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Der Weg ist das Ziel (Teil 2)

Der Weg ist das Ziel (Teil 2)

Wenn die Zeit drängt, sagen Informatiker gerne „T Minus“ und setzen dann eine entsprechende Minutenzahl dahinter. Die Zahl zeigt an, wie viel Zeit noch bleibt. Zum Beispiel bis das System abstürzt, etwas explodiert oder eine Braut am Ort der Trauung ankommen will (bevor ihr System abstürzt und sie explodiert.) Und dieser Zeitpunkt war für mich eine Stunde vor der Trauung, denn ich wollte den Gästen nicht vorher über den Weg laufen.

T Minus X

Es war also T-40 vor Ankunft und damit im eigentlichen Sinne noch nicht soooo spät, wie ich mich fühlte. Das erklärt auch, warum meine Familie eine gewisse Gelassenheit an den Tag legte, als ich mit wogendem Babybauch unterm Spitzenkleid auf den Parkplatz stampfte. Dort versuchten sie gerade, das wunderschöne Blumengesteck meiner Mutter auf der Motorhaube zu befestigen. Mein Puls lag zu diesem Zeipunkt ein wenig oberhalb des gesunden Maßes, so dass ich ihren Bemühungen nicht die angemessene Beachtung schenkte. Stattdessen blaffte ich irgendwas und platzierte mich brütend und mit zwei großen Ausrufezeichen in den Augen im Fond des Wagens.

Das Navi

Nach einem Blick in mein Gesicht, kamen die anderen dann erstaunlich schnell zur Einsicht, doch besser loszufahren. Gesteck hin oder her! Leichter Regen schlug gegen die Windschutzscheibe, während wir so fuhren. Eigentlich kannte ich den 30 Kilometer langen Weg, wollte aber in meinem Zustand und mit Blick auf die Uhr, die offensichtlich einen Weltrekord aufstellen wollte, doch lieber auf das Navi meines Vaters vertrauen. Damals wusste ich noch nicht, wo Navis einen so hinführen können (Rotkäppchen im Düsterwald).

Vielleicht hätte ich stutzig werden sollen, als das Gerät die Auffahrt zur Autobahn nicht fand und wir stattdessen langsam durch ein Bonner Rheindorf zuckelten. Aber ich war mit dem Wetter (15 Grad und Regen), dem Theologen (immer noch keine Rückmeldung) und dem Blumenschmuck auf der Motorhaube beschäftigt, der bedenklich vibrierte und dann auch just in dem Moment blütenwerfend nach oben schlug, als wir doch noch zur Autobahn fanden.

On the road

Bei T-30 brachte mein Vater das Auto auf dem Standstreifen zum Stehen. Bei T-29 hatte er das Gesteck in den Kofferraum verfrachtet und wir fuhren mit 150 Sachen über die erste Autobahn, der noch eine zweite, dritte und vierte folgen sollten, bevor es dann links in die Büsche ging. Kein Stau hielt uns auf, keine Polizei hielt uns an. Alles war gut und ich wagte, mich ein wenig zu entspannen. Zu früh, wie ich bald darauf feststellen sollte.

T-05: „Jetzt weiß ich auch nicht mehr, wo wir sind.“ Außerdem wusste ich nicht, ob ich lachen oder weinen sollte, während ich diesen Satz sagte und danach stumm auf das hübsche Einfamilienhaus in einem Neubaugebiet starrte, vor dem wir gestrandet waren. Leider stand es an einem Wendehammer und die einzige Richtung, die uns blieb, war zurück nach Norden, obwohl wir eigentlich nach Süden wollten. Das Navi beharrte darauf, dass wir den Zaun des Hauses niederwalzen, durchs Gemüsebeet pflügen und dann durch den Gartenteich schippern sollten, um den dahinterliegenden Feldweg gen Süden zu erreichen, aber irgendwas hielt uns davon ab…

Metalcore für die Nerven

Ich kann beim besten Willen nicht sagen, wie wir aus dem Wohngebiet raus, auf die Bundesstraße drauf, durch drei weitere Dörfer hindurch und am Ende tatsächlich bis zur Einfahrt unseres Klosters gekommen sind. Wahrscheinlich war ich gnädigerweise in Ohnmacht gefallen. Jedenfalls standen wir plötzlich, es war T+12, auf dem Parkplatz. Reflexartig ließ ich mich in den Fußraum fallen, was meinem Kleid nicht wirklich zuträglich war, denn um den Eingang herum entdeckte ich Fußvolk. Die ersten Gäste! „Wir pirschen uns von hinten an“, entschied ich. Dass wir uns dazu durch eine Hecke wurschteln und über die regennasse Wiese laufen mussten, interessierte mich zu diesem Zeitpunkt nur noch perifer. „Wenn du was willst, ist alles egal“, sagt mein Mann immer und je nach Situation, ist es ein Vorwurf oder ein Lob.

Hochzeitswolken

Die letzte halbe Stunde vor der Trauung verbrachten wir zweisam im Brautzimmer, warfen hin und wieder misstrauische Blicke auf den Wolkenhimmel vor dem Fenster (Open Air-Trauung und so) und versuchten, uns zu entspannen. Die Trauzeugen hatten alles im Griff, der Theologe war aufgetaucht und ich freute mich einfach nur auf den Tag, während mein Mann – bis dahin ennervierende Ruhe selbst – langsam zappelig wurde und sich nur noch mit Metalcore-Musik aus dem iPod beruhigen ließ.

