Seite wählen
Und der Mann hat doch das letzte Wort

Und der Mann hat doch das letzte Wort

Es kommt selten vor, dass meine Frau mir das Reden überlässt, also packe ich die Gelegenheit mal am Schopfe und bringe unser 24-Stunden-Chaos zu Ende.

Es war also Donnerstagabend, halb sieben. Meine Frau hatte sich ins Arbeitszimmer verkrümelt und mich mit unserem Krümel und den vielen anderen auf dem Küchenfußboden alleine gelassen. Mit dem Besen in der Hand und der Maus am Bein kehrte ich also erstmal ordentlich durch und ging im Geiste verschiedene Varianten von Abendmahlzeiten durch, die ich gerne gehabt hätte.

Rührei oder…

Schokokuchen mit Smarties gehörte definitiv nicht dazu, den Süßkram überlasse ich meiner Frau. Für die geht so was ja locker als Abendessen durch. Ich denke dagegen sehnsuchtsvoll an Burger mit Pommes, indisches Curry oder asiatische Reispfanne… Ein Blick in den Kühlschrank eröffnet mir dagegen drei Möglichkeiten: Rührei mit Schnittlauch, Rührei mit Tomaten oder Rührei mit Schnittlauch und Tomaten. Ich entscheide mich für letzteres und nehme mir vor, am nächsten Tag einen Großeinkauf zu machen.

Longing

Die Maus plappert währenddessen ohne Punkt und Komma. Ich bin da mittlerweile geschult: Das rauscht so an mir vorbei. Ich höre nur noch Sätze mit drei Ausrufezeichen. Deshalb sickert ihre Ansage: „Ich geh mal ins Arbeitszimmer, Mama besuchen“, auch etwas verspätet in mein Hirn. Oje, denke ich, Muttern hat bestimmt wieder nicht die Tür abgeschlossen. Wofür habe ich ihr eigentlich extra einen Schlüssel besorgt?

Ich erwarte schon eine hektisch zischelnde und händewedelnde Frau am Telefon, die versucht, unauffällig ihr Kind loszuwerden. Stattdessen sitzen beide harmonisch knuddelnd auf dem Bürostuhl. „Das Interview hat noch nicht angefangen. Aber weißt du, was die Maus eben zu mir gesagt hat: Mama, du bist meine beste Freundin!“ Ein strahlendes Weib, ein glückliches Kind. Alles in Butter! „Auf jetzt, Maus. Wir machen Essen“, scheuche ich Töchterchen zurück in die Küche und rufe meiner Frau zu: „Schließ mal die Tür ab.“

„So, jetzt gibt es Rührei“, verkünde ich siegesgewiss. Die Maus mag nicht viel, aber Rührei geht immer. „Ich will Würstchen!“ „Wir haben kei…“ „WÜÜÜÜÜRSTCHEEEEN!“ „Du darfst auch das Ei aufschlagen“, versuche ich es wieder. Keine Chance! Vor zwei Wochen hätte das noch gezogen, denke ich, während ich meine zeternde Tochter betrachte. Wir einigen uns dann auf Sardinen mit Zwiebeln. Wenigstens das ist immer ein Garant. Also noch! Jedenfalls haut sie sich die ganze Schüssel in den Kopp.

Beschrankt

Irgendwie so halb satt schleppe ich mich ins Wohnzimmer auf die Couch und beschließe zum hundertsten Mal, dass wir wenigstens Soßen und Suppen vorkochen müssen, um in so einem Fall vorbereitet zu sein. Das wäre es jetzt gewesen, eine schöne Bolognese…

Hang time

Während ich so vor mich hin grübele, hüpft Junior wie wild auf der Couch auf und ab. „Hej, hier wird nicht rumgesprungen“, sage ich zu ihr. „Papa! Papa! Papaaaaa!“ antwortet sie in einem Singsang mit leider drei Ausrufezeichen. „Ja?!“, belle ich. „Hang time machen!!!“ Och nö. Jetzt? „Papaaaaa!!!“ „Na gut, aber nur einmal“, sage ich und werfe sie schwungvoll bis kurz unter die Zimmerdecke. Tochter juchzt, meine Gelenke machen so ein ähnliches Geräusch. „Nochmaaaaal!“ War ja klar. Okay, seufze ich und werfe sie noch einmal in die Luft. Im Rücken macht sich schon ein verdächtiges Ziehen bemerkbar.

