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Am Fuße der Allianzarena

Am Fuße der Allianzarena

Meine Erwartungen an einen Urlaubsort sind in der Regel hoch. Auf Reisen möchte ich bitte nur schöne Dinge sehen, riechen, hören und schmecken. Natürlich weil in der Werbung ja auch immer nur schöne Dinge zu sehen sind. Was Müll, Dreck, Verkehr, Lärm und Verschleiß angeht, bin ich daher eher empfindlich. In unserem Wohnmobilurlaub war das irgendwie anders. Solange mich niemand zwang, auf fremde Klos zu gehen, war ich auch mit einem kippengepflasterten Stellplatz in unmittelbarer Nähe der Autobahn zwei Meter neben einem öffentlichen Urinal mehr als zufrieden. „Hach, hier lässt es sich aushalten“, sagte ich glücklich zu meinem Mann, als wir das Stromkabel erfolgreich in den Kasten vor unserem Wagen gestöpselt hatten. Denn: Landstrom ist schon was Tolles! Man kann Handys, elektrische Zahnbürsten und – ganz wichtig – Fahrradakkus laden!! Was Besseres, um ein richtiges Urlaubsgefühl zu erzeugen, gibt es ja wohl nicht!!

Da stehen wir also nun, keinen Tag zu früh, auf dem riesigen sonnigen mit zarten Bäumchen bepflanzten Areal. Bei Spielen und Veranstaltungen parken – und pinkeln – hier Fans und Besucher. Aber seit heute ist der Platz wieder für Wohnmobile freigegeben. Auch wenn ein großes Banner an der Schranke noch etwas anderes sagt, können uns die etwa 10 bereits geparkten Wohnmobile überzeugen: Hier sind wir richtig. 15 Euro kostet die Nacht am Fuße der Arena. Dafür bekommt man kostenlosen Strom (zumindest, wenn man in der Nähe der zwei Stromkästen steht oder ein sehr langes Kabel dabei hat). Außerdem Toiletten, Frischwasser, einen Entsorgungsschacht für Grauwasser aus Dusche und Spüle und einen hochmodernen Automaten zur Reinigung von Bordtoiletten. Das Paradies!!

Neues Rathaus in München im Dämmerlicht

Auf der anderen Seite der Arena – etwa 10 Fahrradminuten entfernt – steigen wir am späten Nachmittag in die S-Bahn und fahren gemütlich bis ins Herz von München zum Marienplatz. Und hier kommt mein normales Urlaubs-Ich so richtig auf seine Kosten. Das Neue Rathaus ist nicht von dieser Welt. „Wie viele Erker, Wasserspeier, Türmchen und Verzierungen kann es bitte geben??“ Neues Rathaus: „Ja!“ –  Unsere Tochter findet sogar ihr Lieblingstier – einen Drachen – an der Ecke. Es riecht nach gebrannten Mandeln, die an mehreren Ständen in der Fußgängerzone verkauft werden, ich höre die Glocken der Marienkirche und Stimmengewirr in allen möglichen Sprachen, schmecke Wiener Schnitzel im „Heimwerk“ und Kaiserschmarrn To Go von „Café Rischart“.

Mädchen und Mann essen Schnitzel

Der Oktoberabend gibt alles, um lau und mediterran rüberzukommen, während wir durch die Altstadt, die Fußgängerzone und über den Viktualienmarkt streifen. Nahe des komplett verrammelten Odeonsplatzes, wo derzeit eine Riesenbaustelle ist, steigen wir in die Tram 19 und fahren entlang der Maximilianstraße mit all ihren Prachtbauten, Edelläden und Fünf-Sterne-Hotels. Leider ist es da schon dunkel und die Gebäude energiesparbedingt nicht beleuchtet, so dass wir beschließen, die Tour nochmal am nächsten Tag zu machen. Die Straßenbahn mit der Nummer 19 bietet sich an, wenn man einfach mal einen kostengünstigen Überblick über die Schönheiten der Münchner Innenstadt bekommen will. Mehr Infos dazu gibt es auf Muenchen.de.

