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Probleme?!

Probleme?!

Als ich gerade so meiner Tochter nachgeschaut habe, wie sie in Quasimodohaltung hinter ihrem Vater her zum Kindergarten schwankte, dachte ich, es ist mal wieder Zeit für ein paar Einblicke in unseren Alltag. Der Quasimodo hat nichts mit der aktuellen Befindlichkeit oder motorischen Defiziten zu tun, sondern mit dem Wetter. Nachdem mein Mann es grundsätzlich und ich nur wegen der Bindfäden vorm Fenster ablehnte unser Töchterchen auf ihrem Steckenpferd Sabrina in den Kindergarten reiten zu lassen, gab es die ersten Tränen des Tages.
Eine Alternative musste her und die kam in Gestalt von Amadeus – Ähnlichkeiten zu den Pferdenamen bei Bibi und Tina sind natürlich rein zufällig. Amadeus ist ein gefühlt lebensgroßes Kuschelfohlen mit übertrieben langen Plastikwimpern und allerlei Funktionen. Zu diesen gehört eigentlich nicht, dass man darauf reiten kann, aber wo ein Wille da ein Weg.
Und deshalb klemmt Amadeus statt des Steckenpferdes nun zwischen den Knien meiner Tochter. Die Zügel hat sie unter den Vorderbeinen durchgezogen, hält sie mit aller Macht hoch und wankt verkrampft und o-beinig, wie ein Fußballer nach der 90sten Spielminute, in Richtung Kita. Aber hej, sie ist glücklich und wie sagt meine Freundin mit den drei Kindern und dem Hund immer: Wir brauchen Lösungen. (Nachtrag: 100 Meter hat sie durchgehalten, dann ist sie samt Reittier in eine Pfütze gefallen und musste – ebenfalls samt Reittier – vom Vater in die Kita getragen werden.)
Problemlöser
Um Lösungen ist in dieser Familie vor allem einer nicht verlegen: der Opa. Nicht umsonst sammelt er mit großer Energie und seit Jahrzehnten „Problemlöser“. Das sind Plastikteile in
verschiedenen Größen, Formen und Farben vom Deckelchen bis zur Wanne. Außerdem Häkchen, Seile, Schnüre, Winkel, Hölzer und Hölzchen, Walzen und Wälzchen, Teppichreste,
Planen, Plexiglasdächer, Werkzeuge. Dinge, die man mit (viel) Fantasie als Werkzeuge benutzen kann. Dinge, zu denen anderen auch mit viel Fantasie keine Einsatzmöglichkeit einfallen würde. „Ihre Zeit wird kommen“, sagt mein Vater immer und wenn, dann ist er bereit.
Also meistens. Manchmal aber fehlt dann doch dieses entscheidende Teil, das jetzt genau passend und vonnöten wäre und dass er – er weiß es noch genau – 1997 hinten an den Gartenzaun gelegt hat. Warum es da nicht mehr liegt, kann man eigentlich nur meine Mutter fragen: ebenfalls sehr kreativ, allerdings mit einem ausgeprägten Sinn für Schönes und ORDNUNG. Ersteres und Mittleres habe ich von ihr geerbt, letzteres leider gar nicht. Meine Mutter also krankt an den Sächelchen und Sachen, den Dingelchen und Dingen, die monströs im Weg rumliegen und ihr ästhetisches Auge stören. Gewelltes Plexiglas geht mit liebevoll gepflegten Rabatten nicht unbedingt eine günstige Liaison ein, wird aber – auf dem Rasenmäher aufgeschraubt – als Regenschutz gebraucht. So kann man nämlich dann auch bei Regen mähen…

Wolf im Schafspelz
 Und das ist in diesem Sommer echt mal ein Argument. Unser Hund, der eigentlich aussieht wie ein Lamm und sich auch so anfühlt, walzt einmal durch den regennassen Garten und ist nicht wiederzuerkennen. Wundersamerweise verflüchtigt sich der Schlamm analog zum Trocknungsgrad und am Schluss ist er wieder wie neu. Dafür knirscht es im Wohnzimmer etwas unter den Fußsohlen. Noch ist es das Wohnzimmer meiner Eltern, denn noch verlebt er dort
seine glückliche ungestörte Welpenzeit unter fachkundiger Anleitung meines Vaters. Bevor er dann demnächst in unser Alltagschaos hineinkommt, wobei ihm
wahrscheinlich Hören und Sehen vergeht.

