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Das Last Minute-Kostüm zu Karneval

Das Last Minute-Kostüm zu Karneval

Was so eine echte Rheinländerin ist, MUSS eine Einstellung zum Karneval haben. Denn man kommt nicht daran vorbei. Also doch – auf den Seychellen oder in einem einsamen Strandkorb an der Nordseeküste. Aber bei allem, was sich derzeit im Umkreis von 100 Kilometern um Köln herum bewegt, heißt es: mitgehangen, mitgefangen (zum Beispiel vom Lasso eines vorbeireitenden oder -schwankenden Cowboys…)

Das klingt jetzt so, als wäre ich ein Karnevalsmuffel. Weit gefehlt: Ich bin der Cowboy!! Oder war es, bevor ich irgendwo mein Lasso verloren habe… Meine Sozialisation zum Jeck begann schon in der Vorpubertät, als ich als Funken-Mariechen die Session auf Sitzungsbühnen und bei Umzügen verbrachte. Meine Karriere fand allerdings ein abruptes Ende, als alle anderen Mädels Tanz-Marie wurden und ich angesichts der Vorstellung, ein Rad schlagen zu müssen, schreiend aus der Turnhalle lief.
Meiner Liebe zum Straßenkarneval hat das jedoch keinen Abbruch getan. Es folgten viele Jahre, in denen es spätestens ab Weiberfastnacht auf die Piste ging. Dabei war ich weniger der Clown-Typ, auch wenn die es mit Jacken unter ihren großen Kostümen oft wärmer hatten als ich. Auch Uniformen reizten mich weniger, auch wenn die Flugbegleiterin, die Polizistin und die Krankenschwester neben mir am Zug wesentlich mehr Kamelle und Strüssje absahnten als ich.
Egal – ich wollte glitzern! Glitter weckt eine elsterartige Leidenschaft in mir, der ich theoretisch das ganze Jahr hindurch frönen könnte. Praktisch käme es wohl etwas seltsam, wenn ich meine Tochter jeden Tag mit Federboa und Paillettenrock aus der Kita abholen würde. Manchmal lackiere ich ihr einen Fingernagel mit meinem Karnevalsnagelack. Dann kann ich nicht wiederstehen und trage ihn mir auch auf. Mein Mann, der weder mit Glitter noch mit Karneval viel am Hut hat, sieht wohlwollend darüber hinweg.
 
Wenn das Kostüm untreu wird
Nach vielen Jahren als Elfe, Engel oder Schmetterling erreichte ich allerdings eine Gewichtsklasse, mit der die Leichtigkeit, die solchen Kostümen innewohnt, nicht mehr so recht korrespondieren wollte. Also wurde ich zum Cowboy, beziehungsweise Cowgirl. Reiterhosen hatte ich ja schon! Ich kaufte mir ein Lasso, ein Halfter mit Revolver und einen goldenen (das musste sein) Cowboyhut, kombinierte das Ganze mit Jeans, Karo-Hemd und Stiefeln, flocht mir Zöpfe und trug Glitter im Gesicht auf.
Diesem Kostüm bin ich seit zehn Jahren treu. Leider hält sich die Treue umgekehrt in Grenzen. Das Lasso verlor ich 2009 auf einem Kölner Dach, der Revolver kam mir ein Jahr später im Getümmel abhanden und ward nie mehr gesehen. Das leere Halfter, das ich danach trotzig weitertrug, verließ mich in der letzten Session, als ich erstmals seit der Geburt meiner Tochter wieder Weiberfastnacht feierte. Allein mein Hut ist mir geblieben.
Dafür arbeite ich mich jetzt an meiner Tochter ab! Mit wachsendem Erfolg. Lehnte sie es letztes Jahr noch vehement ab, das süße Froschkönig-Cape zu tragen, dass ich für sie erstanden hatte, tritt sie dieses Jahr in meine Fußstapfen. Soll heißen: Es muss glitzern! Seit Wochen legt sie ihr Prinzessinnenkleid nur noch zum Schlafen ab, Zepter und Krone begleiten sie durch den Tag und es ist schon wesentlich mehr als eine Zacke rausgebrochen.
Die Kita gibt zudem jedes Jahr ein Karnevalsthema vor. Eröffnete 2014 das Thema „Märchen“ viele Möglichkeiten, sieht das in diesem Jahr anders aus. Motto ist das Kinderbuch „Freunde“ von Helme Heine, was drei Kostüme zulässt: Maus, Hahn oder Schwein! Ja, und Fahrrad. Schon klar! Da unsere Tochter bei uns ohnehin „die Maus“ ist, war klar, wohin die Reise geht. Ein Besuch in der Kinder-  und der Kurzwarenabteilung bei Kaufhof und Jonny Mauser ist fertig.
Do it yourself-Kostüme
 
