Seite wählen
Hallo, mein Name ist  „Nein“…

Hallo, mein Name ist „Nein“…

 … und manchmal heiße ich auch „Verdammt nochmal, ich habe nein gesagt!“ Ich bin ein (hoffentlich Anm. d. Red.) fast ausgewachsener Goldendoodle, aber niemand, absolut niemand hat damit gerechnet, dass ich so groß werden würde, dass ich mein Kinn bequem auf den Küchentisch legen kann. Das war lange Zeit mein persönlicher Vorteil, denn so mussten sich alle nach und nach darauf einstellen, dass ich so ziemlich überall drankomme.
Alles lecker
Ich mag am liebsten Sachen essen, die ich nicht essen soll. Das war schon immer so. Kiloweise angegorene Zwetschgen aus dem Garten brachten mich beschwingt durch die Welpenzeit, ergänzt von Blumenzwiebeln, Pilzen unbekannter Sorte, angefaultem Rasenschnitt und jeder Menge Kirschlorbeerbeeren. Hin und wieder ein Efeublatt oder ein wenig Vogelfutter dazu – so kommt man durch den Tag und kann das angebotene Hundfutter im Napf mit Verachtung strafen.
Hoover
Das Beste waren die Spaziergänge mit dem unerfahrenen Frauchen: Hier ein bisschen Dünger, dort ein leckerer Pferdeapfel, zum Nachtisch ein Knöchelchen oder etwas Müll, ich bin da nicht wählerisch. Frauchen hat mir irgendwann den Beinamen Hoover gegeben. Angeblich weil ich alles wegsauge, was in der freien Natur so rumliegt. Man muss halt irgendwie auf seine Kosten kommen. Leider sieht mein Frauchen das etwas anderes und so hallte mein Name „Nein“ lange Zeit im 30-Sekundentakt über die Felder. Hin und wieder landete auch ein Dreckklumpen auf meinem Fell. So kanns einem echt vergehen.
EKG
Ich hab mich dann aufs Kauen verlegt. Super gehen Einlegesohlen. Am liebsten aus Schafwolle – yummy – aber auch die vom Herrchen, aus Leder. Weicher Kunststoff fühlt sich grandios an, wenn man darauf rumkaut. Judomatten sind genauso zu empfehlen, wie Taucherbrillen und Kabel. Zum Beispiel von einem EKG. Das steht für „Echt krasser Geschmack“ und ich habe es beim Großherrchen (Opa Anm. d. Red.) gefunden und gleich alle EKG-Pads abgenagt. Der fand das jetzt nicht so toll, denn es war das EKG von seinem Hausarzt. Aber warum soll nur der in den Genuss kommen?!
Hier bin ich etwa halb so groß wie heute
Großfrauchen (Oma Anm. d. Red.) hat mich mal beobachtet. Das macht die so gut, dass merke ich gar nicht. Aber am Telefon hat sie dann Frauchen gepetzt. Großherrchen hätte eine Schüssel mit Salat in die Kühlung gestellt, hat sie erzählt. Die Kühlung ist der Terrassentisch und da stand die Schüssel direkt vor meiner Nase. Eigentlich stand sie mitten drauf, sagt Großfrauchen. Erst hätten sich ein paar Amseln draufgesetzt. Da hat sie noch nichts gesagt. Aber kurz darauf hat sie mich gesehen, wie ich meinen Kopf in der Schüssel versenkt habe. Da hat sie das gute Zeuch ins Klo gekippt. Schade eigentlich – ich hätte es gefressen: Salatblätter, Paprika, Gurken. Alles yummy!
Weihnachtszeit!!
Die Weihnachtszeit ist auch echt super. Immer liegt irgendwas Leckeres rum. Adventsgestecke, Weinachtsteebeutel und das beste: Lebkuchen mit Schokoüberzug! Da hab ich mir gleich mal fünf genehmigt. Komisch, alle haben sich drüber aufgeregt, dabei essen die das doch selber. Giftig sei das für Hunde. Da sollten sie aber mal meine Cousine Zoey fragen. Das kluge Tier hat am 1. Dezember den Pärchen-Adventskalender von Herrchen und Frauchen leergemacht: 47 Pralinen. Die 48. war wohl irgendwie faul, die hat sie liegen lassen. Also ich hätte sie genommen. Faul ist immer gut.
Teechen
Irgendwie räumen meine Herrschaften mittlerweile richtig akribisch auf. Das hat angeblich jahrelang nicht so gut geklappt, sagt Herrchen. Ich finde das eher doof. Muss ich halt Sachen annagen, die sie nicht wegräumen können. Fußleisten sind super. Und Herrchen ist auch so nett, da immer wieder neu Spachtelmasse draufzuschmieren. Er denkt, dass könnte mich irgendwie abhalten, weil er nicht weiß, wie lecker Spachtelmasse ist. Genauso wie diese kleinen Zementbröckchen, die noch hier und dort auf dem Balkon rumliegen. Dafür lasse ich sogar das Vogelfutter stehen…
Brille – auch lecker
Eine gute Futterquelle ist auch immer das kleine Frauchen. Vorgestern hat sie so kleine Tuben auf den Küchenboden geschmissen und nicht wieder aufgehoben. Sie ist nicht ganz so akribisch mit dem aufräumen. Ich hatte gerade zwei von dreien zerkaut, als es plötzlich sehr laut wurde. Frauchen sagte „Wuahhhhh“, Herrchen riss mir die Tuben weg… Und dann wunderten sich alle, wieso mir der Sekundenkleber nicht alles verklebt hat. Ja, wenn man mich mittendrin beim Essen stört…
Mein Adventsgesteck
Jetzt kommt anscheinend Weihnachten. Ich dachte, das ist schon die ganze Zeit. Aber da geht wohl noch mehr. Extra für mich haben sie ein riesiges Weihnachtsgesteck ins Wohnzimmer gestellt, mit ganz viel Kunststoff dran und Lichtchen. Ich freue mich schon über den unbeobachteten Moment, in dem ich dem Ding den Garaus machen kann. In diesem Sinne: Fröhliche Weihnachten allerseits!!
Euer Nein alias Benni
Probleme?!

