Nov. 20, 2014 | Ne Story
In Sport war ich schon immer eine Niete. Kartoffelsack am Reck, Ersatzbank beim Völkerball. Und Sprint? „Langsamer kannst du eigentlich nur noch sein, wenn du rückwärts läufst“, meinte mein Sportlehrer bei den Bundesjugendspielen `91. Es ist mir einfach nicht gegeben. Beim Singen kann ich den Ton halten, beim Malen erkennt man, was es sein soll, beim Speerwerfen eben nicht: „Ich glaube, hier liegt eine motorische Behinderung vor.“ (Besorgter O-Ton vom gleichen Sportlehrer).
Die traumatischen Erfahrungen meiner Kindheit und Jugend haben dazu geführt, dass ich heute noch ein extremer Sportmuffel bin und mich nur im Notfall bewege. Zum Beispiel, wenn
meine kleine Tochter mit wehenden Haaren vom Spielplatzgelände Richtung starkbefahrene Hauptstraße rennt. Aber selbst eine einfahrende Bahn kann mich nicht dazu bringen, meinen Schritt zu beschleunigen. Da warte ich lieber eine halbe Stunde auf die nächste.
Ich hab Rücken
Addiert mit meinem Schreibtischtäterjob ergibt meine geckogleiche Reglosigkeit das folgende Ergebnis: Meine vielbejammerten 42+, Zellulite sogar an den Oberarmen und ich
habe RÜCKEN! „Das war ja zu erwarten“, höre ich im Geiste meinen Sportlehrer spotten. Jetzt ist Rücken eine Sache, Migräne eine andere. Und da ersteres derzeit immer wieder zu letzterem führt, bleibt mir keine Wahl: Ich. Muss. Mich. Bewegen. (Egal, wie es aussieht)
„Wir leben hier in einem Joggerparadies“, sagt mein Mann und meint die 300 Meter, die wir von den Rheinanlagen entfernt wohnen. „Schwing die Hufe!“ Und eine Freundin erzählt:
„Ich war früher genauso unsportlich und dann habe ich mit dem Laufen angefangen. Ein Jahr später bin ich einen Marathon gelaufen.“ Hm, auch mein Vater ist früher Marathon gelaufen. Dann muss ich das doch quasi im Blut haben.
Ich begebe mich also in die nächste Sportabteilung und erstehe wichtig aussehende Laufschuhe, die auf hundert Euro runtergesetzt sind. „Der Preis motiviert mich jetzt noch
mehr, auch wirklich anzufangen“, sage ich zu meinem kopfschüttelnden Mann. „Das hat der Fitnessstudiobeitrag auch nie geschafft“, meint er lapidar. „Du musst
es wirklich wollen. Und denk dran, alles was man 21 Mal gemacht hat, wird zur Gewohnheit.“ Schlaumeier.
Morgenstund‘ hat Sport im Mund
Ich nutze also die frühe Morgenstunde, kleide mich in Pyjamahose und T-Shirt (für ein Laufdress hat das Geld nicht mehr gereicht) und stehe schließlich vor meiner Tochter, die
große Augen macht. „Wow“, sagt mein Mann aus dem Hintergrund, „du siehst ja richtig sportlich aus!“ Na, dann kann ich ja hierbleiben, denke ich und will mich gerade aufs Sofa schmeißen, als ein schmerzhaftes Ziehen im Nackenbereich mich an den eigentlichen Grund meiner Ambitionen erinnert.
Also los, sage ich mir und ziehe schnellen Schrittes Richtung Rhein davon. Dass ich tatsächlich jogge, kann am ersten Tag nun wirklich niemand erwarten. Am Fluss empfängt mich
eine Nebelwand und ich bin dankbar: So erkennen mich wenigstens die Nachbarn nicht, die da unten ihre Hunde ausführen. In zügigem Tempo geht es Richtung Süden, Ziel ist der hintere Spielplatz mit dem Trampolin. Da möchte ich ein bisschen hüpfen.