Vier Tage vor Karneval kam dann plötzlich meine Tochter zu mir und meinte: „Ich möchte als Hexe gehen!“ „Wie, du bist doch Prinzessin UND Maus.“ „Ja, Prinzessin, Maus UND Hexe.“ Drei Kostüme in einer Session, das habe ich mir noch nie erlaubt. Und dann so kurzfristig!! Aber wofür ist man verwöhntes Einzelkind? Hexe soll es sein! „Aber nur mit Sachen, die wir zu Hause haben“, bestimmte ich, um mein Gewissen zu beruhigen und googelte: Prinzessinnenkleid in Hexenkostüm umwandeln.
Dann zerschnitt ich ein schwarzes T-Shirt meines Mannes, der hat so viele, das merkt der gar nicht,  opferte breites Dekoband und goldenes Glanzpapier aus meinem Bestand und bastelte mit einer alten Schultütenvorlage einen… nein zwei… nein drei Hexenhüte aus Tonpapier. (Das mit dem Kopfumfang ist gar nicht so einfach oder meine Tochter hatte gerade einen massiven Wachstumsschub.)
Das Ende vom Lied: Ich bin mal wieder im Bastelfieber! Der goldene Cowboyhut bleibt dieses Jahr an der Garderobe, wo er sich ohnehin gut als Deko macht. Und ich baue mir drei (oder vier oder fünf) Kostüme für die Karnevalsparty nur aus Dingen, die hier, beziehungsweise im Kleiderschrank meines Mannes so rumfliegen. Und der? Hat sich anstecken lassen, ist in den Keller gegangen und kam mit allen Fußball-WM-Utensilien nach oben, die er finden konnte.
Alaaf, Helau, Hä Hopp und was es sonst noch so alles gibt.
 
Last-Minute-Selfmade-Karnevalskostüme
Mit einem weißen T-Shirt als Basis kann man raffinierte
Kostüme machen:
 
Sterntaler:
1. Glitzer-Geschenkpapier, 2. Doppelklebeband, 3.
Weihnachts-Streudeko, 4. Weißes Stofftaschentuch, 5. Sternausstecher als
Schablone
Mit den Ausstechern als Schablone Sterne aus dem
Glitzerpapier ausschneiden. Die Sterne und die Streudeko mit Doppelklebeband am
T-Shirt befestigen, weißes Stofftaschentuch so aufkleben, als würden einige
Sterne hineinfallen.
 
Geldwäscher:
1. Leere Waschmittelpackungen (optional für die Rückseite),
2. schwarzer Stift, 3. Dekodraht, 4. Wäscheklammern, 5. Doppelklebeband, 6.
Spielgeld
Mit schwarzem Stift Umrisse einer Waschmaschine auf das
T-Shirt zeichnen, Spielgeld mit Doppelklebeband aufkleben. Für die Kette
Dekodraht zurechtbiegen und einige Wäscheklammern mit Geld daran befestigen.
Wer mag, kann sich leere Waschmittelpackungen auf den Rücken kleben.
 
Drache:
1. Bunte Papierservietten, 2. schwarzer Stift, 3. Klebefilm,
4. Geschenkband, 5. Kordel
Mit schwarzem Stift die Umrisse und das Gesicht eines
Drachen aufmalen. An allen Ecken gekräuseltes Geschenkband aufkleben. Bunte
Papierservietten in jeweils vier gleich große Streifen schneiden. Die Streifen
mittig zusammenfassen, so dass eine Schleife entsteht. Eine Schleife vorne am
unteren Ende des Drachen aufkleben. Mehrere Schleifen mit Kordel verbinden und
hinten am T-Shirt auf Hüfthöhe befestigen.
Oder man wühlt sich ein bisschen durch den Haushalt:
 
Gärtner:
1. Strohhut, 2. Gummistiefel, 3. Schaufel und Rechen aus dem
Sandkasten, 4. Gießkanne, 5. Grünes T-Shirt als Schürze, 6. Osterkörbchen mit
Obst- und Gemüse, 7. Kunstpflanze, 8. Dekoband für die Schürze, 9. Deko-Äpfelchen,
10. Doppelklebeband, 11. Kordel
So vorhanden, Strohhut, Gummistiefel und grünes T-Shirt
kombinieren. Grünen Stoff, in diesem Fall ein altes Shirt, rechteckig
zuschneiden und so auf das Dekoband kleben, dass eine Schürze entsteht. Schaufel
und Rechen aus dem Sandkasten der Kinder entwenden. Gießkanne, Körbchen und
andere Dinge, die zum Gärtner passen mit Doppelklebeband und Kordeln am Kostüm
befestigen.
 
Beachgirl:
1. Klamotten, die man am Strand tragen würde, 2. Käppi, 3.
Strandspielsachen, 4. Badelatschen, 5. Kordel, 6. Sonnenmilch
Einfach anziehen, bzw. für draußen über die warme Kleidung
ziehen. Eimer eignet sich hervorragend, um beim Karnevalszug Kamelle zu fangen.
Sonnenmilch und Strandspielzeug an der Kleidung festknoten.
 
Tischlein deck‘ Dich
1. Weißes Lacken, 2. Plastikgeschirr und -besteck, 3.
Lebensmittelverpackungen, 4. Servietten, 5. Doppelklebeband
Weißes Bettlaken oder alte Tischdecke wie eingezeichnet
zurechtschneiden. Mit Doppelklebeband möglichst leichtes Plastikgeschirr und
Besteck, Verpackungen, Servietten, Tischdeko etc. aufkleben.

 

Und der Mann hat doch das letzte Wort

Und der Mann hat doch das letzte Wort

Es kommt selten vor, dass meine Frau mir das Reden überlässt, also packe ich die Gelegenheit mal am Schopfe und bringe unser 24-Stunden-Chaos zu Ende.