Vorher gewöhnt er sich hoffentlich noch das Beißen ab, denn während andere Vierbeiner in dem Alter Möbel und Schuhe essen, liebt er sommerlich textilfreie Zehen, Waden und bei kleinen Menschen, wie meiner Tochter, einfach alles, was irgendwie zu fassen ist. Sie verbringt daher die größte Zeit des Tages in Buddahaltung auf dem Küchentisch oder anderen geeigneten Aussichtsposten und wartet darauf, dass er ein anderes Opfer findet. Und das wird er! Bis sie es eben wagt, ihre sichere Höhenlage zu verlassen. Dann ist sie dran, reif und fällig. Benjamin Buttoneye – der Wolf im Schafspelz.
Think positive
So! Ein Blick in den grauen Regen und ich bin froh, dass ich heute arbeiten darf und nicht etwa Urlaub habe. Was für ein Glück! An Euch alle da draußen, die Ihr auch in der Schlechtwetterfront ausharrt. Think positive, andere Jahre haben auch einen Sommer – vielleicht sogar einen schöneren.
Eure Nachbarin
Doppel-Autsch!

Doppel-Autsch!

 

Ich habe da so eine Freundin, mit der ich gelegentlich zusammen koche. Also sie kocht und ich assistiere, bis sie zu mir sagt: „Schon gut, setz dich einfach da hin und guck zu.“ Soll heißen: Sogar beim Assistieren
stehe ich in der Küche eher im Weg rum. Was ich jedoch bis zu meinem Platzverweis an dieser Küchenzeile zu sehen bekomme, fasziniert mich immer wieder: Da herrscht zinnsoldatenartige Ordnung und Sauberkeit.
Bei uns ist es ja so: Will ich an die Kichererbsen für die Hummuscreme, muss ich auf Knien fünf Minuten lang 25 Erbsen-, Tomatenmus-, Mais- und Sardinenbüchsen aus dem Weg schaufeln. Wenn das Hummus fertig ist und ich es bis zum nächsten Tag im Kühlschrank aufbewahren will, öffne ich den Hängeschrank und ziehe am erstbesten Teil, das ich zu fassen bekomme. Daraufhin ergießt sich ein Schauer aus Dosen und Deckeln über mich, die Anrichte und den Küchenfußboden.
Immerhin, so findet man schnell den passenden Deckel zum Pott. Könnte man meinen. Aber weit gefehlt! Hier ist es wie bei den Socken: Wie von Geisterhand verschwinden die zugehörigen Gegenstücke und machen Platz für 19 Einzelteile. Auch egal! Kommt die Hummuscreme eben ohne Deckel in den Kühlschrank.
Meine Freundin kennt solche Probleme wahrscheinlich nicht. Ehrlich gesagt, traue ich mich nicht zu fragen. In Reih und Glied stehen dort der Größe nach aufeinandergestapelte Behälter, von der Dose bis zum Döschen. In einem stufenweise aufsteigenden Gewürzregal residieren Kante an Kante gleichhohe, akkurat beschriftete Gewürzbehälter. Ein Griff – und der Safran steht bereit, um die Sahnesoße zu verfeinern. Unser Safran, äh, ist leider gerade aus.
Schon in meiner Studenten-WG gab es Probleme, weil mein Mitbewohner auf Ordnung in der Küche gesteigerten Wert legte. Ich konnte mir einfach nicht merken, ob die roten Dessertschälchen ober- oder unterhalb der Salatschälchen mit dem 70er-Jahre Blumenmuster zu stapeln waren. Meine Mutter lebt übrigens schon seit über vierzig Jahren in ähnlichen Verhältnissen, denn mein Vater hat für jedes kulinarische Anliegen ein extra Messer UND eine extra Schere und alle haben ihren Platz.
Eine Schere hat er übrigens auch, um Frischhaltefolie in einem Rutsch von der Rolle abzutrennen. Leider gibt es in meinem Haushalt nicht ein einziges Exemplar, das auch nur ansatzweise dazu fähig wäre. Im Gegenteil bin ich froh, wenn ich überhaupt eine Schere finde und dem Sahne-Tetrapäckchen nicht mit dem Buttermesser zu Leibe rücken muss. Vor einer Woche, genau zwei Tage nach der Kochsession mit meiner Freundin, habe ich daher beschlossen: Es muss sich etwas ändern.
Eine erste Inspiration brachte mir die Matroschka-Puppe, die eine Freundin vor kurzem von einer Sibirien-Reise mitgebracht hat. Nun schachtele ich Vorratsdosen in ähnlicher Manier von klein nach groß ineinander und schließe sie. Zwar brauche ich jetzt im schlechtesten Fall zehn Minuten bis ich an die kleinste Dose komme, aber die Deckel sind immer passend dabei. Als nächstes werde ich meinem Vater alle Scheren und Messer zum Schleifen überlassen und sie dann ganz weit oben in den Schrank räumen, damit Töchterchen nicht dran kommt.
Ja und schließlich habe ich im Internet entdeckt, wie sich die Menschen in den USA so organisieren. Hust! Das nennt sich dann „storage project“ und bewegt sich, äh, auf einem sehr hohen Niveau… An das ich niemals heranreichen werde. Ein paar Ideen habe ich aber trotzdem umgesetzt, nach einem kleinen Spaziergang im Baumarkt. Was man nämlich in jedem Fall braucht, sind passende Behälter, Schütten, Schubladen und so weiter, die entweder durchsichtig und/oder beschriftet sind. Und hier das Ergebnis:

