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Wir haben es getan!

Wir haben es getan!

Ostern steht vor der Tür und wir sind drin – im neuen halbfertigen Haus. Die Küche steht und wir stehen auch noch. Tochter hat ihr Zimmer mit den Worten in Besitz genommen: „Das liebe ich, der Rest nervt mich.“ Mich auch. Also nicht alles, aber diese halbfertigen Räume, die verhindern, dass wir alle Möbel aufstellen. Viel mehr liebe ich aber das ganze Haus. Mit ein bisschen Wehmut im Herzen haben wir die Wohnung hinter uns gelassen, in der die Maus ihre ersten Lebensjahre verbracht hat.

Haben den Schlüssel abgegeben, den Namen vom Briefkasten gekratzt, die Vermieterin ans Herz gedrückt und sind nach einem Dreiviertel Jahrhundert (okay, war nur ein Dreiviertel Jahr, aber es fühlte sich so an) von den Fischern zu den Bergbauern gezogen.

Ich danke…

Dass es überhaupt so weit kommen konnte verdanke ich vielen großartigen Menschen. Allen voran meinem Mann: unermüdlich, hartnäckig und stark. Hält Handwerker bei Laune. Kapiert Zusammenhänge, die ich nicht mal im Ansatz… Stellt Fragen, auf die ich niemals… lassen wir das.

Mein Vater: Elektriker, Bauingenieur und erfahrener Allrounder mit Tricks auf Lager, die uns in 100 Jahren nicht einfallen würden. Und sie funktionieren! Meine Mutter, die jetzt mit ihrem kreativen Gespür gefragt ist und sich viele Nächte mit der Lieblings-Enkelin um die Ohren geschlagen hat. Meine Schwiegermutter, die mit mehr Ausdauer als wir Tapete gekratzt hat und ganze Nachmittage hindurch Rollenspiele spielt.

Bruder, Schwester und Schwager, die mit angepackt haben, Paten, die gehütet und gespachtelt haben. Großartige Freunde und Nachbarn, die da waren zum Hand anlegen und Kisten schleppen. Danke auch an meine Lieblingsnachbarin vom Rhein fürs Töchterchen hüten und ihrem Mann für den großartigen wunderbaren Sessel! Und jetzt wieder zurück aufn Berg.

Back to Nature

Hier gibt es viel Natur. Es kreucht und fleucht. Wenn ich aus dem Fenster schaue, sehe ich im noch kahlen Baum ein Riesennest, das von irgendwelchen Hupfdolen gebaut wird. Im Garten finkige Meisen und meisige Finken und schätzungsweise drei Trillionen Mauselöcher (wir brauchen nen Tiger). Letzte Woche eine Herde (Schwarm? Rotte?) Wildschweine vorm Kühler. Und vor ein paar

Tagen rief Töchterchen: „Da ist ein Graureiher über den Garten geflogen!“ Ich: „Ja klar. Äh wo?“ Sie: „Da!! Schon wieder!“ Ich sah nix und dachte mir meinen Teil: ‚Von wegen Graureiher, war bestimmt ne Amsel.‘

Bis ich kürzlich am Fenster stand und sich plötzlich ein Schatten über die Scheune und den Vorplatz legte. ‚Was denn? Schon wieder eine Sonnenfinsternis??? Ein Flugzeug, das notlanden muss?‘, dachte ich. Nee, in der Tat: Ein Graureiher mit Monsterspannweite. Seither lasse ich mir von meiner vierjährigen Tochter die Welt erklären. Meistens. Wenn ich dann doch mal wieder den Oberlehrer raushängen lasse, werde ich gleich überführt.

Gegen Klugscheißerei

Heute morgen im Auto: „Mama, da ist wieder das Schild mit den Luftballons.“ „Ja, liebes Kind“, antwortete ich ohne hinzugucken, „das ist ein Hinweisschild für den Brathähnchenstand. Immer, wenn der Verkäufer mit seinem Auto auf dem Parkplatz da vorne steht und Hähnchen verkauft, stellt er das Schild auf, damit die Leute ihn finden.“ Sie: „Aha, und warum ist da ein Fisch drauf?“Ja, die Zeiten in denen ich in ihren Augen unfehlbar war, gehen langsam aber sicher zu Ende.

