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Wie wir mal fast zu spät zu einer Hochzeit kamen (also zu unserer eigenen)

Wie wir mal fast zu spät zu einer Hochzeit kamen (also zu unserer eigenen)

Heute vor vier Jahren genau, saß ich mit dickem Bauch völlig entnervt auf dem Bett und schrie meinen Mann an. Es war vier Tage vor unserer Hochzeit, ich im siebten Monat schwanger, gerade hatten wir einen aufreibenden Umzug hinter uns. Die Schwiegereltern waren schon angereist und es gab noch so UNENDLICH viel zu tun. Während meine Schwiegermutter in der Küche eine perfekte dreistöckige Hochzeitstorte zauberte, saß mein Schwiegervater am Küchentisch und tütete seelenruhig kleine weiße und rosa Zucker-Mandeln in 87 Organza-Säckchen ein. Mein Vater schnitzte in seinem Werkzeugkeller ein riesiges weißes Holzherz für die Fotosession und meine Mutter fertigte wunderschöne Blumengestecke, meinen Brautstrauß und die Dekoration fürs Brautauto.

Währenddessen versuchte ich – tiefer in der Schwangerschaftsdemenz versunken als Atlantis im Meer – noch an all die tausend anderen endwichtigen Dinge zu denken, die als undefinierbare Masse durch mein Hirn waberten. Erschwerend kam hinzu, dass ich zu dieser Zeit KEINE – also ABSOLUT KEINE (nicht mal eine Tafel am Tag) – Schokolade essen dufte: Ich hatte Schwangerschaftsdiabetis. („Nein, nur leicht erhöhte Zuckerwerte und du hast dich total verrückt gemacht“, wirft mein Mann immer ein, wenn ich davon erzähle. „Ja, Schatz, ich war halt schwanger, das impliziert reinsteigern.“) Außerdem grassierte dieser schlimme, damals noch ungeklärte EHEC-Virus und ich aß eigentlich gar nichts mehr, aus Angst, mir was einzufangen. Das Ganze war meinem Nervenkostüm, das ja bekanntlich eher so Bettlaken- als Dauenendecken-Niveau hat, NICHT zuträglich. Und meinem Mann auch nicht.

Er hat mich trotzdem geheiratet. Auch wenn die Anfahrt zum Kloster, wo die Trauung im Garten stattfinden sollte, uns fast noch davon abgehalten hätte: Es begann damit, dass ich gestiefelt und gespornt, also in voller weißer Montur vor unserem Haus stand und wartete: Darauf, dass mein Mann und meine Eltern mit dem Brautwagen um die Ecke biegen würden, um mich einzusammeln. Ich hätte auch gleich mit zum Parkplatz gehen können und hätte es auch besser getan, wollte aber meine gerade erst neu erworbene Nachbarschaft nicht mit meinem auffälligen Auftritt verschrecken. Man weiß ja nie. Heute, da ich sie kenne und liebe, wäre das natürlich kein Thema mehr.

Da stand ich also, bibberte in der kühlen Morgenluft und schaute misstrauisch auf die sich türmenden Wolkenberge am Himmel. Mit der einen Hand hielt ich mein Täschchen an die Brust gepresst und mit der anderen meinen Bauch. Meine jüngste Sorge war, dass ich unseren Theologen seit Tagen nicht erreicht hatte. Würde er kommen oder würden wir in zwei Stunden alleine vor versammelter Hochzeitsgesellschaft stehen… Ich übte schon mal eine Rede und ein kleines Liedchen – irgendwas muss man den Leuten ja dann bieten, wenn sie zum Teil viele Tausend Kilometer aus dem Ausland einfliegen und dann findet die Hochzeit gar nicht statt. Nach fünf Minuten rumstehen, Sorgen machen und leise „Ein Vogel wollte Hochzeit machen“ trällern, begann ich mich vorsichtig zur fragen WOINALLERWELTMEINEVERWANDSCHAFTMITDEMAUTOBLIEBHERRGOTT!