Einmachgläser:
Für alles Pulverige und Körnige. Besonders hübsch sieht es aus, wenn sie mit
Tafel-Etiketten versehen sind und so immer wieder neu beschriftetet werden
können.
Schubladen mit Beschriftung: Wenn Stauraum fehlt: Schubladenelemente aus dem Baumarkt können auch wunderbar auf der Arbeitsplatte gestapelt werden. Mit Etikett und Beschriftung

versehen, bringen sie Ordnung in die Küche und halten alles griffbereit.

Schubladen mit Foto: Do it Yourself-Tipp: Einfach den Inhalt abfotografieren und das Foto aufkleben, so weiß man immer genau, was drin ist.
Serviettenbox: Lange habe ich überlegt, wie ich meine vielen Servietten so unterbringen kann, dass sie keine Eselsohren bekommen. Diese Box steht nun offen auf der Anrichte – so sind sie schnell zur Hand und ich kann die Ausbeute meiner Sammelleidenschaft präsentieren.
Dosenbox: Mein Mann möchte immer viele Dosen mit passierten Tomaten im Haus haben – für seine legendäre Pasta Bolognese. In der Box haben sie es schön kuschelig und mir fallen sie nicht mehr auf die Füße, wenn ich hinten im Schrank nach Kichererbsen suche.
Wenn der Postmann täglich klingelt

Wenn der Postmann täglich klingelt

Weihnachtszeit, Paketezeit. Vor allem, wenn man mehr am Rand vom Rand wohnt und die sieben Kilometer bis zur Innenstadt dank Kleinkind in der Trotzphase unüberwindlich erscheinen. Was aber tun, mit den vielen, vielen Kartons, die sich nach einer vorweihnachtlichen Geschenke-Order-Aktion in der Ecke stapeln…

Es gibt da diese Theorie: Ein zerbrochenes Fenster, das längere Zeit nicht ersetzt wird, kann dazu führen, dass die gesamte Nachbarschaft verkommt. So ähnlich läuft das auch in unserer Wohnung ab. Es
gibt den Zustand „picobello“. Der ist Dienstagsmittags, nachdem unsere Perle das Haus verlassen hat. Ich habe morgens aufgeräumt, sie hat der bescheidenen Hütte Glanz verliehen!
Und dann braucht es nur eine klitzekleine Chaosecke. Dinge, die nicht da sind, wo sie hingehören: Zwei Schrauben liegen noch auf der Fensterbank, weil ich nicht wusste, wo sie herkommen. Der Brotkorb ist mit dem
falschen Tuch abgedeckt oder das Quietsche-Entchen steht noch vom abendlichen Bad auf dem Wannenrand. Und schon vermüllt die ganze Wohnung. Wenn mein Mann nach Hause kommt, kann er nicht mehr erkennen, dass unsere Perle überhaupt da gewesen ist. Meine Tochter und ich haben dann schon ganze Arbeit geleistet.
Vor Geburtstagen und vor allem vor Weihnachten spitzt sich das Problem zu. Denn wir bekommen Post. Viel Post! Große Pakete! Die Herren von Versand und Co laden uns schon zu ihrem Geburtstag ein oder erzählen uns von ihren Rückenproblemen, so gut kennen wir uns mittlerweile… Naja, vielleicht machen sie uns auch nur für letztere verantwortlich.
 