Was die nächsten Wochen so bringen? Eine neue Kita und eine neue Tanzlehrerin für die Maus und jede Menge Arbeit rund ums Haus. Außerdem bin ich wild entschlossen, den Scheunenhausblog aus seinem Winterschlaf zu wecken und unsere kreativen Ergüsse der vergangenen und noch folgenden Monate zu zeigen. Da geht noch einiges.

Ihr Lieben: Frohe Feiertage!

Eure Nachbarin vonm Berg

Doppel-Autsch!

Doppel-Autsch!

 

Ich habe da so eine Freundin, mit der ich gelegentlich zusammen koche. Also sie kocht und ich assistiere, bis sie zu mir sagt: „Schon gut, setz dich einfach da hin und guck zu.“ Soll heißen: Sogar beim Assistieren
stehe ich in der Küche eher im Weg rum. Was ich jedoch bis zu meinem Platzverweis an dieser Küchenzeile zu sehen bekomme, fasziniert mich immer wieder: Da herrscht zinnsoldatenartige Ordnung und Sauberkeit.
Bei uns ist es ja so: Will ich an die Kichererbsen für die Hummuscreme, muss ich auf Knien fünf Minuten lang 25 Erbsen-, Tomatenmus-, Mais- und Sardinenbüchsen aus dem Weg schaufeln. Wenn das Hummus fertig ist und ich es bis zum nächsten Tag im Kühlschrank aufbewahren will, öffne ich den Hängeschrank und ziehe am erstbesten Teil, das ich zu fassen bekomme. Daraufhin ergießt sich ein Schauer aus Dosen und Deckeln über mich, die Anrichte und den Küchenfußboden.
Immerhin, so findet man schnell den passenden Deckel zum Pott. Könnte man meinen. Aber weit gefehlt! Hier ist es wie bei den Socken: Wie von Geisterhand verschwinden die zugehörigen Gegenstücke und machen Platz für 19 Einzelteile. Auch egal! Kommt die Hummuscreme eben ohne Deckel in den Kühlschrank.
Meine Freundin kennt solche Probleme wahrscheinlich nicht. Ehrlich gesagt, traue ich mich nicht zu fragen. In Reih und Glied stehen dort der Größe nach aufeinandergestapelte Behälter, von der Dose bis zum Döschen. In einem stufenweise aufsteigenden Gewürzregal residieren Kante an Kante gleichhohe, akkurat beschriftete Gewürzbehälter. Ein Griff – und der Safran steht bereit, um die Sahnesoße zu verfeinern. Unser Safran, äh, ist leider gerade aus.
Schon in meiner Studenten-WG gab es Probleme, weil mein Mitbewohner auf Ordnung in der Küche gesteigerten Wert legte. Ich konnte mir einfach nicht merken, ob die roten Dessertschälchen ober- oder unterhalb der Salatschälchen mit dem 70er-Jahre Blumenmuster zu stapeln waren. Meine Mutter lebt übrigens schon seit über vierzig Jahren in ähnlichen Verhältnissen, denn mein Vater hat für jedes kulinarische Anliegen ein extra Messer UND eine extra Schere und alle haben ihren Platz.
Eine Schere hat er übrigens auch, um Frischhaltefolie in einem Rutsch von der Rolle abzutrennen. Leider gibt es in meinem Haushalt nicht ein einziges Exemplar, das auch nur ansatzweise dazu fähig wäre. Im Gegenteil bin ich froh, wenn ich überhaupt eine Schere finde und dem Sahne-Tetrapäckchen nicht mit dem Buttermesser zu Leibe rücken muss. Vor einer Woche, genau zwei Tage nach der Kochsession mit meiner Freundin, habe ich daher beschlossen: Es muss sich etwas ändern.
Eine erste Inspiration brachte mir die Matroschka-Puppe, die eine Freundin vor kurzem von einer Sibirien-Reise mitgebracht hat. Nun schachtele ich Vorratsdosen in ähnlicher Manier von klein nach groß ineinander und schließe sie. Zwar brauche ich jetzt im schlechtesten Fall zehn Minuten bis ich an die kleinste Dose komme, aber die Deckel sind immer passend dabei. Als nächstes werde ich meinem Vater alle Scheren und Messer zum Schleifen überlassen und sie dann ganz weit oben in den Schrank räumen, damit Töchterchen nicht dran kommt.
Ja und schließlich habe ich im Internet entdeckt, wie sich die Menschen in den USA so organisieren. Hust! Das nennt sich dann „storage project“ und bewegt sich, äh, auf einem sehr hohen Niveau… An das ich niemals heranreichen werde. Ein paar Ideen habe ich aber trotzdem umgesetzt, nach einem kleinen Spaziergang im Baumarkt. Was man nämlich in jedem Fall braucht, sind passende Behälter, Schütten, Schubladen und so weiter, die entweder durchsichtig und/oder beschriftet sind. Und hier das Ergebnis:

Einmachgläser:
Für alles Pulverige und Körnige. Besonders hübsch sieht es aus, wenn sie mit
Tafel-Etiketten versehen sind und so immer wieder neu beschriftetet werden
können.
Schubladen mit Beschriftung: Wenn Stauraum fehlt: Schubladenelemente aus dem Baumarkt können auch wunderbar auf der Arbeitsplatte gestapelt werden. Mit Etikett und Beschriftung

versehen, bringen sie Ordnung in die Küche und halten alles griffbereit.

Schubladen mit Foto: Do it Yourself-Tipp: Einfach den Inhalt abfotografieren und das Foto aufkleben, so weiß man immer genau, was drin ist.
Serviettenbox: Lange habe ich überlegt, wie ich meine vielen Servietten so unterbringen kann, dass sie keine Eselsohren bekommen. Diese Box steht nun offen auf der Anrichte – so sind sie schnell zur Hand und ich kann die Ausbeute meiner Sammelleidenschaft präsentieren.
Dosenbox: Mein Mann möchte immer viele Dosen mit passierten Tomaten im Haus haben – für seine legendäre Pasta Bolognese. In der Box haben sie es schön kuschelig und mir fallen sie nicht mehr auf die Füße, wenn ich hinten im Schrank nach Kichererbsen suche.
Kann es was Schöneres geben?

Kann es was Schöneres geben?

Allein das Aufschreiben unseres 24-Stunden-Chaos hat mich wohl so geschwächt, dass ich erstmal `ne Woche Migräne nehmen musste. Langsam ist es besser und ich kann wieder grade aus den Augen gucken. Dafür hat die Maus sich den ersten Kita-Virus des Jahres eingefangen, den sie großzügig mit uns und allem, was nicht bei drei auf den Bäumen ist zu teilen gedenkt. Deshalb nutze ich mal schnell den Moment, um die nächsten Stunden unseres Familientages in die Tasten zu kloppen, bevor mich der grippale Infekt niedersteckt…

Ich hatte also beschlossen, dass meine Tochter ihr „Chilli, Chilli“ alleine mit Kuscheltieren und Weihnachts-CD im Bett verbringt, statt mit Grüffelo und mir auf der Couch. Denn – wir erinnern uns – ich wollte noch
klar Schiff machen, bevor unser Besuch kommt, nämlich Sarah (4) und Linus (1) nebst ihrer Erziehungsberechtigten, meiner Freundin Sonja.
Es gibt ihn doch…

Jetzt ist das ja so eine Sache, wenn man etwas beschließt, dass die Kooperation eines Kleinkindes voraussetzt. In diesem Fall sah meine Maus die Situation etwas anders als ich und verlangte: „Lies mir den Grüffelo vor!“ „Das geht nicht, ich muss noch aufräumen!“ „Doch, das geht!“ „Nein, das geht nicht!“ „Wenn du jetzt nicht lieb bist, dann darf Sonja auch nicht zum Spielen kommen!“ „What??“ Wo hat sie das denn wieder her…