Ein Mütterchen kam auf ihren Rollator gestützt vorbei, sah mich Streichholz mit rotem Gesicht und flammendem Haupthaar am Wegesrand stehen und fragte mitfühlend: „Kann ich Ihnen helfen?“ Ja, wollte ich antworten. „Nehmen Sie mich mit, ganz egal wohin. Irgendwo hin. Oder, Moment, kennen Sie vielleicht einen Pfarrer, der uns spontan trauen könnte, nur für den Fall, dass unser Theolge nicht kommt? Oder wenigstens einen Chauffeur, falls mein Mann und meine Eltern auf den 50 Metern zum Parkplatz ins Bermuda-Dreieck gefallen sind.“

Ich bremste mich im letzten Augenblick, schließlich hätte mir der Pfarrer ohne meinen Mann auch nicht viel genützt und piepste stattdessen: „Kennen Sie die zweite Strophe von „Ein Vogel wollte Hochzeit machen?“ Sie lächelte in sich hinein und tätschelte mir liebevoll die Hand: „Ich wünsche Ihnen einen unvergesslichen Tag“, sagte sie und ging davon. Den habe ich jetzt schon, dachte ich, als ich schweren Herzens mein Kleid raffte und mit so viel Würde wie möglich zum Parkplatz lief…

Das war natürlich erst der Anfang des steinigen Umweges, der uns am Ende unglaublicherweise doch noch vor den Traualtar führte, ohne dass ich aus Stress vorzeitig niedergekommen wäre. Weiter geht es im nächsten Post, wenn ihr mögt!!

Sommergrüße und Luftküsschen!

Eure Nachbarin

Das Strickkleid

Das Strickkleid

Also gestern waren wir auf einer Familienfeier und haben von Samstag auf Sonntag im Hotel übernachtet. Ein echt süßes Hotel! Altes Haus mit Toscana-Flair, tolles Zimmer mit Himmelbett, KEIN Ganzkörperspiegel. Warum ich das so betone? Na, ansonsten wäre mir dieses Kleid gestern sicher nicht passiert.

Ich habe im Moment so einen Spleen: Nachdem ich – zum Leidwesen meiner Mutter – knapp 38 Jahre lang Schluppi-Geschichte in Jeans geschrieben habe, möchte ich es jetzt, wo es auf die vierzig zugeht, ein bisschen elegantisieren… (Wehe, jemand hat jetzt was anderes gelesen. Ich meine das „g“, von „f“ war nie die Rede, zumindest nicht bis gestern Abend). Während ich also beschloss, ein blau-schwarzes Strickkleid zu schwarzen Leggins anzuziehen, saß mein Mann am Sonntagmorgen entspannt in der Hotelbadewanne und genoß damit einen Luxus, den wir hier zu Hause nicht haben…

Kein zwickender Hosenbund hielt mich auf

Deshalb fehlte mir zum Ganzkörperspiegel auch noch ein kritisch-ehrliches Augenpaar. Meine Tochter wollte ich da nicht mit reinziehen, hatte ich doch genug damit zu tun, ihre Stylingwünsche zu erfüllen: „Einen unteren Pferdeschwanz, keinen oberen!“ – „Ja, Süße!“ Fünf Minuten später: „Mamaaaa, ich wollte Pippilangstrumpf-Zöpfe!!! Und warum habe ich keine roten Haare!“ – „Frag mal deinen arabischen Vater und ansonsten sei froh, die würden eh nicht zum pinken Kleid passen!“ „NEIN!! Nicht das pinke Kleid, das Weiße!!!“  „Schatz wir gehen zu einer Erstkommunion, das geht nicht. Außerdem haben wir kein anderes dabei!“ usw.usf.

Eigentlich hätte ich schon hellhörig werden müssen, als meine Tochter beim Festessen mehrmals auf die Frage antworten musste, ob sie sich ein Schwesterchen oder ein Brüderchen wünsche. Aber irgendwie klingelte nichts und ich schaufelte unverdrossen Schnitzel, Kartoffelsalat, noch nen Salat und zweimal Nachtisch in mich hinein. Kein zwickender Hosenbund hielt mich auf.

Dazu bewegte ich mich, wie gewohnt, langsam und bedächtig, wenn auch dank des wunderschönen Wetters, des Ponyreitens und der Hüpfburgenlandschaft auf dem Erlebnisgutshof verhältnismäßig viel. Also nicht, dass ich gehüpft und geritten wäre… Aber ich war dabei und hab aufgepasst, wahlweise wild hüpfende Kinder oder sture Shettys angebrüllt und dabei keinen Blick an meine Leibesmitte verschwendet.