Einmal sollten wir auf dem Weg zum Altar fast noch vom Weg abkommen, als das süße Blumenmädchen im Klosterhof zu den Klängen von „I belong to you“ forschen Schrittes die falsche Abzweigung nahm. Aber irgendwie schafften wir es doch noch durch den Mittelgang nach vorne und siehe da, in dem Moment, als wir uns auf den Stühlen niederließen, kam die Sonne raus und blieb uns bis nach dem Sektempfang hold. Danach war das Wetter dann den meisten schon egal.

Die Anfahrt sollte nicht die letzte Panne des Tages gewesen sein. Vielleicht schreibe ich im nächsten Jahr über Hochzeitstorten und DJs 🙂 Aber trotzdem war es ein wunderschöner Tag, der mit all seinen Begegnungen und Geschichten – den lustigen, nervigen, rührenden und schönen – unvergesslich ist.

Alles Liebe zum Hochzeitstag, mein Schatz!

Deine – und natürlich Eure – Nachbarin

Geschafft!!!

PS: Einen Tag nach der Trauung rief mein Vater an: „Ich weiß jetzt, was mit dem Navi los war. Es war auf ökonomische Streckenführung eingestellt und hat Schnellstraßen und Autobahnen vermieden.“ Drum versuche, wer sich ewig bindet, am Tag der Trauung keinen Sprit zu sparen 😉

Rotkäppchen im Düsterwald

Rotkäppchen im Düsterwald

Hey, heute ist Sonnenfinsternis! Ich seh ja nur Wolken. Ist aber auch besser so, habe eh keine Schutzbrille. Die Finsternis ereilte mich übrigens auch vergangene Woche – auf dem Weg zum Nähkurs. Ich habe es jetzt verarbeitet und bin bereit darüber zu schreiben. Puh!

Wer mich kennt, weiß, dass ich gerne mal kreativ bin: Malen, Basteln, Dekorieren – zur Freude meines Mannes. Kürzlich gestalteten meine Tochter und ich hingebungsvoll Glitzereier und platzierten sie in einem Einmachglas. Die Maus fragte: „Und, wo kommt das jetzt hin?“ „Ins Treppenhaus.“ „Ah! Damit der Papa das nicht sieht!“ Weitsichtig sind sie, die Kleinen.

Glitzereier-Deko im Treppenhaus

Mit der gleichen Begeisterung würde ich gerne Nähen, Stricken und Häkeln. Allein mir fehlt das Garn, äh Gen. Sobald ich versuche, etwas aus Wolle oder Jersey herzustellen, scheitere ich an meinen linken Händen. Das hält mich allerdings keineswegs davon ab, es hin und wieder zu versuchen. So wie letzte Woche, als ich einen Nähkurs bei Celia besuchte. Hinter den sieben Bergen, bei den sieben Zwergen…

Auf nach Mittelerde

Als ich mir bei Google die Wegbeschreibung anschaute, war ich kurz davor, die Sache abzublasen. „Wo is dat???“ fragte ich meinen Mann und wies anklagend auf das Satellitenbild, das drei Häuslein inmitten von nichts zeigte. „Das? Das ist Mittelerde, glaube ich. Du weißt schon, da wo die Elben und die Hobbits leben.“ „Ja, und die Trolle“, dachte ich im Stillen und wollte gerade zum Handy greifen, um mit einer Ausrede mein Fernbleiben zu erklären, da sagte mein Mann: „Und du traust dich sicher nicht, alleine im Dunkeln da hin zu fahren.“

„Pffffffft!“ So ein Quatsch!!! „Ich bin groß, ich bin stark, ich bin mutig“, murmelte ich abends darauf das Mantra meiner Tochter vor mich hin, während ich die Nähmaschine in den Kofferraum wuchtete. Natürlich mal wieder viel zu spät dran, nachdem die Maus zum Abschied mein Nähset inklusive 15 Stecknadeln, 20 Garnrollen, einem Auftrenner, 30 Knöpfen usw. usf. auf den Boden gepfeffert hatte. Mit zitternden Fingern fütterte ich mein Smartphone-Navi. Ort, Straße und… „Zu dieser Straße sind keine Hausnummern bekannt.“ Okay, auch gut, meine Orientierung ist ja phänomenal! Es sollte schlimmer kommen, als gedacht!

Your GPS is out of order

Ich hatte also noch 20 Minuten Zeit, um eine 30-Minuten-Strecke zurückzulegen und düste los, bis ich vor unserer Dorfbahnschranke zu einem abrupten Halt kam. Mist! Warten zwecklos, also Wenden in 35 Zügen und ab über die Umgehungsstraße. Ich fuhr die Serpentinen ins dunkle Siebengebirge hinauf und versuchte meinen Puls in den Griff zu kriegen. Einzelne Schilder, die hier und da vor kreuzenden Wildscheinen warnten, trugen nicht gerade zu meiner Entspannung bei.

Rotkäppchen und die Vollsperrung

Oben angekommen ging es ab des Weges in die Büsche. Ich fühlte mich ein bisschen wie Rotkäppchen, das sich gleich dem bösen Wolf stellen muss, konnte aber auch nicht umhin, den glitzernden Sternenhimmel zwischen den Tannenwipfeln zu bewundern, der hier oben seinen Namen noch verdient. „Von draus vom Walde komme ich her…“ rezitierte ich, während ich den Anweisungen meines Navis folgte, nur um kurz darauf vor einer vollgesperrten Straße zu stranden.