„Jetzt ist aber Schluss“, sage ich und greife mir das Tablet, um Nachrichten zu lesen. Es ist acht Uhr, von Müdigkeit beim Kinde keine Spur. Wir sollten das mit dem Zucker echt einschränken, denke ich, während sie wie eine Verrückte von einem Zimmer ins nächste rast und irgendeinen imaginären Löwen verfolgt. Vor neun wird sie niemals schlafen und ich sehne meinen Feierabend herbei. Von meiner Frau ist noch nichts zu sehen, wahrscheinlich schreibt sie das Interview doch gleich runter oder sie bloggt schon wieder…

Zähneputzen leicht gemacht

Ich beschließe, meine Tochter jetzt so richtig müde zu machen, hieve die schweren Knochen von der Couch und jage sie durch die Wohnung. Gut, dass unter uns niemand wohnt. Immer noch zappelnd und verschwitzt sitzt sie schließlich auf der Couch und lehnt sich an mich: „Papa, du bist meine beste Freundin!!!“ Ich muss grinsen. „So, kleine Freundin, und jetzt werden Zähne geputzt.“

Seit ich ihr jeden Abend meinen kürzlich gezogenen Weisheitszahn, inklusive eindrucksvollem Loch zeige und ihr sage, dass das mit ihren Zähnen passieren kann, wenn sie nicht richtig putzt, klappt das Ganze wie von selbst. Alle anderen Versuche mit Karius und Baktus-Geschichten und Zahnputzliedern hatten vorher versagt. Manchmal muss man eben anschaulich werden. Ich schaue auf die Uhr: Zehn vor neun! Eigentlich könnte ich mal nach meiner Frau gucken.

Vorsichtig öffne ich die Tür und ernte ein Zischeln und wedelnde Hände. Dabei ist sie gar nicht mehr am Telefon. Na super, übersetzt soll das wohl heißen, das ganze Abendritual bleibt an mir hängen. Und das nach DEM Tag. Die Arbeit war heute auch nicht gerade ein Zuckerschlecken… Aber es hilft nix, da muss ich jetzt durch: Die Tochter für die Nacht einkleiden, OHNE dass meine Frau die Klamotten rausgelegt hat. Eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit…

Ohne Lillifee ins Bett

15 schweißtreibende Minuten später, liegt die Maus endlich im Bett. Vorher hat sie mir dreimal die Freundschaft aufgekündigt, weil sie nicht mehr auf die Toilette wollte, ich das Pferdeoberteil nicht gefunden habe, (also ich habe viele Pferdeoberteile gefunden, aber eben nicht DAS) und weil ich mich geweigert habe, ihr Prinzessin Lillifee vorzulesen. Da braucht man echt ne Sonnenbrille, bei dem pinken Geglitzer.  Wieso haben wir das überhaupt. Ich habe mal gelesen, dass Mädels, die mit Lillifee aufwachsen, niemals Vorstandsvorsitzende werden.

A propos, meine Frau ist immer noch nicht aufgetaucht. Jetzt kann sie sich Zeit lassen. Dann kann ich in Ruhe meine Serie gucken. „Breaking Bad“, Staffel drei, Folge 11. Hehe!! „Papa!“ Ein Ausrufezeichen, so was höre ich nicht. „Papa!!“ Ich bin gar nicht da. „Papa!!!!!“ Ok, das war deutlich. „Was denn?“ rufe ich entnervt. „Kannst du mich graulen und dabei Sankt Martin singen?“ „Äh. Ich hole mal deine Mutter!“ Die kommt mir Gott sei Dank entgegen und sieht fit genug aus, um diese Aufgabe zu übernehmen. „Ein bisschen mehr Begeisterung, bitte!“

Der Abend endet um 23 Uhr. Ich habe zwei Folgen Breaking Bad intus. Meine Frau ratzt seit halb zehn auf dem Sofa. Also, ab ins Bett.

