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Wo ist Nemo… wenn man ihn braucht?

Wo ist Nemo… wenn man ihn braucht?

Ist unsere schnuckelige Einzelkindtochter verwöhnt? Hm, mal überlegen… Okay, ich habe überlegt und will es mal so sagen: Vielleicht. Ein wenig. Und heute bekam ich dafür mal wieder die Quittung, die ich nur unter
Einsatz von zwei Fünferrippchen dieser endleckeren weißen Kokosschokolade und einem schnellen Post verarbeiten kann. In dieser Woche ist meine Patentochter – fast 16 – zu Besuch und das nutzen wir, um ein paar Ausflüge zu machen. Töchterchen nutzt das auch, nämlich, um mal so richtig ihr Potential auszuschöpfen und alle Register zu ziehen. Also im Meckern, Mäkeln, Fordern und Krakelen.

Eine bleibende Erinnerung
Heute ging es ins Sealife. Eine bleibende Erinnerung, die ich dann allerdings doch nicht mit einem dieser professionellen Fotos an unserer Wohnzimmerwand verewigen wollte, die dort am Eingang mit Piratenmütze geschossen werden. Unser Sealife ist überschaubar, aber hübsch gemacht. Okay, vielleicht könnten sie ein paar mehr bunte Quallen und schillernde Fische haben und eigentlich wird es auch erst für lesende Kinder so richtig interessant, die die vielen Spiele, Quizze und Beschreibungen am Wegesrand verstehen. Aber trotzdem….
….
kann man sich doch mal zusammenreißen, wenn man sogar selbst dieses Ziel („Willst du Bilderbuchmuseum oder Fische?“ „Fischeeeeee!!!“) ausgewählt hat. Ich habe nicht gesagt: „Willst du Bilderbuchmuseum oder
101 Clownfische?“ Ich sage „Fische!“ Und Fische sind nun mal oft grau und braun. Wie das Wasser, in dem sie schwimmen. Und Muttern versuchte das Ganze ja auch noch interessant zu gestalten. „Guck mal, das ist eine Muräne, die hat mal meinen Cousin fast beim Tauchen erlegt.“ – „Die Muräne?“ – „Nein, den Cousin.“ Oder: „Wusstest du, dass bei Seepferdchen der Papa die Babys kriegt?“ Oder: „Hier ein Seestern. Willst du den Mal streicheln?“
Ist das langweilig
Kein Grund also sich nach der halben Tour mitten im Gang aufzustellen und laut und sehr deutlich „MAMAAAA! IST DAS LANGWEILIG HIER! WANN KOMMT DENN ENDLICH MAL WAS SPANNENDES!“ zu rufen. Kein Grund auch, den gleichen Satz fünf bis zwanzig Mal auf den nächsten Metern zu wiederholen. Und erst Recht kein Grund, sich bei der Süßwasserfisch-Fütterung mit dem gleichen Wortlaut so in einen
Tobsuchtsanfall hineinzusteigern, dass es auch der Letzte mitbekommt. Müßig zu sagen, dass alle anderen Kinder staunend, fröhlich oder zumindest mal still waren.
Jetzthat man mehrere Möglichkeiten. Man besticht das Kind mit einem gezischelten: „Wenn du jetzt lieb bist, darfst  du heute Abend so oft „Findet Nemo“ gucken, wie du willst.“ Oder: Man schaut sich entrüstet nach den imaginären Eltern um und ruft „Die kleine Tabea-Chantalle möchte bei der Süßwasserfisch-Fütterung abgeholt werden“. Oder: Man entfernt sich vorsichtig und vertieft sich zwei Bänke weiter in einen Whatsapp-Chat (mein Patenkind). Oder: Man pflichtet seinem eigenen Kind lautstark bei: „Ja, voll öde hier und das für den Eintritt.“
Eine Aufgabe
Ich sparte mir die Luft und nahm meine Tochter forsch am Arm, um sie in einen menschenleeren dunklen Gang hineinzubugsieren. Dort ließ ich sie auf den Boden setzen und füllte sie mit einem Päckchen Orangensaft ab. Dann nannte ich ihr mit fester Stimme ihre einzige Aufgabe: Den selbst ausgewählten 41 Euro-Sealife-Rundgang zu Ende zu bringen und zwar ohne einen einzigen Mucks!
Wahrscheinlich was es der O-Saft. Eine winzig kleine Chance besteht aber auch, dass es meine vor erzieherischem Selbstbewusstsein nur so strotzende Forderung war: Meine Tochter sprang auf, tänzelte begeistert den Gang entlang, zeigte entzückt auf diesen oder jenen Fisch, drückte sich die Nase an den Scheiben platt und sagte am Ende doch tatsächlich: „Ich will aber noch nicht nach Hause!“ Das haben wir dann auch nicht gemacht, sondern waren erst Mal Eisessen.
Es grüßt euch immer noch erschöpft
Eure NachbarinPS: Natürlich gibt es Clownfische im Sealife. Drei. Aber erst ziemlich am Ende (also an meinem).
Drei Jahre und in der Pubertät