Am Abend

Leider oder Gott sei Dank, hab ich den Blick am Abend allerdings im verspiegelten Schlafzimmerschrank nachgeholt und fühle mich nun zur folgender Erklärung verpflichtet:

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Familie! Nein ich bin nicht heimlich im fünften Monat schwanger. Ja, ich bin ganz sicher! Ja, ich weiß, dass ich so aussehe, aber das lag wirklich nur an diesem Strickkleid. Bisher lag mein Augenmerk auf den Problemzonen Hüften und Po und die gingen sogar irgendwie – in besagtem Kleid. Vielleicht habe ich mich auch nur an den Anblick gewöhnt. Es tut mir Leid, wenn sich jemand arglistig getäuscht fühlt, aber man kann mir
höchstens Fahrlässigkeit, nicht jedoch Absicht unterstellen. Ja, ich verspreche mich künftig nur noch in weit Schwingendes zu hüllen. Zur Sicherheit gehe ich am kommenden Samstag mit Personal Shopper einkaufen und werde berichten. Danke für Eure Aufmerksamkeit.

Puh und jetzt Mittagessen!

Eure Nachbarin (nicht schwanger)

Doppel-Autsch!

Doppel-Autsch!

 

Ich habe da so eine Freundin, mit der ich gelegentlich zusammen koche. Also sie kocht und ich assistiere, bis sie zu mir sagt: „Schon gut, setz dich einfach da hin und guck zu.“ Soll heißen: Sogar beim Assistieren
stehe ich in der Küche eher im Weg rum. Was ich jedoch bis zu meinem Platzverweis an dieser Küchenzeile zu sehen bekomme, fasziniert mich immer wieder: Da herrscht zinnsoldatenartige Ordnung und Sauberkeit.
Bei uns ist es ja so: Will ich an die Kichererbsen für die Hummuscreme, muss ich auf Knien fünf Minuten lang 25 Erbsen-, Tomatenmus-, Mais- und Sardinenbüchsen aus dem Weg schaufeln. Wenn das Hummus fertig ist und ich es bis zum nächsten Tag im Kühlschrank aufbewahren will, öffne ich den Hängeschrank und ziehe am erstbesten Teil, das ich zu fassen bekomme. Daraufhin ergießt sich ein Schauer aus Dosen und Deckeln über mich, die Anrichte und den Küchenfußboden.
Immerhin, so findet man schnell den passenden Deckel zum Pott. Könnte man meinen. Aber weit gefehlt! Hier ist es wie bei den Socken: Wie von Geisterhand verschwinden die zugehörigen Gegenstücke und machen Platz für 19 Einzelteile. Auch egal! Kommt die Hummuscreme eben ohne Deckel in den Kühlschrank.
Meine Freundin kennt solche Probleme wahrscheinlich nicht. Ehrlich gesagt, traue ich mich nicht zu fragen. In Reih und Glied stehen dort der Größe nach aufeinandergestapelte Behälter, von der Dose bis zum Döschen. In einem stufenweise aufsteigenden Gewürzregal residieren Kante an Kante gleichhohe, akkurat beschriftete Gewürzbehälter. Ein Griff – und der Safran steht bereit, um die Sahnesoße zu verfeinern. Unser Safran, äh, ist leider gerade aus.
Schon in meiner Studenten-WG gab es Probleme, weil mein Mitbewohner auf Ordnung in der Küche gesteigerten Wert legte. Ich konnte mir einfach nicht merken, ob die roten Dessertschälchen ober- oder unterhalb der Salatschälchen mit dem 70er-Jahre Blumenmuster zu stapeln waren. Meine Mutter lebt übrigens schon seit über vierzig Jahren in ähnlichen Verhältnissen, denn mein Vater hat für jedes kulinarische Anliegen ein extra Messer UND eine extra Schere und alle haben ihren Platz.
Eine Schere hat er übrigens auch, um Frischhaltefolie in einem Rutsch von der Rolle abzutrennen. Leider gibt es in meinem Haushalt nicht ein einziges Exemplar, das auch nur ansatzweise dazu fähig wäre. Im Gegenteil bin ich froh, wenn ich überhaupt eine Schere finde und dem Sahne-Tetrapäckchen nicht mit dem Buttermesser zu Leibe rücken muss. Vor einer Woche, genau zwei Tage nach der Kochsession mit meiner Freundin, habe ich daher beschlossen: Es muss sich etwas ändern.
Eine erste Inspiration brachte mir die Matroschka-Puppe, die eine Freundin vor kurzem von einer Sibirien-Reise mitgebracht hat. Nun schachtele ich Vorratsdosen in ähnlicher Manier von klein nach groß ineinander und schließe sie. Zwar brauche ich jetzt im schlechtesten Fall zehn Minuten bis ich an die kleinste Dose komme, aber die Deckel sind immer passend dabei. Als nächstes werde ich meinem Vater alle Scheren und Messer zum Schleifen überlassen und sie dann ganz weit oben in den Schrank räumen, damit Töchterchen nicht dran kommt.
Ja und schließlich habe ich im Internet entdeckt, wie sich die Menschen in den USA so organisieren. Hust! Das nennt sich dann „storage project“ und bewegt sich, äh, auf einem sehr hohen Niveau… An das ich niemals heranreichen werde. Ein paar Ideen habe ich aber trotzdem umgesetzt, nach einem kleinen Spaziergang im Baumarkt. Was man nämlich in jedem Fall braucht, sind passende Behälter, Schütten, Schubladen und so weiter, die entweder durchsichtig und/oder beschriftet sind. Und hier das Ergebnis:

