Okt 11, 2022 | Auf Reisen, Uncategorized, Womo-Liebe
Als wir am Morgen in Parma aufwachen, wird uns erstens klar, dass unser Urlaub ein Ablaufdatum hat und zwar in fünf Tagen. Zweitens sieht es tatsächlich so aus, als würden wir vorher unser Traumziel erreichen. Das Mittelmeer wartet heute auf uns und die Sonne strahlt vom Himmel, als wir die Auffahrt zur Autobahn E33 in Richtung Südwesten nehmen. Gut zwei Stunden trennen uns von unserem heutigen Ziel Marina di Pisa.
Mal links und mal rechts vom Highway mäandert der Fluss Taro in seinem flachen, weiten Bett, das nach dem trockenen Sommer mehr Kies offenbart, als Wasser führt. Ein spektakulärer Anblick, der bald von den immer höher aufragenden Bergen der Emilia Romagna abgelöst wird. Die Morgensonne bringt die dichten Nebelfelder zum leuchten, die aus den Tälern aufsteigen, während sich die Gipfel der Berge im Gegenlicht daraus erheben. Das Bild wirkt wie in Sepia getaucht und brennt sich als Erinnerung in die Netzhaut ein. Italien ist einfach so wunderschön.
Fluss Taro
Mit jedem Kilometer, den wir zurücklegen, gewinnt die Sonne an Kraft. Der weiße Dunst weicht einer saftiggrünen Vegetation, die sich die Steilhänge hinaufzieht und wir staunen über kleine Dörfchen und Burgen, die selbstsicher ganz oben auf den Gipfeln balancieren. Ein bisschen sind wir auch dankbar, dass wir dort mit unserem Brummi nicht hinaufmüssen. Papa Hose, der es nicht so mit der Höhe hat, erinnert sich immer noch mit Grausen an die Serpentinen in unserem Dolomitenurlaub vor fünf Jahren. Und damals saßen wir in einem kompakten, relativ wendigen Allrad-Auto.
Mit unserem Womo folgen wir aber lieber relaxed mit gemütlichen 120 km/h unserer Autobahn, über Brücken und durch Tunnel bis nach Ligurien, das sich wie eine Art Schulterpolster des Meeres von Monaco über Genua bis südlich der Cinque Terre an der Küste entlangzieht.
Nach einigen Kilometern holt uns die Toskana wieder ein und schon sind wir mitten im Marmorland. Linkerhand erheben sich die Apuanischen Alpen und dort aus Carrara kommt es her, das gleichnamige weiße Gestein, das zu den bekanntesten der Welt gehört und in der Gegend abgebaut und weiterverarbeitet wird. Zu Treppen und Arbeitsplatten, Waschbecken und natürlich auch zu bildhauerischer Kunst.
Immerhin verhalf Michelangelo dem Carrara-Marmor einst zu Berühmtheit, denn er schuf zum Beispiel seinen legendären David aus einem selbst ausgewählten Block. Solche Blöcke sehen wir nun links und rechts der Fahrbahn soweit das Auge reicht. Ein spektakulärer Anblick, der uns begleitet, bis wir tatsächlich die Ausfahrt Pisa erreichen.
Ein paar Kilometer und drei bis zehn der landestypischen Kreisverkehre weiter, fahren wir auf einer langen, geraden Straße am Fluss Arno entlang auf Marina die Pisa zu. Am Ufer reiht sich ein Bootshändler an den nächsten, ins Landesinnere hinein erstreckt sich eine weite grüne Ebene und dann gleich zu Beginn der Ortschaft unser Stellplatz Area Sosta Camper.
Sagen wir mal so: Flankiert von ein paar Wohnblocks und einer immerhin recht ansehnlichen, weil neu gestalteten Tankstelle, kann der Platz nicht mit unserem Gardasee-Paradies mithalten. Dennoch soll er sich für uns – ganz unerwartet – als der perfekte Ort erweisen. Zunächst einmal sind wir aber da, und nachdem wir das Mobil geparkt und angestöpselt haben, reißen wir gleich unsere Räder vom Träger.