„ÄÄÄÄhhhh!“ machte ich angesichts der rotweißen Blockade ohne Umleitungshinweis und der gnadenlos tickenden Uhr (noch fünf Minuten Zeit, um pünktlich zu kommen) und fuhr zurück auf die Landstraße. Direkt hinter einen riesigen Trecker, der genau das fuhr, was hinten angegeben war, nämlich 20. Während ich also in gefühlter Schrittgeschwindigkeit durch den Wald schneckte und überlegte, wann der Fuchs hier wohl dem Hasen gute Nacht sagt, meldete sich mein Handy wieder und bedeutet mir unmissverständlich „scharf links“ abzubiegen.

„Ah, eine Abkürzung“, frohlockte ich mit Blick auf das Schild ‚Landwirtschaftlicher Nutzweg‘ und fuhr (geistig) umnachtet in den Wald. Aus dem asphaltierten Weg wurde ein Schotterweg, aus dem Schotterweg ein Waldbodenweg. Die Bäume rückten näher, meine Scheinwerfer leuchteten keine zwei Meter ins undurchdringliche Dunkel. Gerade als ich anfing meine jüngsten Entscheidungen zu hinterfragen, tauchte rechter Hand ein Pferdehof mit ein paar funzeligen Gaslaternen auf. Nebelschwaden waberten um das große Haus herum. Ein Pferd mit kopflosem Reiter galoppierte an mir vorbei. (Vielleicht habe ich mir letzteres auch nur eingebildet)

Das Ende

Jedenfalls tat ich in dem Moment das einzige, was ein vernünftiger Mensch tun würde: Aufs Gas und ab, tiefer in den Wald. Weit kam ich nicht mehr. In dem Moment als das Navi „Scharf rechts abbiegen“, sagte, musste ich feststellen, dass die Reise zu Ende war: Der Weg mündete in eine marode Holzbrücke – für Fußgänger. Der Waldweg war hier fast nur noch ein Pfad. Keine Wendemöglichkeit! Panisch wollte ich meinen Mann anrufen, um ein Wehklagen anzustimmen und ihn dazu zu bringen, sich mit seinem GPS-Gerät ins Taxi zu setzen und mich zu holen. Allein, ich hatte kein Netz.

Im Düsterwald

 

Um mich herum nur Dunkelheit und absolute Stille. Obwohl, was waren das für Geräusche… Kennt jemand Blair Witch Project? „ARGH!!! Warum habe ich mir diese Filme jemals angesehen???“, schrie ich mich selbst an, legte den Rückwärtsgang ein und trat die Flucht nach hinten an. Leute, ich habe es geschafft, aus diesem Wald rauszukommen, ohne vom kopflosen Reiter gekillt oder von der Hexe in den Wahnsinn getrieben zu werden und zwar ab dem Moment, als ich auf
meinen inneren Kompass
gehört habe und nicht mehr aufs Navi.

Beim Rausfahren habe ich noch beinahe Fuchs und Hase umgenietet, die auf dem Weg eine Polka tanzten. „Ey, ihr Viehzeugs, ihr sollt schlafen“, rief ich, ganz Muttertier. Schweißgebadet kam ich keine zwei Minuten später bei der Nähstube an. Die Navi-App, sie heißt übrigens Scout, hatte noch die Stirn zu fragen „Wie war ich?“ Seitdem ist ein Kratzer im Display. Aber nur ein kleiner.

PS: Weniger Glück hatte übrigens ein LKW-Fahrer, der dieser Tage gar nicht weit entfernt in die gleiche Situation geriet: http://www.general-anzeiger-bonn.de/region/rhein-sieg-kreis/ruppichteroth/Laster-steckt-im-Wald-fest-article1592892.html
Und der Mann hat doch das letzte Wort

Und der Mann hat doch das letzte Wort

Es kommt selten vor, dass meine Frau mir das Reden überlässt, also packe ich die Gelegenheit mal am Schopfe und bringe unser 24-Stunden-Chaos zu Ende.

Es war also Donnerstagabend, halb sieben. Meine Frau hatte sich ins Arbeitszimmer verkrümelt und mich mit unserem Krümel und den vielen anderen auf dem Küchenfußboden alleine gelassen. Mit dem Besen in der Hand und der Maus am Bein kehrte ich also erstmal ordentlich durch und ging im Geiste verschiedene Varianten von Abendmahlzeiten durch, die ich gerne gehabt hätte.

Rührei oder…

Schokokuchen mit Smarties gehörte definitiv nicht dazu, den Süßkram überlasse ich meiner Frau. Für die geht so was ja locker als Abendessen durch. Ich denke dagegen sehnsuchtsvoll an Burger mit Pommes, indisches Curry oder asiatische Reispfanne… Ein Blick in den Kühlschrank eröffnet mir dagegen drei Möglichkeiten: Rührei mit Schnittlauch, Rührei mit Tomaten oder Rührei mit Schnittlauch und Tomaten. Ich entscheide mich für letzteres und nehme mir vor, am nächsten Tag einen Großeinkauf zu machen.