Weihnachtsshopping
Aber wir wohnen eben nicht in der Bonner Fußgängerzone, sondern quasi am Rand vom Rand. Es gibt Supermärkte und Drogerien, Bäcker, Schneider und Floristen, aber es gibt keinen Spielwarenladen, keine Modehäuser und keine Fastfood-Restaurants. Letzteres hat damit eigentlich nichts zu tun,
stößt aber meinem Mann immer wieder auf. Kaufhof ist Luftlinie nur siebeneinhalb Kilometer entfernt. In der Realität aber liegen unzählige logistische und
organisatorische Meilen zwischen mir und dem Weihnachtsshopping.
Also bewege ich mich gar nicht – das kann ich ja ohnehin am besten – und bestelle alles, was es zu bestellen gibt online. Ich meine, Weihnachtsmann und Christkind bringen die Sachen doch auch ins Haus. Da war nie die Rede von schwitzenden Menschenmassen, die sich – viel zu warm angezogen – bepackt,
rempelnd und mit den Nerven am Ende durchs Kaufhaus schieben, um den Wunschzettel abzuarbeiten. Und das sind nur die OHNE zeterndes Kleinkind an den Haxen. No thanks!
Aber zurück zu unserer Wohnung. Wenn zwei Schrauben ausreichen, um aus einem ordentlichen Heim ein Dickicht zu machen, durch das man sich den Weg nur noch mühsam bahnen kann, ist der Effekt von Pappkartons naheliegend. Und wir sprechen hier von vielen Pappkartons. In einer Ecke gestapelt – herausquellendes Füllmaterial, Werbeprospekte und Lieferscheine
noch nicht mitgerechnet – blockieren sie etwa fünf Prozent unserer Wohnfläche und die nächste Altpapierabfuhr ist erst in einem Monat. Unverantwortlich sowas.
 
Idee!!!
Jetzt verstehe ich natürlich, dass sich manchmal eine gewisse Kartongröße nicht vermeiden lässt. Zum Beispiel – äh – bei einem Paravent. Warum aber Pakete hier ankommen, die mindestens eine Mikrowelle vermuten lassen, sich dann aber als Transportkäfig für zwei zentimeterhohe Tierfigürchen erweisen, erschließt sich nicht auf den ersten Blick. Vielleicht kann mich jemand erhellen.
Jedenfalls habe ich mir überlegt, dass ich – auch um mein schlechtes Gewissen in Sachen Papierverbrauch zu beruhigen – die diversen Kartons einer sinnvollen Aufgabe zuführen werde. Meine 38 Weihnachtsdeko-Zeitschriften sagen seit letztem Jahr einhellig das Gleiche: Baut Euch Weihnachtsbäume! Aus Streichhölzern und Ästen, aus Bildern, die pyramidenartig an der Wand hängen, aus Lebkuchen und Büchern. Warum als nicht auch aus Kartons??? Et viola!

 

Die gegen das Chaos verliert

Die gegen das Chaos verliert

Ich räume gerne auf. Vorrangig deshalb, weil ich mir damit die uneingeschränkte Anerkennung meines Mannes erwerbe (anders als beim Kochen). „Wow, das ging ja wieder blitzschnell“, sagt er begeistert, wenn er leergefegte Böden, Tische, Regale, Türklinken und Gardinenstangen (wieso hing da ein Kinderkleid meiner Mutter aus den 50er Jahren?!) bewundert.