Wir nehmen die S-Bahn zurück zur Allianz Arena und sind sehr froh, die Räder am S-Bahnhof geparkt zu haben. So sind wir nach 10 Minuten im Dunklen durch den kalten Abendwind (ja es ist in der Tat schon Oktober) wieder zu Hause. Denn genauso fühlt sich unser Wohnmobil für uns an. Wir bleiben einfach noch ne Nacht länger hier beschließen wir, einfach, weil wir es können. An diesem Abend dämmert uns, dass uns wohl das Womo-Fieber erfasst hat und die verbleibende Urlaubswoche viel zu kurz ist! Eingekuschelt in unsere Höhlen und mit dem beruhigenden Rauschen der Autobahn im Ohr, schlafen wir mit diesem Gedanken einem neuen Tag entgegen.

Beste Grüße Eure Nachbarin – angekommen

 

 

Mit dem Fahrrad durch München

Minga wir kommen!!

Minga wir kommen!!

Unser dritter Reisetag beschert uns einige neue Erfahrungen. Das bleibt beim Urlaub mit dem Camper nicht aus. Überhaupt ist das wohl eines seiner Geheimnisse, wie ich gestern mit einer befreundeten Wohnmobilistin ausklamüsert habe: Anders als nämlich gedacht sind die nervigen Dinge beim Wohnmobilurlaub gar nicht nervig. Ja, man hat immer gut zu tun, aber auf die niedrigschwellige Art und Weise, die den Kopf frei macht vom Alltagsgedöns, ohne zu über- oder zu unterfordern. Routen planen, nach Stellplätzen suchen, fahren, gucken, halten, tanken, putzen, laden, entsorgen, radeln, besichtigen – das alles wechselt sich miteinander ab, wie das Wetter und die Landschaft, während man Kilometer um Kilometer zurücklegt und alle Sorgen von daheim weit hinter sich lässt –  ohne jedoch sein Heim hinter sich zu lassen. Denn das hat man ja praktischerweise dabei.

Ich reise sehr gerne, wäre am liebsten monatelang unterwegs. Aber ich habe immer diesen Moment, in dem ich mit einer neuen Unterkunft fremdele, mich mit der Urlaubsumgebung erst anfreunden muss. Diesen Moment (manchmal dauert er auch ein oder zwei Tage), in dem ich mich akklimatisiere und die Realität vor Ort mit meinen ursprünglichen Erwartungen abgleiche (bzw. diese nachträglich etwas runterschraube). Dieses Gefühl hatte ich bei unserer Wohnmobilreise nicht. Zum einen musste ich mich nur einmal an unsere neue mobile Unterkunft gewöhnen, durch die noch ein bisschen das Flair unserer Vorgänger waberte. Ab da war es mein Heim. Und zweitens überliste ich als Womo-Reisende mein Fremdelgefühle bezüglich eines Urlaubsortes, denn zumindest obligatorisch kann ich ja sofort wieder abhauen, wenn’s mir nicht gefällt.

Nach einem Frühstück mit Brötchen aus einer nahegelegenen Bäckerei geht es zurück auf die Piste. Mein Mann stresst mich, weil wir tanken müssen und ich während der Fahrt die günstigste Dieselquelle rausfinden soll. Mit Google Maps stehe ich dabei wie so oft auf Kriegsfuß. Die verda… ledeite App macht nicht, was sie soll und das noch nicht mal besonders gut. Aber ich hab ja sonst nix zu tun und es ist nun mal Aufgabe des Beifahrers. Auf einem Autohof stehen wir schließlich an einer vollautomatischen Zapfsäule, um die plötzlich ein Männlein herumtanzt, das meinen Mann nicht nur mit Sprit, sondern auch mit Tankexpertise versorgt. „Ich drück einfach mal auf den 200-Euro-Knopf, der Rest wird euch dann zurückgebucht“, kräht er fröhlich. „Gehörte der überhaupt zur Tankstelle?“, frage ich bei der Ausfahrt meinen Mann. „Keine Ahnung“, zuckt er etwas ratlos mit den Schultern.