Wir sind hier nicht zum Spaß. Wir wollen das Meer sehen!!! Nach fünf Minuten Fahrtweg entlang eines duftenden Pinienhains und über kaum befahrene breite Straßen, erstreckt sich vor uns ein Strand mit blütenweißen, faustgroßen Kieseln, die ich gerne einpacken und zu Hause in unserem Vorgarten verteilen möchten. Dahinter das Meer in einer unglaublichen glasklaren Farbe.
Durch mint- und türkisfarbene sanfte Uferwellen watet man hier in ein tiefsattes Aquablau hinein, von dem sich der Himmel ganz zart abhebt. Die türkis-blaue Palette ist in den letzten Jahren klamottentechnisch zu meinem Markenzeichen geworden und deshalb befinde ich mich hier gerade im siebten Himmel (und möchte das Meer gerne anziehen).
Während ich es mir am Ufer so gemütlich mache, wie es halt auf einem Haufen Kieselsteine möglich ist, stürzen sich Mann und Kind samt Schwimm-Doughnut ins Wasser – soweit es eben auf Kieselsteinen und angesichts oktoberlicher Wassertemperaturen möglich ist. Also halt eher in Slow Motion. Bis dann doch noch unerwartet Bewegung in meinen Mann kommt und er mit einem hohen Quietschen wieder aufs Ufer zurück hechtet. „Da ist was an mir vorbeigeschossen wie ein Pfeil“, ruft er mit leichter Panik in der Stimme.
Während er sich wild nach einem vermeintlichen Fliegenfischer oder einem Typ mit grüner Kappe, grünem Wams und Armbrust im Anschlag umsieht, kommt mir das Wort Seenadel in den Sinn. Und tatsächlich scheint es einer dieser dürren langen Knochenfische gewesen zu sein, die Papa Hose in Angst und Schrecken versetzt haben. Tochter Hose ist viel zu versunken in ihr Lieblingselement, als dass es sie aus ihrer Ruhe gebracht hätte.
Wir beschließen den Tag eine Stunde später mit Seefisch und Pizza unter der italienischen Sonne, direkt an der ruhigen Uferpromenade, wo sich adrette Häuschen samt Eisdielen, Cafés und Ristorantes aneinanderreihen. Es ist ruhig hier in Marina di Pisa. Die Saison ist eindeutig vorbei und wir genießen die langsame Gangart und die milden Temperaturen. Heute ist uns nach nichts mehr. Zurück auf dem Stellplatz wasche ich ein bisschen Wäsche im Spülbecken unseres Wohnmobils und hänge die guten Stücke zum Trocknen auf eine Leine, die ich zwischen dem Seitenspiegel und einem Holzzaun spanne.
Unsere Tochter macht den Platz unsicher und freundet sich mit jeder Katze an, derer sie habhaft werden kann. Und noch ein paar andere Bewohner lernen wir eher unfreiwillig kennen, denn hier wimmelt es vor Moskitos. Wie gut, dass wir Fliegengitter an allen Fenstern haben. Den Abend verbringt Papa Hose lesend in seiner Koje, während die Tochter und ich uns gemütlich im Cockpit einrichten und „The Masked Singer“ auf dem iPad schauen. Alles ist gut!
Eure Nachbarin – entspannt
Mit dem Fahrrad vom Meer nach Pisa
Okt 11, 2022 | Auf Reisen, Fahrrad-Liebe, Familie Hose, Uncategorized, Womo-Liebe
Was unseren Stellplatz in Marina di Pisa zum besten Stellplatz aller Zeiten macht, ist nicht die hohe Katzendichte (obwohl das Tochter Hose definitiv anders sieht). Es ist nicht die Lage beim Meer oder die zufriedenstellende Ver- und Entsorgungssituation. Nein, es ist die unmittelbare Nähe zum „Ciclopista del Trammino“, einem Radweg, der entlang einer ehemaligen Bahnstrecke angelegt wurde. Bis in die 1960er verband der Zug Pisa und Livorno über die Küste. Heute rollen hier Räder statt Waggons. 2020 wurde die Strecke neu eingeweiht und sie erfüllt Radlerwünsche, von denen man noch nicht mal wusste, dass man sie hatte: Das Ding ist eben, glatt asphaltiert, breit, führt viele Kilometer durch die Natur und ist durch Felder, Wiesen und Gärten von der parallel laufenden Straße getrennt. An diesem sonnigen und milden Oktobermorgen ist die Fahrradautobahn leergefegt und wie cruisen dahin wie der Wind. Unsere E-Motoren auf Highspeed, die Tochter auf ihrem normalen Fahrrad zwischen uns gespannt, geht es durch Alleen und an Bauernhöfen vorbei in Richtung Pisa.