Longing

Die Maus plappert währenddessen ohne Punkt und Komma. Ich bin da mittlerweile geschult: Das rauscht so an mir vorbei. Ich höre nur noch Sätze mit drei Ausrufezeichen. Deshalb sickert ihre Ansage: „Ich geh mal ins Arbeitszimmer, Mama besuchen“, auch etwas verspätet in mein Hirn. Oje, denke ich, Muttern hat bestimmt wieder nicht die Tür abgeschlossen. Wofür habe ich ihr eigentlich extra einen Schlüssel besorgt?

Ich erwarte schon eine hektisch zischelnde und händewedelnde Frau am Telefon, die versucht, unauffällig ihr Kind loszuwerden. Stattdessen sitzen beide harmonisch knuddelnd auf dem Bürostuhl. „Das Interview hat noch nicht angefangen. Aber weißt du, was die Maus eben zu mir gesagt hat: Mama, du bist meine beste Freundin!“ Ein strahlendes Weib, ein glückliches Kind. Alles in Butter! „Auf jetzt, Maus. Wir machen Essen“, scheuche ich Töchterchen zurück in die Küche und rufe meiner Frau zu: „Schließ mal die Tür ab.“

„So, jetzt gibt es Rührei“, verkünde ich siegesgewiss. Die Maus mag nicht viel, aber Rührei geht immer. „Ich will Würstchen!“ „Wir haben kei…“ „WÜÜÜÜÜRSTCHEEEEN!“ „Du darfst auch das Ei aufschlagen“, versuche ich es wieder. Keine Chance! Vor zwei Wochen hätte das noch gezogen, denke ich, während ich meine zeternde Tochter betrachte. Wir einigen uns dann auf Sardinen mit Zwiebeln. Wenigstens das ist immer ein Garant. Also noch! Jedenfalls haut sie sich die ganze Schüssel in den Kopp.

Beschrankt

Irgendwie so halb satt schleppe ich mich ins Wohnzimmer auf die Couch und beschließe zum hundertsten Mal, dass wir wenigstens Soßen und Suppen vorkochen müssen, um in so einem Fall vorbereitet zu sein. Das wäre es jetzt gewesen, eine schöne Bolognese…

Hang time

Während ich so vor mich hin grübele, hüpft Junior wie wild auf der Couch auf und ab. „Hej, hier wird nicht rumgesprungen“, sage ich zu ihr. „Papa! Papa! Papaaaaa!“ antwortet sie in einem Singsang mit leider drei Ausrufezeichen. „Ja?!“, belle ich. „Hang time machen!!!“ Och nö. Jetzt? „Papaaaaa!!!“ „Na gut, aber nur einmal“, sage ich und werfe sie schwungvoll bis kurz unter die Zimmerdecke. Tochter juchzt, meine Gelenke machen so ein ähnliches Geräusch. „Nochmaaaaal!“ War ja klar. Okay, seufze ich und werfe sie noch einmal in die Luft. Im Rücken macht sich schon ein verdächtiges Ziehen bemerkbar.

„Jetzt ist aber Schluss“, sage ich und greife mir das Tablet, um Nachrichten zu lesen. Es ist acht Uhr, von Müdigkeit beim Kinde keine Spur. Wir sollten das mit dem Zucker echt einschränken, denke ich, während sie wie eine Verrückte von einem Zimmer ins nächste rast und irgendeinen imaginären Löwen verfolgt. Vor neun wird sie niemals schlafen und ich sehne meinen Feierabend herbei. Von meiner Frau ist noch nichts zu sehen, wahrscheinlich schreibt sie das Interview doch gleich runter oder sie bloggt schon wieder…

Zähneputzen leicht gemacht

Ich beschließe, meine Tochter jetzt so richtig müde zu machen, hieve die schweren Knochen von der Couch und jage sie durch die Wohnung. Gut, dass unter uns niemand wohnt. Immer noch zappelnd und verschwitzt sitzt sie schließlich auf der Couch und lehnt sich an mich: „Papa, du bist meine beste Freundin!!!“ Ich muss grinsen. „So, kleine Freundin, und jetzt werden Zähne geputzt.“

Seit ich ihr jeden Abend meinen kürzlich gezogenen Weisheitszahn, inklusive eindrucksvollem Loch zeige und ihr sage, dass das mit ihren Zähnen passieren kann, wenn sie nicht richtig putzt, klappt das Ganze wie von selbst. Alle anderen Versuche mit Karius und Baktus-Geschichten und Zahnputzliedern hatten vorher versagt. Manchmal muss man eben anschaulich werden. Ich schaue auf die Uhr: Zehn vor neun! Eigentlich könnte ich mal nach meiner Frau gucken.

Vorsichtig öffne ich die Tür und ernte ein Zischeln und wedelnde Hände. Dabei ist sie gar nicht mehr am Telefon. Na super, übersetzt soll das wohl heißen, das ganze Abendritual bleibt an mir hängen. Und das nach DEM Tag. Die Arbeit war heute auch nicht gerade ein Zuckerschlecken… Aber es hilft nix, da muss ich jetzt durch: Die Tochter für die Nacht einkleiden, OHNE dass meine Frau die Klamotten rausgelegt hat. Eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit…

Ohne Lillifee ins Bett

15 schweißtreibende Minuten später, liegt die Maus endlich im Bett. Vorher hat sie mir dreimal die Freundschaft aufgekündigt, weil sie nicht mehr auf die Toilette wollte, ich das Pferdeoberteil nicht gefunden habe, (also ich habe viele Pferdeoberteile gefunden, aber eben nicht DAS) und weil ich mich geweigert habe, ihr Prinzessin Lillifee vorzulesen. Da braucht man echt ne Sonnenbrille, bei dem pinken Geglitzer.  Wieso haben wir das überhaupt. Ich habe mal gelesen, dass Mädels, die mit Lillifee aufwachsen, niemals Vorstandsvorsitzende werden.