Tankstellenanzeige

Von Schifferstadt bis zu unserem anvisierten Stellplatz an der Allianz Arena im Münchner Norden sind es über A6, A7 und A8 genau 367 Kilometer. In Stunden 3,5h; in Minuten 220. In Kinderminuten mit Video auf Tablet gefühlte 20; in Kinderminuten ohne Video auf Tablet definitiv 2000. Bis kurz hinter Günzburg kommen wir in den Genuss der ersten Kinderzeitrechnung. Ruhe und Entspannung! Bis uns bei Kilometer 260 schmerzhaft bewusst wird, dass Töchterchen meine Anweisung vor der Abfahrt nicht wirklich ernst genommen hat. „Kind, lad dir so viele Videos und Hörspiele aufs Tablet, wie du meinst, dass du im Urlaub brauchst. Und dann lad dir nochmal doppelt so viele runter“. Ergänzt vom väterlichen Hinweis: „Hör auf deine Mutter! Wir wissen nicht, ob du unterwegs nochmal was runterladen kannst.“

In Summe kam unser Kind damit auf zwei Filme und drei Hörspiele. Ich hätte besser nochmal draufgeschaut. Denn keine Tablet-Ablenkung im Auto bedeutet: Gejammer und Gezeter! Erst kommt der Hunger, dann die Langeweile, dann Seitenstechen, dann ein flaues Gefühl, dann Wut auf die Eltern, dann Verzweiflung über die Gesamtsituation. Und schließlich ein Ausraster, der sich gewaschen hat und von allen Komponenten gespeist wird. In dem Fall helfen weder Spiele wie „Stadt, Land, Fluss“, noch Radio, noch Hinweise auf pittoreske Autobahnausfahrten, noch das Angebot, vorne auf dem Beifahrersitz zu sitzen. Chuck Norris-Witze retten 10 Kilometer, ein Apfel und Schokolade genauso viel. Aber dann ist man immer noch fast 90 Kilometer vom Ziel entfernt.

Roter Asphalt auf der Autobahn

Bei mir löste die explosive Stimmung im Auto, zusammen mit dem unerträglichen roten Asphalt der A8, gepflegte Kopfschmerzen aus. Dieser rötliche Split aus Sachsen-Anhalt bedeckt die Autobahn zwischen Günz- und Augsburg und ist eine echte Pest. Anscheinend soll er den Fahrbahnbelag fester und haltbarer machen, vor allem aber sorgte er für eine Lautstärke im Auto, die nur meine Tochter mit besagtem Tobsuchtsanfall toppen konnte. Das Fahrgefühl erinnert an die Ostautobahnen kurz nach der Wende und ausnahmslos alle stießen einen tiefen Seufzer der Erleichterung aus, als wir Augsburg endlich hinter uns lassen konnten. Ich bin ja auch für Nachhaltigkeit, aber bitte findet was Langlebiges mit den tonalen Eigenschaften von Flüsterasphalt. Danke, eure Familie Hose!!

 

 

Am Fuße der Allianzarena

Erleichtert – aber nur um den Hund

Erleichtert – aber nur um den Hund

Am ersten Morgen nach durchwachter Nacht krabbele ich entsprechend zerknautscht aus meiner Koje. Draußen wabert der Nebel über das Bundeswehrgelände und taucht die Haubitzen in ein romantisches Licht. Der Tag soll wunderschön werden und frühe Vögel, die wir sind, schwingen wir uns gleich auf die Räder und kaufen ein paar Grundnahrungsmittel bei Rewe ein. Unser erstes gemeinsames Wohnmobilfrühstück lassen wir uns mit Blick auf den schier endlosen Betonplatz und die Bundeswehrbaracken schmecken.

