März 6, 2015 | Ne Story
Heute komme ich mal wieder auf das Ur-Thema dieses Blogs zu sprechen: Die Entschleunigung! Wer unser 24-Stunden-Chaos gelesen hat, wird mir beipflichten, dass entsprechende Bemühungen des letzten Jahres bisher nicht wirklich erfolgreich waren. Und das, obwohl ich abends später ins Bett gehe und wirklich viel weniger Zeit damit verbringe, in die Küche zu gehen und Schokolade aus dem Schrank zu holen. Kleinen Moment, bin gleich wieder da…
So! Wo war ich? Ah ja, Entschleunigung. Eigentlich befindet sich das perfekte Trainingslager hier direkt um die Ecke. Es bestimmt quasi den Puls des gesamten Dorfes (den es gerne mal hochtreibt), entscheidet darüber, ob man pünktlich oder wesentlich zu spät ins Büro, zum Nähkurs oder zur eigenen Entbindung kommt. Es stiftet Ehen, sorgt dann später für heftige Krisen und vereitelt dennoch jede Scheidung, weil es niemandem eine Chance lässt, jemals rechtzeitig beim Amtsgericht anzukommen. Die Rede ist vom Bahnübergang.
Sicher ist sicher
Man kann der Deutschen Bahn ja viel vorwerfen, aber was die Sicherheitsvorkehrungen an Übergängen angeht, sind sie wirklich genau. Sehr genau! Wenn sich in Koblenz um 12:45 Uhr ein Zug in Bewegung setzt, geht die Schranke runter. Sie bleibt unten, wenn dieser Zug 40 Minuten später am hiesigen Bahnhof hält. Und sie bleibt weiterhin unten, bis dieser Zug wieder 40 Minuten später in Köln einrollt… Zumindest fühlt es sich so an. Dann öffnet sich die Schranke, um zwei Autos aus der Schlange durchzulassen, die sich im Normalfall bis hinunter zum Rhein, mittels Fähre hinüber zur anderen Flussseite und von dort hinauf ins Bonner „Vorjebirge“ schlängelt. Bevor der Fahrer des dritten Wagens hektisch seinen Campingtisch einklappen, den tragbaren Fernseher in den Kofferraum stellen und die Reste des Drei-Gänge-Menüs entsorgen kann, dass er in der Zwischenzeit zu sich genommen hat, geht die Schranke wieder zu.
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Wohnungsangebot |
Da der Fahrer dieses Autos das mittlerweile genau weiß – er muss öfter hier durch – bleibt er einfach an Ort und Stelle sitzen und flambiert in Seelenruhe seine Crème brûlée zu Ende. Hin und wieder kommt es vor, dass ein gehetzter Geist in der Reihe hinter ihm unruhig wird, weil er allen Ernstes glaubt, es könnte irgendwie schneller gehen, wenn man sich beeilt. Immer mal wieder kommt es deshalb zu Handgreiflichkeiten zwischen Alteingesessenen und Zu’groasten an der Schranke.
Wenn ich aus meinem Büro-Fenster schaue und mal wieder der Polizei-Hubschrauber über dem Dorf kreist gibt es nur drei Möglichkeiten. Erstens:
Onkel Günnis Vogelspinne Esmeralda ist mal wieder abgehauen. Zweitens: Gemeine Diebe haben den Opferstock der Dorfkirche geplündert. Drittens und am Wahrscheinlichsten: Es findet die dritte Massenschlägerei des Monats an der Bahnschranke statt.
Zarte Bande an der Schranke
Die örtlichen Gewerbebetriebe haben sich indes gut auf die Situation eingestellt. Das Eiscafè am Bahnhof bietet unter dem Motto „Wenn’s mal wieder länger dauert“ einen riesigen Snickers-Eisbecher für zwei Personen an. Beliebt bei Pärchen, die zarte Bande an der Schranke knüpfen, wo das Leben sie auf wundersame Weise zum gleichen Zeitpunkt hingespült hat. Sie können ja nicht wissen, dass man bei diesem Bahnübergang niemals in ZeitPUNKTEN, sondern immer in langen ZeitRÄUMEN denken muss, und ihre Begegnung weit weniger schicksalhaft war, als sie sich das in ihrer Verklärung ausmalen.