Ich lasse die Schultern kreisen und so langsam wird mir sogar warm. Das läuft doch großartig, denke ich, als ich in der Ferne den Spielplatz sehe. Dann könnte ich vielleicht doch mal versuchen zu laufen. Locker falle ich in den Trab. Hm, das fühlt sich jetzt aber nicht mehr so lustig an. Egal, die zweihundert Meter bis zum Trampolin muss ich jetzt schaffen. Mein Atem geht stoßweise, erstes Seitenstechen stellt sich ein. Kurz einatmen, laaaange ausatmen.
Locker flockig?
Mit jedem Schritt vertieft sich meine Gesichtsfarbe, während ich dampflockmäßig den Weg entlangrattere. Eine Kolonie Kaninchen zieht rechts an mir vorbei, weiter hinten sitzen zwei Eichhörnchen mit einem Defibrillator am Wegesrand. Sehe ich so schlimm aus? Mein Sportlehrer hat beim Joggen immer gesagt: „Wenn das Gesicht tiefrot anläuft und sich um den Mund herum ein weißes Dreieck bildet, ist man überlastet.“ Ein Selfie mit dem Handy gibt mir Gewissheit: Ich sehe aus wie ein leuchtendes „Vorfahrt achten“-Schild!
Die letzten Meter zum Trampolin lege ich lieber wieder im Schritt zurück. Schwer atmend lasse ich mich auf die daneben stehende Bank fallen. Mal aufs Handy gucken, wie
lange ich schon unterwegs bin. Cool! 15 Minuten. Das ist ja schon die halbe Zeit. Nur grade mal meine Mails checken… Eine Viertelstunde später erhebe ich mich leicht angefroren, um den Rückweg anzutreten. Fürs Trampolinspringen habe ich keine Zeit mehr. Ich muss schließlich auch mal arbeiten und kann nicht den ganzen Tag Sport machen.
Als ich einige Zeit später unsere Straße entlangwalke, kommt mir mein Mann entgegen. „Super“, sagt er anerkennend, „du warst ja richtig lange unterwegs! Und du siehst aus,
als wärst du wirklich gejoggt!“ – „Ja, was denkst du denn?“ sage ich leichthin, als ich Kusshändchen werfend an ihm vorbeiziehe. So ein bisschen Sport am Morgen tut doch richtig gut. Darauf erstmal einen Kakao und ein Nutellabrot!
Okt. 26, 2014 | Reine Erziehungssache
Ein neuer Tag beginnt. „KAKAAAOOO!!!!“ schallt es aus dem Kinderzimmer. „Aber sicher meine Süße, es macht gar nichts, dass es erst sechs Uhr ist und du mich aus dem Tiefschlaf geweckt hast. Sahne dazu?“ Nein, das ist natürlich ein Märchen. Also zumindest meine Antwort. In Wirklichkeit habe ich mich nämlich wie jeden Morgen unwillig umgedreht und mir die Decke über den Kopf gezogen, in der naiven Annahme, ich könnte meinem Schicksal entgehen.
Naiv und irrig! Denn keine zehn Sekunden später dringt ein Heulen durchs dicke Federbett: „MAMAAAAAAA!!!! KAKAAAOOOOOO!!!“ Gefolgt von einem Zerren an der Bettdecke. „Lass mich in Ruhe, es ist noch viel zu früh“, stöhne ich, hieve widerwillig strampelnde 16 Kilo Lebendgewicht in mein Bett und gönne mir den ersten Hexenschuss des Tages. „Schlaf doch noch ein bisschen, Schatz“, murmelt neben mir mein Mann – endlich auch mal aufgewacht – bevor ihm ein Schmerzensschrei entfährt. „Aua, du kleines Aas, das waren meine Nieren.“
Struktur und Rituale
Man soll Kinder ja mit Struktur und gleichbleibenden Ritualen erziehen. So in etwa hört sich also unser tägliches Morgenritual an, souverän choreographiert von unserer dreijährigen Tochter, die seit einiger Zeit zur
Diva mutiert ist und sich einen ganzen Stab an Hauspersonal hält: Mutter und Vater, sowie zwei Omas und einen Opa. Echt ich will ein Gehalt! Während sie im Kindergarten mit „bitte“ und „danke“ arbeitet, hält sie sich zu Hause nicht mit anstrengenden Höflichkeitsfloskeln auf.