Blick aus dem Wohnmobil aufs Militärgelände

Heute wollen wir samt Hund und zwei von drei Fahrrädern mit der Seilbahn nach Koblenz runter, denn wir haben Zeit totzuschlagen, bis meine Eltern am Nachmittag aus dem Urlaub kommen. Dann kann man es sich ja auch schön machen! Auf unserem Weg in Richtung Festung kommen wir am Adventuregolf, einem Abenteuerspielplatz und – ganz wichtig – zwei öffentlichen Toilettenhäuschen vorbei. Ich schaue mich um. Niemand zu sehen. „Wir sind echte Camper, wir gehen da jetzt drauf“, sage ich zu meinem Mann und drücke ihm hochmotiviert die Hundeleine in die Hand. Nun muss man wissen, dass weder er noch ich jemals auf öffentlichen Toiletten größeren Ballast abwerfen. Mal mit dem Hintern über der Schüssel schwebend ein bisschen Wasser lassen, okay. Aber alles andere geht für mich eigentlich gar nicht. Nun sind wir aber eben Camper und unser Vermieter hat gesagt, wir sollen unsere Bordtoilette nur im Notfall nutzen.

Als ich kurz darauf im chromglänzenden, vollmetallischen Toilettenhaus stehe, überkommen mich erste Zweifel. Zwar wartet außer meiner Familie niemand darauf, dass ich hier endlich fertig werde, aber in mir sträubt sich alles. Desinfizieren hilft immer, mache ich mir Mut, und sprühe etwa die Hälfte des Inhalts aus meiner kleinen Sakrotanflasche über die Toilette und den Quadratmeter drumherum. Dann kleide ich den schmalen Rand der Metallschüssel großzügig mit Klopapier aus und platziere mich vorsichtig. Nach zwei, drei angespannten Atemzügen weiß ich: Das wird hier heute nichts! Und als mein Blick auf einen Entsorgungsschacht für Spritzen fällt, war es das endgültig.

Kurz darauf stehe ich unverrichteter Dinge wieder im Morgensonnenschein und übergebe das Zepter an meinen Mann. Der schafft ganz heroisch, was ja eigentlich auch zu schaffen ist, und wir wandern entspannt in Richtung Seilbahn. Ich fühle mich ein klein bisschen wie eine Versagerin und tätschele mir innerlich die Schulter. Das wird schon. Wenn auch nicht mehr heute. Oder morgen. Denn in den nächsten zwei Tagen verweigert meine verschreckte Verdauung strikt den Dienst. Umso besser, so bin ich diese Sorge erstmal los.

Alles andere funktioniert an diesem Vormittag einwandfrei. Wir besichtigen lustige Ziegen auf dem Festungsplateau, fahren entspannt mit der Seilbahn in die Tiefe (was nicht selbstverständlich ist, weil 3/4 der Familie Höhenangst hat), wir besichtigen das Deutsche Eck, die Rhein- und Moselanlagen und die Altstadt und meine alte Heimat zeigt sich von ihrer besten Seite. Selbst unser aufgeregter Hund, der nur Wälder und Wiesen kennt, managt die Großstadt mit Bravour.

Braun weiße Ziegen mit SchlappohrenUnterwegs mit dem Fahrrad in der Koblenzer AltstadtDie Vier Türme in Koblenz unter blauem HimmelGoldendoodle und Sneakers von oben auf Kopfsteinpflaster

Ihn übergeben wir am späten Nachmittag meinen Eltern, denen wir gerne um den Hals gefallen wären. Kurz vor unserer Begegnung hat sich jedoch dank zweier Striche auf einem Antigentest der beiden Türkeirückkehrer die Empfehlung ergeben, das heute lieber zu lassen. Also winken wir auf Abstand, wünschen von Herzen gute Besserung und fahren wir bei Bilderbuchwetter auf der A61 in den Abend hinein. Nächster Halt: Oggersheim. Nicht weil wir so große Fans des verstorbenen Altkanzlers wären, sondern weil Hornbach dort Propangas-Flaschen im Angebot hat. Und ich will ja unbedingt doppelt bestückt Richtung Süden starten.

