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Gedanken zur Verantwortung

Gedanken zur Verantwortung

Freundschaften sind nicht immer leicht, vor allem, wenn uns die Welt das ein oder andere Bein stellt. Und das tut es ja schon seit einigen Jahren. Gesundheitslage, Klimakrise und Kriege können nicht spurlos an uns vorbeigehen. Wir sind auf Wachstum und Verbesserung geeicht und kommen nicht gut damit klar, wenn wir uns zurückentwickeln Richtung Neandertal. Wer sich erschöpft fühlt, vom Leben und vom so  genannten Miteinander, grenzt sich gerne ab.

Während eines Streits sagte eine Freundin zur anderen, sie sei nicht dafür verantwortlich, dass es der anderen gut gehe. Das kann man drehen und wenden und entweder zu dem Schluss kommen, dass man sich für das Wohlergehen von nahestehenden Menschen verantwortlich fühlt. Oder aber, dass jeder seines Glückes Schmied ist und wir ihn im Leben nur begleiten. Nun ist es ja durchaus ein legitimer Ansatz, keine Verantwortung für das Glück anderer übernehmen zu wollen, man hat ja genug damit zu tun, dem eigenen nachzujagen.

Es gibt jedoch eine Verantwortung, der kann ich mich nicht entziehen. Sie entsteht, wenn es einem Menschen aufgrund meiner Handlungen und Worte (oder dem Ausbleiben derselben) schlecht geht. Es ist keine Verantwortung, die ich freiwillig übernehme, sondern eine, die mir zufällt, wenn ich jemanden verletze. Sei es bewusst oder unbewusst, vorsätzlich oder unbedacht und egal, ob ich die Reaktion des anderen verstehen kann oder nicht. Das heißt nicht, dass ich alles zurücknehmen und das Gegenteil behaupten oder gegen meine inneren Überzeugungen agieren muss.

Aber wenn ich eine Möglichkeit sehe, es für den anderen leichter zu machen, dann sollte ich das tun.

Die Nachbarin – nachdenklich

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Nein ist (k)ein ganzer Satz

Nein ist (k)ein ganzer Satz

Immer wieder stolpere ich in den sozialen Medien über „Nein ist ein ganzer Satz“. Darunter tausendfache, jubelnde Zustimmung. Ich habe dabei Bauchweh. Klar gibt es Situationen, in denen ein „Nein“ Aussage genug ist. Zum Beispiel, wenn die körperliche Unversehrtheit, Leib und Leben in Gefahr sind. Im alltäglichen Umgang jedoch, sage ich zu dieser Aussage „nein“. Würde jetzt nichts mehr kommen, würde dieser Beitrag keinen Sinn machen, denn so funktioniert Kommunikation einfach nicht. Die gleichen Menschen, die in den Kommentarspalten klatschen, bejammern an anderer Stelle die Verrohung der Gesellschaft und dass es überall an Empathie, Menschlichkeit und Mitgefühl mangelt.

„Nein ist ein ganzer Satz“ meint: Sieh mich! Wahre meine Grenzen! Beute mich nicht aus! Und bezieht sich in der Regel auf unfaire Chefs, hinterhältige Kollegen, zu viel Arbeit. Auf aufdringliche Nachbarn, distanzlose Freunde und dreiste Fremde. Auf zu viele Elternabende, eine Politik, die uns nicht abholt, dominante Eltern, aufsässigen Nachwuchs und sperrige Partner. Er sagt, bis hierhin und nicht weiter.

„Nein!“ – mit Ausrufezeichen, heißt, wir müssen es vehement sagen, um gehört zu werden und uns gleich noch mit zu überzeugen. Denn viel zu oft lassen wir es zu weit kommen. So weit, dass wir nicht mehr können. Immer wenn wir „ja“ sagen, obwohl wir „nein“ meinen, weil es uns eigentlich zu viel wird. Wenn ich zustimme – aus Höflichkeit, aus Pflichtgefühl, aus der Verantwortung heraus – oder weil es zu anstrengend ist, „nein“ zu sagen. Weil eh schon alles so anstrengend ist und ich lieber den Weg des geringeren Widerstands gehe und dann am Abend netflixe, um runterzukommen.

Alle, die „Nein ist ein ganzer Satz“ liken, denken dabei an bestimmte Situationen und einen bestimmten Menschen. Und vielleicht feiert dieser die Aussage gerade genauso, weil er sich an der gleichen oder aber einer anderen Stelle genauso fühlt. Klein und ausgelaugt, übervorteilt und ungesehen. In einer Zeit, in der man sich auf nichts mehr verlassen kann, wie es scheint. Deshalb ist „Nein“ in meinen Augen kein ganzer Satz. Wir müssen im Gespräch bleiben, auch wenn es erschöpft, wenn wir uneins sind, genervt oder sogar ernstlich voneinander angekotzt.