Für alle die, die Strecke genau wissen wollen, bitte kursiv weiterlesen. Sonst überspringt den Absatz einfach.
Wir folgen der Piste bis zu Via Livornese, an der wir auf einem gut gesicherten, von der Straße getrennten Fahrrad- und Fußgängerweg, weiterfahren. Wir überqueren den Canale dei Navicelli. Dahinter wird es dann kurz etwas verkehrsreicher und wir müssen auf Autos und Busse achten. Dann aber führt uns der Trammino durch eine breite Unterführung in die baumbestandene Via Aldo Moro. Nach ein paar Metern schließt sich halb links ein reiner Radweg an, der zur Via Conte Fazio mit einem gesicherten Fahrradweg führt. Hinter einer Eisenbahnüberführung halten wir uns halb rechts, überqueren die Via Porta a Mare und rauschen durch das Tor der Stadtmauer nach Pisa hinein. Wir folgen der Straße Largo Uliano Martini, bis zu einer stärker befahrenen Kreuzung, schieben unsere Räder über die Straße und tauchen in die Altstadt ein.
Die ruhige Via San Antonio führt uns direkt zur wunderschönen Kirche Santa Maria della Spina am breiten Fluss Arno. Ein Kleinod, das vom Giebel bis zum Fundament mit Figuren und Türmchen verziert ist. Früher wurde hier als Reliquie ein Dorn der Dornenkrone aufbewahrt, daher heißt sie auch Dornenkirche. Nach einer Pause zieht es uns weiter. Der Schiefe Turm wartet. Ein Hüpfer noch über die Ponte Solferino und geradeaus über den Piazza Solferino in die Via del Roma hinein und schon nehmen wir direkten Kurs auf unser ultimatives, erträumtes Urlaubsziel. Mit jedem Meter, den wir uns nähern, wird es voller. Ein Sprachengewirr umfängt uns. Touristen mit Rollkoffern blockieren den Weg. Die ersten Souvenirläden tauchen links und rechts der Strecke auf. Und dann öffnet sich vor uns die weitere Piazza dei Miracoli und wir haben es tatsächlich geschafft! Wir sind mit dem Wohnmobil bis Pisa gefahren und stehen nun vor dem leibhaftigen schiefen Turm!!!!! (Das ist wirklich ein paar Ausrufezeichen wert ;-))
Aller innerer Unkenrufe und Zweifel zum Trotz hat alles super geklappt und so betrachte ich staunend und immer noch etwas ungläubig die prächtigen Bauten, die sich hier stolz in der Vormittagssonne in Szene setzen. In der Mitte der Dom Santa Maria Assunta, links davon das Baptisterium und auf der rechten Seite das weltberühmte Wahrzeichen der Stadt. Um uns herum ist jede Menge Trubel und und ich frage mich, wie das in der Hauptsaison aussieht. Ein bisschen nervös behalte ich unsere Räder im Blick, während nun die obligatorischen Ich-halte-den-Turm-vom-Umfallen-ab-Fotos dran sind. Wer weiß, vielleicht läge das Ding ohne die tatkräftige Mithilfe der Touristen schon lange in Schutt und Asche…
Wir führen unsere Drahtesel über den Platz und stehen kurz darauf entzückt am Fuße des Turms. Hinauf wollen wir heute nicht, aber lassen ganz in Ruhe die architektonische Schönheit vor dem tiefblauen Himmel auf uns wirken. Bis es Tochter Hose zu den Souvenirläden und -stände zieht. Sie findet ein Seidentuch mit Toskana-Motiven und einen kleinen Glaskubus, in dessen Mitte ein eingravierter schiefer Turn zu schweben scheint. Ich kaufe mir eine neue Kappe, die der Ladenbesitzer mit einer langen Teleskopstange von der Decke seines vollgestopften Ladens angelt. Wir werfen einen Blick in einen beeindruckenden Innenhof, mit Säulengängen an allen Seiten. Hier ist der Sitz des Erzbistums Pisa. Dann überholen wir eine Touribimmelbahn und drehen ein paar Runden auf dem Piazza dei Cavalieri. Ein paar Meter abseits des schiefen Turmes ist es ruhiger.