Beste Grüße von Eurer Nachbarin – erleichtert (aber nur um einen Hund)

 

 

Im Land der Träume

Kleine Fahrstunde und erstes Ziel

Kleine Fahrstunde und erstes Ziel

Es ist immer noch Tag eins unserer Reise und gerade kommen wir vom Rhein zurück. Der Hund ist entleert, der Rest der Familie durch den Spaziergang an der Promenade entspannt und gelüftet. Und ich bin bereit, mich ans Steuer zu setzen. Wenn auch nur auf dem leeren Obi-Parkplatz ums Eck. Das Größte, was ich in meinem Leben gefahren bin, war ein Kastenwagengespann. Ich war Mitte 20 und begleitete meine Mitbewohnerin bei einer Promotour für Sportschuhe zu Volksläufen. Mit dem Wagen zogen wir einen großen Verkaufsstand, in dem wir die Produkte präsentierten.

Ich erinnere mich, dass ich auf unserer Rückfahrt durchs stockdunkle, dickvernebelte Bergische Land am Steuer saß und meine Mitbewohnerin selig auf dem Beifahrersitz vor sich hin schnarchte. „Sei eine Frau!“, mache ich mir nun Mut. Wir haben diese Fahrt damals überlebt, dann werde ich doch auch so ein Wohnmobil fahren können. Und ich fahre! Vor und zurück und kreuz und quer über den Obi-Parkplatz. Die Bedienung kenne ich von unserem Renault, Gangschalt-Getriebe bin ich gewöhnt. Nicht jedoch das Fahrgefühl. Mir ist, als würde ich einen Truck steuern. Schluck!

Bevor sich erste Krämpfe in meiner Nackenmuskulatur bemerkbar machen, überlasse ich den Fahrersitz gerne wieder meinem Mann, der seine Sache echt gut macht. Mit einem Abstecher zum goldenen M, wo wir zwei PKW-Parkplätze blockieren und mit Burgern und Nuggets die Essecke einweihen, geht es über die A3 nach Koblenz. Vorher haben wir in der App „park4night“ einen Stellplatz in der Nähe der Festung Ehrenbreitstein gefunden. Er heißt „Koblenz Niederbergerhöhe“ und ist laut App-Nutzern der einzige Platz für Womos in Festungsnähe.

Als wir auf der Niederbergerhöhe ankommen ist es stockduster. Google Maps zeigt uns irgendeinen Mist an und ich bin froh, dass ich mich in meiner Heimatstadt ganz gut auskenne. Und so fahren wir die lange Stichstraße durch, bis wir schließlich am offiziellen Parkplatz der Festung ankommen. Der für Wohnmobile verboten ist! Sackgasse! Ein Aufsteller weist uns auf einen anderen Platz hin, wo man seinen Camper parken, aber nicht übernachten darf. Mist! Aber was nutzt es. Wir müssen es trotzdem versuchen, in der App stand es ja anders. Also wenden und zurück.

Schild Militärischer Sicherheitsbereich

Ein paar hundert Meter weiter entdecken wir links im Dunkeln eine mächtige gemauerte Einfahrt zu einem Bundeswehrgelände. Der Zaun ist zwei Meter hoch und oben mit drei Reihen Stacheldraht gesichert. „Militärischer Sicherheitsbereich! Unbefugtes Betreten verboten! Vorsicht Schusswaffengebrauch!“ informiert uns ein einladendes Schild unter einer funzeligen Laterne. Genau das, was ich mir unter einem romantischen Urlaubsort vorstelle! Als mein Mann sich vorsichtig dem Eingang nähert, kommen zwei zivile Männer mit Hunden aus der Einfahrt. „Ja, hier kann man über Nacht stehen. Dahinten parkt unser Camper“, erklären sie. Ein wachhabender Soldat mit Kippe im Mundwinkel löst sich aus dem Schatten und winkt freundlich.

