uns. Touristen mit Rollkoffern blockieren den Weg. Die ersten Souvenirläden tauchen links und rechts der Strecke auf. Und dann öffnet sich vor uns die weitere Piazza dei Miracoli und wir haben es tatsächlich geschafft! Wir sind mit dem Wohnmobil bis Pisa gefahren und stehen nun vor dem leibhaftigen schiefen Turm!!!!! (Das ist wirklich ein paar Ausrufezeichen wert ;-))

Tochter Hose fotografiert den schiefen Turm

Aller innerer Unkenrufe und Zweifel zum Trotz hat alles super geklappt und so betrachte ich staunend und immer noch etwas ungläubig die prächtigen Bauten, die sich hier stolz in der Vormittagssonne in Szene setzen. In der Mitte der Dom Santa Maria Assunta, links davon das Baptisterium und auf der rechten Seite das weltberühmte Wahrzeichen der Stadt. Um uns herum ist jede Menge Trubel und  und ich frage mich, wie das in der Hauptsaison aussieht. Ein bisschen nervös behalte ich unsere Räder im Blick, während nun die obligatorischen Ich-halte-den-Turm-vom-Umfallen-ab-Fotos dran sind. Wer weiß, vielleicht läge das Ding ohne die tatkräftige Mithilfe der Touristen schon lange in Schutt und Asche…

Wir führen unsere Drahtesel über den Platz und stehen kurz darauf entzückt am Fuße des Turms. Hinauf wollen wir heute nicht, aber lassen ganz in Ruhe die architektonische Schönheit vor dem tiefblauen Himmel auf uns wirken. Bis es Tochter Hose zu den Souvenirläden und -stände zieht. Sie findet ein Seidentuch mit Toskana-Motiven und einen kleinen Glaskubus, in dessen Mitte ein eingravierter schiefer Turn zu schweben scheint. Ich kaufe mir eine neue Kappe, die der Ladenbesitzer mit einer langen Teleskopstange von der Decke seines vollgestopften Ladens angelt. Wir werfen einen Blick in einen beeindruckenden Innenhof, mit Säulengängen an allen Seiten. Hier ist der Sitz des Erzbistums Pisa. Dann überholen wir eine Touribimmelbahn und drehen ein paar Runden auf dem Piazza dei Cavalieri. Ein paar Meter abseits des schiefen Turmes ist es ruhiger.

Radeln in den Gassen von Pisa

Entspannt folgen wir den Gassen und überqueren schließlich wieder den Arno, diesmal über die Ponte die Mezzo. Auf der Suche nach etwas Essbarem, verfranzen uns ein bisschen hinterm Platz XX. Settembre und finden uns schließlich auf der belebten Einkaufsmeile Pisas wieder. Wir folgen einer Google-Empfehlung und lassen uns nach der Tour einigermaßen erleichtert auf den Außenstühlen der Pizzeria da Nando nieder. Die 4,6 Sternebewertung von Google lügt nicht und so genießen wir fantastische Pizza (was sonst) inmitten von Studis, Einkaufsbummlern, Geschäftsleuten und ein paar Touristen. Es tut gut, einfach nur zu sitzen und die Leute zu beobachten. Dolce far niente. So fühlt es sich an.

Ein Teil von mir möchte sich im Fresskoma jetzt auf den Beifahrersitz eines nahe geparkten Autos knallen und die Rückfahrt ebenfalls mit Nichtstun verbringen. Aber so ist das, wenn man mit dem Wohnmobil unterwegs ist: Vor das Bett für die Siesta hat der liebe Gott die Rückfahrt mit dem Fahrrad gesetzt. Und so schwingen wir uns wieder in den Sattel und passieren den Platz Vittorio Emanuele II. Der Name erinnert zwar an das Monument in Rom, der Ort kann jedoch mit seinem Namensvetter nicht wirklich mithalten. Wir radeln an der Kirche Sant‘ Antonio Abate vorbei auf die Largo Uliano Martini und folgen unserem Hinweg einfach zurück. Bald schon sind wir aus der Stadt heraus und schaffen die Kilometer bis zu unserem Stellplatz in einer knappen Stunde.

