Seite wählen
Ganz der Papa

Ganz der Papa

Ach wie schön, irgendjemand hat mal wieder beschlossen, dass es Zeit ist, schlaflose Eltern zu ärgern und die Uhr eine Stunde vorzustellen. Habe mir kurzzeitig überlegt, dieses Mal einfach nicht mitzumachen. Leider hatte ich die Rechnung ohne meinen Funkwecker, mein Handy, mein iPad – und was sich sonst noch so von Geisterhand umstellt – gemacht. Nach einem Blick aus dem Fenster ins herbstliche Grau denke ich mir: Ach egal, nehmen wir das eben auch noch mit… und wenden uns einem Thema zu, über das sogar Menschen ohne Nachwuchs gerne und ausführlich diskutieren. Die Familienähnlichkeit. Ausgerufen hat das Thema übrigens Mama on the Rocks in ihrer aktuellen Blogparade „Was wir unseren Kindern vererben“.


Auf die Palme

„Die Maus hat eine geringe Frustrationstoleranz“, hieß es letztens im Kita-Elterngespräch. „Aber das lernt sie noch!!“ – „Vielleicht auch nicht“, unkte mein Mann und warf mir breit grinsend so vielsagende Blicke zu, dass die Erzieherin unauffällig einen Vermerk in der Akte machte. Ja, die Palme, auf die ich des Öfteren klettere, ist quasi mein einziges Workoutinstrument und meine Ungeduld die einzige energetische Äußerung, während mein Hintern immer breiter wird. Typisch rothaarig halt, wie es das Klischee so will. Geerbt habe ich diesen Charakterzug allerdings nicht von meiner rothaarigen Mutter, sondern von meinem Vater – nicht nur optisch eher so der Robert de Niro-Typ.

Im übrigen ist auch die Maus so weit vom roten Haar entfernt, wie man das eben sein kann, mit einem arabischen Großvater. „Da kommen schwarze Locken“, sprach die Hebamme schon bei der Entbindung und beendete damit jegliche Spekulation. Nicht, dass ich ihr das rote Haar nicht gerne vererbt hätte. Auch wenn ich jeden einzelnen Spruch zu dem Thema kenne und sich schon meine Oma mit ihrer „roten Krause“ einiges anhören durfte, liebe ich ihn doch, meinen Kupferkopf. Immerhin das einzige, was sich bisher jeglichen Alterserscheinungen entzieht.

Haarvergleich

Was ich Töchterlein dann aber doch mitgegeben habe, sind die schneewittchenweiße Haut und die braungrünen Augen. Vom Papa dagegen kommen die Wimpern (Yeah!!) ellenlang, schwarz und gebogen. Außerdem die Lippen (voll), die Größe (ihre gleichaltige Freundin feiert nach Ostern ihre Ein-Meter-Party, während sie schon an der 1,10 kratzt) und die Zehen. Alles andere wird sich zeigen, schließlich verändern sich die Kleinen ja noch stündlich. Derzeit erkennt Oma 1 ihre eigene Nase wieder, während Oma 2 die langen schlanken Finger der Familie mütterlicherseits zuordnet. Einer ist es derzeit noch völlig wurst, und das ist die Maus selber.

Ganz der Papa

Sie sitzt gerade am Küchentisch und will „keinen Käse“ (Papa), danach will sie basteln (Mama) und Bücher lesen (Mama) und zwar SUBITO!! (MAMA). Außerdem hat sie täglich den Wunsch auf der Sofalehne zu balancieren, in die Luft geworfen zu werden und mit dem Ball eine Blumenvase abzuschießen (alles Papa), bevor sie sich eine Stunde lang ruhig und alleine mit ihrem Kinderbauernhof beschäftigt (auch Papa) und sich dabei selbst Geschichten erzählt (Mama) von Hunden (Mama, Papa) und Katzen (Papa) und Pferden (Onkel), die sie liebt.