Ein „Nein“ hat eine Begründung verdient! „Nein ist ein ganzer Satz“ meint, ich habe es nicht nötig, mich zu rechtfertigen. Aber eine Erklärung ist keine Rechtfertigung. Sie trägt zur Verständigung bei, ist menschlich und empathisch, selbst wenn sie gebrüllt wird. Zur Rechtfertigung wird sie erst, wenn wir sie selbst so bewerten – aus Schuldgefühlen heraus oder weil wir Angst vor der Reaktion auf unser „Nein“ haben. Angst anzuecken, als schwach oder nutzlos zu gelten, Angst angegriffen oder fallen gelassen zu werden. Sagen wir einfach nur „nein“, nehmen wir diese Gefühle vorweg, eliminieren werden wir sie dadurch nicht.

Das heißt nicht, dass wir in Beziehungen, Arbeitsverhältnissen und familiären Gemengelagen ausharren sollten, die uns nicht gut tun. Dass wir die Zähne zusammenbeißen und einfach immer weitermachen sollten. Im Gegenteil. Wenn etwas dauerhaft wehtut, verdient es eine Veränderung. Mit einem „Nein“ alleine, wird das aber nicht gelingen.

Eure Nachbarin

 

Geliebte Bretagne

Geliebte Bretagne

Wir haben zwei Sommerwochen in der Bretagne verbracht. Also, was heißt Sommerwochen… Eigentlich war es eher etwas zwischen Früh- und Spätherbst, was sich da wettermäßig abgespielt hat. Während im Südosten Europas alles wegbrutzelte, blieb der Sommer im Westen irgendwie stecken, bevor er angefangen hatte. Da es auch keinen Frühling gegeben hatte, ging der Winter quasi gleich in den Herbst über. Und trotzdem gab es diese Momente, die unsere Reise einfach wertvoll gemacht und die Schönheit dieses Fleckchens Erde offenbart hat. Hier eines meiner persönlichen Highlights:

Quiberon

Ich hatte bisher noch nicht oft das Gefühl, in einem Postkartenmotiv zu stehen. Aber an dieser wildromantischen Küste war es genau so. Die Abendsonne tauchte die Gegend in ein warmes Licht und egal, wo man hin sah, gab es einfach nur pure Zauberhaftigkeit zu bestaunen.

Bogen Port Blanc Quiberon

Der Bogen am Port Blanc – ein Strandabschnitt inmitten einer riesigen Dünenlandschaft.

Steintürmchen am Felsenbogen auf Quiberon

 Knallerbsengrüne Algen und Muschelkolonien, die rund geschliffene Felsen überzogen und liebevoll aufgeschichtete Steintürmchen.

Quiberon Felsspalte mit Wasser

Felsspalten mit so glasklarem Wasser, das es, wie hier im Bild absolut nicht zu sehen ist.

Schnecken an Dünenpflanzen

Myriaden von Schnecken, die an den Dünenpflanzen klebten und eine ganze eigene Kunstform erzeugten.

Ruine an der Küste von Quiberon

Umrisse einer Ruine im Abendlicht, die sich kein Maler hätte besser ausdenken können.

Felsenküste Quiberon

Der Blick von dort oben auf den tosenden Atlantik.

Ruine im Abendlicht

Und ein „au revoir“ (kenavo) auf bretonisch zum Abschied.

Karte der Bretagne mit Markierung des Bogens auf Quiberon

Arche De Port Blanc Roche Percée an der Westküste der Halbinsel Quiberon.

Familie Hose fährt in Urlaub

Familie Hose fährt in Urlaub

Ich packe meinen Koffer und nehme mit… Familie Hose reist gerne mit dem Auto. Es ist unweltbewusster als fliegen, nicht so umständlich, wie mit der Bahn zu reisen, man kann die Fahrräder mitnehmen und vor allem jede Menge Gepäck. Letzteres ist auch nötig, wenn Hochsensible reisen. Dann sie planen vor. Als HSP bedenkst alle Eventualitäten, denn du hast alles schon erlebt. Du brauchst nur eine einzige Erfahrung, ob nun deine eigene oder die der Nachbarn, damit sich die Erkenntnis eingräbt und künftig dein Handeln bestimmt.

