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Leben am seidenen Draht

Leben am seidenen Draht

Vor Kurzem war es wieder da: Das Gefühl, dass hier irgendetwas faul ist. Meine Kollegin in Bonn spürte es auch und unkte schon etwas von einem Mobbing-Angriff auf Rothaarige. Vielleicht ist es aber auch das neue Jahr, dem sämtliche technische Errungenschaften zum Opfer fallen… ohne dass darüber in den Medien berichtet wird… weil denen auch grade der Redaktions-PC abstürzt. Oder es ist eine höhere Macht, die mir mitteilen will, dass ich einfach spontan ins Wochenende gehen soll…

Es fing alles ganz harmlos an, mit meiner Kamera, die ich zweimal im Monat einsetze und zwar für Nahaufnahmen, die ich mit meinem Handy so nicht hinkriege. Und für Nahaufnahmen braucht man? Genau! Ein flexibles Rückgrat, je nachdem, wo sich das Objekt befindet UND einen Fokus. Und genau diesen boykottiert meine Kamera im Moment genauso, wie den ebenso wichtigen Auslöser. Also jedenfalls, wenn ICH ein Foto mache.

Ich bin ja der Meinung, man kann auch mal was Neues kaufen, wenn das Alte – nun – halt eben alt ist. Mein Mann sieht das grundsätzlich völlig anders, schont damit Umwelt und Geldbeutel, aber nicht meine Nerven, wenn mir mal wieder die Argumente ausgehen. Denn er hat etwas, was ich nicht habe: Einen Draht zum Gerät. Wenn er also die Kamera nimmt und wild triumphierend rumknipst, um mir zu beweisen, dass es noch laaaaaaaaange nicht Zeit für eine neue ist, funktioniert sie einwandfrei. (Da ist er wieder der Unterschied zwischen Männern und Frauen, der ja meist beim Öffnen von Drehverschlüssen zutage tritt und durch die Kombination Informatiker (schlau) und Geisteswissenschaftlerin (geht so) regelmäßig potenziert zu werden scheint.)

Nur der Anfang…

Jedenfalls war besagte Kamera ja nur der Anfang. Am Nachmittag rief ich meinen Mann auf dem Handy an und er verstand mich nicht und ich verstand ihn nicht. Das ist an sich nichts Ungewöhnliches, nur dass es diesmal wirklich daran lag, dass wir uns nicht hörten. Wir wiederholten das Spiel an diesem Tag noch ein paarmal und ich übte zwischendurch auch noch mit einigen Handwerkern, die das eher weniger lustig fanden.

So richtig spannend wurde es dann am nächsten Morgen. Es sollte ein ertragreicher Homeoffice-Tag werden. Als ich mich im Hausflur von Mann und Kind verabschiedete, streikte die Beleuchtung. Als ich meine ersten Whatsapps und Mails des Tages auf dem Handy checken wollte, passierte nichts. Das Gleiche auf iPad und Laptop. So langsam dämmerte mir, dass ich wohl das Internet gelöscht hatte oder zumindest aus Versehen das W-Lan-Kabel gekappt, denn in der Regel bin ich es, die so was kaputt kriegt.

Dreimal rief ich bei Unitymedia an und es war besetzt, „Wat denn? Noch nicht mal mehr ne Warteschleife?“, wunderte ich mich, bis mein Mann, der gerade aus der Kita zurückkam berechtigterweise daraufhin wies, dass, „wenn Internet nix gäht, Telefon nix gäht“. Ach ja. Also Kamera nicht, Handy nicht, Internet nicht, Telefon nicht… Mein hilfloser Dackelblick prallte an ihm ab. Er drückte mir sein Diensthandy in die Hand und entschwand. Ich erreichte dann zunächst besagte Kollegin mit der ich die Haarfarbe teile und die mir auf mein Lamento hin erzählte, dass ihr Ofen kaputt sei, der Abfluss verstopft und die Heizung kaputt und zwar dergestalt, dass sie immer auf höchster Stufe läuft und ihre Rente und das Erbe ihrer Kinder aus dem weitgeöffneten Fenster bläst.