Hustensaft zur guten Nacht

Müßig zu erwähnen, dass unsere Tochter uns um 0:30 weckt, weil es ihr nicht gut geht. Der Rest der Nacht vergeht mit Husten, Fiebermessen und Gemaunze wie im Flug und schon ist wieder morgen! Neuer Tag, neues Glück!

Falls ihr Teil eins bis vier verpasst habt: Hier sind sie.

Ein Tag in der Familie der Nachbarin

Immer noch Tag eins!

Alle guten Dinge…

Kann es was Schöneres geben?

Kann es was Schöneres geben?

Kann es was Schöneres geben?

Allein das Aufschreiben unseres 24-Stunden-Chaos hat mich wohl so geschwächt, dass ich erstmal `ne Woche Migräne nehmen musste. Langsam ist es besser und ich kann wieder grade aus den Augen gucken. Dafür hat die Maus sich den ersten Kita-Virus des Jahres eingefangen, den sie großzügig mit uns und allem, was nicht bei drei auf den Bäumen ist zu teilen gedenkt. Deshalb nutze ich mal schnell den Moment, um die nächsten Stunden unseres Familientages in die Tasten zu kloppen, bevor mich der grippale Infekt niedersteckt…

Ich hatte also beschlossen, dass meine Tochter ihr „Chilli, Chilli“ alleine mit Kuscheltieren und Weihnachts-CD im Bett verbringt, statt mit Grüffelo und mir auf der Couch. Denn – wir erinnern uns – ich wollte noch
klar Schiff machen, bevor unser Besuch kommt, nämlich Sarah (4) und Linus (1) nebst ihrer Erziehungsberechtigten, meiner Freundin Sonja.
Es gibt ihn doch…

Jetzt ist das ja so eine Sache, wenn man etwas beschließt, dass die Kooperation eines Kleinkindes voraussetzt. In diesem Fall sah meine Maus die Situation etwas anders als ich und verlangte: „Lies mir den Grüffelo vor!“ „Das geht nicht, ich muss noch aufräumen!“ „Doch, das geht!“ „Nein, das geht nicht!“ „Wenn du jetzt nicht lieb bist, dann darf Sonja auch nicht zum Spielen kommen!“ „What??“ Wo hat sie das denn wieder her…

Also, was tun? Aufräumen, Obst schnippeln und Nachmittagsprogramm durchdenken WÄHREND Töchterlein im Hintergrund unablässig zürnt und wehklagt? Schon bei dem Gedanken daran, gerät mein Körper in diese typischen Stress-Schwingungen, die ich in letzter Zeit habe. Mir schwirrt der Kopf und es fühlt sich an, als sei meine Haut statisch aufgeladen. Kennt das jemand oder sollte ich mal einen Arzt konsultieren? Jedenfalls muss ein Kompromiss her. Oder noch besser: ein Anreiz!„Schahatz, wenn du jetzt schön alleine liest und mich aufräumen lässt, dann backen wir nachher alle zusammen“, säusele ich, nur um mich im nächsten Moment zu fragen, ob ich noch alle Tassen im Schrank habe.
Backen, mit drei Kids zwischen eins und vier? Mein stummes Zweifeln geht im Freudengeheul meiner Tochter unter. Ich kapituliere und laufe zum Küchenschrank, um die Backsachen zu checken. (Man sollte nichts versprechen, was man eventuell nur halten kann, wenn man vorher einen Großeinkauf macht…). Aber – Weihnachten ist ja noch nicht allzu lange her – es ist alles da. Ich schreibe meiner Freundin Sonja kurz, worauf sie sich einstellen soll und räume endlich auf. Die Maus liegt derweil selig auf der Couch und liest ihren Grüffelo alleine. Schließlich kann sie das ganze Buch auswendig. Ich packe derweil Butter, Eier, Zucker und jede Menge Streusel auf den Tisch und
danke dem Vermieter wieder einmal für unseren robusten Linoleum-Küchenboden….