Probleme?!

Als ich gerade so meiner Tochter nachgeschaut habe, wie sie in Quasimodohaltung hinter ihrem Vater her zum Kindergarten schwankte, dachte ich, es ist mal wieder Zeit für ein paar Einblicke in unseren Alltag. Der Quasimodo hat nichts mit der aktuellen Befindlichkeit oder motorischen Defiziten zu tun, sondern mit dem Wetter. Nachdem mein Mann es grundsätzlich und ich nur wegen der Bindfäden vorm Fenster ablehnte unser Töchterchen auf ihrem Steckenpferd Sabrina in den Kindergarten reiten zu lassen, gab es die ersten Tränen des Tages.
Eine Alternative musste her und die kam in Gestalt von Amadeus – Ähnlichkeiten zu den Pferdenamen bei Bibi und Tina sind natürlich rein zufällig. Amadeus ist ein gefühlt lebensgroßes Kuschelfohlen mit übertrieben langen Plastikwimpern und allerlei Funktionen. Zu diesen gehört eigentlich nicht, dass man darauf reiten kann, aber wo ein Wille da ein Weg.
Und deshalb klemmt Amadeus statt des Steckenpferdes nun zwischen den Knien meiner Tochter. Die Zügel hat sie unter den Vorderbeinen durchgezogen, hält sie mit aller Macht hoch und wankt verkrampft und o-beinig, wie ein Fußballer nach der 90sten Spielminute, in Richtung Kita. Aber hej, sie ist glücklich und wie sagt meine Freundin mit den drei Kindern und dem Hund immer: Wir brauchen Lösungen. (Nachtrag: 100 Meter hat sie durchgehalten, dann ist sie samt Reittier in eine Pfütze gefallen und musste – ebenfalls samt Reittier – vom Vater in die Kita getragen werden.)
Problemlöser
Um Lösungen ist in dieser Familie vor allem einer nicht verlegen: der Opa. Nicht umsonst sammelt er mit großer Energie und seit Jahrzehnten „Problemlöser“. Das sind Plastikteile in
verschiedenen Größen, Formen und Farben vom Deckelchen bis zur Wanne. Außerdem Häkchen, Seile, Schnüre, Winkel, Hölzer und Hölzchen, Walzen und Wälzchen, Teppichreste,
Planen, Plexiglasdächer, Werkzeuge. Dinge, die man mit (viel) Fantasie als Werkzeuge benutzen kann. Dinge, zu denen anderen auch mit viel Fantasie keine Einsatzmöglichkeit einfallen würde. „Ihre Zeit wird kommen“, sagt mein Vater immer und wenn, dann ist er bereit.
Also meistens. Manchmal aber fehlt dann doch dieses entscheidende Teil, das jetzt genau passend und vonnöten wäre und dass er – er weiß es noch genau – 1997 hinten an den Gartenzaun gelegt hat. Warum es da nicht mehr liegt, kann man eigentlich nur meine Mutter fragen: ebenfalls sehr kreativ, allerdings mit einem ausgeprägten Sinn für Schönes und ORDNUNG. Ersteres und Mittleres habe ich von ihr geerbt, letzteres leider gar nicht. Meine Mutter also krankt an den Sächelchen und Sachen, den Dingelchen und Dingen, die monströs im Weg rumliegen und ihr ästhetisches Auge stören. Gewelltes Plexiglas geht mit liebevoll gepflegten Rabatten nicht unbedingt eine günstige Liaison ein, wird aber – auf dem Rasenmäher aufgeschraubt – als Regenschutz gebraucht. So kann man nämlich dann auch bei Regen mähen…