Empfindlich kalt

Irgendwie versöhnte mich das, bis ich beim Stichwort „Heizung“ merkte, dass es doch empfindlich kalt um mich herum war. Fröstelnd zog ich meine Strickjacke enger und lief von Heizkörper zu Heizkörper, nur um festzustellen: alle aus! Wild drehte ich an den Thermostaten, aber nichts tat sich. Neben der Kamera, dem Handy, dem Internet und dem Telefon hatte mich nun auch noch die Heizung verlassen. Entkräftet sank ich aufs Sofa, um mir zum Trost ein paar Minuten meiner Lieblingsserie reinzuziehen, doch: Auch der Stream lief ja nicht ohne Internet…

Ich ergab mich in mein Schicksal und griff nach dem Diensthandy meines Mannes, um nochmal bei Unitymedia anzurufen. Nach zweimaliger Eingabe der Kundennummer und der Beantwortung verschiedenster Fangfragen zur Identifikation (Name des ersten Haustieres, Lieblingsessen, Körbchengröße)  begab ich mich mit dem netten Herrn aus dem Süddeutschen auf Ursachenforschung. Sie führte mich schließlich hinter den Weihnachtsbaum, wo ich kopfüber vom angrenzenden Sofa hängend nach der Fritzbox schaute, die an einer Multimediabox angeschlossen sein musste. Gerade als ich fragen wollte, was denn z.T. eine Multimediabox sei, war plötzlich das Gespräch weg.

Auch egal, dachte ich und rief meine Vermieterin an, um sie über die nichtlaufende Heizung zu informieren. Dann wickelte ich mich in eine Decke, setzte mich und wartete auf den Elektriker. Ansonsten tat ich nichts. Ich arbeitete nicht, ich chattete nicht, ich surfte nicht, ich telefonierte nicht, ich sah nicht fern. Ja, ich las auch nicht, denn der Akku meines Kindles war ebenfalls leer.

Wenn der Postmann gar nicht klingelt

Nicht mal der Postmann hätte klingeln können, denn, wie ich später erfuhr, war auch die Türglocke vom Stromausfall betroffen, welcher bei uns Licht, Heizung und Internet lahmgelegt hatte. In solchen Situationen werden Kinder gezeugt, aber ich war ja alleine. Also besann ich mich aufs Wesentliche und öffnete eine Packung Dominosteine. Zwei Stunden und 20 Dominosteine später war der Elektriker da und machte alles wieder heile: Die Heizung, die Klingel, den Fernseher, das Internet, das Telefon und das Flurlicht. Mit EINEM Draht. Mein Leben hängt an einem Draht, wie bei den Seiltänzern, dachte ich, bevor ich mich in die Arbeit stürzte.

Am Abend kam mein Mann und nahm sich meines Handys an. Er wechselte die SIM-Karte, machte hier einen Test, da einen Test und pustete schließlich dreimal ins Gerät. Seitdem läuft es wieder! Und mein Seiltänzer-Dasein geht weiter, als wäre nichts gewesen…