Drei Jahre und in der Pubertät

Vor kurzem war meine Tochter krank. Meine Diagnose lautete: „Akute Kita-Unlust gepaart mit Husten und Schnupfen bei unangenehmen 37 Grad in Schatten.“ Und da ich ja zu den glücklichen Müttern gehöre, die ihren Beruf in den heimischen vier Wänden ausüben, dachte ich mir, okay, wir lassen das Kind mal daheim…

„Aber nur“, sprach ich mit ernstem Blick und erhobenem Zeigefinger (ist das heute eigentlich noch erlaubt?) „Aber nur, wenn du dich auch wirklich ausruhst.“

„Ja“, versprach meine Tochter. „Ich ruh mich aus“, versprach sie. „Ich bin ganz lieb“, versprach sie und „Ich störe dich nicht!“ Und das tat sie auch – eine ganze heroische Stunde lang. Dann kam sie in mein Arbeitszimmer geschlappt, Mundwinkel nach unten verzogen, klagende Jammerlaute ausstoßend. Spontan hängte sie sich an meinen Maus-Arm und prompt sendete meine brutal aus der Bahn geworfene Rechte eine noch unverfasste Mail an einen „Lieben Herrn Floh“, seines Zeichens Doktor der Theologie und völlig humorlos. Da sein Name natürlich nicht „Floh“ lautet, sondern noch was hinten dran hängt, könnt ihr euch meine Begeisterung vorstellen.

Laaaangweilig!!!

„Mamaaaaaa. Mir is langweilig!!!!!!!!!“, jaulte meine Tochter. „GRRRRRRRRRRRRR!!“, machte ich und schüttelte unwillig meinen Arm. „Jetzt hab ich diese Mail da an den… Ach, vergiss es!“, murrte ich. „Willst du nicht was malen?“ „Hab schon!“ „Kneten?“ „Langweilig!“ „CD hören!“ „Hab schon.“ „Buch gucken?“ „Jaaaaaaaaaa!!“ „Ich dachte eigentlich, alleine“, protestierte ich noch schwach, während meine Tochter schon drei Stapel Bücher ins Arbeitszimmer schleppte. „Erst das da und dann das da und dann das da…“

So ging das eine Woche lang – Tag für Tag. Einige Zeit Ruhe, dann plötzliche akute Langeweile mit unaufschiebbarem Animationsbedürfnis, verdeutlicht durch greinendes Einmarschieren im Arbeitszimmer und ruppiges an Mamas Maus-Arm ziehen. Eine weitere E-Mail versendete sich in der Rohfassung, ein Artikelabsatz löste sich im Nirwana auf und eine Einstellung im Bildbearbeitungsprogramm änderte sich so nachhaltig, dass ich noch heute damit kämpfe.