Einmachgläser:
Für alles Pulverige und Körnige. Besonders hübsch sieht es aus, wenn sie mit
Tafel-Etiketten versehen sind und so immer wieder neu beschriftetet werden
können.
Schubladen mit Beschriftung: Wenn Stauraum fehlt: Schubladenelemente aus dem Baumarkt können auch wunderbar auf der Arbeitsplatte gestapelt werden. Mit Etikett und Beschriftung

versehen, bringen sie Ordnung in die Küche und halten alles griffbereit.

Schubladen mit Foto: Do it Yourself-Tipp: Einfach den Inhalt abfotografieren und das Foto aufkleben, so weiß man immer genau, was drin ist.
Serviettenbox: Lange habe ich überlegt, wie ich meine vielen Servietten so unterbringen kann, dass sie keine Eselsohren bekommen. Diese Box steht nun offen auf der Anrichte – so sind sie schnell zur Hand und ich kann die Ausbeute meiner Sammelleidenschaft präsentieren.
Dosenbox: Mein Mann möchte immer viele Dosen mit passierten Tomaten im Haus haben – für seine legendäre Pasta Bolognese. In der Box haben sie es schön kuschelig und mir fallen sie nicht mehr auf die Füße, wenn ich hinten im Schrank nach Kichererbsen suche.
Rotkäppchen im Düsterwald

Rotkäppchen im Düsterwald

Hey, heute ist Sonnenfinsternis! Ich seh ja nur Wolken. Ist aber auch besser so, habe eh keine Schutzbrille. Die Finsternis ereilte mich übrigens auch vergangene Woche – auf dem Weg zum Nähkurs. Ich habe es jetzt verarbeitet und bin bereit darüber zu schreiben. Puh!

Wer mich kennt, weiß, dass ich gerne mal kreativ bin: Malen, Basteln, Dekorieren – zur Freude meines Mannes. Kürzlich gestalteten meine Tochter und ich hingebungsvoll Glitzereier und platzierten sie in einem Einmachglas. Die Maus fragte: „Und, wo kommt das jetzt hin?“ „Ins Treppenhaus.“ „Ah! Damit der Papa das nicht sieht!“ Weitsichtig sind sie, die Kleinen.