Es grüßt Euch – digital wie immer

Eure Nachbarin

Die Weihnachtsmaus

Die Weihnachtsmaus

Ich weiß nicht, ob mir jemand bewusstseinsverändernde Substanzen in den Weihnachtstee gekippt  hat oder das 25stigste Lebkuchenherz mit Marmeladenfüllung irgendwie schlecht war. Jedenfalls, wenn man mich fragt, geht es hier in letzter Zeit nicht mehr mit rechten Dingen zu.
Alles begann mit einer Weihnachtsmaus. Nachdem meine Tochter ja bereits am zweiten Weihnachtstag mit einer dicken Grippe die Segel gestrichen hatte, war mein Nachtschlaf zwischen den Jahren empfindlich zu kurz gekommen. Weshalb mein mich liebender Mann, generöserweise vorschlug, ich solle meine Zelte doch mal auf der Wohnzimmercouch aufschlagen und damit ungefähr 30 Meter und zwei Türen entfernt vom nächtlichen Dauerhustenanfall meiner Tochter.
Knusper, knusper, knäuschen…
Gesagt, getan. Ich schlief den Schlaf der Gerechten. Bis genau 1:00 Uhr. Dann hörte ich ein verdächtiges Knuspern aus der Küche. Es klang haargenau so, als würden sich zwei Nagezähnchen in eine Umverpackung graben. Ich kenne das Geräusch, denn ich habe einschlägige Erfahrungen mit ‚Maus in Zimmer‘, seit ich im Jahr 2005 ein Praktikum auf dem Lerchenberg gemacht und ein Zimmer auf
einem nahegelegenen Bauernhof bewohnt habe.
Ich finde ja solcherlei Getier ganz süß, mit ihnen in einem Raum nächtigen möchte ich aber eher weniger. Also schnappte ich mir mein Kindle und leuchtete unauffällig in die Küche, um den Verursacher des Geknurpses in Flagranti zu erwischen. Das Geräusch verstummte. Ich machte das Deckenlicht an und ging auf Spurensuche. Nichts! Also schob ich das Intermezzo auf einen meiner Schlafwandelanfälle und legte mich wieder hin.
Bis drei Uhr. Da knabberte es wieder. Und zwar unter dem Weihnachtsbaum. Diesmal hörte es sich an, wie Nagezähnchen in Karton. Ich war zu erschöpft und dämmerte spontan wieder weg. Bis Viertel nach drei. Da hörte ich: Nagezähne in Holz. Emsig! Und zwar ungefähr einen Meter von mir entfernt. Direkt unter dem Wohnzimmertisch. Sobald ich mich bewegte, hörte es auf.
Nun hätte ich das Geheimnis an dieser Stelle wohl lüften können, hätte mich nicht eine völlig irrationale – sicherlich der Übermüdung geschuldete – Panik ergriffen, unter dem Tisch könne sich KEINE Maus, sondern
eine Beutelratte, ein mutierter Holzwurm oder gar eine mit ihren riesigen Mahlzähnen holzschnitzelnde Monsterspinne verstecken. Ich tat also das einzig Vernünftige: Ich ergriff die Flucht und zog ins Kinderbett meiner Tochter um. Tür zu! Fertig! Dachte ich zu diesem Zeitpunkt jedenfalls noch.
Ein(e) Fall(e) und keine Lö/osung
Ich schlief die restliche Nacht wie ein Stein und fuhr am nächsten Vormittag – es war der 30. Dezember – gleich zum Baumarkt, um eine Lebendfalle zu kaufen. Nur für was? ‚Wenn
es eine Beutelratte ist, reicht eine Mausefalle nicht. Und gibt es Lebendfallen für Säbelzahnspinnen??? Was tut man da rein? Einen Finger?‘, sinnierte ich vor mich hin, bevor ich dann etwas verwirrt doch nach der Mausefalle griff.
Dann rief ich die Experten in Sachen Nagetierfang an. Meine Eltern. 35 Jahre Erfahrung machen klug. „Für Mäuse muss man ein Brot dick mit Nutella beschmieren“, hörte ich. Da können die nicht widerstehen. ‚Das kenne ich von unserer Maus auch‘, dachte ich, und kaufte die etwas billigere Variante beim Aldi. Vielleicht war das der Fehler.
„Gibt es eine Losung?“, hatten meine Eltern noch gefragt, als ich meine Zweifel an der konkreten Form des Tieres offenbarte. „Eine Losung? Ihr meint so wie ‚Maus verschwinde aus diesem Haus!!!‘ Nein. Würde ich eine kennen, bräuchte ich ja keine Falle.“ Es ginge um die Ausscheidungen wurde ich belehrt. Außerdem könne ich nachts einen Apfel auslegen und einen Teller
mit Mehl bestäuben. „Mäuse sind neugierig! Ist eine da, wirst du auf jeden Fall Spuren darauf finden.“
Mit einem spitzen Schrei sprang ich aus dem Bett
Ich bereitete alles für die Nacht vor. Die Falle ließ ich nochmal weg, in der Angst, eine Beutelratte könnte sich in der zu kleinen Lebendfalle verfangen. Ich weiß, wie sich sowas anfühlt. Wenn ich nach
Weihnachten meine Alltags-Jeans wieder anziehe, hat es einen ähnlichen Effekt bis ungefähr nach der Fastenzeit. Das kann man keinem antun.
Aus persönlichen Gründen verbrachte ich die folgende Nacht gleich im Kinderzimmer und konnte nicht einschlafen, weil Töchterchen nebenan die Tonleiter rauf und runter bellte. Pünktlich um eins war es dann soweit.
Unter das Husten aus dem Schlafzimmer mischte sich ein zartes Knuspergeräusch aus der Küche. ‚Aha‘, dachte ich, ‚morgen sehe ich, welcher Gestalt du bist‘, und drehte mich entspannt zur Wand. Für etwa 10 Sekunden. Dann knusperte es gleich neben dem Bett – unter der Fensterbank.
Mit einem spitzen Schrei sprang ich auf und stürzte ich mit Decke und Kissen ins Schlafzimmer, um freiwillig den Nachtdienst anzutreten. ‚Immerhin‘ dachte ich, ‚das Bellen wird das ominöse Tier, das unter geschlossenen Zimmertüren hindurchpasst (!) bestimmt abhalten.‘ Mein Mann schleppte sich ins Kinderzimmer. Ließ sich mit – wie immer verstöpselten Ohren – auf dem Kinderbett nieder und wachte morgens mit einem „Ich hab nix gehört!“ auf. Na danke.
Der Mehlteller war unangetastet, die Apfelhälfte verschmäht, eine Losung auch heute nicht zu finden. Na warte! „Heute Abend bist du fällig, egal wer oder was du bist!“, rief ich provozierend ins Wohnzimmer hinein. Und während es am Silvesterabend langsam dämmerte überlegte ich kurz, ob es sich vielleicht um den Geist einer Maus handeln könnte. Einer Maus, die schon vor vielen Jahrzehnten in dieser Wohnung zu Tode gekommen war und sich nun, da wir bald ausziehen, nicht mehr an ihren Ehrenkodex gebunden fühlt.
Der Wind, der Wind, das himmlische Kind
„Ich glaube, ich werde ein bisschen verrückt!“, gestand ich meinem Mann, der vielsagend seine Mundwinkel kräuselte, aber dennoch brav die Lebendfalle bestückte. Brot und Nuss-Nougat-Creme satt. Aus Schaden klug geworden nächtigte ich nach dem Feuerwerk gleich mit Töchterlein im Schlafzimmer. Die Balkontür stand auf – wie immer, wenn sie hustet. Der Rollladen war genau so weit hinuntergelassen, dass eine zur Einsicht gekommene Maus (oder deren Gerippe) hinausgelangen könnte, Tiere von draußen sich aber keinesfalls eingeladen fühlen sollten.
In der Nacht hört ich im Schlafzimmer Geräusche. Kein Knabbern und Knarzen. Eher ein Rascheln und Huschen. Der Wind zerrte am Rollladen. Oder war es ein agiles Bündel mit oder ohne Fell, das mit Vehemenz
dagegen bollerte, um in die Freiheit zu gelangen. „Was ist das hier? Blairwitch Projekt???“, zitterte ich und zog mir die Decke über den Kopf.
Seither sind weitere Nächte vergangen, weitere Äpfel unangetastet, das Mehl im Müll, die Falle leer. Aber irgendetwas bringt mich um den Schlaf! Pienzt mich, ärgert mich! Immer in der ersten Nachthälfte. Heute Nacht, ich schlief todesmutig wieder mal im Kinderzimmer, sprang ich plötzlich auf. Ich hatte es gesehen, das Wesen. Keine Spinne, keine Beutelratte, keine
Maus. Äh, also doch. Quasi! Eine Fledermaus, die meinen Kopf umkreiste und mich und meinen panischem Puls aus dem Bett trieb. Als ich den Lichtschalter fand, sah
ich sie. Sie hockte oben im schaukelnden Kinder-Netzregal von Ikea und blickte mit spöttischen Teddyaugen auf mich herab…
Bis heute wusste ich nicht, ob diese Geschichte noch einmal ein Ende und ich zu meinem Nachtschlaf zurück finden würde. Aber letztlich hat meine Tochter hat den Bann gebrochen! Gemeinsam mit den Großeltern kam sie heute Nachmittag zur Tür hinein, pfefferte die Winterschuhe von den Füßen, fegte um die Küchenecke und „zack“ mit dem dicken Zeh in die Falle. Ein paar Tränen des Erschreckens bei ihr, ein paar herzliche Lachtränen bei uns und dann die erleichterte Erkenntnis: Endlich habe ich nun doch eine Maus gefangen!