Es war also Donnerstagabend, halb sieben. Meine Frau hatte sich ins Arbeitszimmer verkrümelt und mich mit unserem Krümel und den vielen anderen auf dem Küchenfußboden alleine gelassen. Mit dem Besen in der Hand und der Maus am Bein kehrte ich also erstmal ordentlich durch und ging im Geiste verschiedene Varianten von Abendmahlzeiten durch, die ich gerne gehabt hätte.

Rührei oder…

Schokokuchen mit Smarties gehörte definitiv nicht dazu, den Süßkram überlasse ich meiner Frau. Für die geht so was ja locker als Abendessen durch. Ich denke dagegen sehnsuchtsvoll an Burger mit Pommes, indisches Curry oder asiatische Reispfanne… Ein Blick in den Kühlschrank eröffnet mir dagegen drei Möglichkeiten: Rührei mit Schnittlauch, Rührei mit Tomaten oder Rührei mit Schnittlauch und Tomaten. Ich entscheide mich für letzteres und nehme mir vor, am nächsten Tag einen Großeinkauf zu machen.

Longing

Die Maus plappert währenddessen ohne Punkt und Komma. Ich bin da mittlerweile geschult: Das rauscht so an mir vorbei. Ich höre nur noch Sätze mit drei Ausrufezeichen. Deshalb sickert ihre Ansage: „Ich geh mal ins Arbeitszimmer, Mama besuchen“, auch etwas verspätet in mein Hirn. Oje, denke ich, Muttern hat bestimmt wieder nicht die Tür abgeschlossen. Wofür habe ich ihr eigentlich extra einen Schlüssel besorgt?

Ich erwarte schon eine hektisch zischelnde und händewedelnde Frau am Telefon, die versucht, unauffällig ihr Kind loszuwerden. Stattdessen sitzen beide harmonisch knuddelnd auf dem Bürostuhl. „Das Interview hat noch nicht angefangen. Aber weißt du, was die Maus eben zu mir gesagt hat: Mama, du bist meine beste Freundin!“ Ein strahlendes Weib, ein glückliches Kind. Alles in Butter! „Auf jetzt, Maus. Wir machen Essen“, scheuche ich Töchterchen zurück in die Küche und rufe meiner Frau zu: „Schließ mal die Tür ab.“

„So, jetzt gibt es Rührei“, verkünde ich siegesgewiss. Die Maus mag nicht viel, aber Rührei geht immer. „Ich will Würstchen!“ „Wir haben kei…“ „WÜÜÜÜÜRSTCHEEEEN!“ „Du darfst auch das Ei aufschlagen“, versuche ich es wieder. Keine Chance! Vor zwei Wochen hätte das noch gezogen, denke ich, während ich meine zeternde Tochter betrachte. Wir einigen uns dann auf Sardinen mit Zwiebeln. Wenigstens das ist immer ein Garant. Also noch! Jedenfalls haut sie sich die ganze Schüssel in den Kopp.

Beschrankt

Irgendwie so halb satt schleppe ich mich ins Wohnzimmer auf die Couch und beschließe zum hundertsten Mal, dass wir wenigstens Soßen und Suppen vorkochen müssen, um in so einem Fall vorbereitet zu sein. Das wäre es jetzt gewesen, eine schöne Bolognese…

Hang time

Während ich so vor mich hin grübele, hüpft Junior wie wild auf der Couch auf und ab. „Hej, hier wird nicht rumgesprungen“, sage ich zu ihr. „Papa! Papa! Papaaaaa!“ antwortet sie in einem Singsang mit leider drei Ausrufezeichen. „Ja?!“, belle ich. „Hang time machen!!!“ Och nö. Jetzt? „Papaaaaa!!!“ „Na gut, aber nur einmal“, sage ich und werfe sie schwungvoll bis kurz unter die Zimmerdecke. Tochter juchzt, meine Gelenke machen so ein ähnliches Geräusch. „Nochmaaaaal!“ War ja klar. Okay, seufze ich und werfe sie noch einmal in die Luft. Im Rücken macht sich schon ein verdächtiges Ziehen bemerkbar.

„Jetzt ist aber Schluss“, sage ich und greife mir das Tablet, um Nachrichten zu lesen. Es ist acht Uhr, von Müdigkeit beim Kinde keine Spur. Wir sollten das mit dem Zucker echt einschränken, denke ich, während sie wie eine Verrückte von einem Zimmer ins nächste rast und irgendeinen imaginären Löwen verfolgt. Vor neun wird sie niemals schlafen und ich sehne meinen Feierabend herbei. Von meiner Frau ist noch nichts zu sehen, wahrscheinlich schreibt sie das Interview doch gleich runter oder sie bloggt schon wieder…

Zähneputzen leicht gemacht

Ich beschließe, meine Tochter jetzt so richtig müde zu machen, hieve die schweren Knochen von der Couch und jage sie durch die Wohnung. Gut, dass unter uns niemand wohnt. Immer noch zappelnd und verschwitzt sitzt sie schließlich auf der Couch und lehnt sich an mich: „Papa, du bist meine beste Freundin!!!“ Ich muss grinsen. „So, kleine Freundin, und jetzt werden Zähne geputzt.“

Seit ich ihr jeden Abend meinen kürzlich gezogenen Weisheitszahn, inklusive eindrucksvollem Loch zeige und ihr sage, dass das mit ihren Zähnen passieren kann, wenn sie nicht richtig putzt, klappt das Ganze wie von selbst. Alle anderen Versuche mit Karius und Baktus-Geschichten und Zahnputzliedern hatten vorher versagt. Manchmal muss man eben anschaulich werden. Ich schaue auf die Uhr: Zehn vor neun! Eigentlich könnte ich mal nach meiner Frau gucken.