Ein gebellter Befehl, ein lautes Kreischen, dass in ein gepeinigtes Jaulen übergeht, wenn die Welt mal wieder nicht begreifen will – also einfach zu blöd und unfähig ist, zu kapieren – was man will. Obwohl man
sich doch klar ausgedrückt hat!!! „KAKAO!!“ heißt erstens: sofort! Zweitens: 34,5 Grad. Und drittens: zu servieren mit langstieligem Löffel und einer Auswahl an drei verschiedenfarbigen Strohhalmen. Und auch dann gibt es Fallstricke, die das Projekt noch zum Scheitern verurteilen können.
Das Kind endet dann regelmäßig schreikrampfend auf dem Fußboden. Und es ist noch nicht mal halb acht. Das heißt der Kampf um Strumpfhose und Pullover-Auswahl steht noch bevor. Der gute Erzieher bleibt ruhig
und konsequent, lässt dem Kind die Wahl, wo es möglich ist und setzt sich durch, wenn er es für wichtig hält. Also: „Schatz! Heute ist es kalt, du hast also die Auswahl zwischen diesen drei warmen Strumpfhosen.“ „Neeeeeeiiiiiiiiii!“ „Wie nein?!“ „Ich will keine Jacke anziehen!“ „Süße es geht gerade nicht um die Jacke, sondern um die Strumpfhose.“ „Ich will aber Leggins.“
Der Kampf geht weiter
Irgendwie schaffen wir es fast immer bis acht Uhr in den Kindergarten, wo sie dann bis halb drei ihre brave, vernünftige, selbständige Seite zeigt („Wie, du kannst schon seit drei Monaten deine Leggings alleine
anziehen???“). Es heißt ja, dass man gute Erziehung daran erkennt, wie sich das Kind bei Fremden benimmt. Ich glaube ja eher, dass sie den ganzen Vormittag Kraft sammelt, um nachmittags wieder den Kampf aufzunehmen. Der geht weiter, sobald wir die Wohnung betreten.
Jesper Juul sagt: Wenn ein Kind immer wieder versucht, das Gleiche durchzusetzen, dann liegt es daran, dass es noch nicht versteht, dass eine Regel etwas Wiederkehrendes ist. Immer schon werden nach dem Reinkommen die Hände gewaschen. Das heißt, nachdem ich meine Tochter in schmutzverkrusteten Gummistiefeln durch die gesamte Wohnung verfolgt oder an besseren Tagen eine langwierige Diskussion gewonnen habe. Mich strengt das so an, dass ich mich um 15 Uhr gerne hinlegen würde, um danach gleich ins Bett zu gehen. Jesper Juul würde wahrscheinlich sagen: „Das Kind hat die Regel begriffen. Erst der Kampf, dann das Händewaschen.“ Danke auch.