Ein bisschen müde, aber mit dem tollen Gefühl alles erreicht zu haben, was dieser Urlaub versprochen hat, ziehen wir uns in unseren Camper zurück.

Sehr froh und ein bisschen stolz, Eure Nachbarin

 

Guten Abend, gute Nacht

Labyrinthe bezwingen

Labyrinthe bezwingen

Wer sich die italienischen Autobahnauffahrten und -abfahrten ausgedacht hat, hat auf jeden Fall Sinn für Humor! Eine Labyrinth ist nicht verschwurbelter, als diese Straßenführung. Die wurde mir schon mal vor 20 Jahren bei  Neapel zum Verhängnis, als wir statt auf die A3 Richtung Amalfiküste zu wechseln, vom Weg abkamen und im Slum landeten, wo mir meine Tasche aus dem fahrenden Auto geklaut wurde. Aber das ist eine andere Geschichte. Heute wollen wir in den Sigurtapark und dazu müssen wir wieder auf die Autobahn, die ich an sich sehr liebe, denn es ist kaum was los, andererseits aber eben auch fürchte, weil man mit dem Wohnmobil nicht gerne Abfahrten verpasst. Wenn ich auch nicht glaube, dass hier in der Gardaseeregion irgendein Slum auf uns wartet.

Drauf auf die A4 kommen wir jedenfalls mit Bravour und cruisen im Sonnenlicht gemütlich Richtung Süden. Bei der Abfahrt passiert es dann. Statt auf die kleine Via Valeggio zu fahren, die dem Lauf des Flüsschens Mincio bis  Sigurta folgt, halten wir uns einmal zu weit links und stehen unversehens wieder vor dem Terminal zur Auffahrt. Und mit stehen, meine ich stehen, denn Papa Hose ist so verdutzt, dass er erstmal anhält. Ein unwirsches Hupkonzert der Trucks hinter uns, treibt uns dann erstmal rechts auf die Sperrfläche. Hier stehen wir nun dumm rum, an uns rauschen die LKW vorbei und ich habe keine Ahnung, wie wir hier wegkommen sollen.

Irrfahrt nach Sigurta

Ich wäre in der Situation am Steuer wahrscheinlich in lautstarke Panik ausgebrochen, aber mein Mann bleibt erstaunlich ruhig. Tonlos sagt er: „Dann müssen wir wohl jetzt wieder auf die Autobahn.“ – „Ja…“ – „Und zwar genau in die Richtung, aus der wir gerade gekommen sind.“ – „Äh, ja.“ – „Und wir müssen zweimal bezahlen. Einmal, wenn wir jetzt drauffahren und einmal, wenn wir ab- und dann wieder auffahren, um erneut hierher zu kommen.“ – „Das ist soweit akurat zusammengefasst…“ Vielleicht wäre es im Auto friedlich geblieben, wenn unsere Tochter sich nicht genau diesen Moment ausgesucht hätte, um im typischen Motz-Ton pubertierender Kids zu fragen: „Wann sind wir endlich dahaaaa???“

Sagen wir mal so. Die Stimmung ist danach deutlich angespannter als zuvor, und der Qualm, der aus den Ohren meines Mannes dringt, kann es gut und gerne mit den Rauchwolken aufnehmen, die hier in Italien immer noch von den Feldern wehen, wenn illegal Grünschnitt abgefackelt wird. Stumm legen wir die 7 Kilometer bis zur nächsten Ausfahrt zurück. Schwurbeln runter und wieder drauf – quasi der U-Turn auf dem Motorway – und stehen 20 Minuten später wieder an der Abfahrt Richtung Sigurta. Jetzt muss alles klappen, denke ich mit leicht schwitzigen Händen, sonst sehe ich schwarz für den Park. Und tatsächlich, mit vereinten Kräften fädeln wir uns in die richtige Spur für die richtige Straße ein und tuckern kurz darauf durch pittoreske Dörfchen und Landschaften.