Entspannt folgen wir den Gassen und überqueren schließlich wieder den Arno, diesmal über die Ponte die Mezzo. Auf der Suche nach etwas Essbarem, verfranzen uns ein bisschen hinterm Platz XX. Settembre und finden uns schließlich auf der belebten Einkaufsmeile Pisas wieder. Wir folgen einer Google-Empfehlung und lassen uns nach der Tour einigermaßen erleichtert auf den Außenstühlen der Pizzeria da Nando nieder. Die 4,6 Sternebewertung von Google lügt nicht und so genießen wir fantastische Pizza (was sonst) inmitten von Studis, Einkaufsbummlern, Geschäftsleuten und ein paar Touristen. Es tut gut, einfach nur zu sitzen und die Leute zu beobachten. Dolce far niente. So fühlt es sich an.
Ein Teil von mir möchte sich im Fresskoma jetzt auf den Beifahrersitz eines nahe geparkten Autos knallen und die Rückfahrt ebenfalls mit Nichtstun verbringen. Aber so ist das, wenn man mit dem Wohnmobil unterwegs ist: Vor das Bett für die Siesta hat der liebe Gott die Rückfahrt mit dem Fahrrad gesetzt. Und so schwingen wir uns wieder in den Sattel und passieren den Platz Vittorio Emanuele II. Der Name erinnert zwar an das Monument in Rom, der Ort kann jedoch mit seinem Namensvetter nicht wirklich mithalten. Wir radeln an der Kirche Sant‘ Antonio Abate vorbei auf die Largo Uliano Martini und folgen unserem Hinweg einfach zurück. Bald schon sind wir aus der Stadt heraus und schaffen die Kilometer bis zu unserem Stellplatz in einer knappen Stunde.
Ein bisschen müde, aber mit dem tollen Gefühl alles erreicht zu haben, was dieser Urlaub versprochen hat, ziehen wir uns in unseren Camper zurück.
Sehr froh und ein bisschen stolz, Eure Nachbarin
Guten Abend, gute Nacht
Okt 10, 2022 | Uncategorized
Von Sigurta aus geht es heute nicht mehr auf die Autobahn. Unser Übernachtungsziel Parma erreichen wir über Land und ich genieße diese Fahrt sehr. Noch nie war ich in der Po-Ebene, die als fruchtbarste Region Italiens gilt – ein wahres Landwirtschaftsparadies. Wir zuckeln durch kleine Ortschaften und an Feldern vorbei, meist hinter einem überdimensionierten Traktor mit gigantischem Anhänger. Die späte Nachmittagssonne taucht die Ebene in ein warmes Gegenlicht, der Horizont ist weit, weit entfernt. Hier werden Zuckerrüben, Mais, Weizen, Wein und tatsächlich auch Reis angebaut, wenn auch nicht mehr so viel wie früher. Die Landschaft ist von vielen Kanälen und Wegen durchzogen. Manchmal taucht unversehens ein historisches Steinportal am Straßenrand auf, durch das eine ellenlange Zufahrt zu einem Anwesen führt, das wir kaum noch in der Ferne ausmachen können.
Wir kommen durch Mantua mit seinen vier Seen Lago Superiore, Lago di Mezzo, Lago Inferiore und Lago Paiolo. Dann durch Montanara, Campitello, San Silvestro, Sanguigna und San Polo und nicht nur ich finde, das Italienisch einfach Musik in der Ohren ist. Kirchengebäude, wechseln sich mit Farmen und altehrwürdigen Friedhöfen ab. Vom Wohnmobil aus können wir über die hohen Mauern die prächtigen Grabmale erkennen. Auf den feuchten Wiesen haben sich ganze Vogelkolonien zum Schnacken verabredet. Wir sehen Silberreiher, wie links im Bild, die nicht etwas silber sind, wie Graureiher, sondern reinweiß (deshalb heißen sie auch Silberreiher oder so). Und wir entdecken große Vögel mit krummen säbelartigen Schnäbeln, die verdächtig nach Zootier aussehen.