Mit jeden Tag, den wir hier so gemeinsam verbrachten und die Bedürfnisse des anderen nicht oder nur rudimentär erfüllen konnten, waren wir schlechter aufeinander zu sprechen. Während ich kaum noch ein Wort ohne genervten Unterton an sie richtete, suchte sie ihr Heil im Piesacken, Hauen, Treten, Beißen und in verbaler Provokation. Nachdem ich auf „Mama, du bist ein stinkiges Kaka-Pipi-Käsebrot“ nicht mehr reagierte, versuchte sie es mit „Mama, du bist alt und dick!“ – und spätestens damit hatte sie mich.

Fräulein!!!

Auf Ansprache meinerseits reagierte sie unwirsch bis gar nicht. „Räumst du bitte deine Spielsachen auf?“ Pädagogisch völlig falsch. Ich weiß es und sie weiß auch: „Och, nööööö!“ „Okay, anders formuliert: Ich möchte, dass du deine Spielsachen aufräumst. Jetzt!“ „Haaaaaar, ich kann das nicht, meine Hände tun weh!!!“ „Das glaube ich nicht, ich zähle jetzt bis drei…“ Überflüssig zu erwähnen, dass sie mir bei drei immer noch unbewegt in die Augen sah, ohne sich auch nur einen Zentimeter vom Fleck gerührt zu haben.

„So Fräulein, es reicht. Du gehst jetzt in dein Zimmer.“ „Nein, Fräulein, DU gehst in DEIN Zimmer.“ Das hab ich dann auch gemacht und die Tür hinter mir abgeschlossen. „UUUUUUAAAAAHHH, Mamaaaaaa!!! MACH! JETZT! AUF!“ Hämmern. „Du bist blöd!!! Du bist nicht mehr meine Freundin!!! Ich lade dich nicht zu meinem Geburtstag ein!! Aaaargh! Xxxxxxxxxxxxxxxxxxxx!!!“ (zensiert). Ich weiß nicht, was die Nachbarn in dieser Woche so gedacht haben, die sind ja eh einiges gewöhnt. Jedenfalls kam niemand gucken.

Nach einem dieser Tage kam abends mein Mann nach Hause und ich berichtete ihm ganz klassisch und wieder völlig unpädagogisch von den Verfehlungen unserer Tochter. Er zu ihr: „Hast du die Mama heute geärgert?“ „Joar!“ „Du weißt, dass das nicht gut ist!“ „Pfffffffft!“ „Schämst du dich nicht?“ „WENIG!“ Sprachs und knallte die Kinderzimmertür hinter sich zu. Ich sachs ja, drei Jahre und schon in der Pubertät!

Urlaubsreif,

Eure Nachbarin

Kann es was Schöneres geben?

Kann es was Schöneres geben?

Allein das Aufschreiben unseres 24-Stunden-Chaos hat mich wohl so geschwächt, dass ich erstmal `ne Woche Migräne nehmen musste. Langsam ist es besser und ich kann wieder grade aus den Augen gucken. Dafür hat die Maus sich den ersten Kita-Virus des Jahres eingefangen, den sie großzügig mit uns und allem, was nicht bei drei auf den Bäumen ist zu teilen gedenkt. Deshalb nutze ich mal schnell den Moment, um die nächsten Stunden unseres Familientages in die Tasten zu kloppen, bevor mich der grippale Infekt niedersteckt…

Ich hatte also beschlossen, dass meine Tochter ihr „Chilli, Chilli“ alleine mit Kuscheltieren und Weihnachts-CD im Bett verbringt, statt mit Grüffelo und mir auf der Couch. Denn – wir erinnern uns – ich wollte noch
klar Schiff machen, bevor unser Besuch kommt, nämlich Sarah (4) und Linus (1) nebst ihrer Erziehungsberechtigten, meiner Freundin Sonja.
Es gibt ihn doch…

Jetzt ist das ja so eine Sache, wenn man etwas beschließt, dass die Kooperation eines Kleinkindes voraussetzt. In diesem Fall sah meine Maus die Situation etwas anders als ich und verlangte: „Lies mir den Grüffelo vor!“ „Das geht nicht, ich muss noch aufräumen!“ „Doch, das geht!“ „Nein, das geht nicht!“ „Wenn du jetzt nicht lieb bist, dann darf Sonja auch nicht zum Spielen kommen!“ „What??“ Wo hat sie das denn wieder her…