Am Sigurtapark drehen wir dann nur eine einzige Ehrenrunde durchs Dorf, bevor wir auf einem kostenlosen, wunderbar großen und wunderbar leeren Parkplatz parken. Hier könnte man fast die Nacht verbringen, denke ich mit besorgtem Seitenblick auf meinen Mann. Nach dem Kampf mit der Flasche und dem italienischen Autobahn-Labyrinth wirkt er etwas angeschlagen. Doch dann passiert das Wunder, das immer passiert, wenn wir auf die Räder steigen. Entspannung kehrt ein. Wir radeln – nach einem kleinen Abstecher zum Supermarkt (der Mann braucht Nahrung!) – zum Park.

Im Kassenhäuschen am wunderschönen historischen Eingang sitzt eine wortkarge, schlecht gelaunte Frau. Hach! Fast bekomme ich Heimweh… Kurz darauf parken wir unsere Räder in einem Schuppen, in dem schon jede Menge Kinderwagen stehen und schnappen uns ein Golfcart. Wir folgen dem ausgeschilderten Rundweg in den Park hinein und mampfen dabei gebrannte Mandeln aus dem Supermarkt. Eine Stunde haben wir das Golfcart gebucht, danach wollen wir das Ganze nochmal mit den Rädern besichtigen.

Sigurta-Park Mädchen macht Schneeengel auf Rasen

Immer wieder steigen wir aus. Die Sonne strahlt und bringt das Grün der weiten englischen Rasenflächen zum leuchten. Tochter Hose tobt und rollt herum und lässt die letzte Anspannung des Vormittags zwischen die Halme gleiten. Wie sehen Denkmäler und Schlösschen, ein Hirschgehege und eine Farm, füttern Ziegen und fahren an Wasserbassins mit Seerosen und großzügigen Beeten mit Landrosen vorbei. Wie schnuppern uns durch den Kräutergarten, während Töchterchen Eidechsen jagt und wechseln uns alle drei am Steuer ab.

Mädchen füttert Ziege durch Zaun Mädchen streichelt Esel Schmetterling auf Blüte

Nach eineinhalb Stunden stehen wir wieder am Cartstand und müssen keinen Aufpreis zahlen, obwohl wie so überzogen haben. Nett! Nach einem kleinen Imbiss am kleinen Imbiss, erkunden wir den Park dann nochmal in Ruhe mit unseren Rädern. Für 600.000 Quadratmeter braucht man eben Zeit. Auf dem Bauernhof lernen wir zwei schmusige Esel und eine Schar lustiger Hühner kennen. Und im Eibenlabyrinth lernen wir unsere Tochter kennen. Aber so richtig!!

Labyrinth-Brücke Mitte des Labyrinthes mit Tempel

Versiert stürmt sie zunächst durch die Reihen und schafft es als erste auf die Aussichtsbrücke. Papa Hose, der Fuchs, schaut sich von dort den Weg bis zum Mittelpunkt an und steht schließlich als erster am Ziel. „Unfair“ ist noch das freundlichste gebrüllte Wort, das unser Tochter für diese Vorlage parat hat. Wahrscheinlich fühlte sie sich unbewusst an unseren morgendlichen Autobahnritt erinnert. Ich beruhige meine Tochter – irgendwann – und freue mich für meinen Mann, der nach dem denkwürdigen Vormittag einen Egoboost gut vertragen kann. Sein Ergebnis des Tages: Eine Flasche gekillt und gleich zwei Labyrinthe bezwungen!

Eure Nachbarin – im Grünen

 

 

Ach du heiliger Ibis – Begegnungen in Parma

Der Zug ist abgefahren…

Der Zug ist abgefahren…

Das ist die Geschichte von Familie Hose und der italienischen Eisenbahn. Wir werden zumindest in diesem Urlaub keine Freunde mehr. Alles beginnt mit der Idee, den Sonntag im 40 Kilometer entfernten Verona zu verbringen. Die Regenfront, die heute eigentlich von Ost nach West durch Italien ziehen soll, scheint sich einen anderen Weg gesucht zu haben. Dafür ist es ein bisschen frisch, so dass noch nicht mal meine Familie an einen Strandtag denkt. Ideal also für eine Städtetour.