A propos, meine Frau ist immer noch nicht aufgetaucht. Jetzt kann sie sich Zeit lassen. Dann kann ich in Ruhe meine Serie gucken. „Breaking Bad“, Staffel drei, Folge 11. Hehe!! „Papa!“ Ein Ausrufezeichen, so was höre ich nicht. „Papa!!“ Ich bin gar nicht da. „Papa!!!!!“ Ok, das war deutlich. „Was denn?“ rufe ich entnervt. „Kannst du mich graulen und dabei Sankt Martin singen?“ „Äh. Ich hole mal deine Mutter!“ Die kommt mir Gott sei Dank entgegen und sieht fit genug aus, um diese Aufgabe zu übernehmen. „Ein bisschen mehr Begeisterung, bitte!“

Der Abend endet um 23 Uhr. Ich habe zwei Folgen Breaking Bad intus. Meine Frau ratzt seit halb zehn auf dem Sofa. Also, ab ins Bett.

Hustensaft zur guten Nacht

Müßig zu erwähnen, dass unsere Tochter uns um 0:30 weckt, weil es ihr nicht gut geht. Der Rest der Nacht vergeht mit Husten, Fiebermessen und Gemaunze wie im Flug und schon ist wieder morgen! Neuer Tag, neues Glück!

Falls ihr Teil eins bis vier verpasst habt: Hier sind sie.

Ein Tag in der Familie der Nachbarin

Immer noch Tag eins!

Alle guten Dinge…

Kann es was Schöneres geben?

Alle guten Dinge…

Alle guten Dinge…

…sind definitiv mehr als drei. Jedenfalls, was die Geschichte unseres 24-Stunden-Chaos angeht. Man könnte jetzt schwächeln, aber es muss ja weitergehen. Schließlich ist erst halb drei. Also nun der dritte Teil und wer uns bis jetzt entschuldigt hat, wird spätestens hier merken: Wir haben wirklich ernstzunehmende Probleme.

Es gibt Regeln, die hören sich so einfach an und doch bringen sie mich, die so gerne regelkonform leben möchte muss irgendwas mit meiner Sauberkeitserziehung zu tun haben manchmal – oder auch täglich – an meine Grenzen. Es geht um diesen handgeschriebenen Zettel, der da so unschuldig im Kita-Flur rumhängt: „Liebe Eltern! Wir möchten Sie freundlich bitten, die Kita bis 14:30 Uhr verlassen zu haben, damit wir uns ungestört den Nachmittags-Kindern widmen können.“

Mein Sargnagel

So weit, so einleuchtend und für viele Eltern offensichtlich spielend machbar. Für mich und vier weitere Mitstreiterinnen, die jeden Mittag krebsrot und zerzaust in der Kita antraben und ihre Kinder fluchend vom Gelände zerren, eher von der Kategorie „was das Leben so schwer macht“. Vor allem im Winter, wenn man den empfohlenen Zwiebellook ernst nimmt. Vor allem, wenn das Kind einem 25 Seiten handbemaltes Druckerpapier in die Hand drückt, das „weder geknickt, noch gerollt“ werden darf. Und vor allem, wenn es dazu noch die drei Bälle mitnehmen will, die es im Laufe der Woche mit in die Kita geschleppt hat.

Zwischen 14:28 Uhr und – wenn es echt gut läuft – 14:30 Uhr steigt daher der Stresspegel im Kita-Flur sekündlich an. „Mama von der Mauhaus! Kannst du uns bitte mal durchlassen“, piepst es hinter mir, während ich auf dem Boden kniend meiner Tochter das zweite Paar Socken überstreife und dabei den Weg zum Waschraum versperre. „Du hast mein Bild geknickt“, heult die Maus, während ich mich irgendwo Halt suchend ächzend aufrappele, um sechs Nachmittags-Kinder durchzulassen, die sich vor dem ‚Kaffestündchen‘ noch die Hände waschen sollen.

An unserem besagten Donnerstagnachmittag verschärft sich die Lage noch auf unvorhergesehene Weise, denn ich muss mich in die Reservierungsliste für den Kita-Frühlingsflohmarkt eintragen und finde keinen Stift. Die Uhr tickt unbarmherzig weiter, während ich hektisch meinen offensichtlich bodenlosen Rucksack durchforste und sich dabei eine Packung mit Himbeeren öffnet. Weiches magentafarbenes Monsterflecken-Potential ergießt sich in meine Tasche und auf den Kita-Flur. Oh Mann, ich wusste gleich, ich hätte im Winter kein Sommerbeeren kaufen sollen. Jetzt habe ich den Salat.