Wenn dann nachher Besuch kommt, wird sie eine Stunde lang schüchtern sein und nicht sprechen (Mama und Papa) und danach wild aufdrehen (Tante und Onkel). Sie wird sich ein Prinzessinnenkleid überwerfen und sich Glitzerspängchen ins Haar machen lassen und auf die Frage, was sie sich denn vom Osterhasen wünscht „Barbie“ antworten (meine beste Freundin aus Kindertagen? Ach so nee…). Aber von uns hat sie das jedenfalls nicht. Die Tante hat ihren Barbies früher den Kopf abgedreht und mir ist dazu noch nicht mal das eingefallen. Hmmm – muss doch noch mal meinem Mann auf den Zahn fühlen… A propos, die Zähne hat sie ganz doll hoffentlich auch von ihm!!

Kaffeesatz!

Familienähnlichkeiten

So viel Spaß es auch macht, nach Ähnlichkeiten zu gucken und so praktisch es auch ist, schlechte Eigenschaften mal eben dem anderen Familienzweig zuzuschieben: Laut Google ist das alles nicht viel mehr als Kaffeesatzleserei.

Es gibt nämlich – wie immer – eine Studie aus den USA, die festgestellt hat, dass es echt schwer ist, Menschen anhand ihrer optischen Merkmale den Eltern zuzuordnen. Dafür ist das Gen-Lotto einfach zu unberechenbar und außerdem liegen ja nicht nur Kugeln von PapaMamaOmaOpa drin, sondern auch vom Urururururgroßvater mütterlicherseits, der laut Ahnentafel Freiheitskämpfer in Südtirol war, sowie vom Urururuururirgendwasvater väterlicherseits, der zur Leibwache Mohammeds gehörte. Hmm, grade erscheint mir der ein oder andere Trotzanfall doch in anderem Lichte.

Übrigens, wer will, dass sich das künsterliche Talent von Tante Elfriede weitervererbt, der berufliche Ehrgeiz von Ururopa Karl und das engelgleiche Wesen von Tante Angela, sollte es seinem Kind nur lange genug einreden. Oder man lässt es einfach sein, wie es ist.

Grüßle! Eure Nachbarin

Und der Mann hat doch das letzte Wort

Und der Mann hat doch das letzte Wort

Es kommt selten vor, dass meine Frau mir das Reden überlässt, also packe ich die Gelegenheit mal am Schopfe und bringe unser 24-Stunden-Chaos zu Ende.

Es war also Donnerstagabend, halb sieben. Meine Frau hatte sich ins Arbeitszimmer verkrümelt und mich mit unserem Krümel und den vielen anderen auf dem Küchenfußboden alleine gelassen. Mit dem Besen in der Hand und der Maus am Bein kehrte ich also erstmal ordentlich durch und ging im Geiste verschiedene Varianten von Abendmahlzeiten durch, die ich gerne gehabt hätte.

Rührei oder…

Schokokuchen mit Smarties gehörte definitiv nicht dazu, den Süßkram überlasse ich meiner Frau. Für die geht so was ja locker als Abendessen durch. Ich denke dagegen sehnsuchtsvoll an Burger mit Pommes, indisches Curry oder asiatische Reispfanne… Ein Blick in den Kühlschrank eröffnet mir dagegen drei Möglichkeiten: Rührei mit Schnittlauch, Rührei mit Tomaten oder Rührei mit Schnittlauch und Tomaten. Ich entscheide mich für letzteres und nehme mir vor, am nächsten Tag einen Großeinkauf zu machen.

Longing

Die Maus plappert währenddessen ohne Punkt und Komma. Ich bin da mittlerweile geschult: Das rauscht so an mir vorbei. Ich höre nur noch Sätze mit drei Ausrufezeichen. Deshalb sickert ihre Ansage: „Ich geh mal ins Arbeitszimmer, Mama besuchen“, auch etwas verspätet in mein Hirn. Oje, denke ich, Muttern hat bestimmt wieder nicht die Tür abgeschlossen. Wofür habe ich ihr eigentlich extra einen Schlüssel besorgt?