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Pommes Schranke und Snickers-Eis |
Die Wurstbude „Bei Dieter“ eins weiter bringt die „XXL-Pommes Schranke“ im Zwei-Liter-Eimer mit Cola für 3,50 direkt ans Auto. Der Frisör wirbt damit,
jedem Wartenden einen Haarschnitt inklusive Pflegepackung, sowie zusätzlich eine Mani- und Pediküre verpassen zu können, bevor die Fahrt weitergeht. Sollte er es nicht schaffen, kostet es keinen Cent. Ich glaube, er hat noch nie Minus gemacht.
Vor kurzem hat auf der Straße nun auch ein Wettbüro eröffnet. Hier wetten besonders gerne die Einheimischen mit Erfahrung. Zum Beispiel auf die Uhrzeit, zu der sich die Schranke das nächste Mal heben wird, die Anzahl der Autos, die dann durchkommen oder wie lange es noch dauern wird, bis der genervte Fahrer in Wagen sieben das einzig Richtige tut: Nämlich aus der Schlange ausscheren und die Unterführung in der Parallelstraße nehmen 😉
In diesem Sinne: Immer mit der Ruhe 🙂
Eure Nachbarin
Sep. 8, 2014 | Ne Story
Mein Umfeld kennt mich als ruhigen besonnen Menschen mit Engelsgeduld und Nerven aus Stahl. (An dieser Stelle möchte ich bitte keine Kommentare enger Familienangehöriger lesen.) Nur manchmal, man kann diese Situationen im Jahr an einer Hand abzählen, erwacht das Rumpelstilzchen in mir, der Hulk schält sich aus seinem viel zu engen Anzug, die temperamentvollen Gene der Rothaarigen tanzen Samba…
Es kann eine Kleinigkeit sein, nach einer anstrengenden Woche (die Nudeln sind mal wieder übergekocht) oder aber eine größere Kleinigkeit. Wie vor einigen Wochen, als der Fahrer eines klapprigen Ford meine
Tochter und mich fast umgenietet hat, während er mit 50 Sachen durch die verkehrsberuhigte Zone vor unserem Hauseingang jagte.
Möchtegern-Vettel
Okay, vielleicht ist er auch nur 30 gefahren, aber in der engen Gasse kam mir das wie 200 vor. Mindestens. Und hier ist Schrittgeschwindigkeit!!! Nicht auszudenken, wenn meine Tochter ein Stück weiter von mir weggestanden hätte. Und wenn es um meine Tochter geht, hört der Spaß auf. Dann werde ich zur Löwin und dann brülle ich. Zur Not überbrücke ich mit meiner Stimme kinderleicht die 50 Meter, die dieser Möchtegern-Vettel noch zurücklegte, um dann mit quietschenden Reifen auf dem Behindertenparkplatz zu halten.
In meiner Rage hatte ich mir mein Kind geschnappt und rannte, mit dem freien Arm wild gestikulierend auf den Rowdy zu, der sich als Mittfünfziger mit Wohlstandsbauch und offensichtlicher Zeitnot entpuppte. „Wie
kommen Sie dazu, hier so rumzurasen, hier ist verkehrsberuhigte Zone“, schrie ich, bereits schwer atmend, auf den letzten zwanzig Metern. Währenddessen fing meine Tochter an zu jammern „Mama, nicht böse sein!“ Sie hatte den Ernst der Lage intuitiv erkannt. ER NICHT!
Er motzte irgendwas zurück, schüttelte uns ab wie lästige Fliegen, rannte zur Praxistür des ansässigen Arztes – wahrscheinlich auf dem Weg, seine Beruhigungspillen abzuholen (vielleicht hätte er mir eine Packung mitbringen sollen) – und warf sie mir vor der Nase zu. Also, die Tür. Besagter Tür schmetterte ich in meinem Frust ein Schimpfwort der Kategorie ’nicht für Kinderohren bestimmt‘ an den Rahmen und stand dann etwas hilflos, aber nicht weniger wütend auf der Straße rum.
Kleine Frau, was nun?