 

Eure Nachbarin
Der verhinderte Countdown

Der verhinderte Countdown

Wie immer nach einer späten Nacht und einem viel zu frühen Morgen hat man ja nur ein Bedürfnis: bloggen. Also zumindest nachdem man den frühaufstehenden Familienteil verwünscht und sich einen Dominostein als Kaffeeersatz reingezogen hat. Dann fällt einem plötzlich auf, dass man unverzeihlicherweise an dieser Stelle weder Weihnachts-, noch Silvesterwünsche losgeworden ist. Das möchte ich hiermit nachholen: Frohe Weihnachten, einen guten Rutsch und natürlich für  2016 Euch allen nur das Beste. Und regt Euch nicht auf! So wie ich. An Silvester…

Ich erinnere mich ja nicht an viel, aber das Gefühl, dass ich an den Silvestern der vergangenen Jahre zur Stunde Null hatte, ist mir immer noch sehr präsent. Zum Beispiel der Jahreswechsel 2010/11, als ich – noch ganz unbewusst mit Töchterlein schwanger war. Damals schaute ich mit einem warmen, optimistischen Gefühl in den explodierenden Nachthimmel. Danach folgten Silvesternächte der bleiernen Müdigkeit junger Eltern schlecht schlafender Kinder. Und dieses Jahr?! War ich einfach nur stinksauer!