Ich erwarte schon eine hektisch zischelnde und händewedelnde Frau am Telefon, die versucht, unauffällig ihr Kind loszuwerden. Stattdessen sitzen beide harmonisch knuddelnd auf dem Bürostuhl. „Das Interview hat noch nicht angefangen. Aber weißt du, was die Maus eben zu mir gesagt hat: Mama, du bist meine beste Freundin!“ Ein strahlendes Weib, ein glückliches Kind. Alles in Butter! „Auf jetzt, Maus. Wir machen Essen“, scheuche ich Töchterchen zurück in die Küche und rufe meiner Frau zu: „Schließ mal die Tür ab.“

„So, jetzt gibt es Rührei“, verkünde ich siegesgewiss. Die Maus mag nicht viel, aber Rührei geht immer. „Ich will Würstchen!“ „Wir haben kei…“ „WÜÜÜÜÜRSTCHEEEEN!“ „Du darfst auch das Ei aufschlagen“, versuche ich es wieder. Keine Chance! Vor zwei Wochen hätte das noch gezogen, denke ich, während ich meine zeternde Tochter betrachte. Wir einigen uns dann auf Sardinen mit Zwiebeln. Wenigstens das ist immer ein Garant. Also noch! Jedenfalls haut sie sich die ganze Schüssel in den Kopp.

Beschrankt

Irgendwie so halb satt schleppe ich mich ins Wohnzimmer auf die Couch und beschließe zum hundertsten Mal, dass wir wenigstens Soßen und Suppen vorkochen müssen, um in so einem Fall vorbereitet zu sein. Das wäre es jetzt gewesen, eine schöne Bolognese…

Hang time

Während ich so vor mich hin grübele, hüpft Junior wie wild auf der Couch auf und ab. „Hej, hier wird nicht rumgesprungen“, sage ich zu ihr. „Papa! Papa! Papaaaaa!“ antwortet sie in einem Singsang mit leider drei Ausrufezeichen. „Ja?!“, belle ich. „Hang time machen!!!“ Och nö. Jetzt? „Papaaaaa!!!“ „Na gut, aber nur einmal“, sage ich und werfe sie schwungvoll bis kurz unter die Zimmerdecke. Tochter juchzt, meine Gelenke machen so ein ähnliches Geräusch. „Nochmaaaaal!“ War ja klar. Okay, seufze ich und werfe sie noch einmal in die Luft. Im Rücken macht sich schon ein verdächtiges Ziehen bemerkbar.

„Jetzt ist aber Schluss“, sage ich und greife mir das Tablet, um Nachrichten zu lesen. Es ist acht Uhr, von Müdigkeit beim Kinde keine Spur. Wir sollten das mit dem Zucker echt einschränken, denke ich, während sie wie eine Verrückte von einem Zimmer ins nächste rast und irgendeinen imaginären Löwen verfolgt. Vor neun wird sie niemals schlafen und ich sehne meinen Feierabend herbei. Von meiner Frau ist noch nichts zu sehen, wahrscheinlich schreibt sie das Interview doch gleich runter oder sie bloggt schon wieder…

Zähneputzen leicht gemacht

Ich beschließe, meine Tochter jetzt so richtig müde zu machen, hieve die schweren Knochen von der Couch und jage sie durch die Wohnung. Gut, dass unter uns niemand wohnt. Immer noch zappelnd und verschwitzt sitzt sie schließlich auf der Couch und lehnt sich an mich: „Papa, du bist meine beste Freundin!!!“ Ich muss grinsen. „So, kleine Freundin, und jetzt werden Zähne geputzt.“

Seit ich ihr jeden Abend meinen kürzlich gezogenen Weisheitszahn, inklusive eindrucksvollem Loch zeige und ihr sage, dass das mit ihren Zähnen passieren kann, wenn sie nicht richtig putzt, klappt das Ganze wie von selbst. Alle anderen Versuche mit Karius und Baktus-Geschichten und Zahnputzliedern hatten vorher versagt. Manchmal muss man eben anschaulich werden. Ich schaue auf die Uhr: Zehn vor neun! Eigentlich könnte ich mal nach meiner Frau gucken.