Tatsächlich sind es Heilige Ibisse, die nicht etwa so heißen, weil sie aus dem Vatikan abgehauen sind, sondern weil sie von den alten Ägyptern als Inkarnation des Gottes Thot verehrt wurden. Der hat nichts mit dem Sensenmann zu tun, sondern ist der Gott des Mondes, der Magie, der Wissenschaft, der Schreiber, der Weisheit und des Kalenders. Klingt nett, finde ich. Früher waren die Ibisse nur in Afrika unterwegs. Dem Klimawandel oder sonst wem sei Dank siedeln sich die Wasservögel aber nun immer mehr in Europa an, zum Beispiel am Po-Delta. Ihre Heiligkeit hilft ihnen dabei wenig, denn die EU will die Langbeiner nicht und hat sie kurzerhand auf die „Liste der unerwünschten Spezies“ gesetzt.
Da stehen derzeit 36 Tierarten drauf, die sich in Europa tummeln, aber eigentlich nicht hier hin gehören und deshalb das Ökosystem gefährden. Einige davon habe ich sogar selbst schon gesehen und mich immer gefreut. Die Nilgänse am Rhein, das Streifenhörnchen, das mir im Wald vor die Füße lief, die Waschbär-Mama mit ihren Kleinen, die keinen Kilometer von unserem Haus entfernt die Straße überquerte, die Nutrias im Bonner Rheinauenpark, die jetzt sterilisiert werden sollen. Noch nicht auf der schwarzen Liste stehen übrigens die echt lauten Halsbandsittiche, die irgendwann mal aus dem Kölner Zoo ausgebrochen sind und jetzt in unserem Garten rumfliegen und auch nicht die monstermäßige Nosferatu-Spinne. Ein Versäumnis, wie ich finde, hat doch der gleichnamige Film nicht umsonst den Untertitel „Symphonie des Grauens“.
Aber ich schweife ab, dabei sind wir gleich schon in Parma. Ehrlicherweise haben wir von hier nicht so viel zu berichten, denn wir haben uns die Stadt nicht angesehen. Wir hätten gerne, aber unsere Urlaubstage gehen zur Neige und Pisa trumpft diesmal einfach Parma. An der Autobahnabfahrt erleben wir immerhin einen echten italienischen Autofahrer in Aktion. Er schneidet uns und setzt sich zwischen uns und einen Kleinwagen, der langsam und unsicher vor ihm herschleicht. Daraufhin startet er ein Hupkonzert, faltet die Hände zu einem inbrünstigen „Dios mio!“, ergänzt von diesem typisch einhändigen Wedeln mit aneinandergelegten Fingerspitzen („Mamma mia!“). Wir genießen das Spektakel von unserem hohen Rang und sind durchaus beeindruckt. Anthony Quinn soll mal gesagt haben, Italienisch sei eine Gebärdensprache, deren Verständlichkeit durch Worte erschwert werde.
Dass man zumindest kein Italienisch können muss, um einen Italiener zu verstehen, erleben wir dann tatsächlich auf unserem Stellplatz in Parma. Der liegt gleich an der Autobahn und ist recht voll. Wir sind gemütlich umringt von vielen anderen Wohnmobilisten. Ein Mann brät Steaks auf einem Kugelgrill. Mein eigener versucht mal wieder die Campingplatz-Toilette zu benutzen und kommt kurz darauf mit angewidertem Gesichtsausdruck zurück. „Es war nicht sauber und die Klobrille war zerbrochen und mit bröckeligem Panzertape geklebt“, beschwert er sich. Na, immerhin gab es eine Klobrille. Das ist auf vielen Stellplätzen in Italien nämlich nicht der Fall, wie ich aus Bewertungen auf park4night weiß. Egal, uns bleibt ja die blitzblanke Bordtoilette, die dank des hart erkämpften Sanitärzusatzes jetzt riecht, wie eine Blumenwiese.