Kurz nach vier klingelt es an der Tür und der Lärmpegel verzehnfacht sich schlagartig. Drei Kleinkinder könnten es dezibelmäßig locker mit einer vorbeidonnernden Elefantenherde aufnehmen. Und auch die Wohnung sieht nach zehn Minuten aus, als hätte genau diese Herde eine kleine Runde durch Wohnzimmer, Küche und Kinderzimmer gedreht:

Hüpfpferd Rody liegt nach einem Zusammenstoß mit dem Bobby Car hilflos auf dem Rücken. Fünf Dosen Knete sind leer und der Inhalt verteilt sich großflächig auf dem Wohnzimmerboden. Herumliegende Malstifte feiern einen bunten Reigen zwischen Sofa und Wohnzimmerschrank. Zwei Kinder streiten sich energisch um ZWEI Puppen. Warum hatte ich nochmal aufgeräumt?
Mein Mann ging kürzlich am Kindergarten vorbei und sah und hörte, wie eine der Erzieherinnen die Wichtelgruppe mit Kasernenhofstimme um die Rabatten scheuchte. Erst war ich etwas erschüttert, als er mir davon
erzählte. Jetzt verstehe ich sie nicht nur, sondern nehme sie zum Vorbild: „KOMPANIE!!!“ brülle ich in den Raum: „SAMMELN IN DER KÜCHE!“ Keine Reaktion. „UND ZWAR ZACKIG.“ Immerhin, Sonja steht stramm. Der Rest ignoriert mich standhaft. „Okay“, seufze ich in Zimmerlautstärke, „wollt ihr Plätzchen oder Schokoladenkuchen backen?“ Sonjas entsetzen Blick interpretiere ich falsch. „Hast du
meine Whatsapp nicht bekommen“, flüstere ich. „Doch. Aber jetzt hast du ihnen die Wahl gelassen!“ zischelt sie zurück.
Verhältnisse lernt man mit Kuchendiagramm

Au Backe! Sie hat Recht. Wenigstens habe ich jetzt schon mal alle in der Küche. „Plääätzchen!“, ruft Linus. „Schokokuchen!“, ruft meine Tochter. „NEIN, PLÄTZCHEN!“, „NEIN! SCHOKOKUCHEN!! MAMAAAA!!!“ brüllt meine Tochter, während sie theatralisch unter den Küchentisch sinkt. Die Rettung kommt schließlich von Sarah, die auch Schokokuchen will und sogar ein Einjähriger versteht, wann er verloren hat.

Der eigentliche Backvorgang verläuft dann so harmonisch, dass ich beschließe, sowas öfter zu machen. Mit Feuereifer helfen sechs kleine Hände
beim Wiegen, Abmessen, Mischen und Rühren und was dabei rauskommt, sieht aus, wie ein echter Schokokuchen. Während die Kids wieder in den üblichen Spiel- und Zankmodus verfallen, freue ich mich tatsächlich mal über unseren Ofen, der die Meinung vertritt: je schneller, desto besser. Für Plätzchen braucht er fünf Minuten, für Schokokuchen 15.
Unser Schokotraum

Dick mit Kuvertüre bestrichen steht er dann auf dem Tisch. Drum herum Schälchen mit Zuckerperlen, Schokostreusel, Smarties und Gummibärchen und nochmal drum herum drei Kinder und drei Erwachsene (mein Mann ist mittlerweile auch gekommen). Wie bei dieser Konstellation zu erwarten, endet der Nachmittag mit glücklichen Kindern im hyperaktiven Zuckerrausch. Ein paar Streuseln und Gummibärchen haben es dank uns Erwachsenen doch noch auf den Kuchen geschafft. Der Rest verteilt sich in Bäuche und auf dem Fußboden.