Also, was tun? Aufräumen, Obst schnippeln und Nachmittagsprogramm durchdenken WÄHREND Töchterlein im Hintergrund unablässig zürnt und wehklagt? Schon bei dem Gedanken daran, gerät mein Körper in diese typischen Stress-Schwingungen, die ich in letzter Zeit habe. Mir schwirrt der Kopf und es fühlt sich an, als sei meine Haut statisch aufgeladen. Kennt das jemand oder sollte ich mal einen Arzt konsultieren? Jedenfalls muss ein Kompromiss her. Oder noch besser: ein Anreiz!„Schahatz, wenn du jetzt schön alleine liest und mich aufräumen lässt, dann backen wir nachher alle zusammen“, säusele ich, nur um mich im nächsten Moment zu fragen, ob ich noch alle Tassen im Schrank habe.
Backen, mit drei Kids zwischen eins und vier? Mein stummes Zweifeln geht im Freudengeheul meiner Tochter unter. Ich kapituliere und laufe zum Küchenschrank, um die Backsachen zu checken. (Man sollte nichts versprechen, was man eventuell nur halten kann, wenn man vorher einen Großeinkauf macht…). Aber – Weihnachten ist ja noch nicht allzu lange her – es ist alles da. Ich schreibe meiner Freundin Sonja kurz, worauf sie sich einstellen soll und räume endlich auf. Die Maus liegt derweil selig auf der Couch und liest ihren Grüffelo alleine. Schließlich kann sie das ganze Buch auswendig. Ich packe derweil Butter, Eier, Zucker und jede Menge Streusel auf den Tisch und
danke dem Vermieter wieder einmal für unseren robusten Linoleum-Küchenboden….

Kurz nach vier klingelt es an der Tür und der Lärmpegel verzehnfacht sich schlagartig. Drei Kleinkinder könnten es dezibelmäßig locker mit einer vorbeidonnernden Elefantenherde aufnehmen. Und auch die Wohnung sieht nach zehn Minuten aus, als hätte genau diese Herde eine kleine Runde durch Wohnzimmer, Küche und Kinderzimmer gedreht:

Hüpfpferd Rody liegt nach einem Zusammenstoß mit dem Bobby Car hilflos auf dem Rücken. Fünf Dosen Knete sind leer und der Inhalt verteilt sich großflächig auf dem Wohnzimmerboden. Herumliegende Malstifte feiern einen bunten Reigen zwischen Sofa und Wohnzimmerschrank. Zwei Kinder streiten sich energisch um ZWEI Puppen. Warum hatte ich nochmal aufgeräumt?
Mein Mann ging kürzlich am Kindergarten vorbei und sah und hörte, wie eine der Erzieherinnen die Wichtelgruppe mit Kasernenhofstimme um die Rabatten scheuchte. Erst war ich etwas erschüttert, als er mir davon
erzählte. Jetzt verstehe ich sie nicht nur, sondern nehme sie zum Vorbild: „KOMPANIE!!!“ brülle ich in den Raum: „SAMMELN IN DER KÜCHE!“ Keine Reaktion. „UND ZWAR ZACKIG.“ Immerhin, Sonja steht stramm. Der Rest ignoriert mich standhaft. „Okay“, seufze ich in Zimmerlautstärke, „wollt ihr Plätzchen oder Schokoladenkuchen backen?“ Sonjas entsetzen Blick interpretiere ich falsch. „Hast du
meine Whatsapp nicht bekommen“, flüstere ich. „Doch. Aber jetzt hast du ihnen die Wahl gelassen!“ zischelt sie zurück.
Verhältnisse lernt man mit Kuchendiagramm

Au Backe! Sie hat Recht. Wenigstens habe ich jetzt schon mal alle in der Küche. „Plääätzchen!“, ruft Linus. „Schokokuchen!“, ruft meine Tochter. „NEIN, PLÄTZCHEN!“, „NEIN! SCHOKOKUCHEN!! MAMAAAA!!!“ brüllt meine Tochter, während sie theatralisch unter den Küchentisch sinkt. Die Rettung kommt schließlich von Sarah, die auch Schokokuchen will und sogar ein Einjähriger versteht, wann er verloren hat.