Ja, auch weil ich mir vielleicht den ein oder anderen Jahresrückblick zu viel gegeben hatte. Ich bin ja bekennender Nachrichtenvermeider. Da helfen alle guten Vorsätze nichts. Ich schaue sie nicht, ich höre sie nicht und ich lese sie nicht. Beim Jahresrückblick stelle ich dann immer wieder fest: Was wichtig war, habe ich mitbekommen und muss mich zum wiederholten Male fragen,  in was für einem Land/einer Welt wir eigentlich leben. Um den Rest war es definitiv (auch) nicht schade.

10, 9, 8…

Konkret stinkwütend war ich aber eigentlich auf Töchterlein. Seit Weihnachten schlage ich mir Nacht für Nacht um die Ohren, weil sie einen echt fiesen Infekt hat und dann gönnt sie mir nicht MEINEN COUNTDOWN! Ohne Countdown und anschließendes „Prost Neujahr“ ist es aber kein Silvester. Finde ich. Ich schaltete also um kurz vor zwölf den Fernseher an. Da war draußen das Feuerwerk schon in vollem Gange – aber wenn ich schon zähle, dann die wirklich letzten zehn Sekunden.

Ich mach also den Fernseher an, Tochter macht den Fernseher aus: „Das ist zu laut und stört mich…“ (…beim Erlauschen des infernalischen Infernos vor der Haustür, das übrigens jegliche TV-Dezibel problemlos übertönte). Aber ich wollte ja auch nur die Fernseher-Uhr. Also ich wieder den Kasten an, sie wieder aus. Entnervt ging ich in die Küche und holte unsere drei Gläser vom Abendessen, damit wir wenigstens anstoßen und uns zu Dritt in den Armen liegen konnten. Mehr als unklug, hatte in meinem Glas Saft, in den anderen aber nur Wasser. Und es war keine Zeit mehr, diesen unfassbar ungerechten Zustand zu ändern.

Während ich also den Fernseher wieder anstellte und tapfer rückwärts zählte, zeterte Töchterlein „Ich will auch Saft“, fiel dann kurz resigniert in sich zusammen „Ich feier nie wieder mit euch irgendwas“, bevor sie mir schließlich um zwei vor Zwölf in einem letzten Kraftakt des Jahres 2015 mein Glas entriss und mir ihres (klebrig, unansehnlich, bazillär verseucht) in die Hand drückte. Damit war nicht nur der Countdown gelaufen, sondern auch das fröhlich liebevolle Anstoßen unserer glücklichen Kleinfamilie.

GRRRRRRR!

Ich kochte, ich brodelte, ich war kurz davor gleich einer Batterie billigster Chinaraketen in der Nachthimmel zu steigen. Nach so einem Jahr… ohne auch nur eine Minute für mich… Undankbarkeit sondergleichen… nicht mal den kleinsten Wunsch… und dann noch die schlaflosen Nächte… dampfte ich vor mich hin, während ich mit Familie und steinernem Gesicht auf das grellbunte Gezische draußen vor der Balkontür schaute. Mein Mann legte beruhigend den Arm um mich, meine Tochter bedeckte mein Gesicht mit Küssen. Nichts half! Mein Jahreswechsel war versaut. Bis 12 Uhr 12. Da hatte ich mich beruhigt. Einfach so.

Nicht nachtragend zu sein hat gewisse Vorteile, denn so konnten wir noch mit den Großeltern und dem Bruder in Amerika telefonieren. Ich weiß nicht, wie es Euch so geht, aber mit einer Stinkwut bin ich noch nie ins neue Jahr gestartet. Das kann ja heiter werden…

In diesem Sinne Euch allen viele sonnige Tage und wenig Grund zum Wüten im neuen Jahr.

Wir schaffen das… (auch irgendwie noch). Es bleibt uns ja auch nichts anderes übrig!

Prosit Neujahr!

Eure Nachbarin