Es ist halb sieben. Die Küche braucht einen neuen Anstrich, mein Mann sein Abendessen und ich mein Bett. Wenn da nicht noch der Interviewtermin mit dem Vorstandsvorsitzenden wäre. Ich klaube mir Smarties und Gummibärchen aus den Haaren, wasche die Schokolade von meinen Händen und überlasse meinem Mann das Chaos, um mich im Arbeitszimmer zu sammeln und  vom Mamimodus in den Journalistinnenmodus umzuschalten.Um zehn vor sie en steht plötzlich meine Tochter in der Tür. Ich will ihr gerade erklären, dass ich keine Zeit habe, ihr etwas vorzulesen, ihr das Prinzessinnenkleid anzuziehen oder ein Wurstebrot
ohne Wurst zu schmieren, da kommt sie zu mir, legt die Arme um mich und sagt: „Mama, du bist meine beste Freundin.“ Hej, denke ich: Kann es etwas Schöneres geben, als unser Familienchaos?
Wem jetzt noch genau 5 Stunden und 10 Minuten unserer Chaos-Geschichte fehlen, der hat natürlich Recht. Aber ich muss ja arbeiten. Deshalb überlasse ich das Wort und den letzten Teil des Tages jemandem, der hier genauso mit drin hängt, wie ich: meinem Mann.
Alle guten Dinge…

Alle guten Dinge…

…sind definitiv mehr als drei. Jedenfalls, was die Geschichte unseres 24-Stunden-Chaos angeht. Man könnte jetzt schwächeln, aber es muss ja weitergehen. Schließlich ist erst halb drei. Also nun der dritte Teil und wer uns bis jetzt entschuldigt hat, wird spätestens hier merken: Wir haben wirklich ernstzunehmende Probleme.

Es gibt Regeln, die hören sich so einfach an und doch bringen sie mich, die so gerne regelkonform leben möchte muss irgendwas mit meiner Sauberkeitserziehung zu tun haben manchmal – oder auch täglich – an meine Grenzen. Es geht um diesen handgeschriebenen Zettel, der da so unschuldig im Kita-Flur rumhängt: „Liebe Eltern! Wir möchten Sie freundlich bitten, die Kita bis 14:30 Uhr verlassen zu haben, damit wir uns ungestört den Nachmittags-Kindern widmen können.“

Mein Sargnagel

So weit, so einleuchtend und für viele Eltern offensichtlich spielend machbar. Für mich und vier weitere Mitstreiterinnen, die jeden Mittag krebsrot und zerzaust in der Kita antraben und ihre Kinder fluchend vom Gelände zerren, eher von der Kategorie „was das Leben so schwer macht“. Vor allem im Winter, wenn man den empfohlenen Zwiebellook ernst nimmt. Vor allem, wenn das Kind einem 25 Seiten handbemaltes Druckerpapier in die Hand drückt, das „weder geknickt, noch gerollt“ werden darf. Und vor allem, wenn es dazu noch die drei Bälle mitnehmen will, die es im Laufe der Woche mit in die Kita geschleppt hat.

Zwischen 14:28 Uhr und – wenn es echt gut läuft – 14:30 Uhr steigt daher der Stresspegel im Kita-Flur sekündlich an. „Mama von der Mauhaus! Kannst du uns bitte mal durchlassen“, piepst es hinter mir, während ich auf dem Boden kniend meiner Tochter das zweite Paar Socken überstreife und dabei den Weg zum Waschraum versperre. „Du hast mein Bild geknickt“, heult die Maus, während ich mich irgendwo Halt suchend ächzend aufrappele, um sechs Nachmittags-Kinder durchzulassen, die sich vor dem ‚Kaffestündchen‘ noch die Hände waschen sollen.

An unserem besagten Donnerstagnachmittag verschärft sich die Lage noch auf unvorhergesehene Weise, denn ich muss mich in die Reservierungsliste für den Kita-Frühlingsflohmarkt eintragen und finde keinen Stift. Die Uhr tickt unbarmherzig weiter, während ich hektisch meinen offensichtlich bodenlosen Rucksack durchforste und sich dabei eine Packung mit Himbeeren öffnet. Weiches magentafarbenes Monsterflecken-Potential ergießt sich in meine Tasche und auf den Kita-Flur. Oh Mann, ich wusste gleich, ich hätte im Winter kein Sommerbeeren kaufen sollen. Jetzt habe ich den Salat.