Der eigentliche Backvorgang verläuft dann so harmonisch, dass ich beschließe, sowas öfter zu machen. Mit Feuereifer helfen sechs kleine Hände
beim Wiegen, Abmessen, Mischen und Rühren und was dabei rauskommt, sieht aus, wie ein echter Schokokuchen. Während die Kids wieder in den üblichen Spiel- und Zankmodus verfallen, freue ich mich tatsächlich mal über unseren Ofen, der die Meinung vertritt: je schneller, desto besser. Für Plätzchen braucht er fünf Minuten, für Schokokuchen 15.
Unser Schokotraum

Dick mit Kuvertüre bestrichen steht er dann auf dem Tisch. Drum herum Schälchen mit Zuckerperlen, Schokostreusel, Smarties und Gummibärchen und nochmal drum herum drei Kinder und drei Erwachsene (mein Mann ist mittlerweile auch gekommen). Wie bei dieser Konstellation zu erwarten, endet der Nachmittag mit glücklichen Kindern im hyperaktiven Zuckerrausch. Ein paar Streuseln und Gummibärchen haben es dank uns Erwachsenen doch noch auf den Kuchen geschafft. Der Rest verteilt sich in Bäuche und auf dem Fußboden.

Es ist halb sieben. Die Küche braucht einen neuen Anstrich, mein Mann sein Abendessen und ich mein Bett. Wenn da nicht noch der Interviewtermin mit dem Vorstandsvorsitzenden wäre. Ich klaube mir Smarties und Gummibärchen aus den Haaren, wasche die Schokolade von meinen Händen und überlasse meinem Mann das Chaos, um mich im Arbeitszimmer zu sammeln und  vom Mamimodus in den Journalistinnenmodus umzuschalten.Um zehn vor sie en steht plötzlich meine Tochter in der Tür. Ich will ihr gerade erklären, dass ich keine Zeit habe, ihr etwas vorzulesen, ihr das Prinzessinnenkleid anzuziehen oder ein Wurstebrot
ohne Wurst zu schmieren, da kommt sie zu mir, legt die Arme um mich und sagt: „Mama, du bist meine beste Freundin.“ Hej, denke ich: Kann es etwas Schöneres geben, als unser Familienchaos?
Wem jetzt noch genau 5 Stunden und 10 Minuten unserer Chaos-Geschichte fehlen, der hat natürlich Recht. Aber ich muss ja arbeiten. Deshalb überlasse ich das Wort und den letzten Teil des Tages jemandem, der hier genauso mit drin hängt, wie ich: meinem Mann.
Shoppen mit Mann und Kind

Shoppen mit Mann und Kind

Also mal Hand aufs Herz: Ich bin jetzt nicht gerade das, was man neudeutsch als Fashion Victim bezeichnen würde. Manolo Blahniks hielt ich bis vor Kurzen noch für eine chronische Stoffwechselerkrankung, bis mich eine „Sex and the City“-erfahrene Freundin darüber aufklärte, dass es sich um Stöckelschuhe, handelt. Auch besagte Serie ist leider an mir vorbeigegangen, was im Wesentlichen damit zu tun hat, dass ich seit Jahren den Kampf um die Fernbedienung verliere.

Nur wenn es um Heidis XS-Meeeedchen geht, setze ich mich einmal im Jahr durch! Schon aus gesundheitlichen Gründen: Eine Staffel „Germany’s Next Topmodel“ motiviert mich zu etwa drei Wochen Schlankheitskur. Und zum Kauf eines Marken-Mascaras, den ich nach einmaliger Benutzung sofort in der Schublade versenke, weil ich eigentlich seit Jahr und Tag meiner geliebten No-Name-Wimperntusche treu bin und bisher definitiv nichts Besseres gefunden habe.
Seit ich mit der Aufzucht eines Kleinkindes beschäftigt bin, haben meine Ambitionen für die Schönheit zu leiden, beträchtlich abgenommen. Ich hab auch so schon genug am Hals. Bequem muss es sein, kleinen klebrigen Kinderhändchen muss es trotzen und trocknergeeignet wäre auch nicht schlecht. Also Jeans. Die habe ich mittlerweile in allen Größen von 36 (Fehlkauf) über 38 (jaha, das waren noch Zeiten) und 40 (Schwangerschaft) bis 42 (Bewegungsmuffel, Schokoaddict).
 