Vorsichtig öffne ich die Tür und ernte ein Zischeln und wedelnde Hände. Dabei ist sie gar nicht mehr am Telefon. Na super, übersetzt soll das wohl heißen, das ganze Abendritual bleibt an mir hängen. Und das nach DEM Tag. Die Arbeit war heute auch nicht gerade ein Zuckerschlecken… Aber es hilft nix, da muss ich jetzt durch: Die Tochter für die Nacht einkleiden, OHNE dass meine Frau die Klamotten rausgelegt hat. Eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit…

Ohne Lillifee ins Bett

15 schweißtreibende Minuten später, liegt die Maus endlich im Bett. Vorher hat sie mir dreimal die Freundschaft aufgekündigt, weil sie nicht mehr auf die Toilette wollte, ich das Pferdeoberteil nicht gefunden habe, (also ich habe viele Pferdeoberteile gefunden, aber eben nicht DAS) und weil ich mich geweigert habe, ihr Prinzessin Lillifee vorzulesen. Da braucht man echt ne Sonnenbrille, bei dem pinken Geglitzer.  Wieso haben wir das überhaupt. Ich habe mal gelesen, dass Mädels, die mit Lillifee aufwachsen, niemals Vorstandsvorsitzende werden.

A propos, meine Frau ist immer noch nicht aufgetaucht. Jetzt kann sie sich Zeit lassen. Dann kann ich in Ruhe meine Serie gucken. „Breaking Bad“, Staffel drei, Folge 11. Hehe!! „Papa!“ Ein Ausrufezeichen, so was höre ich nicht. „Papa!!“ Ich bin gar nicht da. „Papa!!!!!“ Ok, das war deutlich. „Was denn?“ rufe ich entnervt. „Kannst du mich graulen und dabei Sankt Martin singen?“ „Äh. Ich hole mal deine Mutter!“ Die kommt mir Gott sei Dank entgegen und sieht fit genug aus, um diese Aufgabe zu übernehmen. „Ein bisschen mehr Begeisterung, bitte!“

Der Abend endet um 23 Uhr. Ich habe zwei Folgen Breaking Bad intus. Meine Frau ratzt seit halb zehn auf dem Sofa. Also, ab ins Bett.

Hustensaft zur guten Nacht

Müßig zu erwähnen, dass unsere Tochter uns um 0:30 weckt, weil es ihr nicht gut geht. Der Rest der Nacht vergeht mit Husten, Fiebermessen und Gemaunze wie im Flug und schon ist wieder morgen! Neuer Tag, neues Glück!

Falls ihr Teil eins bis vier verpasst habt: Hier sind sie.

Ein Tag in der Familie der Nachbarin

Immer noch Tag eins!

Alle guten Dinge…

Kann es was Schöneres geben?

Total unpolitisch!

Total unpolitisch!

So, das neue Jahr ist dreizehn Tage alt, die Nachbarin heute ganz genau ein Jahr (Happy Birthday, altes Haus!!!) Und ich fühle mich in der Tat etwa zwei Monate jünger, als noch beim letzten Post. Soll heißen statt Ende 47 mehr so Mitte 47. Das ist doch schon mal was!