Aber wie kommen wir da hin? Das Wohnmobil wollen wir nicht bewegen, es lebt gerade in einer so schönen Koexistenz mit Stellplatz 7. Mit dem Rad ist es zu weit, schließlich haben wir ein Pubertier ohne (E-)Antrieb dabei. Mein Mann will nicht mit dem Bus, weil „der gurkt rum und hält ja an tausend Haltestellen“. Davon abgesehen scheitere ich grandios daran, den kryptischen Fahrplan zu verstehen, was vor allem daran liegt, dass nirgendwo der Name der Bushaltestelle steht, die sich direkt vor unserem Platz befindet. Bleiben also noch Helikopter, Gummiboot oder der Zug, für den wir uns schließlich nach zwei Stunden Diskussion entscheiden. (Hätten wir doch den Helikopter genommen…)

Busfahrplan

Die Bahn nach Verona fährt natürlich nicht um die Ecke ab, sondern in 30 Fahrradminuten Entfernung. Also mal wieder aufsitzen und los. Die Tour zieht sich dann doch ganz schön, weil der Bahnhof von Desenzano nicht in Downtown liegt, sondern irgendwie in den Hügeln – am höchsten Punkt der Stadt. Vielleicht sollten wir bei der nächsten Routenplanung das Höhenprofil mit einbeziehen. Aber schließlich sind wir da.

Damit wir die Räder nicht anschließen müssen, bleibt Papa Hose draußen und ich gehe mit Tochter Hose rein, um Tickets zu kaufen. Am Fahrkartenschalter stehen jede Menge Leute an und so gehen wir lieber zum Automaten. Eine Weile stehen wir verständnislos davor, bis wir merken, dass es sich um ein Zigarettenautomaten handelt. Etwas peinlich berührt schauen wir uns weiter um. Schließlich werden wir am anderen Ende des Ganges fündig und schaffen es sogar ohne Probleme drei Hinfahrtickets für 20 Euro zu ziehen.

Kurz darauf stehen wir wieder vorm Bahnhof. Was nun? Nochmal ganz runter in die Altstadt und dann wieder rauf? Oder eine Stunde warten bis der Zug fährt? Wir entscheiden uns für die Stadt, lassen uns rollen und setzen uns dann auf eine Bank an der schönen Promenade. Leute und Hunde gucken geht immer, und das Wasser hat heute einen Farbton wie in der Karibik. Lange halten wir uns nicht auf, denn Verona ruft.

Räder am Hafen von Desenzano Anleger in Desenzano Gassen in Desenzano

Etwas außer Atem, doch voller Vorfreude stehen wir wieder pünktlich vorm Bahnhof. Romeo und Julia – wir kommen. Etwas umständlich schließen wir die Räder an drei verschiedenen Stellen an und verstauen alles, was nicht wertvoll ist und nicht mit muss in den Satteltaschen. Nun kann es losgehen. Dynamischen Schrittes entern wir das Gebäude und zucken zusammen, als wir den Bildschirm mit den Abfahrtszeiten sehen: Alle Züge nach Verona sind gecancelt.

Ein in der Zwischenzeit am Fahrkartenautomaten angebrachter Zettel informiert uns über den heutigen Streik der Bahner im Regionalverkehr. „Der hing vorhin aber noch nicht da“, sage ich meinem Mann und stürme zum Fahrkartenschalter. Kopfschüttelnde Menschen kommen mir entgegen, andere stehen gestikulierend am vorderen Ende der Schlange. Hinter der Glasscheibe bedauernde Mienen. „Nein, heute wird kein Zug mehr nach Verona gehen. Vielleicht am Abend, nach neun.“ Unser Geld bekommen wir leider auch nicht wieder, denn wir haben die Karten ja am Automaten gekauft, das ist ein anderer Betreiber. Es gibt aber eine Verkaufsstelle, wo wir versuchen können, unser Geld zurückzubekommen. „Und wo ist die?“ – „In Verona!“

Die nächsten zehn Minuten verbringen wir damit, unsere Köpfe vor die Bahnhofswand zu schlagen. Dann lassen wir uns seufzend den Berg wieder runterrollen und stehen kurz darauf wieder in der Altstadt von Desenzano. Ehrlicherweise könnte es uns schlimmer treffen. Und so lockert der romantische Yachthafen schließlich unsere verspannten Gesichter und entkrampft unsere geballten Fäuste. Das Leben muss ja weitergehen.