Spieglein, Spieglein
Langsam wird auch das zu eng. Beim Hinsetzen knarzt es mittlerweile verdächtig im Gewebe – also im Jeansgewebe und GNTM noch so lange hin. Deshalb muss ich etwas tun, was ich wirklich nur mache, wenn es nicht anders geht: Ich muss Hosen shoppen! Für jemanden wie mich, deren Hüfte eindeutig der breiteste Körperteil ist, in etwa so spaßig, wie eine Wurzelbehandlung beim Zahnarzt. Selbst meine – wirklich wunderschöne – Freundin Claudia meinte kürzlich: „Wenn ich in der Umkleide stehe, gucke ich niemals in den Spiegel, das tue ich mir nicht an.“ Sollte ich vielleicht auch lassen, denn anders als die Wurzelbehandlung hat Hosenkaufen zusätzlich einen überaus nachteiligen Effekt auf mein Selbstbewusstsein…
Hier mal ein Aufruf: Liebe Umkleidekabinen-Designer! Wir brauchen mehr Licht!!! Wie kommt ihr darauf, dass Schummer-Leuchten den unbekleideten Körper eines Menschen jenseits der 35 besser aussehen lassen? Gedämpftes Licht erzeugt Schatten an Stellen, an denen man als Frau seit der Erfindung der Cellulite keine Schatten mehr sehen möchte. Grelles Licht macht vielleicht blass um die Nase, aber es lässt Hügel und Täler verschwinden. Zumindest wenn man nicht so genau hinsieht.
 
In der Umkleidekabine
Bis die Beleuchtung in Umkleidekabinen angepasst ist, mache ich es also wie meine Freundin – ich schaue nicht mehr hin. Was dem Hosenkaufen eine weitere unerträgliche Komponente hinzufügt, denn: Ich muss meinen Mann mitnehmen. Wer soll denn sonst gucken, ob die Hose einigermaßen sitzt? Nein, nichts gegen meinen Mann, er gibt sich wirklich Mühe. Aber wenn ich ihn mitnehme, muss ich auch meine Tochter mitnehmen. Und das, liebe Freunde, wünscht man wirklich niemandem.
Wir also an einem sonnigen Samstagmorgen mit einer schlecht gelaunten Dreijährigen in der Bonner Innenstadt: „Ich wollte nicht einkaufen, ich wollte zu den Hirschen!“ – „Schatz, ich brauche neue Hosen, wir gehen
später zum Wildgehege.“ „Du kannst doch alleine einkaufen und Papa geht mit mir vor?“ Hmm, wie erkläre ich ihr das jetzt?? „Der Papa muss der Mama helfen, weil sie doch so einen großen Popo hat“, springt mein Mann hilfreich ein und weicht feixend meinem bösen Blick aus. Meine Tochter gibt sich mit dieser Erklärung prompt zufrieden. Hmmm…
Eine Stunde später stehe ich schweißgebadet in der Kaufhof-Umkleide. Meinem Mann ist das Feixen vergangen. „Wenn du mir nicht vertraust, kannst du genauso gut alleine shoppen gehen“, motzt er nicht ganz unberechtigt und zeigt anklagend auf den von mir verworfenen Jeansstapel. „Wie soll ich dir vertrauen, wenn du Hüftjeans, die aus leichten Rundungen monströse Ausbuchtungen machen, für sexy hältst?“ meckere ich zurück. (So ganz hatte ich dem Blick in den Spiegel dann doch nicht ausweichen können). „Ich will jetzt endlich Hirsche!“ höre ich zum 35sten Mal meine Tochter vor der Umkleide jammern.
 