Ob es an meiner Low-Carb-Diät liegt, bei der man alles Leckere weglässt und die ich seit sage und schreibe 12 Tagen durchhalte. Oder an dem Quentchen mehr Bewegung, die ich mir in letzter Zeit gegönnt habe (Schneemann bauen, Schlitten plus Pirelli-Tochter den Berg hoch ziehen). Oder aber doch an den drei Wochen Urlaub, die hinter mir liegen – ich weiß es nicht. Aber ich mache erst mal so weiter! Also, abgesehen
vom Urlaub. Seufz!
Die Nachrichten(p)lage
Was an meiner wundersamen Verjüngung sicherlich nicht schuld ist, ist die Nachrichtenlage, der ich mich ja – gemäß meiner guten Vorsätze für 2015 – seit einigen Tagen widme. Ich weiß nicht, wie es Euch so geht, aber wenn ich dieses Jahr ein erstes graues Haar auf meinem Kopf finden sollte, liegt es sicherlich an dem, was da draußen so passiert.
Paris

Eigentlich gehe ich ja durchs Leben mit der Haltung: „Wenn‘s wirklich wichtig ist, wird es mich schon erreichen!“ So ganz stimmt das offensichtlich nicht, denn ich war dann doch überrascht: „Waaaas, die Insel Mayotte im Indischen Ozean ist jetzt Teil der EU?“ Andererseits, erreichte mich die Meldung vom Anschlag auf „Charlie Hebdo“ in der Lagerhalle eines
Baumarktes, wo gerade das Radio lief, als wir Laminat fürs Arbeitszimmer ins Auto luden. Also, mein Mann lud – ich musste ja Radio hören…

Nun ist die Nachbarin ja alles andere als politisch und positioniert sich höchstens bei Fragen wie: Minitulpen oder Traubenhyazinthen als Frühblüher in den Balkonkasten? (Beides) Bzw. Gemüsepfanne oder Buchweizen-Auflauf zum Abendessen? (Beides nicht). Aber auch ihr ist klar, dass es am 7. Januar um Dimensionen ging, die größer sind als Bleistift gegen Kalaschnikow – obwohl das Bild stimmt.
Und wenn sich die Nachbarin dann vorstellt, dass ihr Töchterlein schon drei ist und irgendwann anfangen wird, die richtigen Fragen zu stellen, so nach dem Sinn und nach der Gerechtigkeit in der Welt… dann schaut und hört und liest die Nachbarin lieber nicht so oft Nachrichten, aus Angst, sie könnte die Antwort darüber vielleicht vergessen.
 
„Völlig falscher Ansatz!“
Ja, ja, sagt das mal der Nachbarin. Aber hinter dem Gartenzaun ist es ja gerade sooo gemütlich. Durch die Latten sieht man diese Menschen mit schwarz-rot-goldenen Fahnen durch die Straßen laufen und skandieren – und es ist doch gar nicht WM?! Irgendwas von wegen „Abendland retten“. Ich kann es nicht genau verstehen, die Gegendemonstranten rufen so laut nach Frieden und Toleranz…

 

Alle Latten am Zaun
Andererseits: Was so eine Nachbarin ist, ist ja irgendwo auch eine Frau der Tat! Und weil die Maus noch keine Fragen stellt, die mit dem Sinn und der Gerechtigkeit der Welt zu tun haben, aber schon wunderbar mit Pinsel und Farbe umgehen kann, malen wir einfach den Gartenzaun bunt an. Dabei lernt
sie schon mal, dass viele Farben schöner sind als eine.Und alles andere? Da braucht unsere Nachbarin noch ein bisschen Zeit und versucht für den Anfang einfach mal die Nachrichten zu ertragen…In diesem Sinne: Weitermachen!

Weihnachten auf dem Märchenschloss oder das Osterhasen-Trauma

Weihnachten auf dem Märchenschloss oder das Osterhasen-Trauma

Kürzlich habe ich mich mit meiner Freundin Marisol über frühe Kindheitserinnerungen unterhalten. So mit fortschreitendem Alter kommen die ja langsam wieder. Eigentlich sollen sie ja erst so ab dem  dritten Lebensjahr langsam einsetzen. Als Mutter finde ich das manchmal traurig: Die Maus wird sich nicht an ihren ersten Tag am Meer erinnern oder an den ersten Schnee. Andererseits aber auch nicht an den Tag, als ich sie mit einem dieser kribbeligen Kopfhaut-Massage-Dinger erschreckte und sie sich die Stirn an der Tischecke aufschlug. (In der Notaufnahme waren sie sehr nett und die Narbe ist schon fast verheilt…)