Also, was tun? Aufräumen, Obst schnippeln und Nachmittagsprogramm durchdenken WÄHREND Töchterlein im Hintergrund unablässig zürnt und wehklagt? Schon bei dem Gedanken daran, gerät mein Körper in diese typischen Stress-Schwingungen, die ich in letzter Zeit habe. Mir schwirrt der Kopf und es fühlt sich an, als sei meine Haut statisch aufgeladen. Kennt das jemand oder sollte ich mal einen Arzt konsultieren? Jedenfalls muss ein Kompromiss her. Oder noch besser: ein Anreiz!„Schahatz, wenn du jetzt schön alleine liest und mich aufräumen lässt, dann backen wir nachher alle zusammen“, säusele ich, nur um mich im nächsten Moment zu fragen, ob ich noch alle Tassen im Schrank habe.
Backen, mit drei Kids zwischen eins und vier? Mein stummes Zweifeln geht im Freudengeheul meiner Tochter unter. Ich kapituliere und laufe zum Küchenschrank, um die Backsachen zu checken. (Man sollte nichts versprechen, was man eventuell nur halten kann, wenn man vorher einen Großeinkauf macht…). Aber – Weihnachten ist ja noch nicht allzu lange her – es ist alles da. Ich schreibe meiner Freundin Sonja kurz, worauf sie sich einstellen soll und räume endlich auf. Die Maus liegt derweil selig auf der Couch und liest ihren Grüffelo alleine. Schließlich kann sie das ganze Buch auswendig. Ich packe derweil Butter, Eier, Zucker und jede Menge Streusel auf den Tisch und
danke dem Vermieter wieder einmal für unseren robusten Linoleum-Küchenboden….

Kurz nach vier klingelt es an der Tür und der Lärmpegel verzehnfacht sich schlagartig. Drei Kleinkinder könnten es dezibelmäßig locker mit einer vorbeidonnernden Elefantenherde aufnehmen. Und auch die Wohnung sieht nach zehn Minuten aus, als hätte genau diese Herde eine kleine Runde durch Wohnzimmer, Küche und Kinderzimmer gedreht:

Hüpfpferd Rody liegt nach einem Zusammenstoß mit dem Bobby Car hilflos auf dem Rücken. Fünf Dosen Knete sind leer und der Inhalt verteilt sich großflächig auf dem Wohnzimmerboden. Herumliegende Malstifte feiern einen bunten Reigen zwischen Sofa und Wohnzimmerschrank. Zwei Kinder streiten sich energisch um ZWEI Puppen. Warum hatte ich nochmal aufgeräumt?
Mein Mann ging kürzlich am Kindergarten vorbei und sah und hörte, wie eine der Erzieherinnen die Wichtelgruppe mit Kasernenhofstimme um die Rabatten scheuchte. Erst war ich etwas erschüttert, als er mir davon
erzählte. Jetzt verstehe ich sie nicht nur, sondern nehme sie zum Vorbild: „KOMPANIE!!!“ brülle ich in den Raum: „SAMMELN IN DER KÜCHE!“ Keine Reaktion. „UND ZWAR ZACKIG.“ Immerhin, Sonja steht stramm. Der Rest ignoriert mich standhaft. „Okay“, seufze ich in Zimmerlautstärke, „wollt ihr Plätzchen oder Schokoladenkuchen backen?“ Sonjas entsetzen Blick interpretiere ich falsch. „Hast du
meine Whatsapp nicht bekommen“, flüstere ich. „Doch. Aber jetzt hast du ihnen die Wahl gelassen!“ zischelt sie zurück.
Verhältnisse lernt man mit Kuchendiagramm

Au Backe! Sie hat Recht. Wenigstens habe ich jetzt schon mal alle in der Küche. „Plääätzchen!“, ruft Linus. „Schokokuchen!“, ruft meine Tochter. „NEIN, PLÄTZCHEN!“, „NEIN! SCHOKOKUCHEN!! MAMAAAA!!!“ brüllt meine Tochter, während sie theatralisch unter den Küchentisch sinkt. Die Rettung kommt schließlich von Sarah, die auch Schokokuchen will und sogar ein Einjähriger versteht, wann er verloren hat.