Ich bin einfach nur erleichtert. Unsere erste Nacht ist im wahrsten Sinne des Wortes gesichert. Vorsichtig fahren wir auf das Gelände, das sich als unbeleuchteter fußballfeldgroßer Platz erweist. Im hintersten Eck steht ein einsames in die Jahre gekommenes Wohnmobil. Wir platzieren uns mit ein bisschen Abstand daneben, damit wir nicht ganz so einsam sind und verbringen eine sehr ruhige Nacht. Das weiß ich, weil ich kein Auge zukriege. Nicht, weil es ungemütlich wäre. Im Gegenteil, es ist kuschelig. Nicht, weil es kalt wäre. Die Heizung funktioniert wunderbar. Noch nicht mal, weil mein Mann schnarcht. Denn das höre ich nur gedämpft. Sondern grundlos. Wie 45-Jährige Frauen halt einfach mal so mitten in der Nacht wachliegen.

Eure Nachbarin – schlaflos in Niederberg

 

 

Erleichtert – aber nur um den Hund

Der Tag unserer Abfahrt

Der Tag unserer Abfahrt

Es ist Montag – Tag unserer geplanten Abreise und was soll ich sagen: Die Sonne brennt geradezu vom Himmel. Anscheinend reagiert das Universum auf Anfragen doch wohlwollender als bisher angenommen. Meine Familie hat im Wohnmobil „unfassbar gut“ geschlafen. Ich selbst im Bett kaum ein Auge zugemacht. Leider auch, weil die „Tante vom roten Meer“ sich entschieden hat, gerade jetzt – eineinhalb Wochen zu früh und mit fiesen Bauchschmerzen im Gepäck – zu Besuch kommen. Mit einem mulmigen Gefühl denke ich an die winzige Bordtoilette. Aber für Bedenken ist es jetzt zu spät.

Um mich abzulenken, stürze ich mich am Morgen aufs Gepäck. Erstmal räume ich einiges aus dem Wohnmobil aus. Kaffeekanne und Zubehör brauchen wir nicht. Auch der vierte Campingstuhl fliegt raus. Schließlich zählt hier jedes Kilo: 3,5t dürfen wir nicht überschreiten. Schon allein, weil mein Mann mit seinem Führerschein von 200X kein Gramm mehr fahren darf. Dann bringe ich Wäschekorb um Wäschekorb mit Klamotten, Handtüchern, Küchenutensilien, Medikamenten, Spielzeug, Putzmitteln und Badezimmerkram ins Wohnmobil und verteile alles auf Hängeschränke, Unterschränke und den Garderobenschrank. Mein Mann füllt derweil den Kühlschrank, das Vorratsfach und den Kofferraum. Was soll ich sagen: Es macht viel mehr Spaß, als Kofferpacken!!

Lange konnte ich es nicht wirklich sehen, uns drei mit Hund in einem Camper. Doch jetzt wird die Vorstellung immer lebendiger. Nachbarn kommen vorbei und ich erzähle stolz, dass wir vorhaben, bis nach Pisa zu fahren. Ein Traumziel, das bestimmt eins bleiben wird, denke ich im Stillen. Denn ich glaube ehrlicherweise kaum, dass wir es bis dahin schaffen werden. Von heute an haben wir elf Tage, am Donnerstag in einer Woche müssen wir zurück sein. Also beschließe ich, mich auf unser erstes Ziel zu konzentrieren: Koblenz. Dort wollen wir unseren Hund morgen an meine Eltern übergeben.