Größe 38!
Ein genervtes Grunzen aus der Nachbarkabine gibt mir den Rest und ich entscheide mich, das Experiment abzublasen. Erleichtert ziehen Mann und Tochter von dannen, um Rolltreppe zu fahren, während ich desillusioniert mit meinen Jeans aus der Kabine wanke. Da sehe ich ihn plötzlich: Er hängt auf der Stange der zurückgelassenen Kleidungsstücke unterhalb des Fachs, in das ich jetzt eilig meine Jeans stopfe und strahlt mich an. Dieser eine Rock, nur für mich gemacht, wohl ein Überbleibsel aus der Sommerkollektion, verschiedene Türkistöne, zartes Muster, ein Traum. Hatte nicht meine Typberaterin einst gesagt, ich solle auf Romantik setzen? Ich gucke auf die Größe: 38!
Wenn der jetzt passt, dann steige ich auf Röcke um, schwöre ich mir, als ich nach einem kurzen Blick Richtung Rolltreppe (alles ruhig) in die Kabine zurückeile. Weich fließt der Stoff an meinem Körper entlang und tut
so, als hätte ich überhaupt keine Hüften. Der Reißverschluss lässt sich problemlos schließen, denn der einzige Vorteil der Birnenfigur ist eine schmale Taille. Klebrige Kinderhändchen, praktische Klamotten und potentiell kalte Winter sind vergessen. „Ich passe in 38“, jubiliere ich, als ich zur Kasse schwebe und mich dabei auf wundersame Weise zehn Kilo leichter und hundert Prozent weiblicher fühle. Darauf ein Sektchen und eine Staffel „Sex and the City“!
Drei Jahre und in der Pubertät

Die Diva und ihr Personal

Ein neuer Tag beginnt. „KAKAAAOOO!!!!“ schallt es aus dem Kinderzimmer. „Aber sicher meine Süße, es macht gar nichts, dass es erst sechs Uhr ist und du mich aus dem Tiefschlaf geweckt hast. Sahne dazu?“ Nein, das ist natürlich ein Märchen. Also zumindest meine Antwort. In Wirklichkeit habe ich mich nämlich wie jeden Morgen unwillig umgedreht und mir die Decke über den Kopf gezogen, in der naiven Annahme, ich könnte meinem Schicksal entgehen.