So umfasst die Reiseapotheke neben Aspirin und Fiebersaft mittlerweile unter anderem auch Medikamente gegen Bindehautentzündung, Lippenherpes, Kopfläuse und Bettwanzenstiche. Seit einer Magenverstimmung von Tochter Hose vor drei Jahren, auf der Rückfahrt aus dem Allgäu, liegen immer drei Kotzbeutel in der Seitentasche, sowie Tabletten gegen Reiseübelkeit – die Mutter Hose ihr nie geben würde, denn sie hat die Liste der Nebenwirkungen studiert. Trotzdem müssen sie mit. Man weiß ja nie. Auch schon vor Corona gehörten selbstverständlich Masken und Desinfektionsmittel in Form von Tüchern, Sprays und Gels ins Handgepäck.

Familie Hose macht gerne Urlaub im Ferienhaus. Da hat sie ihr eigenes Reich, ihre Ruhe und die Möglichkeit, ihr eigenes Essen zu kochen, wann sie will und wie sie will. Denn in der Familie Hose isst jeder etwas anderes und keiner normal. Wer Urlaub im Ferienhaus macht, wird es kennen: Nicht immer ist alles an Ausstattung vorhanden, was man so zu brauchen glaubt. Diese Dinge werden dann zur Packliste addiert und beim nächsten Urlaub sind sie dabei. Die Haushaltsbox für Aufenthalte im Ferienhaus beinhaltet mittlerweile neben Messern, Scheren und Nähzeug (keiner aus der Familie Hose kann nähen), Batterien und Kordeln, Fliegennetze in mehrfacher Ausführung, Tesafilm, Alufolie (nicht für die Küche, sondern um Fenster ohne Rollladen abzudunkeln), ein kleines Werkzeugset, Klopapier und einen Ersatzfeuermelder (lange Geschichte).

Familie Hose schläft nicht gut. Manchmal sind es die Gedanken, manchmal die Nachbarn, manchmal die Wärme, manchmal die Kälte, manchmal Schmerzen und manchmal auch einfach eine Cola, die Mutter Hose seit zehn Jahren nur noch VOR zwölf Uhr mittags trinken darf, sonst liegt sie halt wach. Deshalb gibt es unverzichtbare Dinge, die mit in den Urlaub müssen. Neben Ohrstöpseln aus Silikon und Schlafbrillen, sind es eigene Kissen, eigene Decken, Kuscheltiere und – im Fall von Mutter Hose – zwei dicke und flauschige Matratzenunterlagen, ohne die sie Rücken- und Kopfschmerzen ereilen. Allein mit diesen Dingen ist der Kofferraum eigentlich schon voll.

Aber man möchte ja vielleicht auch an den Strand oder See. Deshalb dürfen Strandtasche, Picknickdecke, Sonnenschirm, Kühltasche, Badetiere, Strandlaken, Handtücher und Sonnencreme nicht fehlen. Hypoallergene Sonnenmilch mit Schutz gegen Sonnenallergie LF30 für Mutter Hose. Wasserfestes, durchsichtiges, nichtklebendes Kinderspray mit LF30 + Sonnenmilch LF50 für exponierte Stellen für Tochter Hose. Irgendwas vom Discounter LF20 für Vater Hose. Außerdem Schirmmützen und Hüte, drei Tücher, ein Buch, zwei e-Bookreader, Strandspiele, Badelatschen, je zwei Sets Badeklamotten und Mückenspray (das Familie Hose nie einsetzt, weil der Geruch und das Hautgefühl zum Wahnsinnig werden sind).

Was dann noch an Platz übrig ist wird für Klamotten gebraucht, die allen Eventualitäten trotzen müssen. Im mitteleuropäischen Sommerurlaub also Temperaturen von 15 Grad und Regen bis 35 Grad und Sonne. Ja, es gibt Wettervorhersagen, aber jeder weiß doch wie ungenau das alles ist. Da steht man manchmal im Regen, obwohl auf der Wetter-App nicht mal Wolken zu sehen sind und weiß am Ende nicht, wem man glauben soll.

Und wer will schon schwitzen, frieren, nass werden. Klamme, schubbernde Klamotten (er-)tragen. Erkältungen, Blasen und Blasenentzündungen riskieren. Für den Hochsensiblen an sich ist schon der Gedanke daran anstrengend und lässt sich kaum abschütteln. Und Urlaub soll ja schließlich entspannen… Die Yogamatte hat leider nicht mehr ins Auto gepasst…

Eure Nachbarin

Pusteblumen im Gegenlicht

Familie Hose

Auf dem Blog der Nachbarin ist Familie Hose zu Besuch. Sie heißt so, weil alle Familienmitglieder hochsensibel sind. Vom Papa bis zum Hund! In teils fiktiven, aber durchaus vom Alltag inspirierten Beiträgen, gibt Familie Hose Einblicke in ihr Leben mit Hochsensibilität.