Wolf im Schafspelz
 Und das ist in diesem Sommer echt mal ein Argument. Unser Hund, der eigentlich aussieht wie ein Lamm und sich auch so anfühlt, walzt einmal durch den regennassen Garten und ist nicht wiederzuerkennen. Wundersamerweise verflüchtigt sich der Schlamm analog zum Trocknungsgrad und am Schluss ist er wieder wie neu. Dafür knirscht es im Wohnzimmer etwas unter den Fußsohlen. Noch ist es das Wohnzimmer meiner Eltern, denn noch verlebt er dort
seine glückliche ungestörte Welpenzeit unter fachkundiger Anleitung meines Vaters. Bevor er dann demnächst in unser Alltagschaos hineinkommt, wobei ihm
wahrscheinlich Hören und Sehen vergeht.

Vorher gewöhnt er sich hoffentlich noch das Beißen ab, denn während andere Vierbeiner in dem Alter Möbel und Schuhe essen, liebt er sommerlich textilfreie Zehen, Waden und bei kleinen Menschen, wie meiner Tochter, einfach alles, was irgendwie zu fassen ist. Sie verbringt daher die größte Zeit des Tages in Buddahaltung auf dem Küchentisch oder anderen geeigneten Aussichtsposten und wartet darauf, dass er ein anderes Opfer findet. Und das wird er! Bis sie es eben wagt, ihre sichere Höhenlage zu verlassen. Dann ist sie dran, reif und fällig. Benjamin Buttoneye – der Wolf im Schafspelz.
Think positive
So! Ein Blick in den grauen Regen und ich bin froh, dass ich heute arbeiten darf und nicht etwa Urlaub habe. Was für ein Glück! An Euch alle da draußen, die Ihr auch in der Schlechtwetterfront ausharrt. Think positive, andere Jahre haben auch einen Sommer – vielleicht sogar einen schöneren.
Eure Nachbarin
Immer noch Tag eins!

Immer noch Tag eins!

Welcome back – im 24-Stunden-Chaos der Nachbarin und ihrer Familie. Auf in die zweite Runde!

Ich hetzte also aus der Turnhalle raus, um meinen angefressenen Göttergatten noch zu sehen und zwei Minuten deeskalierende Kommunikation nach Marshall B. Rosenberg zu betreiben, bevor er um 8 Uhr 25 das Haus endgültig verlässt. Leider lässt mich meine bekanntermaßen unterirdische Kondition im Stich, während ich so mit leerem Buggy vor mir die Straße entlanghechele und versuche, dabei einen Rest an Würde zu bewahren. Um 8 Uhr 28 erreiche ich die Haustür. Zu spät.

(De-)eskalation per Chat

Aber ha, wofür gibt es Whatsapp. Ich texte so ein bisschen rum  und hoffe, während ich so vor mich hin transpiriere und meinem rasenden Puls lausche, dass das jetzt deeskalierend genug war. –>
Die Handyuhr zeigt 8 Uhr 30 ein Viertel und ich habe noch genau eine halbe Stunde Zeit für den Haushalt, bevor ich arbeiten muss.