Naiv und irrig! Denn keine zehn Sekunden später dringt ein Heulen durchs dicke Federbett: „MAMAAAAAAA!!!! KAKAAAOOOOOO!!!“ Gefolgt von einem Zerren an der Bettdecke. „Lass mich in Ruhe, es ist noch viel zu früh“, stöhne ich, hieve widerwillig strampelnde 16 Kilo Lebendgewicht in mein Bett und gönne mir den ersten Hexenschuss des Tages. „Schlaf doch noch ein bisschen, Schatz“, murmelt neben mir mein Mann – endlich auch mal aufgewacht – bevor ihm ein Schmerzensschrei entfährt. „Aua, du kleines Aas, das waren meine Nieren.“
Struktur und Rituale
Man soll Kinder ja mit Struktur und gleichbleibenden Ritualen erziehen. So in etwa hört sich also unser tägliches Morgenritual an, souverän choreographiert von unserer dreijährigen Tochter, die seit einiger Zeit zur
Diva mutiert ist und sich einen ganzen Stab an Hauspersonal hält: Mutter und Vater, sowie zwei Omas und einen Opa. Echt ich will ein Gehalt! Während sie im Kindergarten mit „bitte“ und „danke“ arbeitet, hält sie sich zu Hause nicht mit anstrengenden Höflichkeitsfloskeln auf.
Ein gebellter Befehl, ein lautes Kreischen, dass in ein gepeinigtes Jaulen übergeht, wenn die Welt mal wieder nicht begreifen will – also einfach zu blöd und unfähig ist, zu kapieren – was man will. Obwohl man
sich doch klar ausgedrückt hat!!! „KAKAO!!“ heißt erstens: sofort! Zweitens: 34,5 Grad. Und drittens: zu servieren mit langstieligem Löffel und einer Auswahl an drei verschiedenfarbigen Strohhalmen. Und auch dann gibt es Fallstricke, die das Projekt noch zum Scheitern verurteilen können.
Das Kind endet dann regelmäßig schreikrampfend auf dem Fußboden. Und es ist noch nicht mal halb acht. Das heißt der Kampf um Strumpfhose und Pullover-Auswahl steht noch bevor. Der gute Erzieher bleibt ruhig
und konsequent, lässt dem Kind die Wahl, wo es möglich ist und setzt sich durch, wenn er es für wichtig hält. Also: „Schatz! Heute ist es kalt, du hast also die Auswahl zwischen diesen drei warmen Strumpfhosen.“ „Neeeeeeiiiiiiiiii!“ „Wie nein?!“ „Ich will keine Jacke anziehen!“ „Süße es geht gerade nicht um die Jacke, sondern um die Strumpfhose.“ „Ich will aber Leggins.“
Der Kampf geht weiter
Irgendwie schaffen wir es fast immer bis acht Uhr in den Kindergarten, wo sie dann bis halb drei ihre brave, vernünftige, selbständige Seite zeigt („Wie, du kannst schon seit drei Monaten deine Leggings alleine
anziehen???“). Es heißt ja, dass man gute Erziehung daran erkennt, wie sich das Kind bei Fremden benimmt. Ich glaube ja eher, dass sie den ganzen Vormittag Kraft sammelt, um nachmittags wieder den Kampf aufzunehmen. Der geht weiter, sobald wir die Wohnung betreten.
Jesper Juul sagt: Wenn ein Kind immer wieder versucht, das Gleiche durchzusetzen, dann liegt es daran, dass es noch nicht versteht, dass eine Regel etwas Wiederkehrendes ist. Immer schon werden  nach dem Reinkommen die Hände gewaschen. Das heißt, nachdem ich meine Tochter in schmutzverkrusteten Gummistiefeln durch die gesamte Wohnung verfolgt oder an besseren Tagen eine langwierige Diskussion gewonnen habe. Mich strengt das so an, dass ich mich um 15 Uhr gerne hinlegen würde, um danach gleich ins Bett zu gehen. Jesper Juul würde wahrscheinlich sagen: „Das Kind hat die Regel begriffen. Erst der Kampf, dann das Händewaschen.“ Danke auch.
So geht es dann eigentlich den ganzen Tag weiter. „Mama, wenn ich auf Klo sitz, musst du draußen warten… NEEEEIIIIN, nicht da, auf der anderen Seite!!!“ (Soll heißen: Nicht rechts von der Tür, sondern links) „Mama, mach mir einen tiefen Zopf. Einen TIIIIIIIIEEEEEFEN!“ – „Tiefer geht nicht!“ – „WAAAAAHHHHH!“. Oder: „Papaaaaaa???“ (über drei Räume hinweg) „PAPAAAAA, kommaaaaaaa!“ Ehemann schleppt sich ins Schlafzimmer. „Neeeeeeeiiiiiin, Mama soll kommen!!!!“
Lachen verboten
Grundsätzlich verboten sind Unterhaltungen unter Erwachsenen, lautes Lachen (manchmal auch leises Schmunzeln) und jegliche Art von Anforderungen an Eure Majestät, die sich auf Nahrungsaufnahme, Körperpflege, Ruhezeiten oder etwa Chaosbeseitigung beziehen. Immerhin, da ist sie konsequent.
Auf die elterliche Stimmung wirkt sich der tägliche Ringkampf auch nicht unbedingt positiv aus. Aber ein Silberstreif erscheint am Horizont: Eine Freundin hat mir eine Bachblütenmischung versprochen, die kleine Zornpuckel wieder zu sich selbst finden lässt. Wir hätten gerne eine Zweiliter-Flasche. Ach so, und dann noch was fürs Kind.