Der eigentliche Backvorgang verläuft dann so harmonisch, dass ich beschließe, sowas öfter zu machen. Mit Feuereifer helfen sechs kleine Hände
beim Wiegen, Abmessen, Mischen und Rühren und was dabei rauskommt, sieht aus, wie ein echter Schokokuchen. Während die Kids wieder in den üblichen Spiel- und Zankmodus verfallen, freue ich mich tatsächlich mal über unseren Ofen, der die Meinung vertritt: je schneller, desto besser. Für Plätzchen braucht er fünf Minuten, für Schokokuchen 15.
Unser Schokotraum

Dick mit Kuvertüre bestrichen steht er dann auf dem Tisch. Drum herum Schälchen mit Zuckerperlen, Schokostreusel, Smarties und Gummibärchen und nochmal drum herum drei Kinder und drei Erwachsene (mein Mann ist mittlerweile auch gekommen). Wie bei dieser Konstellation zu erwarten, endet der Nachmittag mit glücklichen Kindern im hyperaktiven Zuckerrausch. Ein paar Streuseln und Gummibärchen haben es dank uns Erwachsenen doch noch auf den Kuchen geschafft. Der Rest verteilt sich in Bäuche und auf dem Fußboden.

Es ist halb sieben. Die Küche braucht einen neuen Anstrich, mein Mann sein Abendessen und ich mein Bett. Wenn da nicht noch der Interviewtermin mit dem Vorstandsvorsitzenden wäre. Ich klaube mir Smarties und Gummibärchen aus den Haaren, wasche die Schokolade von meinen Händen und überlasse meinem Mann das Chaos, um mich im Arbeitszimmer zu sammeln und  vom Mamimodus in den Journalistinnenmodus umzuschalten.Um zehn vor sie en steht plötzlich meine Tochter in der Tür. Ich will ihr gerade erklären, dass ich keine Zeit habe, ihr etwas vorzulesen, ihr das Prinzessinnenkleid anzuziehen oder ein Wurstebrot
ohne Wurst zu schmieren, da kommt sie zu mir, legt die Arme um mich und sagt: „Mama, du bist meine beste Freundin.“ Hej, denke ich: Kann es etwas Schöneres geben, als unser Familienchaos?
Wem jetzt noch genau 5 Stunden und 10 Minuten unserer Chaos-Geschichte fehlen, der hat natürlich Recht. Aber ich muss ja arbeiten. Deshalb überlasse ich das Wort und den letzten Teil des Tages jemandem, der hier genauso mit drin hängt, wie ich: meinem Mann.
Die Einköchin

Die Einköchin

Klassentreffen sind doch was Feines. Mein Auto, mein Haus, mein Boot. Meine Wampe, meine Krähenfüße, meine verzogenen Abkömmlinge… Dieses Schicksal wird mich vielleicht in zwei Jahren ereilen, denn
dann ist das Abi schon zwanzig Jahre her (Oh mein Gott!). Auch ohne offiziellen Anlass finde ich es immer spannend zu sehen, wohin sich ehemalige Weggefährten so entwickeln. Zum Beispiel meine Buddys von der Journalistenschule.
 
Vor acht Jahren saßen wir noch einträchtig zusammen, die Zukunft war so was von offen. Hach! Und heute bin ich die Nachbarin und sehr glücklich damit. Und meine liebe Kollegin Sonja? Schreibt
investigative Artikel über Drogenkartelle in Mexiko, geht tauchen in der Südsee, verbringt ihre Geburtstage an der Copacabana  und fliegt mal eben übers Wochenende nach Afrika, weil sie dort ein Patenkind hat.
 
Ich sag immer: Treffen sich zwei Flugzeuge, in beiden sitzt Sonja! Während sich bei mir schon ein nervöses Ziehen in der Magengegend einstellt, wenn ich – huuuh – mit der Regionalbahn von Bonn nach
Köln fahren muss, jettet Mrs. Bonusmeile kreuz und quer über alle fünf Kontinente. Oder waren es sechs? Aber jetzt, JETZT, hat sie mich herausgefordert! Keine Sorge, ich plane keine einsame Backpacker-Tour durch Indien – hab‘ Rücken.
 
Ich werde einkochen! Denn das hat Madame zwischen Kambodscha, Bolivien und Nepal auch noch geschafft: Marmelade, Rumtopf und Chutney! Meine liebe Sonja, das ist ja nun wirklich mein Beritt. Äh – also
wäre es, wenn ich es könnte… Was war nochmal Chutney? Hmm… Hab ich eigentlich schon geschrieben, dass der heimische Herd nicht unbedingt mein Freund ist? Obwohl das doch zur ambitionierten Mutterschaft dazugehört.
 