Was ich – by the way – nicht hasse, ist mein Homeoffice, auch wenn es aussieht, wie eine Abstellkammer mit Schreibtisch drin. Also genau genommen ist es eine Abstellkammer mit Schreibtisch drin. Aber ich liebe sie, denn sie erlässt es mir, mich morgens in eine Straßenbahn stellen zu müssen, in der Umfallen garantiert unmöglich ist oder mein Auto in den Stau. Im schlimmsten Fall erlässt sie mir auch das Duschen, Schminken und Haare kämmen. Gut, dass die Videotelefonie noch nicht so verbreitet ist…

Mistiger Duplostein

Also Haushalt. Die Wohnung sieht aus wie immer nach der morgendlichen Schlacht. Kinderbücher, Malsachen und „Ahhhh!“ – ich habe diesen mistigen Duplostein gefunden, den Töchterlein gestern gesucht hat. Krümel, buttriges Besteck und wellige Goudascheiben auf der Anrichte. Ein einsames leeres Kakaoglas mit Strohhalm auf dem Tisch. Betten ungemacht, Zimmer ungelüftet, die Kuscheldecke auf dem Boden vor dem Sofa. Mülleimer quellen über, die Schmutzwäschetruhe auch…

Also, mache ich erstmal das Naheliegendste: Ich gehe duschen!  Unter der Dusche kann ich am besten nachdenken. Also, genauer gesagt komme ich AUSSCHLIESSLICH unter der Dusche zum Nachdenken – wenn nicht gerade meine Tochter davor sitzt und mir Fragen zur Fortpflanzung stellt. Offenbar gerade ein beliebtes Thema bei den Kids. Im Kindergarten werden derzeit täglich Puppen entbunden.

Ich drehe das Wasser auf extraheiß und meine Gedanken führen mich zu einer guten Freundin, die mir gerade das Folgende geschrieben hat: „Heute morgen mit zwei Kindern, einem Hund, einem Kinderwagen und einem Fahrrad mit Stützrädern im Bus in den Nachbarort zum Schuster gefahren. Hat gut geklappt!“ Es ist wahr, jeder Mensch hat einen anderen Stresslevel, denke ich bewundernd, während ich versuche, ohne Brille durch den Wasserdunst, die Badezimmeruhr zu entziffern! 8 Uhr 40 jetzt aber schnell. Zehn Minuten Entspannung müssen definitiv reichen.

Neun Uhr

Wie ich es in zwanzig Minuten schaffe, mich anzuziehen, Ordnung zu schaffen, die Spülmaschine aus- und dann wieder einzuräumen, die Anrichte abzuwischen, eine Fuhre Wäsche in den Waschkeller zu bringen und zwei Tüten Müll zur Tonne? Nennt mich einfach Turbo-Hausfrau und guckt bloß nicht IN die Schränke und UNTERS Sofa… Jedenfalls sitze ich um Punkt neun vor dem PC in meiner Abstellkammer. Vorher habe ich noch alle Fenster aufgerissen, um durchzulüften und den Timer auf zehn Minuten gestellt.

Ich will gerade Word öffnen, um mich auf ein Gespräch mit meinem Auftraggeber vorzubereiten, mit dem ich in einer halben Stunde einen Telefontermin habe, da stelle ich fest: Das Netz ist weg!!! Wenn es um die technischen Optimierungsleistungen meines Informatiker-Ehemanns geht, fühle ich mich in etwa so hilflos wie damals unsere schüchterne Sexualkunde-Lehrerin gegenüber 30 Pubertierenden. Ich weiß nur so viel: Wenn ich nicht ins Netz komme, komme ich auch nicht in mein Dokument…Ich atme tief ein und aus. Schließlich habe ich gerade geduscht und will meine mühsam erarbeitete Grundentspannung nicht gefährden.

Dann klicke ich tapfer auf Problembehandlung, nur um aufzugeben, als das böse Wort ‚Netzwerkfehler‘ aufpoppt. Wat is dat denn?? „Ich bin ein Zenbuddhist, ich bin ein Zenbuddhist, ich bin ein…“ Hektisch tippe ich auf meinem Handydisplay rum. Mein Mann hebt ab, hört sich mein – wirklich kurz gehaltenes – Lamento an und meint dann nur: „Oh sorry, hab den Stecker im Wohnzimmer hinterm Fernseher rausgezogen. Den musst du wieder einstecken.“ Grummelnd gehe ich ins Wohnzimmer, nur um festzustellen, dass ich den Timer nicht gehört habe und die Wohnung nun eiskalt gelüftet ist.