Vorsichtig öffne ich die Tür und ernte ein Zischeln und wedelnde Hände. Dabei ist sie gar nicht mehr am Telefon. Na super, übersetzt soll das wohl heißen, das ganze Abendritual bleibt an mir hängen. Und das nach DEM Tag. Die Arbeit war heute auch nicht gerade ein Zuckerschlecken… Aber es hilft nix, da muss ich jetzt durch: Die Tochter für die Nacht einkleiden, OHNE dass meine Frau die Klamotten rausgelegt hat. Eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit…

Ohne Lillifee ins Bett

15 schweißtreibende Minuten später, liegt die Maus endlich im Bett. Vorher hat sie mir dreimal die Freundschaft aufgekündigt, weil sie nicht mehr auf die Toilette wollte, ich das Pferdeoberteil nicht gefunden habe, (also ich habe viele Pferdeoberteile gefunden, aber eben nicht DAS) und weil ich mich geweigert habe, ihr Prinzessin Lillifee vorzulesen. Da braucht man echt ne Sonnenbrille, bei dem pinken Geglitzer.  Wieso haben wir das überhaupt. Ich habe mal gelesen, dass Mädels, die mit Lillifee aufwachsen, niemals Vorstandsvorsitzende werden.

A propos, meine Frau ist immer noch nicht aufgetaucht. Jetzt kann sie sich Zeit lassen. Dann kann ich in Ruhe meine Serie gucken. „Breaking Bad“, Staffel drei, Folge 11. Hehe!! „Papa!“ Ein Ausrufezeichen, so was höre ich nicht. „Papa!!“ Ich bin gar nicht da. „Papa!!!!!“ Ok, das war deutlich. „Was denn?“ rufe ich entnervt. „Kannst du mich graulen und dabei Sankt Martin singen?“ „Äh. Ich hole mal deine Mutter!“ Die kommt mir Gott sei Dank entgegen und sieht fit genug aus, um diese Aufgabe zu übernehmen. „Ein bisschen mehr Begeisterung, bitte!“

Der Abend endet um 23 Uhr. Ich habe zwei Folgen Breaking Bad intus. Meine Frau ratzt seit halb zehn auf dem Sofa. Also, ab ins Bett.

Hustensaft zur guten Nacht

Müßig zu erwähnen, dass unsere Tochter uns um 0:30 weckt, weil es ihr nicht gut geht. Der Rest der Nacht vergeht mit Husten, Fiebermessen und Gemaunze wie im Flug und schon ist wieder morgen! Neuer Tag, neues Glück!

Falls ihr Teil eins bis vier verpasst habt: Hier sind sie.

Ein Tag in der Familie der Nachbarin

Immer noch Tag eins!

Alle guten Dinge…

Kann es was Schöneres geben?

Kann es was Schöneres geben?

Kann es was Schöneres geben?

Allein das Aufschreiben unseres 24-Stunden-Chaos hat mich wohl so geschwächt, dass ich erstmal `ne Woche Migräne nehmen musste. Langsam ist es besser und ich kann wieder grade aus den Augen gucken. Dafür hat die Maus sich den ersten Kita-Virus des Jahres eingefangen, den sie großzügig mit uns und allem, was nicht bei drei auf den Bäumen ist zu teilen gedenkt. Deshalb nutze ich mal schnell den Moment, um die nächsten Stunden unseres Familientages in die Tasten zu kloppen, bevor mich der grippale Infekt niedersteckt…

Ich hatte also beschlossen, dass meine Tochter ihr „Chilli, Chilli“ alleine mit Kuscheltieren und Weihnachts-CD im Bett verbringt, statt mit Grüffelo und mir auf der Couch. Denn – wir erinnern uns – ich wollte noch
klar Schiff machen, bevor unser Besuch kommt, nämlich Sarah (4) und Linus (1) nebst ihrer Erziehungsberechtigten, meiner Freundin Sonja.
Es gibt ihn doch…

Jetzt ist das ja so eine Sache, wenn man etwas beschließt, dass die Kooperation eines Kleinkindes voraussetzt. In diesem Fall sah meine Maus die Situation etwas anders als ich und verlangte: „Lies mir den Grüffelo vor!“ „Das geht nicht, ich muss noch aufräumen!“ „Doch, das geht!“ „Nein, das geht nicht!“ „Wenn du jetzt nicht lieb bist, dann darf Sonja auch nicht zum Spielen kommen!“ „What??“ Wo hat sie das denn wieder her…