Himbeer-Alarm

Meine Tochter beobachtet das Geschehen mitfühlend und feuert mich leise an, während ich nun gaaaanz vorsichtig meine Tasche ausräume. Was da alles rauskommt: Allen voran rette ich mein geliebtes Pip Studio-Portemonaie, das mir mein Mann zum 35sten geschenkt hat. Es folgen zwei Kinderschlüpper, eine Leggins, mein Taschenkalender, fünf fusselige Hustenbonbons, zwei Ibuprofen, drei Quittungen, eine Eintrittskarte für das Naturkundemuseum, ein Weihnachts-Rubbellos mit einem Gewinn von 1 Euro (ach, da war das) und drei Pixibücher. Dazu Taschentücher, Haargummis, ein Regenschirm und KEIN Stift. Dafür natürlich viele, viele dankenswerterweise unbeschädigte Himbeeren.

„Mama im Schirm steckt noch was Rotes“, kommt der hilfreiche Hinweis meiner Tochter, als ich alles wieder einräume. Mist! Und der Ärmel meiner Daunenjacke hat auch was abbekommen. Egal! Nur raus hier! Ich sammele unsere 700 Sachen und marschiere hoch erhobenen Hauptes im Stechschritt vor meiner Tochter her in die Wintersonne hinaus! Kaum ist die Kita-Tür hinter uns ins Schloss gefallen nutzt sie den Moment, um sich in ihren nachmittäglichen, erschöpfungsbedingten Unterzuckerungs-Heulkrampf hineinzusteigern. Normalerweise schaffen wir es vorher nach Hause.

Es ist diese Art Anfall, der gestylte Geschäftsfrauen die Augenbrauen hochziehen und
vorbeijoggende Silver-Ager verschreckt das Handy zücken lässt, um vorsorglich einen Anruf beim Jugendamt zu tätigen. Mein Kind steht in einer Pfütze, während ich weitergehe: „Maaaamaaaaa! Lass mich nicht alleeeeeiiiiin!“ Ich greife nach ihrer Hand: „Aaaaaauuuuuuaaaaaa!“ Meine Geduld ist am Ende und ich schnauze pädagogisch wertvoll: „Hör jetzt auf mit dem Theater“ So sanft wie möglich ziehe ich sie mit mir, denn ich weiß, das Heil liegt nur 150 Meter entfernt und hört auf den Namen: Nachmittags-Kakao.

Maus allein in der Pfütze

Irgendwie schaffen wir es unbehelligt bis in den Hausflur, wo sich die letzten Ressourcen der Maus schlagartig in Luft auflösen. „Trag mich die Treppe hoch!“ Ein Blick auf ihre schlammigen Gummistiefel und ich verwerfe den Ansatz ‚Um-des-lieben-Frieden-willens‘ zugunsten von: „Komm, das schaffst du noch. Wer zuerst oben ist, hat gewonnen.“ Aus dem Wettrennen wird dann eher ein halb zog sie sie, halb sank sie hin, aber irgendwann stehen wir vor der Wohnungtür.

Zwischen uns und dem ‚Kakao der Ruhe und des Seelenfriedens‘ liegt jetzt nur noch eine entscheidende Hürde: das Hände waschen. Ja, und das Ausziehen, aber das ist nicht das Problem. Sobald Mäuschen die Wohnung betritt, spritzen in Nanosekundenschnelle 35 Oberbekleidungsstücke nebst schlammigen Stiefeln in allen Richtungen von meinem Kind ab. Ein Ritual, das sie jedoch seit eineinhalb Jahren in Frage stellt, ist das Händewaschen nach der Kita, BEVOR sie diese multiresistenten kleinen Kita-Bazillen auf dem Sofa, ihren Spielsachen und dem Küchentisch verteilt. Da werde ich schon mal hektisch…

1-Quadratmeter-WC

Nach monatelangem Hinterherhechten, gut zureden, hysterisch ankeifen, sperre ich uns mittlerweile so lange im 1-Quadratmeter-Gäste-WC ein, bis sie die kleinen Teufelchen den Abfluss runtergespült hat. Das werden dann schon mal lange 20 Minuten. Aber hey, es muss doch auch Regeln geben. Ich erwäge, den Raum mit Comics zu tapezieren, das habe ich schon mal irgendwo gesehen. Dann wird die Zeit nicht so lang, während ich zwischen Tochter, Kloschüssel und Mini-Waschbecken auf einem Bein balanciere.

Pünktlich um drei sitzt die Maus dann sauber und immer noch unterzuckert am Küchentisch und erwartet bebend ihren Nachmittags-Kakao. Milch ins Glas. Glas in die Mikrowelle. Pulver und Löffelchen reichen. Die Maus füllt das Pulver ein, ich muss rühren. Die Struktur muss schließlich gewahrt werden, wir haben hier ein Jungfrau-Kind. Dann geht es weiter: „ZU WARM!!!“ Soll heißen zu kalt. Ich stelle den Kakao nochmal in die Mikrowelle. „Jetzt ist er zu KAAALLLT!“ Soll heißen zu warm. Das muss man wissen. Pusten und rühren…