Nein, ich habe keinen Pastinaken-Brei für mein Baby hergestellt, obwohl ich es mir doch so fest vorgenommen hatte. Bei uns gab es Gläschen und für meine Tochter war das definitiv die sicherere Wahl.
Kochen ist einfach nicht mein Ding. Wie sagte vorgestern mein Mann mit skeptischen Blick auf das Undefinierbare, was da im Topf vor sich hin blubberte und seltsame Gerüche verbreitete: „Wie soll das was werden, wenn du das Essen noch nicht mal abschmecken willst?“ – „Das soll ich probieren? Ich bin doch nicht lebensmüde!“
 
Jaaaaa, aber einkochen, das ist ja was ganz anderes. Man kann diese wunderschönen vintagemäßigen Weckgläser verwenden, tolle Etiketten gestalten und das Ergebnis dann auf dem Landhausküchenregal
ausstellen. Ich merke, dass eine gewisse Vorfreude in mir erwacht. Plötzlich fühle ich mich, wie eine dieser Landfrauen aus den englischen Country-Zeitschriften. So mit uriger Küche und einem Garten mit knorrigen Apfel- und Pflaumenbäumen unter denen Pferde, Schafe und ein Esel weiden… Aber ich schweife ab.
Also zunächst mal: Was koche ich ein? Laut Wikipedia kann man außer Hochzeitstorten ja so ziemlich alles auf diese Weise konservieren: Obst, Gemüse, Pilze, Fleisch und – ich muss mich korrigieren – sogar
Kuchen. Wow! Klingt großartig. Aber zunächst will ich es klassisch versuchen. Jeder fängt mal klein an… In Ermangelung eines eigenen Gartens mit altem Obstbaumbestand, gebe ich eine Bestellung bei meinen Eltern auf, die über dergleichen verfügen.
Eine Woche später stehe ich also hochambitioniert in der Küche. Vor mir Zwetschgen, Mirabellen und Sommerhimbeeren. Letztere wandern in meinen Mund, bevor ich sie einkochen kann. Sorry! Dem Steinobst rücke ich mit dem Messerchen zu Leibe, während ich die Gläser schön in der Mikrowelle sterilisiere und Wasser in einem kleinen Topf aufkoche.
Dann zwei Gläser mit Zwetschgen und ein Glas mit Mirabellen füllen. Heißes Wasser und Zucker dazu, bis das Obst ganz bedeckt ist und Deckel drauf. Damit mir die Gläser beim Einkochen nicht zu heiß werden und um die Ohren fliegen, bedecke ich den Topfboden mit einem Küchentuch. Dann Gläser rein, Wasser bis zum Kragen und eine Viertelstunde kochen. Alle rausnehmen und eine halbe Stunde abkühlen lassen. „It’s so easy“, trällere ich und fühle mich wie eine Hausfrau der 50er Jahre. Kurz bin ich versucht, mir Lockenwickler in die Haare zu drehen.
Motiviert von meinem Erfolg koche ich in den folgenden Tagen alles ein, was mir unter die Finger kommt: Äpfel mit Zimt, Kirschtomaten, Socken meiner Tochter, die mal wieder auf dem Boden rumliegen… Dann kommen echte Gerichte: Chili Con Carne und Bolognese, die mein Mann zubereitet (sicher ist sicher). Wie das alles schmeckt, weiß ich zwar nicht, aber es sieht toll aus. Meine Bilanz nach einer Woche: Der Keller ist voll (mit Küchenregal war leider nix, das Ganze muss dunkel und kühl stehen). Der lange und raue Bonner Winter kann kommen.
Zum krönenden Abschluss werde ich mich noch an den Kuchen im Glas wagen: Zitrone, Nuss und Schoko! Ich nehme mir vor, Sonja eine Auswahl zu schicken. Die kann sie bei ihrer nächsten Reise in den Koffer
packen. Dann hat sie was aus der Heimat, wenn sie am Ende der Welt mal die Sehnsucht packt.
Hä?

Hä?