Und Bewunderung (m)eines Mannes ist ein seltenes Gut, für eine gestresste Mutter-Schrägstrich-Selbständige Ende 30, die Schokolade einfach lieber mag, als diese grandiose diätische Kohlsuppe und deren einziger Sport sich auf den morgendlichen Ringkampf mit der Tochter beim Strumpfhose anziehen beschränkt (Minus 500 Kalorien – mindestens). Dummerweise muss ich danach Schokolade essen, um wieder Energie für den Tag zu tanken, der vor mir liegt…
Erstaunliche Schätze

Die Kehrseite meiner Schnelligkeit beim Aufräumen ist übrigens, dass ich mich leider immer nur daran erinnern kann, von wo ich etwas weggeräumt habe, aber nicht wohin. An dieser Stelle hört die Anerkennung meines Mannes dann auch abrupt auf. „Schaahaaaatz! Wo hast du mein D-Link DUB-H7 HUB USB hingeräumt?“ – „Ich?? Ich weiß noch nicht mal, was das ist!“   

Meistens war ich es dann doch und die Suche beginnt. Dabei trifft man auf erstaunliche Schätze. Da sind zum Beispiel sämtliche Einrichtungszeitschriften, derer ich seit 2003 habhaft werden konnte. Die kann
ich doch nicht wegschmeißen! Die muss ich alle nochmal lesen, am liebsten gleich… Oder alle Ausgaben der Elternzeitschrift, seit meine Eltern mir 2011 das Abo geschenkt haben. Oh, da ist noch eine mit Versandfolie drum – Dezember 2013… Leergut verteilt sich über Küche, Wohnzimmer und Arbeitszimmer. Kleidungsstücke unterschiedlicher Frische über die anderen Räume. Außerdem Bücher, die ich mal gelesen habe. Es verbietet sich, die ins Altpapier zu schmeißen, aber die AWO-Sozialstelle gegenüber nimmt nur einmal in der Woche an und irgendwie verpasse ich den Termin seit zwei Jahren. Dann Schuhe,
die ich nur einmal anhatte, weil sie Blasen machen – aber hej, die sind ja quasi neu, sogar das Etikett klebt noch drunter und meine Füße wachsen doch nicht mehr, anders als mein Hintern. Aber die jetzt zu den Altkleidern geben? Ich weiß nicht.
Vier Käsereiben und ein Eichhörnchen

So geht es munter weiter. „Schatz, du hast schon wieder eine Käsereibe gekauft!“ – „Ja, ich weiß, aber die anderen drei waren nix.“ – „Und warum hängen die dann noch alle hier rum?“ Na, weil sie neu sind – irgendwie. Und ich es nicht geschafft habe, sie rechtzeitig umzutauschen und ich mich nicht traue, bei der nächsten Einladung zum Dinner mit einer – noch nicht mal guten – Käsereibe als Gastgeschenk aufzutauchen. Meine Tochter ist auch nicht gerade hilfreich. Geschenke interessieren sie ja eher peripher. Aber von Spaziergängen müssen immer Stöcke, Eicheln, Kastanien und was sie sonst noch so findet mitgebracht werden. Die fliegen dann in der Wohnung rum. Eine Nacht habe ich ganz schlecht geschlafen, nur um festzustellen, dass sie eine Haselnuss unter dem Spannbetttuch gebunkert hatte. Ist sie ein Eichhörnchen, oder was?
Meine Lösung für dieses massive Überangebot an Zeug ist seit Jahren dieselbe. Ich kaufe einen neuen Schrank, ein neues Regal, Betten mit
Schubladen – egal, Hauptsache Stauraum! „Wir brauchen noch ein Expedit-Regal“, informiere ich meinen Mann. Wusstet ihr, dass Expedit jetzt Kallax heißt? So
wie Raider plötzlich Twix hieß oder Premiere Sky… Seltsam! Mein Mann jedenfalls rauft sich die Haare. „Wo soll das denn noch hin??“ – „Also, wenn wir den Schreibtisch aus dem Wohnzimmer entfernen und das Regal aus dem Arbeitszimmer ins Wohnzimmer stellen, dann haben wir da wieder Platz…“ – „Nein haben wir nicht! Ich weiß schon nicht mehr, welche Farbe die Tapete im Arbeitszimmer hat.“ Auch wieder wahr. Ich glaube, sie war weiß… „Und wo willst du überhaupt den Schreibtisch hinstellen?“ – „Na, in der Keller, bis wir wieder mehr Platz haben…“ Bevor sein anschließender Lachanfall noch weiter ins Hysterische abgleitet, lasse ich das Thema erst mal fallen.
Wirklich!