Sollte ich ihm hinterherrennen? Das wollte ich meiner ohnehin überforderten Kleinen nicht antun. Sollte ich auf ihn warten? Wie lange sollte das wohl sein. Also entschied ich mich, zu gehen, brauchte aber
definitiv ein Ventil, denn mir stieg immer noch der Dampf aus den Nüstern, mein Puls auf 180. Als ich an dem uralt-Ka vorbeiging überkam es mich und ich trat einigermaßen kräftig gegen den Hinterreifen.
Also, ICH WOLLTE EIGENTLICH gegen den Hinterreifen treten. Leider bezieht sich meine legendäre Unsportlichkeit nicht nur auf meine schneckengleiche Performance beim Sprint oder die Gefahr für alle Zuschauer,
die beim Weitwurf HINTER mir stehen… Ein Sportlehrer diagnostizierte beim Speerwerfen mal eine motorische Behinderung und tat seine Meinung auch vor der ganzen Klasse kund! Ganz offensichtlich hatte er Recht und letztere betrifft auch meine Hirn-Fuß-Koordination.
Anders kann ich nicht erklären, dass es plötzlich laut schepperte und die Felge am Boden lag. (Dass es gar nicht die Felge war, sondern die Radkappe, erklärte mir später mein Mann, ich bin in solchen Sachen nicht so firm). Als also Raser-Rowdy kurz darauf aus der Praxis kam (war ja klar), sah er mich und meine Tochter am Boden knien, in dem erfolglosen Versuch, das abgesprungene Ding wieder „dranzunageln“.
„Was brüllen Sie die Frau so an??“
War seine Laune schon vorher nicht auf dem Höhepunkt, sackte sie jetzt in den Keller ab und er blaffte mich an. „Was haben Sie denn da gemacht???!!“ „Ich äh, also ich habe Ihnen die Felge abgetreten!“, stotterte ich etwas betreten. „Ja, haben Sie sie noch alle???“ plusterte er sich auf. „Wat haben Sie an meinem Auto verloren??“ – „Was brüllen Sie die Frau so an??“, kam unerwartet weibliche Schützenhilfe von der rechten Seite, eine Dame aus der Nachbarschaft hatte die Szene beobachtet.
So langsam wurde ich auch wieder wütend und schob mein schlechtes Gewissen zur Seite. „Was haben Sie hier so rumzurasen, wie ein Verrückter?“, fauchte ich gerade, als im ersten Stock das Fenster aufging:
Meine Freundin hatte das Wortgefecht gehört und rief nun von oben: „Lassen Sie ja die Frau in Ruhe!“ Ich sagte zu ihr: „Haste gesehen, wie der hier reingerast ist?“ Sie natürlich: „Ja, klar!!“ Ich hätte sie küssen können, und mich überkam plötzlich tiefe Gelassenheit.
Ich ließ meinen Blick demonstrativ über das auf dem Behindertenparkplatz geparkte Auto wandern und sagte ruhig: „Ok, dann holen wir jetzt die Polizei!“ Kurz huschten meine Gedanken in Richtung vorbestraft wegen
vorsätzlicher Sachbeschädigung, Sozialstunden, Knast, Jugendamt, völliger sozialer Absturz, Trunksucht und Obdachlosigkeit… dann hatte ich mich wieder gefasst und blickte ihm fest in die Augen.
Er sah von mir zu meiner Freundin im ersten Stock. Dann drehte er sich abrupt um, warf seine Felge (also seine Radkappe) in den Kofferraum und ranzte: „Ich hab ja wohl noch anderes zu tun heute! Termine!“
und war weg. Leider ebenso schnell wie er gekommen war. Unbelehrbar so was. Aber irgendwie war ich zu erleichtert, um mich nochmal aufzuregen. Mit einem warmen Dankeschön, winkte ich meiner Lieblingsnachbarin zu, nahm mein Töchterlein an die Hand und ging endlich meiner Wege.
Juli 2, 2014 | Alltagschaos
Oh noooo! Gonzo, unsere Schlafzimmerspinne, hat 40 (!) Babys bekommen. Und ich dachte, der wäre schwul!! Was mach ich denn jetzt? Wenn die alle wachsen und so groß werden wie Gonzo (oder eher Gonza)… Und wenn die dann alle im Schlafzimmer wohnen… Da bekommt der Begriff „Familienbett“ eine ganz neue Bedeutung. Help! Kennt jemand ein pazifistisches Mittel? Also eins, das keine Nutzung von Haarspray oder Turbostaubsaugern beinhaltet? Ich liebe nämlich die Natur, also, wenn sie nicht ganz so zahlreich ist… Schluck!!