Die Zeit rennt

9 Uhr 15: Zitternd und mit blauen Lippen sitze ich wieder an meinem Arbeitsplatz und siehe da: das Netz werkt wieder. Der Telefonstecker steckt dankenswerterweise, wo er hingehört und so steht der Besprechung um halb zehn nichts mehr im Wege. Es folgen fünf E-Mails, 30 Minuten Internetrecherche, drei Anrufe – einer von meiner Mutter – und danach ein einstündiges Telefoninterview mit einem Familientherapeuten zum Thema überlastete Eltern. (Nein, es war keine private Therapiesitzung. Es war ein INTERVIEW!!)

Es ist 11 Uhr 25 und ich habe mich seit gut zwei Stunden nicht bewegt. Wenn ich Zeit hätte, könnte ich jetzt mal aufstehen und zwei Liter trinken. Damit ich die empfohlene Tagesdosis erreiche. Nur für den Fall, dass ich heute nicht mehr dazu komme. Aber leider, leider hab ich gleich noch ein Interview. Also esse ich stattdessen eine einzelne Erdnuss, die seit Weihnachten einsam zwischen leeren Gläsern, Timern, Stiften, Glitzersternen, Ü-Ei-Figürchen und Schreibblöcken auf meinem vorbildlich aufgeräumten Schreibtisch rumliegt. Dann lasse ich durchklingeln und … Nichts.

Stattdessen kommt eine Mail, mit der Bitte das Gespräch doch auf den Nachmittag zu verschieben. Jaaaa, der Nachmittag… Ist ja ein weiter Begriff so ein Nachmittag: nachmittags um halb zwei würde gehen. Nachmittags um halb sieben auch…. Dazwischen ist das so eine Sache, denke ich, und sehe mich schon einen Vorstandsvorsitzenden interviewen, während Töchterlein im Hintergrund ruft: „Mama, hast du auch ein Baby im Bauch?“ Nee, lass mal! Außerdem kriegen wir heute Besuch. Aber der Artikel muss am nächsten Tag raus. Ich raufe mir ein bisschen die Haare, verabrede dann einen Abendtermin und beschließe, am nächsten Morgen einfach früher aufzustehen.

Wenigstens kann ich die gewonnene Zeit jetzt dazu nutzen, andere Dinge auf meiner ToDo-Liste abzuhaken: Umsatzsteuervoranmeldung (was für eine Sch…trafe). Rechnung überweisen, Arzttermin für meinen Mann ausmachen (yeah, es klappt noch 2015). Entsprechend beflügelter Versuch, einen Arzttermin für mich auszumachen – mit darauffolgender Ernüchterung…

Kühlschrank, leer

Aushänge für den nächsten Kita-Flohmarkt aktualisieren. Zwei Stockwerke runterlaufen, um die Wäsche in den Trockner zu tun. Feststellen, dass ich vergessen habe, die Waschmaschine einzuschalten. Fürs Abendessen kochen. Feststellen, dass a) nichts mehr im Kühlschrank ist und ich b) schon wieder nichts getrunken habe und dass ich c) in 5, 4, 3, 2,1 das Haus verlassen muss, um noch zehn Hemden in die Reinigung zu bringen, zum Gemüsehändler zu gehen und meine Tochter pünktlich um halb drei vom Kindergarten abzuholen.

Was ich natürlich schaffe, weil ich es immer schaffe… Und weil ich eben doch rennen kann, wenn es darauf ankommt (ha, von wegen Bewegungsmangel!). Um 14 Uhr 28 stehe ich im Kindergarten. Zum zweiten Mal am Tag schweißgebadet und dazu hungrig und durstig… „Hallo mein Schatz“, flöte ich fröhlich. „Wie war dein Tag???“

Schön wär’s, wäre dieser Tag zu Ende. Mir jedenfalls würde so ein halber reichen. Dann ne Runde schlafen und dann ab ins Bett. Aber die Maus schläft vor neun Uhr abends nicht ein. Das heißt, es liegen noch sechseinhalb Stunden vor mir. Und vor Euch. Wenn Ihr mögt!

WÜRG!!

WÜRG!!