Himbeer-Alarm

Meine Tochter beobachtet das Geschehen mitfühlend und feuert mich leise an, während ich nun gaaaanz vorsichtig meine Tasche ausräume. Was da alles rauskommt: Allen voran rette ich mein geliebtes Pip Studio-Portemonaie, das mir mein Mann zum 35sten geschenkt hat. Es folgen zwei Kinderschlüpper, eine Leggins, mein Taschenkalender, fünf fusselige Hustenbonbons, zwei Ibuprofen, drei Quittungen, eine Eintrittskarte für das Naturkundemuseum, ein Weihnachts-Rubbellos mit einem Gewinn von 1 Euro (ach, da war das) und drei Pixibücher. Dazu Taschentücher, Haargummis, ein Regenschirm und KEIN Stift. Dafür natürlich viele, viele dankenswerterweise unbeschädigte Himbeeren.

„Mama im Schirm steckt noch was Rotes“, kommt der hilfreiche Hinweis meiner Tochter, als ich alles wieder einräume. Mist! Und der Ärmel meiner Daunenjacke hat auch was abbekommen. Egal! Nur raus hier! Ich sammele unsere 700 Sachen und marschiere hoch erhobenen Hauptes im Stechschritt vor meiner Tochter her in die Wintersonne hinaus! Kaum ist die Kita-Tür hinter uns ins Schloss gefallen nutzt sie den Moment, um sich in ihren nachmittäglichen, erschöpfungsbedingten Unterzuckerungs-Heulkrampf hineinzusteigern. Normalerweise schaffen wir es vorher nach Hause.

Es ist diese Art Anfall, der gestylte Geschäftsfrauen die Augenbrauen hochziehen und
vorbeijoggende Silver-Ager verschreckt das Handy zücken lässt, um vorsorglich einen Anruf beim Jugendamt zu tätigen. Mein Kind steht in einer Pfütze, während ich weitergehe: „Maaaamaaaaa! Lass mich nicht alleeeeeiiiiin!“ Ich greife nach ihrer Hand: „Aaaaaauuuuuuaaaaaa!“ Meine Geduld ist am Ende und ich schnauze pädagogisch wertvoll: „Hör jetzt auf mit dem Theater“ So sanft wie möglich ziehe ich sie mit mir, denn ich weiß, das Heil liegt nur 150 Meter entfernt und hört auf den Namen: Nachmittags-Kakao.

Maus allein in der Pfütze

Irgendwie schaffen wir es unbehelligt bis in den Hausflur, wo sich die letzten Ressourcen der Maus schlagartig in Luft auflösen. „Trag mich die Treppe hoch!“ Ein Blick auf ihre schlammigen Gummistiefel und ich verwerfe den Ansatz ‚Um-des-lieben-Frieden-willens‘ zugunsten von: „Komm, das schaffst du noch. Wer zuerst oben ist, hat gewonnen.“ Aus dem Wettrennen wird dann eher ein halb zog sie sie, halb sank sie hin, aber irgendwann stehen wir vor der Wohnungtür.

Zwischen uns und dem ‚Kakao der Ruhe und des Seelenfriedens‘ liegt jetzt nur noch eine entscheidende Hürde: das Hände waschen. Ja, und das Ausziehen, aber das ist nicht das Problem. Sobald Mäuschen die Wohnung betritt, spritzen in Nanosekundenschnelle 35 Oberbekleidungsstücke nebst schlammigen Stiefeln in allen Richtungen von meinem Kind ab. Ein Ritual, das sie jedoch seit eineinhalb Jahren in Frage stellt, ist das Händewaschen nach der Kita, BEVOR sie diese multiresistenten kleinen Kita-Bazillen auf dem Sofa, ihren Spielsachen und dem Küchentisch verteilt. Da werde ich schon mal hektisch…

1-Quadratmeter-WC

Nach monatelangem Hinterherhechten, gut zureden, hysterisch ankeifen, sperre ich uns mittlerweile so lange im 1-Quadratmeter-Gäste-WC ein, bis sie die kleinen Teufelchen den Abfluss runtergespült hat. Das werden dann schon mal lange 20 Minuten. Aber hey, es muss doch auch Regeln geben. Ich erwäge, den Raum mit Comics zu tapezieren, das habe ich schon mal irgendwo gesehen. Dann wird die Zeit nicht so lang, während ich zwischen Tochter, Kloschüssel und Mini-Waschbecken auf einem Bein balanciere.