Am späten Nachmittag sind wir abfahrbereit. Der Schlüssel ist bei der Nachbarin, das Haus ist aufgeräumt und gesichert. Der Wagen steht bereit. Vollgetankt vom Vermieter, mit ebenfalls vollem Frischwassertank und zumindest einer vollen Gasflasche. Wie viel noch in der zweiten – derzeit angeschlossenen – ist, wusste der Vermieter nicht und einen Füllstandsanzeiger gibt es nicht. Dafür Google und da hatte jemand den Tipp, die Flasche einfach zu wiegen. So wissen wir, dass wir noch 2 von 11 Litern Propangas + die volle 11-Liter-Flasche fürs Kochen, Heizen und Warmwasser zur Verfügung haben. Wie lange das wohl reicht? HS-Mutti, die ich bin, will ich natürlich kein Risiko eingehen und beschließe: Bevor wir das Land verlassen, brauchen wir noch eine zweite volle Flasche. Wann und wo wir die besorgen, klären wir unterwegs.

Und dann geht es endgültig los. Vater am Steuer, Kind auf der Sitzbank, Hund vorschriftsmäßig mit Geschirr angeleint, die Räder auf dem Fahrradträger fixiert. Wie wichtig die sind, werden wir in den kommenden Tagen noch feststellen. Unsere erste Etappe führt uns zunächst 5 Kilometer den Hügel runter bis an den Rhein. Dort stehen immer Wohnmobile auf einem üsseligen Parkplatz, der mit seiner unmittelbaren Nähe zu den Bahngleisen, seinen versplitterten Glaskontainern und jeder Menge zwielichtiger Gestalten nicht gerade ein Wohlfühlort ist.

Früher, als wir hier noch in der Nähe gewohnt haben, habe ich mich immer gefragt, warum die Camper in Gottes Namen hier stehen und nicht direkt am Rhein. An diesem Nachmittag erfahren wir ganz schnell warum: Wohnmobile sind auf dem schönen Parkplatz inmitten der Rheinauen mit Blick auf den Fluss schlicht nicht zugelassen. Kreizkruzifix! Nun ja! Also fahren wir zurück und schnappen uns den letzten Womo-Parkplatz, auf dem wir sogar ohne großes Rangieren parken können. Nicht zum letzten Mal auf unserer Tour denke ich: Wie gut, dass wir in der Nebensaison unterwegs sind!!

Und noch was wird mir auf unserer Reise klar: Wenn man in seinem Wohnmobil sitzt, dann ist das ein Stück zu Hause. Man fühlt sich geborgen und sicher und was drumherum ist, ist viel weniger relevant als man denkt. Wenn ich heute Camper an wenig pittoresken Stellen stehen sehe, kann ich sie viel besser verstehen als zuvor! Das erklärt auch, warum ich unseren ersten Stellplatz in Koblenz so feiern werde.

Eure Nachbarin – erhellt

 

 

Kleine Fahrstunde und erstes Ziel

Wow! Ich meine… wow!

Wow! Ich meine… wow!

Der Tag ist wirklich da, denke ich, als ich aufwache. Um halb zwölf wollen wir uns heute mit dem Womo-Vermieter zur Übergabe treffen. Der Vormittag geht mit ausufernder Körperpflege (wer weiß, wie oft wir unterwegs dazu kommen) und mit der Vorbereitung der Reisedokumente ins Land. Und dann ist es endlich so weit. Treffpunkt ist ein Grundstück in einem sonntäglich verwaisten Gewerbegebiet. Ich komme mir ein bisschen vor, als wollten wir hier was Illegales tun… Ein offenes Tor führt zu einem umzäunten Platz voller Camper. Wir verpassen die Einfahrt und machen gleich mal den richtigen Eindruck auf das Vermieterpärchen, das dort neben einem wunderschönen, aber wirklich riesigen Wohnmobil wartet.

