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Sirmione gilt als schönster Ort am Gardasee. Und in der Tat: Wären wir hier bei den Oscars, wäre das Städtchen sicherlich die Diva im aufsehenerregenden Abendkleid. Eine alte Diva, denn die ersten Siedler lebten hier schon in der Steinzeit. Davon ist heute nichts mehr zu sehen. Dafür erstreckt sich eine ernsthaft romantische Altstadt den Hügel hinauf und drumherum die fast unwirklich blauen Wellen des Gardasees.

Wer Sirmione besichtigen will, muss durch das große steinerne Stadtportal neben der prachtvollen Scaligerburg. Und wer zum steinernen Portal will, muss erstmal vier Kilometer über die Halbinsel laufen, fahren oder radeln. An diesem Abend tun viele Menschen alles drei. Eigentlich sollten wir nicht überrascht sein, es ist schließlich Samstag. Aber nachdem es mittags noch so beschaulich am Ufer des Gardasees zuging, haben wir mit weniger Volk gerechnet.

Die Strecke entlang der Via XXV. Aprile soll in Italien die einzige bleiben, auf der ich mich nicht wohlfühle. Denn hier gibt es keinen eigenen Fahrradweg. Wir schwanken von Kanaldeckel zu Schlagloch, immer am Straßenrand lang, und viel zu nah überholen uns die Autos. Zwar nicht schnell, aber ständig. Auf den Bürgersteig können wir hier auch nicht ausweichen, denn es sind ganz einfach zu viele Bürger auf diesem Steig.

Sehr froh bin ich, als wir schließlich nach 30 Minuten Fahrt die Scaligerburg vor uns aufragen sehen. Wir schließen die Räder an und lassen uns vom Strom mitziehen, der unaufhaltsam in die Stadt hineinfließt. Wir sind nicht zum ersten Mal hier. Selbst unsere Tochter erinnert sich noch. Denn es ist ein besonderer Ort für sie: Hier hat sie vor fünf Jahren nach dem herzhaften Biss in eine Kokosnussscheibe ihren ersten Milchzahn verloren.

Scaligerburg in Sirmione Mädchen mit Kappe und Zahnlücke Promenade Sirmione

Ein zweite Erinnerung ist die an riesige Eiskugeln, die hier in leckeren Waffeln verkauft werden. Damals lebte ich zuckerfrei und konnte mir keine gönnen. Heute habe ich einfach keine Lust drauf, aber der Rest der Familie Hose lässt es sich schmecken, während wir am kleinen Yachthafen sitzen. Ein Paar mittleren Alters steigt gerade in ein edles Boot. Die Dame mit extratiefem Dekolleté und Hochsteckfrisur, der Herr mit einer Flasche Champagner in der Hand. Die Nacht hat gerade erst begonnen und als der Bootsführer Gas gibt, sind sie bald nur noch ein Schatten auf dem See. Uns aber zieht es in die Altstadt. Wir schlendern durch die Gassen, bewundern die Auslagen der Geschäfte, hüpfen zur Seite, wenn sich ein Auto einen Weg durch die Menschen bahnt.

Laden in Sirmione Restaurant in Sirmione Beleuchtete Olivenbäume in Sirmione

Weiter oben wird es ruhiger und dunkler. Links und rechts erahnen wir Parkanlagen unterm Sternenhimmel. Hier müssen irgendwo die Grotten des Catull, Überreste einer römischen Villa, liegen, die wir heute aber nur mit Nachtsichtgeräten besichtigen könnten. Da wir gerade keine dabei haben, erfreuen wir uns stattdessen an den beleuchteten Olivenbäumen auf dem Plateau. Mit ihren knorrigen Verwachsungen sehen sie aus, als würden sie tanzen. Wenn wir nicht schon verheiratet wären, wäre hier ein schöner Antragsort.

Gerne würden wir noch bleiben, aber es steht noch der Radelrückweg zum Wohnmobil an. Schön, aber eben ein bisschen ungemütlicher, als sich mal eben ins Auto fallen zu lassen. Nachdem wir das Stadttor passiert haben, treffen wir einen alten Bekannten, den wir schon vor fünf Jahren sehr bewundert haben: einen goldenen Rolls Royce, der auch jetzt wieder seine Streicheleinheiten bekommt. Mit diesem letzten Eindruck treten wir unsere Rückfahrt an und sind eine halbe Stunde später an unserem rollenden Zuhause angekommen. Mal ehrlich, wer braucht schon eine Protzkarre, wenn er ein Wohnmobil haben kann 😉

Goldenes Auto Goldenes Auto bei Nacht

Eure Nachbarin – romantisiert

 

 

Der Zug ist abgefahren…

 

 

 

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