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Der Tag ist wirklich da, denke ich, als ich aufwache. Um halb zwölf wollen wir uns heute mit dem Womo-Vermieter zur Übergabe treffen. Der Vormittag geht mit ausufernder Körperpflege (wer weiß, wie oft wir unterwegs dazu kommen) und mit der Vorbereitung der Reisedokumente ins Land. Und dann ist es endlich so weit. Treffpunkt ist ein Grundstück in einem sonntäglich verwaisten Gewerbegebiet. Ich komme mir ein bisschen vor, als wollten wir hier was Illegales tun… Ein offenes Tor führt zu einem umzäunten Platz voller Camper. Wir verpassen die Einfahrt und machen gleich mal den richtigen Eindruck auf das Vermieterpärchen, das dort neben einem wunderschönen, aber wirklich riesigen Wohnmobil wartet.

Das steht übrigens mit dem Hintern zur Ausfahrt, wie ich gleich mit einem mitfühlenden Seitenblick auf meinen Mann bemerke. Da muss er später vor den kritischen Augen der Besitzer rausfahren. Und das auch noch mit meiner Hilfe. Ich bin ja eher praxisresistent, wenn man das so sagen will. Wird also ein echter Stresstest! Papa Hose ist wirklich nicht zu beneiden. Aber schließlich haben wir auch noch Größeres vor.

Die Vermieter sind ganz anders als gedacht. Erwartet habe ich erfahrene, wettergegerbte, mit allen Wassern gewaschene Camper, die uns 365 Tipps mit auf den Weg geben. Tatsächlich aber haben die beiden genauso viel Campingerfahrung wie wir, nämlich null. Sie vermieten die Fahrzeuge nur, das aber sehr freundlich und unkompliziert. Im Schnelldurchlauf pflügen wir durch alle Funktionen unseres Urlaubsdomizils. Bordstrom und Landstrom, Frischwasser und Grauwasser, Gasanlage und Heizung, Bordtoilette und Entsorgung.

Während mein Mann interessiert nickt und clevere Fragen stellt, ergeht es mir wie jedes Mal, wenn die Anleitung eines neuen Spiels vorgelesen wird: Nach dem zweiten Satz höre ich nur noch „blablablabla“. Dann  sage ich meistens: Lass uns einfach mal anfangen. Und das machen wir dann auch. Unfallfrei rangiert mein Mann aus dem großen Tor hinaus. Ich stehe hinter dem Wagen, fuchtele alibimäßig mit den Armen und versuche dabei nicht ganz so inkompetent auszusehen, wie ich mich fühle.

Und dann sind wir das erste Mal: On the road! Tochter sitzt gefühlt sehr weit hinter uns am Esstisch und jubelt. Im Laufe unseres Urlaubs werden wir den gezielten Snack- und Wasserflaschen-Weitwurf zwischen Beifahrersitz und ihrer Sitzbank perfektionieren. Mit einmal Aufdozen lassen auf der Tischplatte und dann aus der Luft schnappen. Präzision ist alles! Mein Mann versucht sich emotional in seines neues Gefährt einzufühlen und wird dabei von den Vermietern beeinträchtigt, die immer noch hinter uns herfahren. Nach dem zweiten Kreisel biegen sie ab und wir sind free to go! Ab auf die A3 und dann nach Hause.

Als wir uns wieder auf bekannten Strecken befinden, merke ich erst, wie krass der Überblick von hier oben ist. „Waaas, hinter dieser Hecke ist ein Tennisplatz?? Noch nie gesehen.“ – „Guck mal die Fredens haben einen Schwimmteich!! Wusstest du das???“ Für meinen Mann sind diese spannenden neuen Erkenntnisse erstmal zweitrangig, denn er muss den Riesen vor unserer Scheune parken. Hier wird es nun bis morgen stehen. Ein bisschen quer, ein bisschen abschüssig, bereit zum Bepacken.

Unsere Tochter kommt an diesem Tag übrigens nicht mehr ins Haus. Sie ist verliebt und lehnt Distanzbeziehungen kategorisch ab, auch wenn es sich nur um 20 Meter handelt. Stattdessen nimmt sie unser Hundchen mit ins Womo und richtet sich dort häuslich ein, während ich nun endlich in Packlaune komme und sich kurz darauf die Wäschestapel im Esszimmer biegen. An diesem Abend habe ich unser Haus für mich allein. Mein Mann ist samt Decke und Kopfkissen auch schon mal nach draußen umgezogen. Die Nacht wird trotzdem unruhig. Jetzt bin ich echt ein bisschen aufgeregt.

Beste Grüße von Eurer Nachbarin – im Reisefieber

 

 

Der Tag unserer Abfahrt