Mann und Kind entdecken einen Hummer (vielleicht auch eine Languste), der/die aussieht, als hätte sie sich gerade im angrenzenden Restaurant aus dem Kochtopf gerettet. Immer noch aufgeregt und schweratmend (das sehen wir nicht, aber das denken wir uns) sitzt sie auf einer Stufe am Wasser. Kurz darauf beobachten wir, wie sie sich ins rettende Nass plumpsen lässt. „So ihr Feinschmecker, heute gibt es Pizza statt Meeresfrüchte.“ (Schmeckt eh viel besser!)

Blumige Promenade von Desenzano Mädchen springt in einem Herz vor dem See Blick durch Zypressen auf Desenzano

In einem kleinen Imbiss gönnen wir uns denn auch die zweite Pizza des Urlaubs und sie ist ganz anders, aber genauso grandios wie die erste. Ich möchte diese Pizza heiraten, aber ich bin ja schon vergeben. Und so begnüge ich mich damit, sie gierig zu verschlingen. Wir verbringen diesen Tag schlendernd in den Gassen und genießen einen Weitblick vom „Castello di Desenzano del Garda“ über die Dächer und den See. Die Besichtigung des Kastells verkneifen wir uns. Es kostet Geld und das steckt ja bekanntlich in den nutzlosen Bahntickets, die wir an diesem Tag mit uns herumtragen. Auf dem Rückweg stoppen wir noch an einer im Internet vielbesungenen Konditorei. Nach diesem Tag steht uns Großen der Sinn nach süßen italienischen Gebäck.

Das Kind entscheidet sich klugerweise für ein Crêpe mit Nutella. Gott sein Dank, denn als wir draußen herzhaft in unsere verheißungsvollen Törtchen beißen, stellen wir fest: Sie sind tiefgefroren! Und Theater hätte ich heute nur in der Arena von Verona ertragen. Okay, vielleicht war dieser Tag nicht durchweg unser Freund, aber das alles verblasst vor der atemberaubenden norditalienischen Kulisse. Hier kann man einfach nicht lange griesgrämig sein. Zurück am Womo beschließen wir trotzdem, unsere Reise am nächsten Tag fortzusetzen. Pisa ruft!

Beste Grüße Eure Nachbarin – heute nicht ganz so erfolgreich, aber glücklich!

 

 

Der mit dem Sanitärzusatz tanzt

Mit dem Fahrrad durch München

Mit dem Fahrrad durch München

Der nächste Morgen weckt uns mit Sonnenstrahlen. Ein perfekter Tag, um die Räder zu bewegen. Im Internet lese ich von Fahrradwegen, die direkt hier an der Allianz Arena beginnen. Also schnell mit dem Blick auf die eindrucksvolle Heimstadt des FC Bayern gefrühstückt und die Drahtesel gesattelt. Eine Bremse ist mal wieder verstellt, aber Selbstmade-Zweiradmechaniker Papa Hose richtet es in Minutenschnelle. Dann geht es in Richtung Isarauen, die sich so ziemlich unmittelbar an das Arena-Gelände anschließen. Geil! Schon tauchen wir in den herbstlich gefärbten Wald ein und erreichen nach einer Viertelstunde die schöne, wilde und bootsfreie Isar. Als Rheinländer, für die ein Fluss eigentlich die größte Straße einer Stadt ist, mal ein ganz anderer Eindruck. Entspannt (ich) und nicht ganz so entspannt (Tochter/hasst Schotterwege) radeln wir am Fluss entlang, bis wir den englischen Garten erreichen.

Raupe vom Buchenstreckfuß oder BuchenrotschwanzEin Schild erzählt uns erstmal, wo wir in den Parkanlagen nicht fahren dürfen ( auf Wegen, an denen Bänke stehen). Leider gibt es keine Auskunft, wo man fahren darf oder wo wir hier überhaupt sind. Also einfach mal weiter und gucken, wie die anderen fahren. Die Antwort lautet: kreuz und quer. Während einer kleinen Pause macht unsere Tochter das, was sie draußen immer macht: In der Natur rumstochern. Sie findet dabei eine krassgelbe Raupe mit rotem Schwanzbüschel. Exotisch, dieser Englische Garten, denke ich, bevor mir Wikipedia erklärt, dass der Buchenrotschwanz eigentlich überall in Deutschland weit verbreitet ist. Da müssen wir erst nach München kommen, um das zu bemerken. Die Stimmung unserer Tochter heilt das nur für ein paar Meter. Dann wird sie/es ihr schon wieder anstrengend. Okay, wir haben E-Bikes, sie nicht. Aber ist doch schön hier!