So geht es dann eigentlich den ganzen Tag weiter. „Mama, wenn ich auf Klo sitz, musst du draußen warten… NEEEEIIIIN, nicht da, auf der anderen Seite!!!“ (Soll heißen: Nicht rechts von der Tür, sondern links) „Mama, mach mir einen tiefen Zopf. Einen TIIIIIIIIEEEEEFEN!“ – „Tiefer geht nicht!“ – „WAAAAAHHHHH!“. Oder: „Papaaaaaa???“ (über drei Räume hinweg) „PAPAAAAA, kommaaaaaaa!“ Ehemann schleppt sich ins Schlafzimmer. „Neeeeeeeiiiiiin, Mama soll kommen!!!!“
Lachen verboten
Grundsätzlich verboten sind Unterhaltungen unter Erwachsenen, lautes Lachen (manchmal auch leises Schmunzeln) und jegliche Art von Anforderungen an Eure Majestät, die sich auf Nahrungsaufnahme, Körperpflege, Ruhezeiten oder etwa Chaosbeseitigung beziehen. Immerhin, da ist sie konsequent.
Auf die elterliche Stimmung wirkt sich der tägliche Ringkampf auch nicht unbedingt positiv aus. Aber ein Silberstreif erscheint am Horizont: Eine Freundin hat mir eine Bachblütenmischung versprochen, die kleine Zornpuckel wieder zu sich selbst finden lässt. Wir hätten gerne eine Zweiliter-Flasche. Ach so, und dann noch was fürs Kind.
Okt. 22, 2014 | Ne Story
Manchmal muss man Nägel mit Köpfen machen: Nach traumatischen Erfahrungen an einem sonnigen Strandtag musste sich definitiv etwas ändern. Ich entschied mich – wie immer – gegen eine Diät und für eine Typberatung. In Erinnerung habe ich unter anderem die folgenden Sätze: „Wir bestimmen jetzt Ihre Gesichtsform. Es gibt rund, herzförmig, eckig und oval und Sie haben… Hmmmm! Irgendwie nichts davon.“ War ja klar!
Typberatung – kaschieren statt trainieren
„Es gibt Leute, die können wirklich alles tragen“, seufzte ich vor ein paar Jahren neidvoll am Stand von Kreta, als sich zwei Mädels im Modelformat mit maximal zwei Zentimetern Stoff auf der Haut in meine Sichtlinie drapierten. Da lagen sie nun und störten den Ausblick (mein Mann hätte es wohl etwas anders formuliert). Aber meine Gedanken drehten sich für den Rest des Tages um Kilos, Dellen und unmögliche Jeansschnitte, statt um „nichts“ – so wie es unter Palmen eigentlich sein sollte.
Ich bekämpfte meinen Frust an jenem Tag mit Keksen, Chips und Cola und beobachtete fasziniert die Wendetechnik der beiden Damen, die ihnen bis zum Abend eine nahtlose Bräune
bescherte. Ab und an schielte ich auf meine Hüften (bis ich schließlich aufgab und mich mit meinem Badetuch zudeckte) und träumte von hübscheren Zeiten anno 1999. Damals am Strand von Rimini, 10 Kilo leichter, sonnenbankvorgebräunt, falten- UND dellenlos…
„Trotzdem bist du heute viel glücklicher“, rief ich mich selbst zur Ordnung. „Du hast einen tollen Mann, einen Job, den du liebst, eine schöne Wohnung…“ – „und Hosengröße 40/42“, tönte es gehässig von meiner rechten Schulter, auf dem gerne mal ein Wicht namens „Klar denkend“ Platz nimmt. Er hat meistens das letzte Wort und gab auch diesmal keine Ruhe, bis ich mir Wochen später schließlich entnervt eingestand: „Ich muss was tun!“
Twiggy und Marilyn Monroe
Neeeeiiiin – keine Diät und kein Sport. Wo kommen wir denn da hin?? Das dauert auch viel zu lange. Was ich brauchte, war eine Typberatung. Wenn schon nicht ändern, dann
wenigstens perfekt kaschieren, dachte ich mir. Und weil so was zu zweit viel mehr Spaß macht, nahm ich meine Freundin Marisol mit ins Boot. Wie der Name schon sagt, hat auch Marisol wegen ihrer spanischen Wurzeln kein Problem mit nahtloser Bräune, dafür gleichen sich unsere Figuren – oben eher Twiggy unten eher Marilyn Monroe.