Mittlerweile ist das Kind kaum noch in der Lage, das Glas zu heben. Mit ein wenig Zureden und Hilfestellung setzt sie es irgendwann doch an die zitternden Lippen und haut das Zeug in einem Zug runter. Sofort kehrt Entspannung ein. Jetzt ist sie bereit für etwas, dass sich „Chilli, Chilli“ nennt und ihr Bett, 17 Kuscheltiere, ebenso viele Bücher und eine Weihnachts-CD beinhaltet. Oder wahlweise die Couch, eine Kuscheldecke, den „Grüffelo“ und meine Wenigkeit, die ihn gefühlte 23 Mal hintereinander vorträgt. In diesem Fall entscheiden wir uns einhellig für ersteres, denn in einer halben Stunde steht der Besuch auf der Matte und hier sieht es schon wieder aus…

An dieser Stelle, wollte ich ja eigentlich schon durch sein, mit unserem 24-Stunden-Tag. Aber es ist gerade mal eine Stunde vergangen. Wenn das so weitergeht, muss ich wohl doch ein Buch draus machen… Oder ich gönne uns noch ein oder zwei Posts. Mutige folgt mir!! Alle anderen: Stoßt bitte übernächste Woche wieder zu uns.

Immer noch Tag eins!

Immer noch Tag eins!

Welcome back – im 24-Stunden-Chaos der Nachbarin und ihrer Familie. Auf in die zweite Runde!

Ich hetzte also aus der Turnhalle raus, um meinen angefressenen Göttergatten noch zu sehen und zwei Minuten deeskalierende Kommunikation nach Marshall B. Rosenberg zu betreiben, bevor er um 8 Uhr 25 das Haus endgültig verlässt. Leider lässt mich meine bekanntermaßen unterirdische Kondition im Stich, während ich so mit leerem Buggy vor mir die Straße entlanghechele und versuche, dabei einen Rest an Würde zu bewahren. Um 8 Uhr 28 erreiche ich die Haustür. Zu spät.

(De-)eskalation per Chat

Aber ha, wofür gibt es Whatsapp. Ich texte so ein bisschen rum  und hoffe, während ich so vor mich hin transpiriere und meinem rasenden Puls lausche, dass das jetzt deeskalierend genug war. –>
Die Handyuhr zeigt 8 Uhr 30 ein Viertel und ich habe noch genau eine halbe Stunde Zeit für den Haushalt, bevor ich arbeiten muss.

Was ich – by the way – nicht hasse, ist mein Homeoffice, auch wenn es aussieht, wie eine Abstellkammer mit Schreibtisch drin. Also genau genommen ist es eine Abstellkammer mit Schreibtisch drin. Aber ich liebe sie, denn sie erlässt es mir, mich morgens in eine Straßenbahn stellen zu müssen, in der Umfallen garantiert unmöglich ist oder mein Auto in den Stau. Im schlimmsten Fall erlässt sie mir auch das Duschen, Schminken und Haare kämmen. Gut, dass die Videotelefonie noch nicht so verbreitet ist…

Mistiger Duplostein

Also Haushalt. Die Wohnung sieht aus wie immer nach der morgendlichen Schlacht. Kinderbücher, Malsachen und „Ahhhh!“ – ich habe diesen mistigen Duplostein gefunden, den Töchterlein gestern gesucht hat. Krümel, buttriges Besteck und wellige Goudascheiben auf der Anrichte. Ein einsames leeres Kakaoglas mit Strohhalm auf dem Tisch. Betten ungemacht, Zimmer ungelüftet, die Kuscheldecke auf dem Boden vor dem Sofa. Mülleimer quellen über, die Schmutzwäschetruhe auch…

Also, mache ich erstmal das Naheliegendste: Ich gehe duschen!  Unter der Dusche kann ich am besten nachdenken. Also, genauer gesagt komme ich AUSSCHLIESSLICH unter der Dusche zum Nachdenken – wenn nicht gerade meine Tochter davor sitzt und mir Fragen zur Fortpflanzung stellt. Offenbar gerade ein beliebtes Thema bei den Kids. Im Kindergarten werden derzeit täglich Puppen entbunden.

Ich drehe das Wasser auf extraheiß und meine Gedanken führen mich zu einer guten Freundin, die mir gerade das Folgende geschrieben hat: „Heute morgen mit zwei Kindern, einem Hund, einem Kinderwagen und einem Fahrrad mit Stützrädern im Bus in den Nachbarort zum Schuster gefahren. Hat gut geklappt!“ Es ist wahr, jeder Mensch hat einen anderen Stresslevel, denke ich bewundernd, während ich versuche, ohne Brille durch den Wasserdunst, die Badezimmeruhr zu entziffern! 8 Uhr 40 jetzt aber schnell. Zehn Minuten Entspannung müssen definitiv reichen.

Neun Uhr

Wie ich es in zwanzig Minuten schaffe, mich anzuziehen, Ordnung zu schaffen, die Spülmaschine aus- und dann wieder einzuräumen, die Anrichte abzuwischen, eine Fuhre Wäsche in den Waschkeller zu bringen und zwei Tüten Müll zur Tonne? Nennt mich einfach Turbo-Hausfrau und guckt bloß nicht IN die Schränke und UNTERS Sofa… Jedenfalls sitze ich um Punkt neun vor dem PC in meiner Abstellkammer. Vorher habe ich noch alle Fenster aufgerissen, um durchzulüften und den Timer auf zehn Minuten gestellt.