Glitzereier-Deko im Treppenhaus

Mit der gleichen Begeisterung würde ich gerne Nähen, Stricken und Häkeln. Allein mir fehlt das Garn, äh Gen. Sobald ich versuche, etwas aus Wolle oder Jersey herzustellen, scheitere ich an meinen linken Händen. Das hält mich allerdings keineswegs davon ab, es hin und wieder zu versuchen. So wie letzte Woche, als ich einen Nähkurs bei Celia besuchte. Hinter den sieben Bergen, bei den sieben Zwergen…

Auf nach Mittelerde

Als ich mir bei Google die Wegbeschreibung anschaute, war ich kurz davor, die Sache abzublasen. „Wo is dat???“ fragte ich meinen Mann und wies anklagend auf das Satellitenbild, das drei Häuslein inmitten von nichts zeigte. „Das? Das ist Mittelerde, glaube ich. Du weißt schon, da wo die Elben und die Hobbits leben.“ „Ja, und die Trolle“, dachte ich im Stillen und wollte gerade zum Handy greifen, um mit einer Ausrede mein Fernbleiben zu erklären, da sagte mein Mann: „Und du traust dich sicher nicht, alleine im Dunkeln da hin zu fahren.“

„Pffffffft!“ So ein Quatsch!!! „Ich bin groß, ich bin stark, ich bin mutig“, murmelte ich abends darauf das Mantra meiner Tochter vor mich hin, während ich die Nähmaschine in den Kofferraum wuchtete. Natürlich mal wieder viel zu spät dran, nachdem die Maus zum Abschied mein Nähset inklusive 15 Stecknadeln, 20 Garnrollen, einem Auftrenner, 30 Knöpfen usw. usf. auf den Boden gepfeffert hatte. Mit zitternden Fingern fütterte ich mein Smartphone-Navi. Ort, Straße und… „Zu dieser Straße sind keine Hausnummern bekannt.“ Okay, auch gut, meine Orientierung ist ja phänomenal! Es sollte schlimmer kommen, als gedacht!

Your GPS is out of order

Ich hatte also noch 20 Minuten Zeit, um eine 30-Minuten-Strecke zurückzulegen und düste los, bis ich vor unserer Dorfbahnschranke zu einem abrupten Halt kam. Mist! Warten zwecklos, also Wenden in 35 Zügen und ab über die Umgehungsstraße. Ich fuhr die Serpentinen ins dunkle Siebengebirge hinauf und versuchte meinen Puls in den Griff zu kriegen. Einzelne Schilder, die hier und da vor kreuzenden Wildscheinen warnten, trugen nicht gerade zu meiner Entspannung bei.

Rotkäppchen und die Vollsperrung

Oben angekommen ging es ab des Weges in die Büsche. Ich fühlte mich ein bisschen wie Rotkäppchen, das sich gleich dem bösen Wolf stellen muss, konnte aber auch nicht umhin, den glitzernden Sternenhimmel zwischen den Tannenwipfeln zu bewundern, der hier oben seinen Namen noch verdient. „Von draus vom Walde komme ich her…“ rezitierte ich, während ich den Anweisungen meines Navis folgte, nur um kurz darauf vor einer vollgesperrten Straße zu stranden.

„ÄÄÄÄhhhh!“ machte ich angesichts der rotweißen Blockade ohne Umleitungshinweis und der gnadenlos tickenden Uhr (noch fünf Minuten Zeit, um pünktlich zu kommen) und fuhr zurück auf die Landstraße. Direkt hinter einen riesigen Trecker, der genau das fuhr, was hinten angegeben war, nämlich 20. Während ich also in gefühlter Schrittgeschwindigkeit durch den Wald schneckte und überlegte, wann der Fuchs hier wohl dem Hasen gute Nacht sagt, meldete sich mein Handy wieder und bedeutet mir unmissverständlich „scharf links“ abzubiegen.

„Ah, eine Abkürzung“, frohlockte ich mit Blick auf das Schild ‚Landwirtschaftlicher Nutzweg‘ und fuhr (geistig) umnachtet in den Wald. Aus dem asphaltierten Weg wurde ein Schotterweg, aus dem Schotterweg ein Waldbodenweg. Die Bäume rückten näher, meine Scheinwerfer leuchteten keine zwei Meter ins undurchdringliche Dunkel. Gerade als ich anfing meine jüngsten Entscheidungen zu hinterfragen, tauchte rechter Hand ein Pferdehof mit ein paar funzeligen Gaslaternen auf. Nebelschwaden waberten um das große Haus herum. Ein Pferd mit kopflosem Reiter galoppierte an mir vorbei. (Vielleicht habe ich mir letzteres auch nur eingebildet)