Das steht übrigens mit dem Hintern zur Ausfahrt, wie ich gleich mit einem mitfühlenden Seitenblick auf meinen Mann bemerke. Da muss er später vor den kritischen Augen der Besitzer rausfahren. Und das auch noch mit meiner Hilfe. Ich bin ja eher praxisresistent, wenn man das so sagen will. Wird also ein echter Stresstest! Papa Hose ist wirklich nicht zu beneiden. Aber schließlich haben wir auch noch Größeres vor.

Die Vermieter sind ganz anders als gedacht. Erwartet habe ich erfahrene, wettergegerbte, mit allen Wassern gewaschene Camper, die uns 365 Tipps mit auf den Weg geben. Tatsächlich aber haben die beiden genauso viel Campingerfahrung wie wir, nämlich null. Sie vermieten die Fahrzeuge nur, das aber sehr freundlich und unkompliziert. Im Schnelldurchlauf pflügen wir durch alle Funktionen unseres Urlaubsdomizils. Bordstrom und Landstrom, Frischwasser und Grauwasser, Gasanlage und Heizung, Bordtoilette und Entsorgung.

Während mein Mann interessiert nickt und clevere Fragen stellt, ergeht es mir wie jedes Mal, wenn die Anleitung eines neuen Spiels vorgelesen wird: Nach dem zweiten Satz höre ich nur noch „blablablabla“. Dann  sage ich meistens: Lass uns einfach mal anfangen. Und das machen wir dann auch. Unfallfrei rangiert mein Mann aus dem großen Tor hinaus. Ich stehe hinter dem Wagen, fuchtele alibimäßig mit den Armen und versuche dabei nicht ganz so inkompetent auszusehen, wie ich mich fühle.

Und dann sind wir das erste Mal: On the road! Tochter sitzt gefühlt sehr weit hinter uns am Esstisch und jubelt. Im Laufe unseres Urlaubs werden wir den gezielten Snack- und Wasserflaschen-Weitwurf zwischen Beifahrersitz und ihrer Sitzbank perfektionieren. Mit einmal Aufdozen lassen auf der Tischplatte und dann aus der Luft schnappen. Präzision ist alles! Mein Mann versucht sich emotional in seines neues Gefährt einzufühlen und wird dabei von den Vermietern beeinträchtigt, die immer noch hinter uns herfahren. Nach dem zweiten Kreisel biegen sie ab und wir sind free to go! Ab auf die A3 und dann nach Hause.

Als wir uns wieder auf bekannten Strecken befinden, merke ich erst, wie krass der Überblick von hier oben ist. „Waaas, hinter dieser Hecke ist ein Tennisplatz?? Noch nie gesehen.“ – „Guck mal die Fredens haben einen Schwimmteich!! Wusstest du das???“ Für meinen Mann sind diese spannenden neuen Erkenntnisse erstmal zweitrangig, denn er muss den Riesen vor unserer Scheune parken. Hier wird es nun bis morgen stehen. Ein bisschen quer, ein bisschen abschüssig, bereit zum Bepacken.

Unsere Tochter kommt an diesem Tag übrigens nicht mehr ins Haus. Sie ist verliebt und lehnt Distanzbeziehungen kategorisch ab, auch wenn es sich nur um 20 Meter handelt. Stattdessen nimmt sie unser Hundchen mit ins Womo und richtet sich dort häuslich ein, während ich nun endlich in Packlaune komme und sich kurz darauf die Wäschestapel im Esszimmer biegen. An diesem Abend habe ich unser Haus für mich allein. Mein Mann ist samt Decke und Kopfkissen auch schon mal nach draußen umgezogen. Die Nacht wird trotzdem unruhig. Jetzt bin ich echt ein bisschen aufgeregt.

Beste Grüße von Eurer Nachbarin – im Reisefieber

 

 

Der Tag unserer Abfahrt