Juni 29, 2014 | Alltagschaos
Jeder Mensch braucht ein Hobby. Ich habe auch einige: Kochen gehört nicht dazu. Wie ich schon mal anmerkte, ist die Voraussetzung beim Kochen am Herd stehen zu bleiben, für mich vergeudete Lebenszeit. Dementsprechend enden meine unmotivierten Experimente gerne im Desaster. Schuld sind der Herd, die Zutaten, das ungenaue Rezept, meine Tochter, das Telefon, der DHL-Mann, ein dringendes Bedürfnis. Mein Mann sieht das etwas anders: „Du kannst es einfach nicht!“
Jetzt ist es ja nicht so, dass ich ein Neuling auf dem Gebiet bin. Spätestens nach dem Umzug vom Kinderzimmer ins Wohnheimzimmer mit zwei Kochplatten, war ich zu ersten kulinarischen Gehversuchen gezwungen. Denn das Budget reichte einfach nicht für die tägliche Bestellung beim Pizzamann. Auch diese Phase gab es – später. Da ich nicht nur ungern koche, sondern zudem nicht auf Haute Cuisine stehe, habe ich auch keinen inneren Antrieb etwas an der Situation zu verbessern. Meine Tochter isst ohnehin nur Nudeln. Mein Mann ist ohnehin nie zufrieden. Also Nudeln.
Jetzt sollte man ja meinen, das würde sogar ich unfallfrei hinkriegen. Weit gefehlt. An diesem Tag haben wir Gäste, es gibt also Nudelsalat á la Chefkoch.de. Meine Tochter darf im Rewe zur Feier des Tages die Sorte auswählen und natürlich werden es die: „Schmetterlinge!“ „Oh Gott“, denke ich, „die hab ich ja noch nie gekocht!“ (Ich kann nur Spaghetti und die kleinen kurzen Röhrchen). Das geht in die Hose! Hab ich schon gesagt, dass ich eine „Halb-Leer-Persönlichkeit“ bin?!
Außerdem ist nur noch ein Paket da und ich brauche 800 Gramm, sagt Chefkoch. „Süße, wie wärs denn mit den schönen Röhrchen?“ „Nein, die Schmetterlinge!!!“ Okay, bevor ich eine lautstarke Diskussion riskiere über Nudelsorten im Allgemeinen und Mütter, die einem nie, aber auch NIE, einen Wunsch erfüllen, krieche ich kurzerhand ins ebenerdige Regalfach und angele mit spitzen Fingern eine einsame Tüte aus den Tiefen, die seit drei Jahren da hinten rumgammelt: Mindesthaltbarkeit 08/2011. Egal, das muss reichen, entscheide ich.
Zum Kochen wähle ich bewusst einen sturmfreien Moment. Kind in der Kita, Mann in der Arbeit. Schon das Öffnen der zweiten Packung erweist sich als tückisch. Vorsichtig ziehe ich an der Sollbruchstelle. Nichts! Eine Schere? Nicht unter drei Schritten erreichbar. Ich ziehe etwas fester und die Tüte reißt. Ein Drittel des Inhalts ergießt sich unerreichbar zwischen Arbeitsplatte und Fensterbank. Der Mehlwurm an der Küchendecke klatscht begeistert Beifall und ich denke freudig: „Perfekt! Ich brauche ja eh nur 300 Gramm.“
Ich nehme einen großen Topf und fülle ihn zwei Fingerbreit mit heißem Wasser. Dann stelle ich ihn auf die Kochplatte und den Herd auf zehn. Das restliche Wasser erhitze ich im Wasserkocher. Geht schneller und ist umweltschonender. „So unschlau bin ich gar nicht“, denke ich, bis ein gewöhnungsbedürftiger Geruch meine Nase kitzelt. Da meine Tochter außer Haus ist, kann es sich nur um eines handeln: Ich habe die falsche Herdplatte angestellt. Schon wieder! Die, auf der noch die schicke folienbeschichtete Glasplatte draufliegt, die nun fröhlich vor sich hinkokelt. Mist! „Mit Induktion wäre das nicht passiert“, denke ich, während ich das Ding fluchend vom Ceranfeld reiße. „Mit Gehirn auch nicht“, flüstert mir eine imaginäre Stimme zu. Ich glaube, sie gehört meinem Mann.