Pünktlich um drei sitzt die Maus dann sauber und immer noch unterzuckert am Küchentisch und erwartet bebend ihren Nachmittags-Kakao. Milch ins Glas. Glas in die Mikrowelle. Pulver und Löffelchen reichen. Die Maus füllt das Pulver ein, ich muss rühren. Die Struktur muss schließlich gewahrt werden, wir haben hier ein Jungfrau-Kind. Dann geht es weiter: „ZU WARM!!!“ Soll heißen zu kalt. Ich stelle den Kakao nochmal in die Mikrowelle. „Jetzt ist er zu KAAALLLT!“ Soll heißen zu warm. Das muss man wissen. Pusten und rühren…

Mittlerweile ist das Kind kaum noch in der Lage, das Glas zu heben. Mit ein wenig Zureden und Hilfestellung setzt sie es irgendwann doch an die zitternden Lippen und haut das Zeug in einem Zug runter. Sofort kehrt Entspannung ein. Jetzt ist sie bereit für etwas, dass sich „Chilli, Chilli“ nennt und ihr Bett, 17 Kuscheltiere, ebenso viele Bücher und eine Weihnachts-CD beinhaltet. Oder wahlweise die Couch, eine Kuscheldecke, den „Grüffelo“ und meine Wenigkeit, die ihn gefühlte 23 Mal hintereinander vorträgt. In diesem Fall entscheiden wir uns einhellig für ersteres, denn in einer halben Stunde steht der Besuch auf der Matte und hier sieht es schon wieder aus…

An dieser Stelle, wollte ich ja eigentlich schon durch sein, mit unserem 24-Stunden-Tag. Aber es ist gerade mal eine Stunde vergangen. Wenn das so weitergeht, muss ich wohl doch ein Buch draus machen… Oder ich gönne uns noch ein oder zwei Posts. Mutige folgt mir!! Alle anderen: Stoßt bitte übernächste Woche wieder zu uns.

Ein Tag in der Familie der Nachbarin!

Ein Tag in der Familie der Nachbarin!

So, das musste raus aus der Feder. Ich bin ja sonst eher der Schreiberling, aber als ich mal angefangen hatte… Anlass war diese Umfrage der Elternzeitschrift, bei der 56 Prozent der Männer und 73
Prozent der Frauen angaben: „Den meisten Stress in Sachen Erziehung und Familienarbeit mache ich mir selbst.“ Das ging natürlich in der Presse rauf und runter. Nach dem Motto: Gott sei Dank, Gesellschaft, Politik und Arbeitgeber sind aus dem Schneider, die perfektionsgeilen Damen (und einige Herren) Eltern stressen sich ja bloß selber. Von wegen Vereinbarkeitsbarkeitsprobleme und so. Alles völlig übertrieben. Zurücklehn!

Nachdem ich meine erste Reaktion abgekühlt hatte, indem ich den Kopf in den Eisschrank hielt (man muss ja auch an seinen Blutdruck denken), fing ich also an zu zeichnen. Weil ich aber ja ein Schreiberling bin und das auch besser kann, muss ich jetzt doch einen Beitrag dazu loswerden. Nämlich: Ein Tag in der Familie der Nachbarin! Es könnte der längste Post dieses Blogs werden oder vielleicht der längste aller Zeiten. Vielleicht schreibe ich auch ein Buch, aber irgendwie muss ich diesen Wahnsinn hier mal dokumentieren.