Das Ende

Jedenfalls tat ich in dem Moment das einzige, was ein vernünftiger Mensch tun würde: Aufs Gas und ab, tiefer in den Wald. Weit kam ich nicht mehr. In dem Moment als das Navi „Scharf rechts abbiegen“, sagte, musste ich feststellen, dass die Reise zu Ende war: Der Weg mündete in eine marode Holzbrücke – für Fußgänger. Der Waldweg war hier fast nur noch ein Pfad. Keine Wendemöglichkeit! Panisch wollte ich meinen Mann anrufen, um ein Wehklagen anzustimmen und ihn dazu zu bringen, sich mit seinem GPS-Gerät ins Taxi zu setzen und mich zu holen. Allein, ich hatte kein Netz.

Im Düsterwald

 

Um mich herum nur Dunkelheit und absolute Stille. Obwohl, was waren das für Geräusche… Kennt jemand Blair Witch Project? „ARGH!!! Warum habe ich mir diese Filme jemals angesehen???“, schrie ich mich selbst an, legte den Rückwärtsgang ein und trat die Flucht nach hinten an. Leute, ich habe es geschafft, aus diesem Wald rauszukommen, ohne vom kopflosen Reiter gekillt oder von der Hexe in den Wahnsinn getrieben zu werden und zwar ab dem Moment, als ich auf
meinen inneren Kompass
gehört habe und nicht mehr aufs Navi.

Beim Rausfahren habe ich noch beinahe Fuchs und Hase umgenietet, die auf dem Weg eine Polka tanzten. „Ey, ihr Viehzeugs, ihr sollt schlafen“, rief ich, ganz Muttertier. Schweißgebadet kam ich keine zwei Minuten später bei der Nähstube an. Die Navi-App, sie heißt übrigens Scout, hatte noch die Stirn zu fragen „Wie war ich?“ Seitdem ist ein Kratzer im Display. Aber nur ein kleiner.

PS: Weniger Glück hatte übrigens ein LKW-Fahrer, der dieser Tage gar nicht weit entfernt in die gleiche Situation geriet: http://www.general-anzeiger-bonn.de/region/rhein-sieg-kreis/ruppichteroth/Laster-steckt-im-Wald-fest-article1592892.html
Wenn’s mal wieder länger dauert

Wenn’s mal wieder länger dauert

Heute komme ich mal wieder auf das Ur-Thema dieses Blogs zu sprechen: Die Entschleunigung! Wer unser 24-Stunden-Chaos gelesen hat, wird mir beipflichten, dass entsprechende Bemühungen des letzten Jahres bisher nicht wirklich erfolgreich waren. Und das, obwohl ich abends später ins Bett gehe und wirklich viel weniger Zeit damit verbringe, in die Küche zu gehen und Schokolade aus dem Schrank zu holen. Kleinen Moment, bin gleich wieder da…

So! Wo war ich? Ah ja, Entschleunigung. Eigentlich befindet sich das perfekte Trainingslager hier direkt um die Ecke. Es bestimmt quasi den Puls des gesamten Dorfes (den es gerne mal hochtreibt), entscheidet darüber, ob man pünktlich oder wesentlich zu spät ins Büro, zum Nähkurs oder zur eigenen Entbindung kommt. Es stiftet Ehen, sorgt dann später für heftige Krisen und vereitelt dennoch jede Scheidung, weil es niemandem eine Chance lässt, jemals rechtzeitig beim Amtsgericht anzukommen. Die Rede ist vom Bahnübergang.