Wir ließen eine Typberaterin aus Hamburg einfliegen und entschlossen uns, das Happening bei Marisol abzuhalten. Ich sollte ein paar ausgewählte Klamotten mitbringen, aber irgendwie konnte ich mich nicht entscheiden und packte kurzerhand den gesamten Kleiderschrank-Inhalt ein. Die Gesichtszüge der zierlichen, perfekt gestylten Typberaterin entglitten nur ganz kurz, als sie meine drei Koffer und zwei Reisetaschen sah. Dann hatte sie sich wieder im Griff.
Was folgte, war eine achtstündige Session ohne Pause, nach der die Wohnung meiner Freundin aussah wie die Kleiderkammer Berlin Wedding. Wir probierten Farben aus,
bestimmten unseren Typ (sportlich bis romantisch), wurden von Kopf bis Fuß vermessen. Madame Typberatung war freundlich, beschönigte aber nichts, was ihr den Beifall von „Klar denkend“ einbrachte.
Die perfekte Rocklänge
In Erinnerung habe ich die folgenden Sätze: „Wir bestimmen jetzt Ihre Gesichtsform. Es gibt rund, herzförmig, eckig und oval und Sie haben… Hmmmm! Irgendwie nichts davon.“ War ja klar! „Ihre Augenform ist interessant, die äußeren Augenwinkel liegen tiefer als die inneren – normal ist es ja umgekehrt.“ Stimmt und ich versuche seit zwanzig Jahren erfolglos, dagegen
anzuschminken. „Jetzt zu Ihren Fesseln. Wo sind denn Ihre – Fesseln?“ Ja, ich weiß, ich habe Fettablagerungen an ungewöhnlichen Stellen, aber muss man so darauf herumreiten???
Apropos rumreiten und Fettablagerung: „Diese Reiterhosen, die Sie da haben, sind jetzt nicht extrem… Ich würde trotzdem zu einer Rocklänge raten, die unterhalb des Knies endet.“ Und dazu Stiefel, dann sieht man genau die zehn Zentimeter meiner Beine, die ganz passabel aussehen, setzte ich in Gedanken hinzu. Und genauso mache ich es seitdem und siehe da, so ein bisschen Ehrlichkeit mit sich selbst, kann für das Auge des Betrachters ganz erholsam sein.
Übrigens fand nur ein Drittel meiner Sachen den Weg zurück in meinen Kleiderschrank. Alles andere wurde gnadenlos aussortiert. Wie sich beim Farbtest ergeben hatte, kann ich als ‚Frühlingstyp mit blau‘ alle Farben tragen, die eigentlich meine Freundin Marisol so liebt und umgekehrt. Da sie, der Wintertyp, allerdings mit ihren Farben Pink, Eisblau und Zitronengelb genauso wenig anfangen kann, wie ich mit meinem Curry, Weinrot oder Ocker, bleibt jeweils nur wenig auf unseren Farbpässen übrig.
Die Farben der Wahl
Ein angenehmer Effekt, wie ich finde. Wenn ich meinen Blick durch die Weiten der Damenabteilung des Bonner Kaufhofs schweifen lasse, erkenne ich aus hundert Metern Entfernung, welchen Ständen ich mich zuwenden kann. Denn seit vier Jahren kaufe ich fast ausschließlich Petrol, Aqua und Türkis. Wenn es das nicht gibt, kaufe ich meistens – nichts. Was dazu führt, dass ich wesentlich mehr Sommersachen als Wintersachen habe.
In den letzten vier Jahren habe ich dank Schwangerschaft und Schokoladensucht nochmal zugelegt. Das Hautbild hat sich auch nicht auf wundersame Weise einem Pfirsich angeglichen. Ich folge immer noch brav den Vorgaben der Typberaterin, der ich an dieser Stelle nochmal sehr für ihre Offenheit danke.