Unser Abendausflug führt uns zum Lidl nebenan. Dafür für müssen wir am Häuschen des Platzwartes vorbei. Der kleine Mann hüpft begeistert auf und ab, als er uns sieht, und winkt uns mit großen Gesten zu sich, bevor er einen Schwall seiner wunderbaren Muttersprache auf uns niederprasseln lässt. Mein vorsichtig eingeworfenes „Scusi, non parliamo italiano“ nimmt er mit strahlendem Lächeln zur Kenntnis und erzählt völlig unbeeindruckt weiter.
Dass er schon in Köln und Leverkusen gearbeitet hat, immer zur Sommersaison, zwei bis drei Monate lang. Dass er die Deutschen liebt, weil sie so klar und organisiert sind und das italienische „Kommst du heut nicht, kommst du morgen“ hasst. Dass der Cousin der Mutter eines Freundes mal eine Autopanne hatte und der Kfz-Typ ihn zehn Tage lang vertröstet und dann 3000 Euro verlangt hat. Dass er dann die Polizei eingeschaltet hat und am Ende doch nicht zahlen musste. Woher ich das alles weiß? Jahahahaha… Äh, ich habe keinen blassen Schimmer. Aber ich schwöre, das hat er erzählt.
Die Nachbarin – kann gut Gebärdensprache
100 Farben blau
Okt 10, 2022 | Auf Reisen, Fahrrad-Liebe, Familie Hose, Womo-Liebe
Wer sich die italienischen Autobahnauffahrten und -abfahrten ausgedacht hat, hat auf jeden Fall Sinn für Humor! Eine Labyrinth ist nicht verschwurbelter, als diese Straßenführung. Die wurde mir schon mal vor 20 Jahren bei Neapel zum Verhängnis, als wir statt auf die A3 Richtung Amalfiküste zu wechseln, vom Weg abkamen und im Slum landeten, wo mir meine Tasche aus dem fahrenden Auto geklaut wurde. Aber das ist eine andere Geschichte. Heute wollen wir in den Sigurtapark und dazu müssen wir wieder auf die Autobahn, die ich an sich sehr liebe, denn es ist kaum was los, andererseits aber eben auch fürchte, weil man mit dem Wohnmobil nicht gerne Abfahrten verpasst. Wenn ich auch nicht glaube, dass hier in der Gardaseeregion irgendein Slum auf uns wartet.
Drauf auf die A4 kommen wir jedenfalls mit Bravour und cruisen im Sonnenlicht gemütlich Richtung Süden. Bei der Abfahrt passiert es dann. Statt auf die kleine Via Valeggio zu fahren, die dem Lauf des Flüsschens Mincio bis Sigurta folgt, halten wir uns einmal zu weit links und stehen unversehens wieder vor dem Terminal zur Auffahrt. Und mit stehen, meine ich stehen, denn Papa Hose ist so verdutzt, dass er erstmal anhält. Ein unwirsches Hupkonzert der Trucks hinter uns, treibt uns dann erstmal rechts auf die Sperrfläche. Hier stehen wir nun dumm rum, an uns rauschen die LKW vorbei und ich habe keine Ahnung, wie wir hier wegkommen sollen.
Ich wäre in der Situation am Steuer wahrscheinlich in lautstarke Panik ausgebrochen, aber mein Mann bleibt erstaunlich ruhig. Tonlos sagt er: „Dann müssen wir wohl jetzt wieder auf die Autobahn.“ – „Ja…“ – „Und zwar genau in die Richtung, aus der wir gerade gekommen sind.“ – „Äh, ja.“ – „Und wir müssen zweimal bezahlen. Einmal, wenn wir jetzt drauffahren und einmal, wenn wir ab- und dann wieder auffahren, um erneut hierher zu kommen.“ – „Das ist soweit akurat zusammengefasst…“ Vielleicht wäre es im Auto friedlich geblieben, wenn unsere Tochter sich nicht genau diesen Moment ausgesucht hätte, um im typischen Motz-Ton pubertierender Kids zu fragen: „Wann sind wir endlich dahaaaa???“
Sagen wir mal so. Die Stimmung ist danach deutlich angespannter als zuvor, und der Qualm, der aus den Ohren meines Mannes dringt, kann es gut und gerne mit den Rauchwolken aufnehmen, die hier in Italien immer noch von den Feldern wehen, wenn illegal Grünschnitt abgefackelt wird. Stumm legen wir die 7 Kilometer bis zur nächsten Ausfahrt zurück. Schwurbeln runter und wieder drauf – quasi der U-Turn auf dem Motorway – und stehen 20 Minuten später wieder an der Abfahrt Richtung Sigurta. Jetzt muss alles klappen, denke ich mit leicht schwitzigen Händen, sonst sehe ich schwarz für den Park. Und tatsächlich, mit vereinten Kräften fädeln wir uns in die richtige Spur für die richtige Straße ein und tuckern kurz darauf durch pittoreske Dörfchen und Landschaften.