Nach ein paar Minuten kann ich den ersten Erfolg vermelden: Beide Wassereinheiten werfen Blasen. Ich bin ein bisschen stolz! Aber jetzt wird es heikel, denn es geht ums Salzen! Wirklich, ich kann zwei Tassen Salz in mein Nudelwasser kippen, am Ende schmecken sie trotzdem nach nichts. Ich versuche es mit drei Löffeln voll ins sprudelnde Nass und kippe die Nudeln gleich hinterher. Alle! Oh, da war der Topf doch etwas zu klein. Weitere 100 Gramm verabschieden sich in Richtung Fensterbank, vom Wasser ist nichts mehr zu sehen, dafür türmen sich trockene Nudeln bis kurz unter den Topfrand. Da muss ich wohl noch Wasser nachgießen…
Irgendwie schaffe ich es, die Schmetterlinge zum Kochen zu bringen. Vorsorglich lege ich einen Holzlöffel unter den Deckel, damit Luft reinkommt. Vielleicht habe ich ja mal Glück und es läuft nicht über, denke ich. Nun geht es um die restlichen Salatzutaten. Mit wachsender Begeisterung zerteile ich Kirschtomaten. Nach jeder werfe ich einen Blick auf den Kochtopf, ob das Wasser auch ja nicht an der Seite rausblubbert. „Au!“ schimpfe ich und mein Zeigefinger wandert in den Mund. Da habe ich in meinem Kontrollwahn wohl doch zu oft Richtung Herd geschaut. Während ich hektisch im Küchenschrank krame und ein Pflaster hervorziehe, kocht das Nudelwasser über. Ich bin fast erleichtert.

Außer Kirschtomaten braucht der Salat auch noch getrocknete Tomaten in Öl. Wat mut dat mut. Also schön zerteilen, alles trieft und tropft. Ich sehe aus, als wäre meine Tochter doch im Haus. Aber irgendwann ist es vollbracht und ich verfrachte die ölige Masse in das Nudelsieb, denn da sind schon die Kirschtomaten drin. Das denke ich zumindest. Bei näherem Hinsehen sind es leider die Erdbeeren für den Nachtisch, jetzt mariniert in Knoblauch und Olivenöl. Gleich gehe ich an den PC und google, ob es vielleicht ein Rezept für diese Mischung gibt. Vielleicht hätte ich mir vorher die Hände waschen sollen, aber eine neue Tastatur ist eh überfällig. Etwas ernüchtert stelle ich fest, dass man ja viel mit Erdbeeren machen kann, Knoblauchmarinade ist aber wohl doch zu experimentell. Schade!
Just in dem Moment fallen mir siedendheiß die Nudeln ein. Bissfest sollten sie sein, laut Rezept, jetzt nach 40 Minuten kann man sie allenfalls noch pürieren. Entkräftet kippe ich alles in den Bioeimer und als die Gäste kommen, verkünde ich fröhlich, dass wir einen ganz tollen, neuen Pizzamann um die Ecke haben – da werde ich jetzt bestellen. Und zum Nachtisch gibt es Kirschtomaten mit Sahne. Was anderes haben sie auch nicht erwartet.
Juni 9, 2014 | Reine Beziehungssache, Uncategorized
„So ein schöner Wunschzettel“, mailte mir meine Mutter kürzlich anerkennend. Worte, die ich zuletzt 1985 in der Grundschule vernahm, als ich krakelig, aber hingebungsvoll und mit viel Glitter an das Christkind schrieb. Meine Mutter würdigte in ihrer Mail weniger die Optik meines aktuellen Wunschzettels – eine diesbezüglich kaum beeindruckende Amazon-Wunschliste – als den Inhalt. Standen ’85 Puppe, Blockflöte und Bollerwagen auf dem Zettel, sind es jetzt eine Patchworkdecke, Bastelfilz in zehn Farben und ein Vintage-Außenthermometer.