Nur eine Sache habe ich mir gegen ihren Rat vor kurzem herausgenommen: Da meine Handgelenke heute das einzige sind, was man an meinem Körper noch als filigran bezeichnen kann, habe ich mir im Teneriffa-Urlaub gleich drei glitzernde Armbänder gegönnt: in Pink, Rosa und Flieder. Anders hätte ich meinen anhaltenden Frust am Strand auch nicht kompensieren können…
Sep. 11, 2014 | Nä wat schön - DIY
Klassentreffen sind doch was Feines. Mein Auto, mein Haus, mein Boot. Meine Wampe, meine Krähenfüße, meine verzogenen Abkömmlinge… Dieses Schicksal wird mich vielleicht in zwei Jahren ereilen, denn
dann ist das Abi schon zwanzig Jahre her (Oh mein Gott!). Auch ohne offiziellen Anlass finde ich es immer spannend zu sehen, wohin sich ehemalige Weggefährten so entwickeln. Zum Beispiel meine Buddys von der Journalistenschule.
Vor acht Jahren saßen wir noch einträchtig zusammen, die Zukunft war so was von offen. Hach! Und heute bin ich die Nachbarin und sehr glücklich damit. Und meine liebe Kollegin Sonja? Schreibt
investigative Artikel über Drogenkartelle in Mexiko, geht tauchen in der Südsee, verbringt ihre Geburtstage an der Copacabana und fliegt mal eben übers Wochenende nach Afrika, weil sie dort ein Patenkind hat.
Ich sag immer: Treffen sich zwei Flugzeuge, in beiden sitzt Sonja! Während sich bei mir schon ein nervöses Ziehen in der Magengegend einstellt, wenn ich – huuuh – mit der Regionalbahn von Bonn nach
Köln fahren muss, jettet Mrs. Bonusmeile kreuz und quer über alle fünf Kontinente. Oder waren es sechs? Aber jetzt, JETZT, hat sie mich herausgefordert! Keine Sorge, ich plane keine einsame Backpacker-Tour durch Indien – hab‘ Rücken.
Ich werde einkochen! Denn das hat Madame zwischen Kambodscha, Bolivien und Nepal auch noch geschafft: Marmelade, Rumtopf und Chutney! Meine liebe Sonja, das ist ja nun wirklich mein Beritt. Äh – also
wäre es, wenn ich es könnte… Was war nochmal Chutney? Hmm… Hab ich eigentlich schon geschrieben, dass der heimische Herd nicht unbedingt mein Freund ist? Obwohl das doch zur ambitionierten Mutterschaft dazugehört.
Nein, ich habe keinen Pastinaken-Brei für mein Baby hergestellt, obwohl ich es mir doch so fest vorgenommen hatte. Bei uns gab es Gläschen und für meine Tochter war das definitiv die sicherere Wahl.
Kochen ist einfach nicht mein Ding. Wie sagte vorgestern mein Mann mit skeptischen Blick auf das Undefinierbare, was da im Topf vor sich hin blubberte und seltsame Gerüche verbreitete: „Wie soll das was werden, wenn du das Essen noch nicht mal abschmecken willst?“ – „Das soll ich probieren? Ich bin doch nicht lebensmüde!“
Jaaaaa, aber einkochen, das ist ja was ganz anderes. Man kann diese wunderschönen vintagemäßigen Weckgläser verwenden, tolle Etiketten gestalten und das Ergebnis dann auf dem Landhausküchenregal
ausstellen. Ich merke, dass eine gewisse Vorfreude in mir erwacht. Plötzlich fühle ich mich, wie eine dieser Landfrauen aus den englischen Country-Zeitschriften. So mit uriger Küche und einem Garten mit knorrigen Apfel- und Pflaumenbäumen unter denen Pferde, Schafe und ein Esel weiden… Aber ich schweife ab.