Am Sigurtapark drehen wir dann nur eine einzige Ehrenrunde durchs Dorf, bevor wir auf einem kostenlosen, wunderbar großen und wunderbar leeren Parkplatz parken. Hier könnte man fast die Nacht verbringen, denke ich mit besorgtem Seitenblick auf meinen Mann. Nach dem Kampf mit der Flasche und dem italienischen Autobahn-Labyrinth wirkt er etwas angeschlagen. Doch dann passiert das Wunder, das immer passiert, wenn wir auf die Räder steigen. Entspannung kehrt ein. Wir radeln – nach einem kleinen Abstecher zum Supermarkt (der Mann braucht Nahrung!) – zum Park.
Im Kassenhäuschen am wunderschönen historischen Eingang sitzt eine wortkarge, schlecht gelaunte Frau. Hach! Fast bekomme ich Heimweh… Kurz darauf parken wir unsere Räder in einem Schuppen, in dem schon jede Menge Kinderwagen stehen und schnappen uns ein Golfcart. Wir folgen dem ausgeschilderten Rundweg in den Park hinein und mampfen dabei gebrannte Mandeln aus dem Supermarkt. Eine Stunde haben wir das Golfcart gebucht, danach wollen wir das Ganze nochmal mit den Rädern besichtigen.
Immer wieder steigen wir aus. Die Sonne strahlt und bringt das Grün der weiten englischen Rasenflächen zum leuchten. Tochter Hose tobt und rollt herum und lässt die letzte Anspannung des Vormittags zwischen die Halme gleiten. Wie sehen Denkmäler und Schlösschen, ein Hirschgehege und eine Farm, füttern Ziegen und fahren an Wasserbassins mit Seerosen und großzügigen Beeten mit Landrosen vorbei. Wie schnuppern uns durch den Kräutergarten, während Töchterchen Eidechsen jagt und wechseln uns alle drei am Steuer ab.
Nach eineinhalb Stunden stehen wir wieder am Cartstand und müssen keinen Aufpreis zahlen, obwohl wie so überzogen haben. Nett! Nach einem kleinen Imbiss am kleinen Imbiss, erkunden wir den Park dann nochmal in Ruhe mit unseren Rädern. Für 600.000 Quadratmeter braucht man eben Zeit. Auf dem Bauernhof lernen wir zwei schmusige Esel und eine Schar lustiger Hühner kennen. Und im Eibenlabyrinth lernen wir unsere Tochter kennen. Aber so richtig!!
Versiert stürmt sie zunächst durch die Reihen und schafft es als erste auf die Aussichtsbrücke. Papa Hose, der Fuchs, schaut sich von dort den Weg bis zum Mittelpunkt an und steht schließlich als erster am Ziel. „Unfair“ ist noch das freundlichste gebrüllte Wort, das unser Tochter für diese Vorlage parat hat. Wahrscheinlich fühlte sie sich unbewusst an unseren morgendlichen Autobahnritt erinnert. Ich beruhige meine Tochter – irgendwann – und freue mich für meinen Mann, der nach dem denkwürdigen Vormittag einen Egoboost gut vertragen kann. Sein Ergebnis des Tages: Eine Flasche gekillt und gleich zwei Labyrinthe bezwungen!