Noch schöner als beschenkt zu werden, ist das Schenken. Allerdings hat mein Enthusiasmus in Zeiten besagter Amazon-Wunschlisten merklich abgenommen. Nicht nur, dass man sich keine (liebevollen) Gedanken mehr machen muss/darf. Das was da manchmal – vor allem bei den Herren – draufsteht, wirkt nicht wirklich inspiriert.
Für Y-Chromosom-Träger kommt die Frage nach Geburtstagswünschen Jahr für Jahr völlig überraschend und unvorhergesehen. Bekam man in Analog-Zeiten höchstens mal ein genuscheltes „ich brauch nix“ zu hören, gibt es ja heute Amazon. Zwei, drei Klicks und schon hat man sich irgendwelche Geschenkideen aus dem Hirn gesaugt, die wirken, als habe sie der Betreffende beim letzten Samstagseinkauf einfach vergessen.
Bei meinem Bruder – herzlichen Glückwunsch nachträglich – hatte ich kürzlich auf dem bereits abgegrasten Wunschzettel noch die Wahl zwischen einem „Soft Grip Baby Boa Strap Wrench“, einem „Brennenstuhl 1508100 Adapterstecker Euro 2 mit Schutzkontakt 1 mit Schalter“ und einem „Original 05500 maxxcuisine Überkochstopp rot/schwarz“. Ich entschied mich schließlich für das Produkt mit den meisten Buchstaben. Nein, nicht die Bibel, sondern einen Eierschalensollbruchstellenverursacher. Ich hoffe, ich kann ihm damit einen Lebenstraum erfüllen und gehe in irgendwelche Annalen ein…
Nicht, dass es nicht noch schlimmer geht. Mein Mann hat sich zu Weihnachten DVD-Hüllen gewünscht. Ich habe ihm dann 50 Stück bestellt, damit es sich wenigstens lohnt. Liebevoll verpackt und mit silbernen Schleifchen dekoriert lagen sie dann unterm Weihnachtsbaum. Seinen Freudenschrei werde ich nie vergessen. Er meint ja, es sei eher Entsetzen gewesen, weil er nur fünf gebraucht hätte. Egal.
Jedenfalls lagen in seinem Geschenkeberg unter anderem noch ein „40x 20cm Male – Female jumper Kabel Steckbrücken Arduino“, ein „EDIMAX EW-7811UN
Wireless USB Adapter, 150 Mbit/s, IEEE802.11b/g/n“ und ein „D-Link DUB-H7 HUB USB 7P 7xUSB-A/B 1xUSB-B/B + Kabel + Stromversorgung“ . Da geht einem doch das Herz auf! Das Leuchten in seinen Augen werde ich nie vergessen. Zum Geburtstag einen Monat später gab es dann, romantisch wie ich bin, den „Raspberry Pi RBCA000 Mainboard (ARM 1176JZF-S, 512MB RAM, HDMI, 2x USB 2.0, 3,5 Watt)“. Klingt so schön nach Himbeeren, ist aber eine Mini-Platine. Damit war mein Budget erschöpft – und ich auch.
In meiner Jugend war das irgendwie einfacher. Da verschenkte ich wahlweise CDs (braucht heute keiner mehr, kann man ja runterladen), Bücher (braucht auch keiner mehr, kann man ja auch runterladen) und Cool Water. Ob das noch einer braucht, weiß ich nicht, aber der Typ in der Werbung hatte was, was gerne auf den jeweiligen Lebensabschnittsgefährten abfärben durfte. Da mein Mann aber mit James Ford locker mithalten kann, reicht hier mittlerweile Deo aus. Und das zum Geburtstag, naja…
Aber wenigstens gibt es ja noch die lieben Kleinen, die sich auch heute noch Puppen, Blockflöten und Bollerwagen wünschen. Dachte ich. Als ich meine Tochter im Frühjahr beim Blick in den Spielzeugkatalog fragte, was sie sich zu Ostern wünsche, tippte sie begeistert auf einen Artikel und ich las mit Grauen
“Simba 106330277H – Art and Fun Magic Drawing Board, blau”. Vielleicht sollte ich mich wieder an meinen nachhaltigen Upcycling-Vorsatz erinnern, nur eigene Sachen weiterzuverschenken.
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