Ihr habt mir schon mit vielen Tipps in Sachen Baby-Spinnen-Invasion geholfen (die Kleinen sind übrigens wieder da, machen sich prächtig und wir
leben eine zufriedene Co-Existenz im Schlafzimmer). Wenn ihr also Ideen oder Erfahrungen mit diesem Chaos-Thema habt, bitte her damit. Oder, wenn ihr was
braucht!  Oder jemanden kennt, der was braucht. Vielleicht einen Schreibtisch oder quasi neue Schuhe in Größe 40 oder Käsereiben! Sagt einfach Bescheid und wir gucken, was wir für euch tun können.

Kleine ernstgemeinte Anmerkung
Ich schreibe in meinem anderen Leben immer wieder Artikel
über Armut in Deutschland und weltweit, deshalb ist es umso krasser, sich
bewusst zu machen, in welchem Überfluss man lebt. Trotzdem höre ich von vielen
Ansprechpartnern aus dem sozialen Bereich und der Entwicklungshilfe: „Bloß
keine Sachspenden mehr. Wir werden damit zugemüllt.“ Schlau wäre, erst gar
nicht so viel anzuschaffen, zu erben, sich schenken zu lassen. Aber auch wenn
man reduziert, sammelt sich ja trotzdem vieles an, was sich nicht zu verkaufen lohnt oder was man nicht weggeben/wegschmeißen will. Wie geht ihr damit um?
Die Felge

Die Felge

Mein Umfeld kennt mich als ruhigen besonnen Menschen mit Engelsgeduld und Nerven aus Stahl. (An dieser Stelle möchte ich bitte keine Kommentare enger Familienangehöriger lesen.) Nur manchmal, man kann diese Situationen im Jahr an einer Hand abzählen, erwacht das Rumpelstilzchen in mir, der Hulk schält sich aus seinem viel zu engen Anzug, die temperamentvollen Gene der Rothaarigen tanzen Samba…

Es kann eine Kleinigkeit sein, nach einer anstrengenden Woche (die Nudeln sind mal wieder übergekocht) oder aber eine größere Kleinigkeit. Wie vor einigen Wochen, als der Fahrer eines klapprigen Ford meine
Tochter und mich fast umgenietet hat, während er mit 50 Sachen durch die verkehrsberuhigte Zone vor unserem Hauseingang jagte.
Möchtegern-Vettel
Okay, vielleicht ist er auch nur 30 gefahren, aber in der engen Gasse kam mir das wie 200 vor. Mindestens. Und hier ist Schrittgeschwindigkeit!!! Nicht auszudenken, wenn meine Tochter ein Stück weiter von mir weggestanden hätte. Und wenn es um meine Tochter geht, hört der Spaß auf. Dann werde ich zur Löwin und dann brülle ich. Zur Not überbrücke ich mit meiner Stimme kinderleicht die 50 Meter, die dieser Möchtegern-Vettel noch zurücklegte, um dann mit quietschenden Reifen auf dem Behindertenparkplatz zu halten.
In meiner Rage hatte ich mir mein Kind geschnappt und rannte, mit dem freien Arm wild gestikulierend auf den Rowdy zu, der sich als Mittfünfziger mit Wohlstandsbauch und offensichtlicher Zeitnot entpuppte. „Wie
kommen Sie dazu, hier so rumzurasen, hier ist verkehrsberuhigte Zone“, schrie ich, bereits schwer atmend, auf den letzten zwanzig Metern. Währenddessen fing meine Tochter an zu jammern „Mama, nicht böse sein!“ Sie hatte den Ernst der Lage intuitiv erkannt. ER NICHT!
Er motzte irgendwas zurück, schüttelte uns ab wie lästige Fliegen, rannte zur Praxistür des ansässigen Arztes – wahrscheinlich auf dem Weg, seine Beruhigungspillen abzuholen (vielleicht hätte er mir eine Packung mitbringen sollen) – und warf sie mir vor der Nase zu. Also, die Tür. Besagter Tür schmetterte ich in meinem Frust ein Schimpfwort der Kategorie ’nicht für Kinderohren bestimmt‘ an den Rahmen und stand dann etwas hilflos, aber nicht weniger wütend auf der Straße rum.
Kleine Frau, was nun?
Sollte ich ihm hinterherrennen? Das wollte ich meiner ohnehin überforderten Kleinen nicht antun. Sollte ich auf ihn warten? Wie lange sollte das wohl sein. Also entschied ich mich, zu gehen, brauchte aber
definitiv ein Ventil, denn mir stieg immer noch der Dampf aus den Nüstern, mein Puls auf 180. Als ich an dem uralt-Ka vorbeiging überkam es mich und ich trat einigermaßen kräftig gegen den Hinterreifen.
Also, ICH WOLLTE EIGENTLICH gegen den Hinterreifen treten. Leider bezieht sich meine legendäre Unsportlichkeit nicht nur auf meine schneckengleiche Performance beim Sprint oder die Gefahr für alle Zuschauer,
die beim Weitwurf HINTER mir stehen… Ein Sportlehrer diagnostizierte beim Speerwerfen mal eine motorische Behinderung und tat seine Meinung auch vor der ganzen Klasse kund! Ganz offensichtlich hatte er Recht und letztere betrifft auch meine Hirn-Fuß-Koordination.