Also zunächst mal: Was koche ich ein? Laut Wikipedia kann man außer Hochzeitstorten ja so ziemlich alles auf diese Weise konservieren: Obst, Gemüse, Pilze, Fleisch und – ich muss mich korrigieren – sogar
Kuchen. Wow! Klingt großartig. Aber zunächst will ich es klassisch versuchen. Jeder fängt mal klein an… In Ermangelung eines eigenen Gartens mit altem Obstbaumbestand, gebe ich eine Bestellung bei meinen Eltern auf, die über dergleichen verfügen.
Eine Woche später stehe ich also hochambitioniert in der Küche. Vor mir Zwetschgen, Mirabellen und Sommerhimbeeren. Letztere wandern in meinen Mund, bevor ich sie einkochen kann. Sorry! Dem Steinobst rücke ich mit dem Messerchen zu Leibe, während ich die Gläser schön in der Mikrowelle sterilisiere und Wasser in einem kleinen Topf aufkoche.
Dann zwei Gläser mit Zwetschgen und ein Glas mit Mirabellen füllen. Heißes Wasser und Zucker dazu, bis das Obst ganz bedeckt ist und Deckel drauf. Damit mir die Gläser beim Einkochen nicht zu heiß werden und um die Ohren fliegen, bedecke ich den Topfboden mit einem Küchentuch. Dann Gläser rein, Wasser bis zum Kragen und eine Viertelstunde kochen. Alle rausnehmen und eine halbe Stunde abkühlen lassen. „It’s so easy“, trällere ich und fühle mich wie eine Hausfrau der 50er Jahre. Kurz bin ich versucht, mir Lockenwickler in die Haare zu drehen.
Motiviert von meinem Erfolg koche ich in den folgenden Tagen alles ein, was mir unter die Finger kommt: Äpfel mit Zimt, Kirschtomaten, Socken meiner Tochter, die mal wieder auf dem Boden rumliegen… Dann kommen echte Gerichte: Chili Con Carne und Bolognese, die mein Mann zubereitet (sicher ist sicher). Wie das alles schmeckt, weiß ich zwar nicht, aber es sieht toll aus. Meine Bilanz nach einer Woche: Der Keller ist voll (mit Küchenregal war leider nix, das Ganze muss dunkel und kühl stehen). Der lange und raue Bonner Winter kann kommen.
Zum krönenden Abschluss werde ich mich noch an den Kuchen im Glas wagen: Zitrone, Nuss und Schoko! Ich nehme mir vor, Sonja eine Auswahl zu schicken. Die kann sie bei ihrer nächsten Reise in den Koffer
packen. Dann hat sie was aus der Heimat, wenn sie am Ende der Welt mal die Sehnsucht packt.
Aug. 24, 2014 | Alltagschaos, Ne Story
Jeder Mensch ist ja auch so ein bisschen seine eigene Freakshow. Ich kenne Leute, die im 28. Stock ohne Sicherung vom Nachbarbalkon auf den eigenen klettern, wenn sie sich ausgesperrt haben. Oder andere, die
eine Schere mit zum Italiener nehmen, weil sie ihre Pizza niemals mit dem Messer schneiden würden. Ich kenne Leute, die 150 Tage lang morgens, mittags und abends Cornflakes essen und am 151 Tag, wenn man gerade 20 Großpackungen mit nach Hause gebracht hat, für immer damit aufhören. All diese Menschen gehören zu meiner Familie und alle sind genauso verrückt wie ich und natürlich sehr, sehr liebenswert.
Bei mir ist es neben vielem anderen ein übermäßig ausgeprägter Hygienefimmel (nein, leider kein Putzfimmel), gepaart mit neurotischem Ekel. Was ich zum Beispiel gar nicht haben kann, ist der gemeinsame Verzehr von Speisen. Das heißt nicht, dass ich mit meiner Pasta einsam vor dem Fernseher sitze, während der Rest der Familie am Küchentisch zu Abend isst. Nein, es geht um die partnerschaftliche Benutzung von Besteck oder das Leeren von Tellern, die nicht meine eigenen sind. Noch heute erinnere ich mich mit Grauen an angelutschte Bonbons, angekaute Hörnchen oder angebissene Magnums, die meine Freundinnen großzügig mit mir teilten. Nicht ahnend, was sie mir damit antaten.