Ich will gerade Word öffnen, um mich auf ein Gespräch mit meinem Auftraggeber vorzubereiten, mit dem ich in einer halben Stunde einen Telefontermin habe, da stelle ich fest: Das Netz ist weg!!! Wenn es um die technischen Optimierungsleistungen meines Informatiker-Ehemanns geht, fühle ich mich in etwa so hilflos wie damals unsere schüchterne Sexualkunde-Lehrerin gegenüber 30 Pubertierenden. Ich weiß nur so viel: Wenn ich nicht ins Netz komme, komme ich auch nicht in mein Dokument…Ich atme tief ein und aus. Schließlich habe ich gerade geduscht und will meine mühsam erarbeitete Grundentspannung nicht gefährden.

Dann klicke ich tapfer auf Problembehandlung, nur um aufzugeben, als das böse Wort ‚Netzwerkfehler‘ aufpoppt. Wat is dat denn?? „Ich bin ein Zenbuddhist, ich bin ein Zenbuddhist, ich bin ein…“ Hektisch tippe ich auf meinem Handydisplay rum. Mein Mann hebt ab, hört sich mein – wirklich kurz gehaltenes – Lamento an und meint dann nur: „Oh sorry, hab den Stecker im Wohnzimmer hinterm Fernseher rausgezogen. Den musst du wieder einstecken.“ Grummelnd gehe ich ins Wohnzimmer, nur um festzustellen, dass ich den Timer nicht gehört habe und die Wohnung nun eiskalt gelüftet ist.

Die Zeit rennt

9 Uhr 15: Zitternd und mit blauen Lippen sitze ich wieder an meinem Arbeitsplatz und siehe da: das Netz werkt wieder. Der Telefonstecker steckt dankenswerterweise, wo er hingehört und so steht der Besprechung um halb zehn nichts mehr im Wege. Es folgen fünf E-Mails, 30 Minuten Internetrecherche, drei Anrufe – einer von meiner Mutter – und danach ein einstündiges Telefoninterview mit einem Familientherapeuten zum Thema überlastete Eltern. (Nein, es war keine private Therapiesitzung. Es war ein INTERVIEW!!)

Es ist 11 Uhr 25 und ich habe mich seit gut zwei Stunden nicht bewegt. Wenn ich Zeit hätte, könnte ich jetzt mal aufstehen und zwei Liter trinken. Damit ich die empfohlene Tagesdosis erreiche. Nur für den Fall, dass ich heute nicht mehr dazu komme. Aber leider, leider hab ich gleich noch ein Interview. Also esse ich stattdessen eine einzelne Erdnuss, die seit Weihnachten einsam zwischen leeren Gläsern, Timern, Stiften, Glitzersternen, Ü-Ei-Figürchen und Schreibblöcken auf meinem vorbildlich aufgeräumten Schreibtisch rumliegt. Dann lasse ich durchklingeln und … Nichts.

Stattdessen kommt eine Mail, mit der Bitte das Gespräch doch auf den Nachmittag zu verschieben. Jaaaa, der Nachmittag… Ist ja ein weiter Begriff so ein Nachmittag: nachmittags um halb zwei würde gehen. Nachmittags um halb sieben auch…. Dazwischen ist das so eine Sache, denke ich, und sehe mich schon einen Vorstandsvorsitzenden interviewen, während Töchterlein im Hintergrund ruft: „Mama, hast du auch ein Baby im Bauch?“ Nee, lass mal! Außerdem kriegen wir heute Besuch. Aber der Artikel muss am nächsten Tag raus. Ich raufe mir ein bisschen die Haare, verabrede dann einen Abendtermin und beschließe, am nächsten Morgen einfach früher aufzustehen.

Wenigstens kann ich die gewonnene Zeit jetzt dazu nutzen, andere Dinge auf meiner ToDo-Liste abzuhaken: Umsatzsteuervoranmeldung (was für eine Sch…trafe). Rechnung überweisen, Arzttermin für meinen Mann ausmachen (yeah, es klappt noch 2015). Entsprechend beflügelter Versuch, einen Arzttermin für mich auszumachen – mit darauffolgender Ernüchterung…

Kühlschrank, leer

Aushänge für den nächsten Kita-Flohmarkt aktualisieren. Zwei Stockwerke runterlaufen, um die Wäsche in den Trockner zu tun. Feststellen, dass ich vergessen habe, die Waschmaschine einzuschalten. Fürs Abendessen kochen. Feststellen, dass a) nichts mehr im Kühlschrank ist und ich b) schon wieder nichts getrunken habe und dass ich c) in 5, 4, 3, 2,1 das Haus verlassen muss, um noch zehn Hemden in die Reinigung zu bringen, zum Gemüsehändler zu gehen und meine Tochter pünktlich um halb drei vom Kindergarten abzuholen.

Was ich natürlich schaffe, weil ich es immer schaffe… Und weil ich eben doch rennen kann, wenn es darauf ankommt (ha, von wegen Bewegungsmangel!). Um 14 Uhr 28 stehe ich im Kindergarten. Zum zweiten Mal am Tag schweißgebadet und dazu hungrig und durstig… „Hallo mein Schatz“, flöte ich fröhlich. „Wie war dein Tag???“

Schön wär’s, wäre dieser Tag zu Ende. Mir jedenfalls würde so ein halber reichen. Dann ne Runde schlafen und dann ab ins Bett. Aber die Maus schläft vor neun Uhr abends nicht ein. Das heißt, es liegen noch sechseinhalb Stunden vor mir. Und vor Euch. Wenn Ihr mögt!