Im Gespräch mit Marisol kamen wir darauf, dass wir zwar frühe Erinnerungen haben, ABER ja nicht wissen können, ob es echte Erinnerungen sind ODER Erinnerungen an Erzählungen ODER Erinnerungen an Erinnerungen. Könnte ja auch sein! Wenn ich mich an meinem dritten Geburtstag mit meinem Kurzzeitgedächtnis an etwas erinnere, dass ich mit – sagen wir Zweidreiviertel – erlebt habe und mich dann mit Dreieinhalb daran erinnere, an was ich mich an meinem dritten Geburtstag erinnert habe und so weiter und so fort… kommt doch am Ende eine astreine Erinnerung bei raus!

Superacht versus Smartphone

Jetzt hatten wir Ende der siebziger Jahre ja nicht die mediale Gedächtnisstütze, die die Kids von heute haben. In jedem Lebensmoment steht doch irgendeiner daneben, der das Ganze mit dem Smartphone als Video oder wenigstens im Bild festhält. Über uns gab es höchstens noch einen wackeligen Superachtfilm. Und mit „einen“ meine ich „einen“. Immerhin weiß ich dadurch, dass ich als Einjährige im Ungarn-Urlaub fast mal von der Schaukel gefallen wäre…

Unsere Tochter liebt es, sich Videos von sich selbst anzuschauen (heiliger Egozentrismus) und gibt ihrer Erinnerung damit immer wieder einen neuen Anstoß. So weiß sie auch noch, dass sie sich mit eineinhalb das Bein gebrochen hat (Gips bis zur Hüfte). Wenn man sie fragt, welches Bein und wo genau, kann sie es schneller und präziser zeigen, als wir.

Marisol meint übrigens, sie hat nicht ganz so viele Kindheitserinnerungen. Sie ist auch ein paar Jahre jünger als ich – also zwei. Je mehr ich so über meine ersten Lebensjahre nachdenke, desto mehr fällt mir wieder ein. Vielleicht habe ich aber auch nur eine blühende Fantasie (Krebsgeborene und so). Ein frühes Bild habe ich zum Beispiel von einer Amsel, die vor unserem Küchenfenster an einer mit Körnern gefüllten Kokosnuss schaukelt. Ein Foto gibt es davon nicht. Vielleicht ist es also eine Erinnerungen ersten Grades.

Ok, ein Foto gibt es offensichtlich doch. Mist! Aber in meiner Erinnerung war es eine Amsel. Wirklich!!

Das Osterhasen-Trauma

Aus der Kindergartenzeit habe ich dann schon richtig viele. Wie ich zum Beispiel stolz mein neues Wissen über die Nichtexistenz des Osterhasens mit den anderen teilte und die Erzieherin dann vor versammelter Mannschaft sagte: „Quatsch. Natürlich gibt es einen!“ Heute kann ich sie verstehen. (Mein Trauma lässt auch langsam nach.) Oder der Moment, als ich im Urlaub so „dumdidumdidubdidei“ in ein Schwimmbecken hineintaperte, bis ich nur noch Wasser und Luftblasen vor Augen hatte… und als nächstes die Armbanduhr meines Vaters, der mich (dankenswerterweise) wieder rauszog. Da war ich wohl so vier.