Anders kann ich nicht erklären, dass es plötzlich laut schepperte und die Felge am Boden lag. (Dass es gar nicht die Felge war, sondern die Radkappe, erklärte mir später mein Mann, ich bin in solchen Sachen nicht so firm). Als also Raser-Rowdy kurz darauf aus der Praxis kam (war ja klar), sah er mich und meine Tochter am Boden knien, in dem erfolglosen Versuch, das abgesprungene Ding wieder „dranzunageln“.

„Was brüllen Sie die Frau so an??“
War seine Laune schon vorher nicht auf dem Höhepunkt, sackte sie jetzt in den Keller ab und er blaffte mich an. „Was haben Sie denn da gemacht???!!“ „Ich äh, also ich habe Ihnen die Felge abgetreten!“, stotterte ich etwas betreten. „Ja, haben Sie sie noch alle???“ plusterte er sich auf. „Wat haben Sie an meinem Auto verloren??“ – „Was brüllen Sie die Frau so an??“, kam unerwartet weibliche Schützenhilfe von der rechten Seite, eine Dame aus der Nachbarschaft hatte die Szene beobachtet.
So langsam wurde ich auch wieder wütend und schob mein schlechtes Gewissen zur Seite. „Was haben Sie hier so rumzurasen, wie ein Verrückter?“, fauchte ich gerade, als im ersten Stock das Fenster aufging:
Meine Freundin hatte das Wortgefecht gehört und rief nun von oben: „Lassen Sie ja die Frau in Ruhe!“ Ich sagte zu ihr: „Haste gesehen, wie der hier reingerast ist?“ Sie natürlich: „Ja, klar!!“ Ich hätte sie küssen können, und mich überkam plötzlich tiefe Gelassenheit.
Ich ließ meinen Blick demonstrativ über das auf dem Behindertenparkplatz geparkte Auto wandern und sagte ruhig: „Ok, dann holen wir jetzt die Polizei!“ Kurz huschten meine Gedanken in Richtung vorbestraft wegen
vorsätzlicher Sachbeschädigung, Sozialstunden, Knast, Jugendamt, völliger sozialer Absturz, Trunksucht und Obdachlosigkeit… dann hatte ich mich wieder gefasst und blickte ihm fest in die Augen.
Er sah von mir zu meiner Freundin im ersten Stock. Dann drehte er sich abrupt um, warf seine Felge (also seine Radkappe) in den Kofferraum und ranzte: „Ich hab ja wohl noch anderes zu tun heute! Termine!“
und war weg. Leider ebenso schnell wie er gekommen war. Unbelehrbar so was. Aber irgendwie war ich zu erleichtert, um mich nochmal aufzuregen. Mit einem warmen Dankeschön, winkte ich meiner Lieblingsnachbarin zu, nahm mein Töchterlein an die Hand und ging endlich meiner Wege.