Hinke mit dem Bloggen gerade etwas hinterher… Das hat mit der Zeitumstellung zu tun (Frau Aigner, wo muss ich unterschreiben?). Außerdem mit der Idee unserer Tochter, sich selbst den Schnuller zu entwöhnen, ohne allerdings mit den Entzugserscheinungen klarzukommen. Für unsere Schlafsituation bedeutet das eine Verschlechterung um 60 Prozent nächtlich und das bei einem generellen Level, den mein begeisterungsfähiges Ich mit „ganz okay“ bewerten würde. Leider hat sich dieses Ich jüngst zusätzlich in Luft aufgelöst, während „Geistig-klar“ mächtig angepisst aus der Kneipe zurückkam (siehe ‚Shabby oder schick‚) und mir nun die Stimmung verkatert. Über den Grund schreibe ich mal, wenn ich mich nicht mehr aufrege. Das kann dauern…

Wie dem auch sei, schlimmer geht immer und außerdem ist Fastenzeit, da soll man ja bekanntlich leiden. A propos, mein Mann hat mir übrigens letzte Woche gesagt, dass er mich nicht versteht. Das kam mir auch länger schon so vor, immer dann, wenn ich von aufzuhängenden Lampen, aufzuhebenden Socken oder einzukaufenden Luxusgütern (Deko im Shabby-Schick) spreche. Ich war fast erleichtert, dass die Einsicht endlich von ihm selbst kam und wollte gleich nach einem guten HNO fahnden, als er mich bremste und meinte, es läge wohl eher an meiner Art zu kommunizieren. War ja klar, dass ich wieder zum Sündenbock seiner alters- oder Metalcore-bedingten Defizite gemacht werde…

Unsere zielführenden Gespräche sehen in etwa so aus: Ich: „Meine Tante hat angerufen, wegen dem Haus.“ Er: „Welche Tante?“ Ich: „Na, meine Tante.“ Er (spitzfindig): „Du hast mehrere Tanten!“ Ich (Haare raufend): „Ja, aber welche ruft wohl wegen dem Haus an…“ Oder während einer Fahrt über eine nahegelegene Autobahn, die derzeit baustellenüberfrachtet die Pendler quält. Ich: „Kommen die denn jetzt pünktlich?“ Er: „Wer?“ Ich: „Ja, wenn die  jetzt im Stau stehen oder fahren die dran vorbei?“ Er: „Wer denn???“ Ich: „Oh Mann, deine Kollegen!!!“ Beiderseitiges Augenrollen. Augenrollende Smileys fand ich übrigens auch in einem Thread zum Thema „Frauen und Gedankensprünge“, denn natürlich habe ich mal wieder Doktor Google zum Thema befragt.

Ganz offensichtlich denken wir Frauen ja mit zwei Gehirnhälften. Und wenn sich jetzt links ein Gedanke bildet – vorausgesetzt er weiß wo links ist, ist ja ein weiblicher Gedanke – und der springt einfach mal spontan nach rechts rüber, nur weil es Spaß macht… schwups, kann der männliche Gesprächpartner nicht mehr folgen.Würde auch erklären, warum eine meiner besten Freundinnen und ich Unterhaltungen über Jahre hinweg fortsetzen, ohne, dass wir jedes Mal einleitende Worte brauchen. Nö, das geht dann einfach so. Ich sage unvermittelt: „Wenn man drüber nachdenkt, liegen die ja doch gar nicht so falsch!“ Und schon weiß sie, es geht um Fernbeziehungen oder um Osteopathie oder um die Frage, wie man den Neubefall von Kastanienbäumen durch die (wirklich) gemeine Miniermotte verhindert…

Aber gut: Et is wie et is, sagt der Kölner. Und ich gestehe, mir fehlt zwischen all dem Geröll, dass einem so den Alltag vermüllt, manchmal die Kraft und die Geduld für lange Einleitungen. Die Satzfragmente, die ich meinem Mann zuwerfe, erinnern ein bisschen an geistige Schnappatmung und tragen nicht zur Romantisierung des täglichen Einerleis bei. Eine Chicagoer Studie ergibt denn auch tatsächlich: Je näher sich zwei Menschen stehen, desto weniger tauschen sie aus. Sie setzen unbewusst voraus, dass ihr Partner genauso viel weiß wie sie selbst. Deswegen halten sie es offenbar nicht für nötig, den anderen zu informieren.“

Ist doch eigentlich ein Kompliment für meinen Mann… Okay, ist ja gut: Ich bestelle nen Logopäden und mein Mann den Elektriker: Vielleicht kann der was an seiner langen Leitung machen 😉