Vielleicht bin ich, was diese ganzen Erinnerungen angeht, auch ein bisschen obsessed. Ich entstamme einer Familie von Ahnenforschern und Autobiographie-Schreibern, von Fotosammlern und Nie-etwas-Wegschmeißern. Sowas färbt sicherlich ab. Andererseits gibt es auch ein gutes Gefühl zu wissen, dass man von einem Südtiroler Freiheitskämpfer des 18. Jahrhunderts abstammt. Das erklärt so einiges. Sollte meine Tochter mal ein Ahnenforschungsinteresse entwickeln, wird es schwerer, denn „Multikulti-Kid“ müsste ihre Vorfahren gleich in sieben verschiedenen Ländern aufspüren…

Hmm… die Überschrift „Weihnachten auf dem Märchenschloss“ deutet darauf hin, dass ich eigentlich über was ganz anderes schreiben wollte und irgendwie vom Kurs abgekommen bin (ich glaube Seefahrer gehörten nicht zu meinen Urahnen). Jedenfalls schreibe ich über die wunderschöne vorweihnachtliche Märchenschlosserfahrung, an die sich meine Tochter später BITTEBITTE erinnern soll, einfach beim nächsten Mal.

Einen frohen Advent wünsche ich Euch! Und wenn ihr mögt, teilt doch Eure ersten Kindheitserinnerungen mit mir!!

Shoppen mit Mann und Kind

Shoppen mit Mann und Kind

Also mal Hand aufs Herz: Ich bin jetzt nicht gerade das, was man neudeutsch als Fashion Victim bezeichnen würde. Manolo Blahniks hielt ich bis vor Kurzen noch für eine chronische Stoffwechselerkrankung, bis mich eine „Sex and the City“-erfahrene Freundin darüber aufklärte, dass es sich um Stöckelschuhe, handelt. Auch besagte Serie ist leider an mir vorbeigegangen, was im Wesentlichen damit zu tun hat, dass ich seit Jahren den Kampf um die Fernbedienung verliere.

Nur wenn es um Heidis XS-Meeeedchen geht, setze ich mich einmal im Jahr durch! Schon aus gesundheitlichen Gründen: Eine Staffel „Germany’s Next Topmodel“ motiviert mich zu etwa drei Wochen Schlankheitskur. Und zum Kauf eines Marken-Mascaras, den ich nach einmaliger Benutzung sofort in der Schublade versenke, weil ich eigentlich seit Jahr und Tag meiner geliebten No-Name-Wimperntusche treu bin und bisher definitiv nichts Besseres gefunden habe.
Seit ich mit der Aufzucht eines Kleinkindes beschäftigt bin, haben meine Ambitionen für die Schönheit zu leiden, beträchtlich abgenommen. Ich hab auch so schon genug am Hals. Bequem muss es sein, kleinen klebrigen Kinderhändchen muss es trotzen und trocknergeeignet wäre auch nicht schlecht. Also Jeans. Die habe ich mittlerweile in allen Größen von 36 (Fehlkauf) über 38 (jaha, das waren noch Zeiten) und 40 (Schwangerschaft) bis 42 (Bewegungsmuffel, Schokoaddict).
 
Spieglein, Spieglein
Langsam wird auch das zu eng. Beim Hinsetzen knarzt es mittlerweile verdächtig im Gewebe – also im Jeansgewebe und GNTM noch so lange hin. Deshalb muss ich etwas tun, was ich wirklich nur mache, wenn es nicht anders geht: Ich muss Hosen shoppen! Für jemanden wie mich, deren Hüfte eindeutig der breiteste Körperteil ist, in etwa so spaßig, wie eine Wurzelbehandlung beim Zahnarzt. Selbst meine – wirklich wunderschöne – Freundin Claudia meinte kürzlich: „Wenn ich in der Umkleide stehe, gucke ich niemals in den Spiegel, das tue ich mir nicht an.“ Sollte ich vielleicht auch lassen, denn anders als die Wurzelbehandlung hat Hosenkaufen zusätzlich einen überaus nachteiligen Effekt auf mein Selbstbewusstsein…
Hier mal ein Aufruf: Liebe Umkleidekabinen-Designer! Wir brauchen mehr Licht!!! Wie kommt ihr darauf, dass Schummer-Leuchten den unbekleideten Körper eines Menschen jenseits der 35 besser aussehen lassen? Gedämpftes Licht erzeugt Schatten an Stellen, an denen man als Frau seit der Erfindung der Cellulite keine Schatten mehr sehen möchte. Grelles Licht macht vielleicht blass um die Nase, aber es lässt Hügel und Täler verschwinden. Zumindest wenn man nicht so genau hinsieht.
 