Sicher ist sicher

Man kann der Deutschen Bahn ja viel vorwerfen, aber was die Sicherheitsvorkehrungen an Übergängen angeht, sind sie wirklich genau. Sehr genau! Wenn sich in Koblenz um 12:45 Uhr ein Zug in Bewegung setzt, geht die Schranke runter. Sie bleibt unten, wenn dieser Zug 40 Minuten später am hiesigen Bahnhof hält. Und sie bleibt weiterhin unten, bis dieser Zug wieder 40 Minuten später in Köln einrollt… Zumindest fühlt es sich so an. Dann öffnet sich die Schranke, um zwei Autos aus der Schlange durchzulassen, die sich im Normalfall bis hinunter zum Rhein, mittels Fähre hinüber zur anderen Flussseite und von dort hinauf ins Bonner „Vorjebirge“ schlängelt. Bevor der Fahrer des dritten Wagens hektisch seinen Campingtisch einklappen, den tragbaren Fernseher in den Kofferraum stellen und die Reste des Drei-Gänge-Menüs entsorgen kann, dass er in der Zwischenzeit zu sich genommen hat, geht die Schranke wieder zu.
Wohnungsangebot

Da der Fahrer dieses Autos das mittlerweile genau weiß – er muss öfter hier durch – bleibt er einfach an Ort und Stelle sitzen und flambiert in Seelenruhe seine Crème brûlée zu Ende. Hin und wieder kommt es vor, dass ein gehetzter Geist in der Reihe hinter ihm unruhig wird, weil er allen Ernstes glaubt, es könnte irgendwie schneller gehen, wenn man sich beeilt. Immer mal wieder kommt es deshalb zu Handgreiflichkeiten zwischen Alteingesessenen und Zu’groasten an der Schranke.

Wenn ich aus meinem Büro-Fenster schaue und mal wieder der Polizei-Hubschrauber über dem Dorf kreist gibt es nur drei Möglichkeiten. Erstens:
Onkel Günnis Vogelspinne Esmeralda ist mal wieder abgehauen. Zweitens: Gemeine Diebe haben den Opferstock der Dorfkirche geplündert. Drittens und am Wahrscheinlichsten: Es findet die dritte Massenschlägerei des Monats an der Bahnschranke statt.
Zarte Bande an der Schranke
Die örtlichen Gewerbebetriebe haben sich indes gut auf die Situation eingestellt. Das Eiscafè am Bahnhof bietet unter dem Motto „Wenn’s mal wieder länger dauert“ einen riesigen Snickers-Eisbecher für zwei Personen an. Beliebt bei Pärchen, die zarte Bande an der Schranke knüpfen, wo das Leben sie auf wundersame Weise zum gleichen Zeitpunkt hingespült hat. Sie können ja nicht wissen, dass man bei diesem Bahnübergang niemals in ZeitPUNKTEN, sondern immer in langen ZeitRÄUMEN denken muss, und ihre Begegnung weit weniger schicksalhaft war, als sie sich das in ihrer Verklärung ausmalen.
Pommes Schranke und Snickers-Eis

Die Wurstbude „Bei Dieter“ eins weiter bringt die „XXL-Pommes Schranke“ im Zwei-Liter-Eimer mit Cola für 3,50 direkt ans Auto. Der Frisör wirbt damit,
jedem Wartenden einen Haarschnitt inklusive Pflegepackung, sowie zusätzlich eine Mani- und Pediküre verpassen zu können, bevor die Fahrt weitergeht. Sollte er es nicht schaffen, kostet es keinen Cent. Ich glaube, er hat noch nie Minus gemacht.

Vor kurzem hat auf der Straße nun auch ein Wettbüro eröffnet. Hier wetten besonders gerne die Einheimischen mit Erfahrung. Zum Beispiel auf die Uhrzeit, zu der sich die Schranke das nächste Mal heben wird, die Anzahl der Autos, die dann durchkommen oder wie lange es noch dauern wird, bis der genervte Fahrer in Wagen sieben das einzig Richtige tut: Nämlich aus der Schlange ausscheren und die Unterführung in der Parallelstraße nehmen 😉      

In diesem Sinne: Immer mit der Ruhe 🙂

Eure Nachbarin

Die Sache mit den Pantoffeln

Die Sache mit den Pantoffeln

Vielleicht liegt es daran, dass wir am Wochenende lieben Besuch aus England hatten oder an den sommerlichen Fotos, die meine Eltern ständig aus dem Urlaub schicken, aber heute muss ich einfach mal kurz über das Wetter reden. Da riss ich doch um halb acht schwungvoll und in bester Erwartung die Rollos hoch und dann das: Bäääääh! Schnee!!! (Stellt Euch ein jammerndes Emoticon vor, so in etwa sah mein Gesicht aus, das sich da in der Fensterscheibe spiegelte.)