Familie Hose

Familie Hose

Heute möchte ich euch Familie Hose vorstellen. Da ist Papa Hose, Anfang 40, liebt Einsen und Nullen, seinen Controller, E-Bike-Fahren, mit Holz arbeiten und Döner. Dann haben wir Mama Hose, Mitte 40, schreibt und bastelt, ist gerne mit Menschen zusammen und – am liebsten mit dem E-Bike und der ganzen Familie – draußen unterwegs. Tochter Hose ist kein Kind mehr, aber auch kein Teenie. Sie malt und zeichnet den ganzen Tag, schreibt lange Geschichten, spielt gerne mit Schleich und Playmobil, liebt Klettern und Schwimmen. Und schließlich haben wir noch Hund Hose. Groß und sanft, liegt lieber rum, als sich zu verausgaben, mag andere Hunde, Kühe, Menschen und seine Hose-Familie. Alle paar Wochen wechselt er sein Zuhause und zieht für einige Zeit zu Opa und Oma.

Familie Hose lebt und lacht, jammert und streitet, verursacht Chaos und räumt wieder auf. Sie bewältigt den Alltag und nimmt alle Hürden – mal mit Schwung, mal im Kriechgang –  je nach Hürde und Tagesform. Eine Sache verbindet alle Familienmitglieder vom Vater bis zum Hund: sie sind hochsensibel.

Hochsensibel, was ist das eigentlich?

Stellen wir uns einen Löwenzahn vor: sonniggelb, unverwüstlich, wächst durch Asphaltdecken. Daneben die Orchidee: mag Wasser, aber nicht brutal aus der Gießkanne, sondern als sanftes Wurzelballenfußbad. Mag frische Luft, aber keinen Durchzug. Mag Licht, aber nicht zu direkt, mag Schatten, aber nicht zu dunkel. Mag es zimmerwarm – also 22 Grad. Nicht etwa eiskalte 21 Grad oder bullenheiße 23 Grad. Diesen Löwenzahn-Orchideen-Vergleich hat sich mal jemand ausgedacht, um den Unterschied zwischen einem normalsensiblen Menschen und einem Hochsensiblen zu erklären. Und ich finde, es trifft die Sache sehr gut.

Hochsensible haben weniger Filter, um Reize, die von außen kommen abzufedern. Vieles trifft sie ungebremst – ins Auge, ins Ohr, auf die Haut und ins Herz. Zuckendes Dancefloor-Licht verursacht Übelkeit. Das leise Zischeln einer halbgeöffneten Sprudelflasche verlangt volle Aufmerksamkeit. Das ziepende Haar im Pferdeschwanz macht wahnsinnig. Ein nicht erwiderter Gruß eines Bekannten hallt stundenlang in der Seele nach. Manchmal gleicht der Alltag einem Drahtseilakt. Vieles schubst und zieht, während man versucht, die Balance zu halten. Gleichzeitig bedeutet hochsensibel sein auch, bestimmte Dinge gut zu können: sich in andere Menschen hineinfühlen zum Beispiel, vorausschauend planen, den Überblick bewahren und gleichzeitig den Kern der Dinge sehen, sich kreativ in dieser Welt austoben und Verantwortung für alles und jeden zu übernehmen.

Jeder vierte Mensch ist hochsensibel, heißt es. Also Löwenzahn, Löwenzahn, Löwenzahn, Orchidee, Löwenzahn, Löwenzahn… Hochsensibilität ist keine Krankheit und keine Störung, sondern ein unveränderlicher Charakterzug. Und Hochsensibilität sieht man niemandem an der Nasenspitze an. Auch ein hochsensibler Türsteher mit dickem Fell und hartem Blick ist im Inneren noch hochsensibel. Er hat nur seinen persönlichen Weg gefunden, damit umzugehen. Viele Hochsensible fühlen sich irgendwie anders und sie sind es ja auch. Wie anders, das soll dieser Blog aus dem Alltag der Familie Hose zeigen.

Eure Nachbarin

Darum!

Darum!