Also, was tun? Aufräumen, Obst schnippeln und Nachmittagsprogramm durchdenken WÄHREND Töchterlein im Hintergrund unablässig zürnt und wehklagt? Schon bei dem Gedanken daran, gerät mein Körper in diese typischen Stress-Schwingungen, die ich in letzter Zeit habe. Mir schwirrt der Kopf und es fühlt sich an, als sei meine Haut statisch aufgeladen. Kennt das jemand oder sollte ich mal einen Arzt konsultieren? Jedenfalls muss ein Kompromiss her. Oder noch besser: ein Anreiz!„Schahatz, wenn du jetzt schön alleine liest und mich aufräumen lässt, dann backen wir nachher alle zusammen“, säusele ich, nur um mich im nächsten Moment zu fragen, ob ich noch alle Tassen im Schrank habe.
Backen, mit drei Kids zwischen eins und vier? Mein stummes Zweifeln geht im Freudengeheul meiner Tochter unter. Ich kapituliere und laufe zum Küchenschrank, um die Backsachen zu checken. (Man sollte nichts versprechen, was man eventuell nur halten kann, wenn man vorher einen Großeinkauf macht…). Aber – Weihnachten ist ja noch nicht allzu lange her – es ist alles da. Ich schreibe meiner Freundin Sonja kurz, worauf sie sich einstellen soll und räume endlich auf. Die Maus liegt derweil selig auf der Couch und liest ihren Grüffelo alleine. Schließlich kann sie das ganze Buch auswendig. Ich packe derweil Butter, Eier, Zucker und jede Menge Streusel auf den Tisch und
danke dem Vermieter wieder einmal für unseren robusten Linoleum-Küchenboden….

Kurz nach vier klingelt es an der Tür und der Lärmpegel verzehnfacht sich schlagartig. Drei Kleinkinder könnten es dezibelmäßig locker mit einer vorbeidonnernden Elefantenherde aufnehmen. Und auch die Wohnung sieht nach zehn Minuten aus, als hätte genau diese Herde eine kleine Runde durch Wohnzimmer, Küche und Kinderzimmer gedreht:

Hüpfpferd Rody liegt nach einem Zusammenstoß mit dem Bobby Car hilflos auf dem Rücken. Fünf Dosen Knete sind leer und der Inhalt verteilt sich großflächig auf dem Wohnzimmerboden. Herumliegende Malstifte feiern einen bunten Reigen zwischen Sofa und Wohnzimmerschrank. Zwei Kinder streiten sich energisch um ZWEI Puppen. Warum hatte ich nochmal aufgeräumt?
Mein Mann ging kürzlich am Kindergarten vorbei und sah und hörte, wie eine der Erzieherinnen die Wichtelgruppe mit Kasernenhofstimme um die Rabatten scheuchte. Erst war ich etwas erschüttert, als er mir davon
erzählte. Jetzt verstehe ich sie nicht nur, sondern nehme sie zum Vorbild: „KOMPANIE!!!“ brülle ich in den Raum: „SAMMELN IN DER KÜCHE!“ Keine Reaktion. „UND ZWAR ZACKIG.“ Immerhin, Sonja steht stramm. Der Rest ignoriert mich standhaft. „Okay“, seufze ich in Zimmerlautstärke, „wollt ihr Plätzchen oder Schokoladenkuchen backen?“ Sonjas entsetzen Blick interpretiere ich falsch. „Hast du
meine Whatsapp nicht bekommen“, flüstere ich. „Doch. Aber jetzt hast du ihnen die Wahl gelassen!“ zischelt sie zurück.
Verhältnisse lernt man mit Kuchendiagramm

Au Backe! Sie hat Recht. Wenigstens habe ich jetzt schon mal alle in der Küche. „Plääätzchen!“, ruft Linus. „Schokokuchen!“, ruft meine Tochter. „NEIN, PLÄTZCHEN!“, „NEIN! SCHOKOKUCHEN!! MAMAAAA!!!“ brüllt meine Tochter, während sie theatralisch unter den Küchentisch sinkt. Die Rettung kommt schließlich von Sarah, die auch Schokokuchen will und sogar ein Einjähriger versteht, wann er verloren hat.

Der eigentliche Backvorgang verläuft dann so harmonisch, dass ich beschließe, sowas öfter zu machen. Mit Feuereifer helfen sechs kleine Hände
beim Wiegen, Abmessen, Mischen und Rühren und was dabei rauskommt, sieht aus, wie ein echter Schokokuchen. Während die Kids wieder in den üblichen Spiel- und Zankmodus verfallen, freue ich mich tatsächlich mal über unseren Ofen, der die Meinung vertritt: je schneller, desto besser. Für Plätzchen braucht er fünf Minuten, für Schokokuchen 15.
Unser Schokotraum

Dick mit Kuvertüre bestrichen steht er dann auf dem Tisch. Drum herum Schälchen mit Zuckerperlen, Schokostreusel, Smarties und Gummibärchen und nochmal drum herum drei Kinder und drei Erwachsene (mein Mann ist mittlerweile auch gekommen). Wie bei dieser Konstellation zu erwarten, endet der Nachmittag mit glücklichen Kindern im hyperaktiven Zuckerrausch. Ein paar Streuseln und Gummibärchen haben es dank uns Erwachsenen doch noch auf den Kuchen geschafft. Der Rest verteilt sich in Bäuche und auf dem Fußboden.