Jeder Mensch ist ja auch so ein bisschen seine eigene Freakshow. Ich kenne Leute, die im 28. Stock ohne Sicherung vom Nachbarbalkon auf den eigenen klettern, wenn sie sich ausgesperrt haben. Oder andere, die
eine Schere mit zum Italiener nehmen, weil sie ihre Pizza niemals mit dem Messer schneiden würden. Ich kenne Leute, die 150 Tage lang morgens, mittags und abends Cornflakes essen und am 151 Tag, wenn man gerade 20 Großpackungen mit nach Hause gebracht hat, für immer damit aufhören. All diese Menschen gehören zu meiner Familie und alle sind genauso verrückt wie ich und natürlich sehr, sehr liebenswert.

Bei mir ist es neben vielem anderen ein übermäßig ausgeprägter Hygienefimmel (nein, leider kein Putzfimmel), gepaart mit neurotischem Ekel. Was ich zum Beispiel gar nicht haben kann, ist der gemeinsame Verzehr von Speisen. Das heißt nicht, dass ich mit meiner Pasta einsam vor dem Fernseher sitze, während der Rest der Familie am Küchentisch zu Abend isst. Nein, es geht um die partnerschaftliche Benutzung von Besteck oder das Leeren von Tellern, die nicht meine eigenen sind. Noch heute erinnere ich mich mit Grauen an angelutschte Bonbons, angekaute Hörnchen oder angebissene Magnums, die meine Freundinnen großzügig mit mir teilten. Nicht ahnend, was sie mir damit antaten.
Die Neurose
Diese Neurose macht weder vor meinem Mann noch vor meiner Tochter halt, weshalb vieles – in Ermangelung eines tierischen Endverbrauchers im Haushalt – im Müll landet. Und es tut mir auch Leid, aber ich kann einfach nicht. Und es geht natürlich noch weiter: Ich habe nämlich große Angst vor Keimen. Während andere Frauen einen Lippenstift in der Handtasche mit sich führen, ist es bei mir die Hand-Desinfektion. Man weiß ja nie. Auch heute kam sie wieder zu Einsatz.
Ich also mal wieder bei Rewe. Töchterlein war auf unserer Einkaufstour schon bei Aldi eingeschlafen und wir schoben eine völlig weggetretene Dreijährige im Einkaufswagen durch die Gänge. Weil die Leute schon komisch guckten, entschied ich mich, Ehemann und Kind im Auto zu lassen. Ich schnappte mir das
PET-Leergut und stellte mich mutig dem Automaten, der mir immer mit offensichtlichem Vergnügen die Hälfte der eingelegten Flaschen hämisch ins
Gesicht zurückspuckt.
Aber, oh Glück: diesmal klappte es sogar besser als sonst. Bis auf eine kleine Flasche, nahm er alles an. Geistesabwesend schraubte ich sie auf und blies hinein, um das Etikett zu glätten, bis ich mir letzteres genauer ansah. OH NEIN!!!! Das war gar keine Flasche von uns, sondern diese ominöse, die ich eine Woche zuvor im Hof aus dem Gebüsch geklaubt hatte und die – OH GRAUS!!!!  – sehr wahrscheinlich einem dieser Handwerker-Typen gehört hatte, die die Hauswand neu gestrichen hatten. WÜRG!!!
Keime satt
Ich stellte mir bildhaft vor, was ich mir mit der Aktion nun alles eingefangen hatte. KEIME!!! Meine Nackenhaare stellten sich auf, meine Handflächen wurden feucht, langsam bildete sich Schaum vor meinem Mund. Die ersten Krankheitsanzeichen??? Zitternd suchte ich in meiner Handtasche nach dem Hände-Desinfektionszeug und verrieb es großzügig auf meinen Lippen. GANZ. SCHLECHTE. IDEE. Das Zeug brennt wie Hölle!!! Ahhhhhhhhhhhhhh!!
Vom anderen Tunnelende des Automatens schauten mich zwei blaue Augen teils befremdet, teils mitleidig an. Der Azubi war wohl gerade dabei, das Leergut zu sortieren und fragte sich wahrscheinlich, was für eine Gestörte da vor seinem Automaten rumzappelte. Ich weiß nicht, wie ich es geschafft habe, meine Bons noch an der Kasse einzulösen, nur noch, dass ich eine Ersatzleggings meiner Tochter aus der Tasche riss und als Spucktuch vors Gesicht hielt (ja, auch aus Scham). Das Ganze ist jetzt drei Stunden her. So langsam lässt der Speichelfluss nach. Dafür habe ich psychosomatisches Sodbrennen. Ich meine, was, wenn ich doch was geschluckt habe???
Ich finde, die müssten außer Hand-Desinfektion auch draufschreiben, dass man sich das Zeug nicht in den Mund reiben soll. Wäre ich jetzt in den USA würde ich klagen, klagen, klagen und Millionen an Schmerzensgeld kassieren. So aber nehme ich mir noch eine Portion Eis, lege mich ins Bett und träume von einer keimfreien Welt.
Jaaaaaaaaaaa!!!!