Gestern bat mich meine Lieblingsschwiegermutter (ja, so was gibt es, auch wenn man nur eine hat) meinen seit Jahren dornröschengleich schlummernden Blog endlich wieder wachzuküssen. Und weil man Schwiegermüttern nicht widerspricht, sitz ich nun wieder hier, vor diesem blütenweißen Editor, der einerseits so einladend aussieht und andererseits höhnisch raunt: „Ey Alte, dir fällt doch eh nix ein.“

In der Tat hatte ich es – was meinen Blog angeht – in den letzten Jahren mit einer ausgewachsenen Schreibblockade zu tun. Während im gleichen Zeitraum 100 Artikel aus meiner Feder flossen (naja manchmal tröpfelte es auch eher) blieb der Editor der Nachbarin leer oder wurde, nach verschiedenen verzweifelten Anläufen resigniert wieder geschlossen. Nun habe ich in einer kleinen Innenschau nochmal versucht, das „Warum“ dafür zu klären.

Hier also das, was ich da drinnen so gefunden habe:

Dornröschen

Meine Tochter ist kein Kindergartenkind mehr. Schon lange nicht. Sie ist alt genug, um meine Einträge von früher selbst zu lesen und sich dabei kringelig zu lachen. Sie ist alt genug, per WhatsApp Kontakt zu ihren Freunden zu halten. Sie ist noch nicht alt genug, um zu ermessen, was es bedeutet, wenn private Details über das eigene Leben und das der Familie im Internet stehen. Aber Hand aufs Herz, wer ist das schon…

Dank der Datenschutzgrundverordnung, die genauso nervig ist, wie das Wort suggeriert, sicher aber eine großartige Existenzberechtigung hat, müssen Familienblogger im Impressum nicht nur die vollständige Adresse angeben, sondern auch noch ihren blödesten Spitznamen aus der Grundschule (Pumuckl), die Schlüppergröße (pendelt zwischen 36 und 42) und den Zustand des rechten Fußes (Platt-Spreiz-Senk mit Hammerzehen). Solche Dinge öffentlich preiszugeben ist eine Sache, wenn es sich um den Bloggenden selbst handelt. Eine ganz andere, wenn es um ein Kind geht…

Aua Lebensmitte

Zudem hat mich 2017 die 40 ereilt. Und prompt hat mich, wie bereits erwähnt, der Humor verlassen. So eine Lebensmitte ist nichts für Weicheier. Nur Hartgekochte, wie meine Mum, die nächste Woche die 70 feiert, lässt der Wechsel der Zehnerzahl so richtig kalt. Ich dagegen versuche jetzt seit drei Jahren, mich daran zu gewöhnen, dass ich mich nun in der Lebenshälfte des körperlich-geistigen Abbaus befinde. Wie sagte kürzlich eine gute Freundin: Ich weiß, dass alles, was ich so an Schmerzen habe, nie wieder weggehen wird. Sie ist übrigens gerade 40 geworden.

Mir persönlich machten in den letzten Jahren vor allem die Hormone zu schaffen. Es fühlt sich manchmal an, als würde eine Bowlingkugel namens „15., 20., 28. oder einfach beliebiger Zyklustag“, alle Hormonkegel mit einem gezielten „Full Strike“ umzimmern und beim Aufheben verheddern sich die Schnüre. Da baumelt mein „Ich“ dann so rum, mit allen unangenehmen mentalen und körperlichen Begleiterscheinungen. Während ich schreibe, sind es gerade Migräne linksseitig und Kieferschmerzen. Am blödesten sind Weltschmerztage oder Ich-hau-euch-alle-kaputt-Tage. Manchmal fallen beide auch auf ein Datum.

Eine ganze Weile lang half es nicht, mir Sprüche, wie diese hier durchzulesen: „Ich wünschte, ich könnte meinen Körper ins Fitnessstudio bringen und ihn abholen, wenn er fertig ist.“ Oder: „Sobald man über 40 ist, stellt man sich jeden Tag dieselbe Frage: Bin ich krank oder ist das jetzt der Normalzustand?“ Oder: „Morgens steht man auf und verbringt den Tag damit einzusehen, dass das ein Fehler war. Abends kommt man dann zur Vernunft und legt sich wieder hin.“ Mittlerweile kann ich ernsthaft drüber lachen und die Schnüre entwirren sich wieder schneller.

Das ist also das „Darum“. Vielleicht hilft es mir, darüber geschrieben zu haben, wenn ich das nächste Mal vor dem weißen Editor sitze und über Themen wie „Genderisierung*in die/der Sprachin und Sprache“, „Die Spinne am Autodach“ oder „Was in den letzten Jahren so passiert ist“, schreibe. Wenn nicht gibt es Haushaltstipps, Bastel-Anleitungen und schwermütige Gedichte.

Man sieht sich!

Eure Nachbarin