Es ist halb sieben. Die Küche braucht einen neuen Anstrich, mein Mann sein Abendessen und ich mein Bett. Wenn da nicht noch der Interviewtermin mit dem Vorstandsvorsitzenden wäre. Ich klaube mir Smarties und Gummibärchen aus den Haaren, wasche die Schokolade von meinen Händen und überlasse meinem Mann das Chaos, um mich im Arbeitszimmer zu sammeln und  vom Mamimodus in den Journalistinnenmodus umzuschalten.Um zehn vor sie en steht plötzlich meine Tochter in der Tür. Ich will ihr gerade erklären, dass ich keine Zeit habe, ihr etwas vorzulesen, ihr das Prinzessinnenkleid anzuziehen oder ein Wurstebrot
ohne Wurst zu schmieren, da kommt sie zu mir, legt die Arme um mich und sagt: „Mama, du bist meine beste Freundin.“ Hej, denke ich: Kann es etwas Schöneres geben, als unser Familienchaos?
Wem jetzt noch genau 5 Stunden und 10 Minuten unserer Chaos-Geschichte fehlen, der hat natürlich Recht. Aber ich muss ja arbeiten. Deshalb überlasse ich das Wort und den letzten Teil des Tages jemandem, der hier genauso mit drin hängt, wie ich: meinem Mann.
Alle guten Dinge…

Alle guten Dinge…

…sind definitiv mehr als drei. Jedenfalls, was die Geschichte unseres 24-Stunden-Chaos angeht. Man könnte jetzt schwächeln, aber es muss ja weitergehen. Schließlich ist erst halb drei. Also nun der dritte Teil und wer uns bis jetzt entschuldigt hat, wird spätestens hier merken: Wir haben wirklich ernstzunehmende Probleme.

Es gibt Regeln, die hören sich so einfach an und doch bringen sie mich, die so gerne regelkonform leben möchte muss irgendwas mit meiner Sauberkeitserziehung zu tun haben manchmal – oder auch täglich – an meine Grenzen. Es geht um diesen handgeschriebenen Zettel, der da so unschuldig im Kita-Flur rumhängt: „Liebe Eltern! Wir möchten Sie freundlich bitten, die Kita bis 14:30 Uhr verlassen zu haben, damit wir uns ungestört den Nachmittags-Kindern widmen können.“

Mein Sargnagel

So weit, so einleuchtend und für viele Eltern offensichtlich spielend machbar. Für mich und vier weitere Mitstreiterinnen, die jeden Mittag krebsrot und zerzaust in der Kita antraben und ihre Kinder fluchend vom Gelände zerren, eher von der Kategorie „was das Leben so schwer macht“. Vor allem im Winter, wenn man den empfohlenen Zwiebellook ernst nimmt. Vor allem, wenn das Kind einem 25 Seiten handbemaltes Druckerpapier in die Hand drückt, das „weder geknickt, noch gerollt“ werden darf. Und vor allem, wenn es dazu noch die drei Bälle mitnehmen will, die es im Laufe der Woche mit in die Kita geschleppt hat.

Zwischen 14:28 Uhr und – wenn es echt gut läuft – 14:30 Uhr steigt daher der Stresspegel im Kita-Flur sekündlich an. „Mama von der Mauhaus! Kannst du uns bitte mal durchlassen“, piepst es hinter mir, während ich auf dem Boden kniend meiner Tochter das zweite Paar Socken überstreife und dabei den Weg zum Waschraum versperre. „Du hast mein Bild geknickt“, heult die Maus, während ich mich irgendwo Halt suchend ächzend aufrappele, um sechs Nachmittags-Kinder durchzulassen, die sich vor dem ‚Kaffestündchen‘ noch die Hände waschen sollen.

An unserem besagten Donnerstagnachmittag verschärft sich die Lage noch auf unvorhergesehene Weise, denn ich muss mich in die Reservierungsliste für den Kita-Frühlingsflohmarkt eintragen und finde keinen Stift. Die Uhr tickt unbarmherzig weiter, während ich hektisch meinen offensichtlich bodenlosen Rucksack durchforste und sich dabei eine Packung mit Himbeeren öffnet. Weiches magentafarbenes Monsterflecken-Potential ergießt sich in meine Tasche und auf den Kita-Flur. Oh Mann, ich wusste gleich, ich hätte im Winter kein Sommerbeeren kaufen sollen. Jetzt habe ich den Salat.

Himbeer-Alarm

Meine Tochter beobachtet das Geschehen mitfühlend und feuert mich leise an, während ich nun gaaaanz vorsichtig meine Tasche ausräume. Was da alles rauskommt: Allen voran rette ich mein geliebtes Pip Studio-Portemonaie, das mir mein Mann zum 35sten geschenkt hat. Es folgen zwei Kinderschlüpper, eine Leggins, mein Taschenkalender, fünf fusselige Hustenbonbons, zwei Ibuprofen, drei Quittungen, eine Eintrittskarte für das Naturkundemuseum, ein Weihnachts-Rubbellos mit einem Gewinn von 1 Euro (ach, da war das) und drei Pixibücher. Dazu Taschentücher, Haargummis, ein Regenschirm und KEIN Stift. Dafür natürlich viele, viele dankenswerterweise unbeschädigte Himbeeren.