Eure Nachbarin – im Grünen
Ach du heiliger Ibis – Begegnungen in Parma
Okt 10, 2022 | Uncategorized
Nach einer ruhigen Nacht weckt uns am nächsten Morgen der Tatendurst. Verona wollte uns nicht, also will ich mit meiner Familie wenigstens in den Sigurtapark. Der ist nämlich wunderschön und das Beste: Man kann mit einem Golfcart durchfahren. Außerdem liegt er durchaus auf unserer Strecke nach Parma, wo wir die nächste Nacht verbringen wollen. Bevor wir abreisen, ist jedoch noch die Entsorgungsoper in drei Akten fällig. Diesmal unter dem Motto „Der mit dem Sanitärzusatz tanzt“.
Wir bezahlen unsere zwei Nächte bei der netten Rezeptionistin und ihrem Malteserhündchen, das uns aus einer Umhängetasche heraus anhechelt. Danach entsorgen wir sämtliche Abwasser routiniert am hinteren Ende des gepflegten Platzes. Gerade recke ich schnüffelnd die Nase in die Luft und danke im Geiste meiner Eingebung, zwei Tage zuvor NICHT Stellplatz 2 in unmittelbarer Nähe, sondern Stellplatz 7 in weitestmöglicher Entfernung dieses Ortes gewählt zu haben, als ich meinen Mann motzen höre. Er hat zum ersten Mal die Toilette per Hand gereinigt und will nun den Hygienezusatz einfüllen. Allein, die Flasche geht nicht auf. Nun bin ich eigentlich diejenige, die regelmäßig an kindersicheren Verschlüssen verzweifelt. Sie erfolgreich zu öffnen, ist in meinen Anlagen einfach nicht vorgesehen. Runterdrücken und gleichzeitig zur Seite drehen überfordert mich.
Aber dafür habe ich ja meinen Mann. Der ist ans Scheitern nicht gewöhnt und hartnäckig noch dazu. Im 20-minütigen Bühnenstück „Mann gegen Flasche“ verschlechtert sich seine Stimmung jedoch mit jeder neuen Szene. Die Konfrontation mit dem renitenten Plastikteil gleicht erst einem Tänzchen, dann eher einem Ringkampf. In diesen Phasen ist der Herr tunlichst nicht zu stören. Von seinem Ziel abbringen lässt es sich ohnehin nicht, auch wenn im Nachgang heftige Verspannungen mit Migränepotential lauern. Nach erfolglosen Einsätzen eines Gästehandtuchs (damit man besseren Grip hat), eines YouTube-Erklärvideos (komisch, alle anderen bekommen die auf) und eines Leatherman-Multitools (das wir leider auch nicht aufkriegen), hat der Flasche letztes Stündlein geschlagen.
Unter wüsten Flüchen und verschwitzt, von Abwasserschwaden umwabert, von Kanalratten angenagt und von Moskitos zerstochen, macht Papa Hose dem Deckel mit einem Küchenmesser endlich den Garaus und erhält tosenden Applaus. Nebenan hat es sich nämlich ein Rentnerpaar mit Popcorn und Radler vor ihrem Camper auf Stellplatz 2 gemütlich gemacht und dankt heute wohl zum ersten Mal seit der Ankunft seiner Eingebung, GENAU diesen Platz gewählt zu haben. Mit einer leichten Verbeugung in ihre Richtung und einem verkniffenen Gesicht in meine, entert mein Held schließlich den Fahrersitz und wir rauschen mit knirschenden Reifen von der Bühne.
Eure Nachbarin – zerstochen
PS: Das stille Örtchen im Wohnmobil kann also ein Hort der Freude sein, wenn man von öffentlichen Toiletten spontan Verstopfung bekommt (so wie der Hochsensible an sich). Bezahlen muss man die Bequemlichkeit und Hygiene dann mit der häufigeren Entsorgung. UND wenn Kinder die Toilette benutzen. „Es ist ganz einfach Schatz: Du gehst ins Bad und schließt die Tür. Dann öffnest du den Klodeckel und dann mit dem Schieberegler da unten den Abfluss. Wenn du dein Geschäft erledigt hast, drückst du den Knopf da und ziehst ab. Dann erst machst du den Schieberegler zu und dann den Deckel. Händewaschen nicht vergessen!“ Diese Ansage habe ich auf unserer Tour jeden Tag erfolglos wiederholt. Irgendwann mit der genervten Einleitung: „Wie oft soll ich dir das denn noch sagen?“
Labyrinthe bezwingen
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