Jaaaaaaaaaaa!!!!

Ein Törchen, große Wirkung: Mein Mann ist seit gestern Nacht unheimlich gut drauf und meine Tocher ist heute freiwillig im Deutschland-T-Shirt in den Kindergarten gegangen! Und das, wo sie doch das ganze Jahr schon in ihrem Froschkostüm rumläuft und nur an Karneval – als ich gerne wollte – jegliche Koorperation verweigert hat… Ich selbst werde mir nächsten Samstag beim Frisör die Haare schwarz-rot-gold färben lassen. Also zumindest rot! Und das Auto werden wir auch umlackieren. Obwohl, vorher müsste man es mal grundreinigen…

Wahrscheinlich haben sich die Argentinier das gestern auch gedacht: Man müsste mal wieder ein Tor schießen. Und was ist passiert? Nix.

So geht es auch meinem Mann und mir dauernd. „Man müsste mal wieder das Küchenfenster putzen!“ (Wie? Da ist ein Fenster?!). „Man könnte mal den Keller aufräumen!“ (Mit ner Ladung TNT sollte das kein Problem sein). „Wir sollten mit unserer Tochter zum Babyschwimmen gehen…“ (Unsere Tochter ist drei Jahre alt! Stimmt, die Idee auch…) Ein Syndrom, auch als „Partnerschaftliches Konjunktiv“ bekannt.

Den Vogel abgeschossen hat mein Mann vor einer Woche: Unsere Tochter erzieht sich gerade selbst zur Sauberkeit. Wir unterstützen das nur mit bereitgestelltem Töpfchen und einer Tabelle an der Wand, in die sie nach jedem erfolgreichen Geschäft ein Bildchen malen darf. Mittlerweile macht sie alles allein, inklusive Töpfchen ins Klo leeren. Das klappt mal besser, mal schlechter.

Letzte Woche also schlechter: Unter der Schüssel hatte sich ein verdächtiger feuchter Fleck gebildet und mit jeder verstreichenden Stunde roch das Badezimmer mehr nach Bahnhofsklo Duisburg. Meistens schreite ich in solchen Fällen zur Tat, aber diesmal hatte ich einfach keine Lust. Ich hab mir das dann einen Tag lang angeguckt und darauf gewartet, dass er was merkt. Also, mein Mann. Ja, manchmal bin ich trotz meiner 37 Jahre von einer Naivität geprägt, die mich selbst erstaunt…

Als nichts passierte und am nächsten Tag die ersten Ratten an der Hauswand hinauf liefen, ging ich in die Küche, nahm meinen Gatten liebevoll an der Hand und führte ihn ins Bad. Dann probierte ich aus, was eine Freundin mir kürzlich als gewaltfreie Kommunikation nach Mashall B. Rosenberg vorgestellt hatte.

Schritt 1: Beschreiben. „Guck mal Schatz, unsere Tochter hat ihr Töpfchen gestern etwas schwungvoll geleert. Unter der Toilette ist ein Fleck und es stinkt.“ Mein Mann: „Echt?“ Schritt 2: Gefühle äußern: „Ich fühle mich deshalb sehr unwohl.“ Mein Mann verständnisvoll: „Du Arme!“

Und dann hatte ich leider Schritt drei und vier vergessen und fiel gnadenlos in mein altes Kommunikationsmuster zurück: „Da müsste man mal was gegen tun!“ Mein Mann dachte angestrengt nach und sagte dann: „Ok, ich mach mal das Fenster auf!“ Tat es, wandte sich um und ging pfeifend in die Küche zurück.

Die nächsten fünf Minuten verbrachte ich mit Sakrotan-Spray und Lappen unter der Kloschüssel. Deutschlaaaand, Deutschlaaaaaand!!!