„Mama im Schirm steckt noch was Rotes“, kommt der hilfreiche Hinweis meiner Tochter, als ich alles wieder einräume. Mist! Und der Ärmel meiner Daunenjacke hat auch was abbekommen. Egal! Nur raus hier! Ich sammele unsere 700 Sachen und marschiere hoch erhobenen Hauptes im Stechschritt vor meiner Tochter her in die Wintersonne hinaus! Kaum ist die Kita-Tür hinter uns ins Schloss gefallen nutzt sie den Moment, um sich in ihren nachmittäglichen, erschöpfungsbedingten Unterzuckerungs-Heulkrampf hineinzusteigern. Normalerweise schaffen wir es vorher nach Hause.

Es ist diese Art Anfall, der gestylte Geschäftsfrauen die Augenbrauen hochziehen und
vorbeijoggende Silver-Ager verschreckt das Handy zücken lässt, um vorsorglich einen Anruf beim Jugendamt zu tätigen. Mein Kind steht in einer Pfütze, während ich weitergehe: „Maaaamaaaaa! Lass mich nicht alleeeeeiiiiin!“ Ich greife nach ihrer Hand: „Aaaaaauuuuuuaaaaaa!“ Meine Geduld ist am Ende und ich schnauze pädagogisch wertvoll: „Hör jetzt auf mit dem Theater“ So sanft wie möglich ziehe ich sie mit mir, denn ich weiß, das Heil liegt nur 150 Meter entfernt und hört auf den Namen: Nachmittags-Kakao.

Maus allein in der Pfütze

Irgendwie schaffen wir es unbehelligt bis in den Hausflur, wo sich die letzten Ressourcen der Maus schlagartig in Luft auflösen. „Trag mich die Treppe hoch!“ Ein Blick auf ihre schlammigen Gummistiefel und ich verwerfe den Ansatz ‚Um-des-lieben-Frieden-willens‘ zugunsten von: „Komm, das schaffst du noch. Wer zuerst oben ist, hat gewonnen.“ Aus dem Wettrennen wird dann eher ein halb zog sie sie, halb sank sie hin, aber irgendwann stehen wir vor der Wohnungtür.

Zwischen uns und dem ‚Kakao der Ruhe und des Seelenfriedens‘ liegt jetzt nur noch eine entscheidende Hürde: das Hände waschen. Ja, und das Ausziehen, aber das ist nicht das Problem. Sobald Mäuschen die Wohnung betritt, spritzen in Nanosekundenschnelle 35 Oberbekleidungsstücke nebst schlammigen Stiefeln in allen Richtungen von meinem Kind ab. Ein Ritual, das sie jedoch seit eineinhalb Jahren in Frage stellt, ist das Händewaschen nach der Kita, BEVOR sie diese multiresistenten kleinen Kita-Bazillen auf dem Sofa, ihren Spielsachen und dem Küchentisch verteilt. Da werde ich schon mal hektisch…

1-Quadratmeter-WC

Nach monatelangem Hinterherhechten, gut zureden, hysterisch ankeifen, sperre ich uns mittlerweile so lange im 1-Quadratmeter-Gäste-WC ein, bis sie die kleinen Teufelchen den Abfluss runtergespült hat. Das werden dann schon mal lange 20 Minuten. Aber hey, es muss doch auch Regeln geben. Ich erwäge, den Raum mit Comics zu tapezieren, das habe ich schon mal irgendwo gesehen. Dann wird die Zeit nicht so lang, während ich zwischen Tochter, Kloschüssel und Mini-Waschbecken auf einem Bein balanciere.

Pünktlich um drei sitzt die Maus dann sauber und immer noch unterzuckert am Küchentisch und erwartet bebend ihren Nachmittags-Kakao. Milch ins Glas. Glas in die Mikrowelle. Pulver und Löffelchen reichen. Die Maus füllt das Pulver ein, ich muss rühren. Die Struktur muss schließlich gewahrt werden, wir haben hier ein Jungfrau-Kind. Dann geht es weiter: „ZU WARM!!!“ Soll heißen zu kalt. Ich stelle den Kakao nochmal in die Mikrowelle. „Jetzt ist er zu KAAALLLT!“ Soll heißen zu warm. Das muss man wissen. Pusten und rühren…

Mittlerweile ist das Kind kaum noch in der Lage, das Glas zu heben. Mit ein wenig Zureden und Hilfestellung setzt sie es irgendwann doch an die zitternden Lippen und haut das Zeug in einem Zug runter. Sofort kehrt Entspannung ein. Jetzt ist sie bereit für etwas, dass sich „Chilli, Chilli“ nennt und ihr Bett, 17 Kuscheltiere, ebenso viele Bücher und eine Weihnachts-CD beinhaltet. Oder wahlweise die Couch, eine Kuscheldecke, den „Grüffelo“ und meine Wenigkeit, die ihn gefühlte 23 Mal hintereinander vorträgt. In diesem Fall entscheiden wir uns einhellig für ersteres, denn in einer halben Stunde steht der Besuch auf der Matte und hier sieht es schon wieder aus…

An dieser Stelle, wollte ich ja eigentlich schon durch sein, mit unserem 24-Stunden-Tag. Aber es ist gerade mal eine Stunde vergangen. Wenn das so weitergeht, muss ich wohl doch ein Buch draus machen… Oder ich gönne uns noch ein oder zwei Posts. Mutige folgt mir!! Alle anderen: Stoßt bitte übernächste Woche wieder zu uns.