In der Umkleidekabine
Bis die Beleuchtung in Umkleidekabinen angepasst ist, mache ich es also wie meine Freundin – ich schaue nicht mehr hin. Was dem Hosenkaufen eine weitere unerträgliche Komponente hinzufügt, denn: Ich muss meinen Mann mitnehmen. Wer soll denn sonst gucken, ob die Hose einigermaßen sitzt? Nein, nichts gegen meinen Mann, er gibt sich wirklich Mühe. Aber wenn ich ihn mitnehme, muss ich auch meine Tochter mitnehmen. Und das, liebe Freunde, wünscht man wirklich niemandem.
Wir also an einem sonnigen Samstagmorgen mit einer schlecht gelaunten Dreijährigen in der Bonner Innenstadt: „Ich wollte nicht einkaufen, ich wollte zu den Hirschen!“ – „Schatz, ich brauche neue Hosen, wir gehen
später zum Wildgehege.“ „Du kannst doch alleine einkaufen und Papa geht mit mir vor?“ Hmm, wie erkläre ich ihr das jetzt?? „Der Papa muss der Mama helfen, weil sie doch so einen großen Popo hat“, springt mein Mann hilfreich ein und weicht feixend meinem bösen Blick aus. Meine Tochter gibt sich mit dieser Erklärung prompt zufrieden. Hmmm…
Eine Stunde später stehe ich schweißgebadet in der Kaufhof-Umkleide. Meinem Mann ist das Feixen vergangen. „Wenn du mir nicht vertraust, kannst du genauso gut alleine shoppen gehen“, motzt er nicht ganz unberechtigt und zeigt anklagend auf den von mir verworfenen Jeansstapel. „Wie soll ich dir vertrauen, wenn du Hüftjeans, die aus leichten Rundungen monströse Ausbuchtungen machen, für sexy hältst?“ meckere ich zurück. (So ganz hatte ich dem Blick in den Spiegel dann doch nicht ausweichen können). „Ich will jetzt endlich Hirsche!“ höre ich zum 35sten Mal meine Tochter vor der Umkleide jammern.
 
Größe 38!
Ein genervtes Grunzen aus der Nachbarkabine gibt mir den Rest und ich entscheide mich, das Experiment abzublasen. Erleichtert ziehen Mann und Tochter von dannen, um Rolltreppe zu fahren, während ich desillusioniert mit meinen Jeans aus der Kabine wanke. Da sehe ich ihn plötzlich: Er hängt auf der Stange der zurückgelassenen Kleidungsstücke unterhalb des Fachs, in das ich jetzt eilig meine Jeans stopfe und strahlt mich an. Dieser eine Rock, nur für mich gemacht, wohl ein Überbleibsel aus der Sommerkollektion, verschiedene Türkistöne, zartes Muster, ein Traum. Hatte nicht meine Typberaterin einst gesagt, ich solle auf Romantik setzen? Ich gucke auf die Größe: 38!
Wenn der jetzt passt, dann steige ich auf Röcke um, schwöre ich mir, als ich nach einem kurzen Blick Richtung Rolltreppe (alles ruhig) in die Kabine zurückeile. Weich fließt der Stoff an meinem Körper entlang und tut
so, als hätte ich überhaupt keine Hüften. Der Reißverschluss lässt sich problemlos schließen, denn der einzige Vorteil der Birnenfigur ist eine schmale Taille. Klebrige Kinderhändchen, praktische Klamotten und potentiell kalte Winter sind vergessen. „Ich passe in 38“, jubiliere ich, als ich zur Kasse schwebe und mich dabei auf wundersame Weise zehn Kilo leichter und hundert Prozent weiblicher fühle. Darauf ein Sektchen und eine Staffel „Sex and the City“!