Statt das einzig Vernünftige zu tun (Rollos schnell wieder runterlassen und zurück ins Bett kriechen) schnappte ich mir das Tablet und schaute mir die Wettervorsage für diese Woche an. Regen und 0 Grad, -1 Grad, -2 Grad, -15 Grad. Letzteres ist die Temperatur, die gerade meiner Laune entspricht. Männo!! Gestern sah es noch aus, als käme der Frühling. Die Sonne schien, wir waren alle gleichzeitig (!) gesund. Meine Tochter trug ein Kleidchen (also zumindest über den fünf anderen Lagen Winterstoff) und die ersten Schneeglöckchen wagten einen Blick.

Da kann man sich dran gewöhnen, dachte ich noch. Hätte ich es mal besser nicht gedacht oder wenigstens dreimal auf Holz geklopft… Übrigens, nur falls es jemanden interessiert: Sollte es morgen wieder kalt, schneeregnerisch und doof aussehen, wenn man aus dem Fenster guckt, kann ich nur sagen: Gewöhnt Euch (nochmal) dran! Denn wie sagt die Bauernregel zum Matthiastag: „Wenn neues Eis Matthias bringt, so friert’s noch 40 Tage.“ YEAH!!! Aber wir haben ja auch Fastenzeit.

Und dann immer diese Sache mit meinen Pantoffeln. Ich liebe diese Pantoffel. Es sind so Birkenstock-Fakes und ich trage sie seit mindestens 15 Jahren. Sie haben schon so viel gesehen und mitgemacht. Motto-Partys in der Studenten-WG und nachfolgende Renovierungsarbeiten, meinen Job als Zimmermädchen in Cambridge, Liebeskummer in Barcelona, meine Barista-Ausbildung bei Starbux, Neufindungsphasen in Paris, Reisen in 20 Länder auf drei Kontinenten, die Hochzeitsnacht und natürlich die kleine Stippvisite auf der Entbindungsstation.

Meine treuen Treter

„So sehen sie auch aus!“ würde mein Mann jetzt sagen. „Ja, aber sie riechen noch wie neu. Ganz im Gegensatz zu…“ würde ich mit Blick auf seine Puschen kontern und das Satzende bedeutungsvoll in der Luft hängen lassen. Ja, meine Pantoffeln tragen die Spuren eines Erwachsenenlebens, die ich in meinem Gesicht lieber nicht finden möchte. Unnötig zu sagen, dass dieser Wunsch ebenso unerfüllt ist, wie der nach Sonne. Aber wir haben ja auch Fastenzeit… Meine Pantoffeln sind gezeichnet (selbst ich habe sie schon gezeichnet, damals auf dieser langweiligen Bustour nach Frankreich) und ich hoffe, sie sind mir noch lange, lange treu.

Worüber ich mich aber trotz allem immer wieder maßlos ärgern kann: Sie sind jeden Morgen verschwunden!! JEDEN. EINZELNEN. MORGEN. Und IMMER habe ich kalte Füße. Und IMMER vergeude ich wertvolle Minuten, in denen ich fluchend vom einen Ende der Wohnung zum anderen renne und zurück (immerhin 66 Schritte) und sie NIEMALS finden kann. Und IMMER liegen sie am Schluss an der gleichen Stelle unter dem Wohnzimmertisch. Und NIE – NICHT EINMAL – kann ich mich morgens daran erinnern, dass ich sie dort gelassen habe.

Naja, ich verbuche es als Workout.  „Was man nicht im Kopf hat, hat man in den Füßen“, sagt Onkel Eddi immer. Ich hätte die Pantoffeln ja am liebsten AN den Füßen, sobald ich selbige aus dem Bett schwinge. „Das lernt sie noch!“, sagen wir gerne über unser Töchterchen. Vielleicht gilt das ja auch für die Mutti…

Und jetzt? Jetzt ziehe ich meine Puschen an und baue einen Schneemann auf der Terrasse. Und die Schneeglöckchen? Die kann er sich an den Hut stecken.

PS: Wie man mir gerade aus England glaubhaft versichert hat, sind meine Pantoffeln übrigens schon 20 Jahre alt 😉