Weihnachten auf dem Märchenschloss oder das Osterhasen-Trauma

Weihnachten auf dem Märchenschloss oder das Osterhasen-Trauma

Kürzlich habe ich mich mit meiner Freundin Marisol über frühe Kindheitserinnerungen unterhalten. So mit fortschreitendem Alter kommen die ja langsam wieder. Eigentlich sollen sie ja erst so ab dem  dritten Lebensjahr langsam einsetzen. Als Mutter finde ich das manchmal traurig: Die Maus wird sich nicht an ihren ersten Tag am Meer erinnern oder an den ersten Schnee. Andererseits aber auch nicht an den Tag, als ich sie mit einem dieser kribbeligen Kopfhaut-Massage-Dinger erschreckte und sie sich die Stirn an der Tischecke aufschlug. (In der Notaufnahme waren sie sehr nett und die Narbe ist schon fast verheilt…)

Im Gespräch mit Marisol kamen wir darauf, dass wir zwar frühe Erinnerungen haben, ABER ja nicht wissen können, ob es echte Erinnerungen sind ODER Erinnerungen an Erzählungen ODER Erinnerungen an Erinnerungen. Könnte ja auch sein! Wenn ich mich an meinem dritten Geburtstag mit meinem Kurzzeitgedächtnis an etwas erinnere, dass ich mit – sagen wir Zweidreiviertel – erlebt habe und mich dann mit Dreieinhalb daran erinnere, an was ich mich an meinem dritten Geburtstag erinnert habe und so weiter und so fort… kommt doch am Ende eine astreine Erinnerung bei raus!

Superacht versus Smartphone

Jetzt hatten wir Ende der siebziger Jahre ja nicht die mediale Gedächtnisstütze, die die Kids von heute haben. In jedem Lebensmoment steht doch irgendeiner daneben, der das Ganze mit dem Smartphone als Video oder wenigstens im Bild festhält. Über uns gab es höchstens noch einen wackeligen Superachtfilm. Und mit „einen“ meine ich „einen“. Immerhin weiß ich dadurch, dass ich als Einjährige im Ungarn-Urlaub fast mal von der Schaukel gefallen wäre…

Unsere Tochter liebt es, sich Videos von sich selbst anzuschauen (heiliger Egozentrismus) und gibt ihrer Erinnerung damit immer wieder einen neuen Anstoß. So weiß sie auch noch, dass sie sich mit eineinhalb das Bein gebrochen hat (Gips bis zur Hüfte). Wenn man sie fragt, welches Bein und wo genau, kann sie es schneller und präziser zeigen, als wir.

Marisol meint übrigens, sie hat nicht ganz so viele Kindheitserinnerungen. Sie ist auch ein paar Jahre jünger als ich – also zwei. Je mehr ich so über meine ersten Lebensjahre nachdenke, desto mehr fällt mir wieder ein. Vielleicht habe ich aber auch nur eine blühende Fantasie (Krebsgeborene und so). Ein frühes Bild habe ich zum Beispiel von einer Amsel, die vor unserem Küchenfenster an einer mit Körnern gefüllten Kokosnuss schaukelt. Ein Foto gibt es davon nicht. Vielleicht ist es also eine Erinnerungen ersten Grades.

Ok, ein Foto gibt es offensichtlich doch. Mist! Aber in meiner Erinnerung war es eine Amsel. Wirklich!!

Das Osterhasen-Trauma

Aus der Kindergartenzeit habe ich dann schon richtig viele. Wie ich zum Beispiel stolz mein neues Wissen über die Nichtexistenz des Osterhasens mit den anderen teilte und die Erzieherin dann vor versammelter Mannschaft sagte: „Quatsch. Natürlich gibt es einen!“ Heute kann ich sie verstehen. (Mein Trauma lässt auch langsam nach.) Oder der Moment, als ich im Urlaub so „dumdidumdidubdidei“ in ein Schwimmbecken hineintaperte, bis ich nur noch Wasser und Luftblasen vor Augen hatte… und als nächstes die Armbanduhr meines Vaters, der mich (dankenswerterweise) wieder rauszog. Da war ich wohl so vier.

Vielleicht bin ich, was diese ganzen Erinnerungen angeht, auch ein bisschen obsessed. Ich entstamme einer Familie von Ahnenforschern und Autobiographie-Schreibern, von Fotosammlern und Nie-etwas-Wegschmeißern. Sowas färbt sicherlich ab. Andererseits gibt es auch ein gutes Gefühl zu wissen, dass man von einem Südtiroler Freiheitskämpfer des 18. Jahrhunderts abstammt. Das erklärt so einiges. Sollte meine Tochter mal ein Ahnenforschungsinteresse entwickeln, wird es schwerer, denn „Multikulti-Kid“ müsste ihre Vorfahren gleich in sieben verschiedenen Ländern aufspüren…

Hmm… die Überschrift „Weihnachten auf dem Märchenschloss“ deutet darauf hin, dass ich eigentlich über was ganz anderes schreiben wollte und irgendwie vom Kurs abgekommen bin (ich glaube Seefahrer gehörten nicht zu meinen Urahnen). Jedenfalls schreibe ich über die wunderschöne vorweihnachtliche Märchenschlosserfahrung, an die sich meine Tochter später BITTEBITTE erinnern soll, einfach beim nächsten Mal.

Einen frohen Advent wünsche ich Euch! Und wenn ihr mögt, teilt doch Eure ersten Kindheitserinnerungen mit mir!!