Die Neurose
Diese Neurose macht weder vor meinem Mann noch vor meiner Tochter halt, weshalb vieles – in Ermangelung eines tierischen Endverbrauchers im Haushalt – im Müll landet. Und es tut mir auch Leid, aber ich kann einfach nicht. Und es geht natürlich noch weiter: Ich habe nämlich große Angst vor Keimen. Während andere Frauen einen Lippenstift in der Handtasche mit sich führen, ist es bei mir die Hand-Desinfektion. Man weiß ja nie. Auch heute kam sie wieder zu Einsatz.
Ich also mal wieder bei Rewe. Töchterlein war auf unserer Einkaufstour schon bei Aldi eingeschlafen und wir schoben eine völlig weggetretene Dreijährige im Einkaufswagen durch die Gänge. Weil die Leute schon komisch guckten, entschied ich mich, Ehemann und Kind im Auto zu lassen. Ich schnappte mir das
PET-Leergut und stellte mich mutig dem Automaten, der mir immer mit offensichtlichem Vergnügen die Hälfte der eingelegten Flaschen hämisch ins
Gesicht zurückspuckt.
Aber, oh Glück: diesmal klappte es sogar besser als sonst. Bis auf eine kleine Flasche, nahm er alles an. Geistesabwesend schraubte ich sie auf und blies hinein, um das Etikett zu glätten, bis ich mir letzteres genauer ansah. OH NEIN!!!! Das war gar keine Flasche von uns, sondern diese ominöse, die ich eine Woche zuvor im Hof aus dem Gebüsch geklaubt hatte und die – OH GRAUS!!!! – sehr wahrscheinlich einem dieser Handwerker-Typen gehört hatte, die die Hauswand neu gestrichen hatten. WÜRG!!!
Keime satt
Ich stellte mir bildhaft vor, was ich mir mit der Aktion nun alles eingefangen hatte. KEIME!!! Meine Nackenhaare stellten sich auf, meine Handflächen wurden feucht, langsam bildete sich Schaum vor meinem Mund. Die ersten Krankheitsanzeichen??? Zitternd suchte ich in meiner Handtasche nach dem Hände-Desinfektionszeug und verrieb es großzügig auf meinen Lippen. GANZ. SCHLECHTE. IDEE. Das Zeug brennt wie Hölle!!! Ahhhhhhhhhhhhhh!!
Vom anderen Tunnelende des Automatens schauten mich zwei blaue Augen teils befremdet, teils mitleidig an. Der Azubi war wohl gerade dabei, das Leergut zu sortieren und fragte sich wahrscheinlich, was für eine Gestörte da vor seinem Automaten rumzappelte. Ich weiß nicht, wie ich es geschafft habe, meine Bons noch an der Kasse einzulösen, nur noch, dass ich eine Ersatzleggings meiner Tochter aus der Tasche riss und als Spucktuch vors Gesicht hielt (ja, auch aus Scham). Das Ganze ist jetzt drei Stunden her. So langsam lässt der Speichelfluss nach. Dafür habe ich psychosomatisches Sodbrennen. Ich meine, was, wenn ich doch was geschluckt habe???
Ich finde, die müssten außer Hand-Desinfektion auch draufschreiben, dass man sich das Zeug nicht in den Mund reiben soll. Wäre ich jetzt in den USA würde ich klagen, klagen, klagen und Millionen an Schmerzensgeld kassieren. So aber nehme ich mir noch eine Portion Eis, lege mich ins Bett und träume von einer keimfreien Welt.
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