Über verschlungene Wege erreichen wir schließlich den Chinesischen Turm, nur um festzustellen, dass er gerade bis oben eingerüstet ist. An dieser Stelle kommt mir der Gedanke, dassEingerüsteter Chinesischer Turm im Englischen Garten wir vielleicht doch bis Pisa fahren müssen, damit ich dem mäßig beeindruckten Nachwuchs einen wirklich coolen Turm präsentieren kann. Vorerst beschließen wir bei strahlendem Sonnenschein bis zum Maximilianeum weiterzufahren, die Räder dort abzustellen und dann nochmal in die Tram 19 zu steigen. Nach einem Abstecher zum Rewe (Essen und Trinken hebt die Laune unserer Mini recht zuverlässig), einer Pause bei den Mandarin-Enten am Achtersee (ich hätte sie eher am Chinesischen Turm vermutet) und einer weiteren an den Isarkaskaden, erreichen wir den Bayerischen Landtag.

Mittlerweile bin ich schweißgebadet, denn auch wenn die bajuwarische Hauptstadt gut mit Fahrradwegen ausgestattet ist, so ist der Verkehr auf der Straße UND den Wegen doch reichlich und ich mache mir Sorgen, um unsere Dorfmaus. Entsprechend erleichtert schließe ich mein Rad im Auge der Landtags- Überwachungskameras an. Hier sollten sie sicher stehen. Die Tram beschert uns nochmal wunderbare Eindrücke der Maximiliansstraße im Hellen, bevor sie uns am Stachus ausspuckt, wo unsere Tochter sich gleich so enthusiastisch in den Springbrunnen stürzt, dass sie klatschnass wird. So richtig warm ist es nicht, die Sonne hat sich verzogen und so gebe ich ihr mein Leibchen (kids first) und friere mir hernach so den Arsch ab, dass ich spontan einen Hoody aus Biobaumwolle im C&A erstehe.

Nass werden am Stachus (Mädchen im Springbrunnen)Türkisch essen wie beim Mama

 

 

 

 

 

 

Mittlerweile hat auch mein Mann Hunger und jetzt ist höchste Eile geboten. Wir suchen uns was Landestypisches und essen Türkisch wie daheim in Mama’s Küche. Im Falle meines Mannes stimmt das sogar ungefähr, weil er sieben Jahre seiner Jugend in Antalya verbracht hat. Das Essen in dem niedlichen kleinen Hinterhof katapultiert ihn in die goldenen Neunziger zurück und macht ihn glücklich, wie ein kleines Kind. Auch unsere Tochter ist mehr als angetan. Mir selbst reicht es, den beiden beim Schlemmen zuzusehen und mich mit ihnen zu freuen. Derart abgefüllt wagen wir noch einen Abstecher zur unfassbaren Asamkirche, der sich wirklich lohnt.

Asamkirche München Innenansicht Allianz Arena Gang

Zurück geht es mit der Tram 19 zu den Rädern und dann an der Isar entlang bis zur 12 km entfernten Allianz Arena. Dort entdecken wir, dass Menschlein ein- und ausgehen und beschließen, uns das spannende Gebäude mal näher anzusehen. In den leeren Gängen riecht es nach Weißbier und Wurst. Die Füße kleben auf dem pappigen Asphalt. Die Wände zieren überlebensgroße Gemälde von Lahm, Müller und Co. Fasst meint man skandierende und jubelnde Fans zu hören, aber es ist nur der Wind, der durch die leeren Ränge pfeift. Den Abend lassen wir gemütlich im Wohnmobil ausklingen, kochen uns was auf unseren Gaskochplatten und spielen Dixit, das während der Fahrt unser Standardspiel werden soll. Ach, die Welt ist schön!

Beste Grüße von Eurer Nachbarin (erfüllt)

 

 

Ver- und Entsorgung und ein Schnack auf Englisch