Wer also weder Zeit noch Muße hat, diesen beschwerlichen Weg mit mir zu gehen (ich kanns keinem verdenken), nehme hier die Ausfahrt und schaue sich einfach das Bildchen an. Mit den Tasten Strg und + kann man es ranzoomen :-))

Ein Tag in der Familie der Nachbarin!

Morgens 7 Uhr 15 Uhr in Deutschland. Ich wache auf, weil irgendwo ein Kind nach „KAKAAAOOO“ schreit und bin im ersten Moment völlig orientierungslos. Dann dämmert es mir. Ich bin heute Nacht aus dem Elternbett ausgezogen – mal wieder – nachdem Töchterlein – wie immer – um halb drei aus ihrem Bett in unseres gewankt kam, um sich dort in gewohnter Manier (Kopf Richtung Vater, Füße in meine Nieren) zwischen uns zu quetschen und sich dann im Zehnsekundentakt zu drehen und zu jammern.

Flopsi, Tupsi und Schnurzi

Wo ich mich jetzt aufhalte, verrät mir ein Geruch, der entfernt an Hamsterkäfig erinnert. Meine Finger ertasten da außerdem etwas Weiches: Ah ja, Flopsi, Tupsi, Schnurzi, Furzi (oder so ähnlich) verteilen sich um meinen Kopf herum: Ganz klar! Ich liege im Kinderbett. Und gedenke dort auch liegen zu bleiben, denn „Kakao!!!“ ist morgens ganz klar eine Ansage an meinen Mann. So will es die Aufteilung. Außerdem muss ich mich erst sammeln. Nach der – wie immer – unterbrochenen Nacht und sagen wir sechs Stunden Schlaf netto, fühle ich mich – wie immer – dem morgendlichen Multitasking nicht gewachsen.

„Wo ist meine Jacke? Wo sind meine Socken? Wo ist meine Hose?“, heißt es jeden Morgen im Minutentakt! Und meine Tochter will auch ständig was. Das raubt mir schon jede Energie, wenn ich nur daran denke. Ich liege also da, mit der Decke über dem Kopf und erwarte, dass mein Mann meiner Tochter einen Kakao macht. Aber was ist das? Ich höre ihn ins Badezimmer abbiegen. Er wird doch  nicht… Doch er wird! Das fragile Kartenhaus, das sich bei uns Routine nennt, bricht gerade in sich zusammen, als meine Tochter das Bett – und mich – entert und mir die ersten Hämatome des Tages verpasst. „Mama!!! Mach mit bitte Kakao!!“ „Aber dein Vater…“ – hatte ein dringendes Bedürfnis.

Nu denn! Ich quäle mich aus dem Bett und dann fällt es mir ein: Es ist schon wieder Donnerstag! Das heißt, mein Mann hat – wie immer am Donnerstag – einen wichtigen Jour Fixe in der Nachbarstadt und meine Tochter Kita-Turnen, das sie so liebt. Das heißt wiederum: Ich muss sie pünktlich zwischen 8 und 8 Uhr 15 zur Turnhalle bringen UND sie frühstückt zu Hause, statt in der Kita UND mein Mann hat keine Zeit, irgendwas zu übernehmen. Ich hasse Donnerstage! Habe meinem Mann schon einen Jobwechsel ans Herz gelegt, aber er fand das übertrieben…

Frühstücksbrot, verschmäht

Der Kakao ist getrunken, ein Knäckebrot mit Marmelade bestrichen, die Uhr zeigt halb acht. Im Kopf gehe ich durch, was noch zu tun ist: Kind frühstücken lassen, Kind die Zähne putzen, Kind die Haare flechten, Kind anziehen. Sporttasche checken, Kleidung für nach dem Sport eintüten, Matschehose, Handschuhe, Schal, Mütze. Oh Mist! Mich selbst muss ich ja auch noch fertig machen… Später!

Kind beißt einmal ins Knäckebrot und mag dann nicht mehr. Dafür hat sie jetzt Marmelade in den Haaren. „Ich muss das jetzt auswaschen und dann kämmen!“ „Neeeeeiiiiiin!“ „Doch, du brauchst Zöpfe, sonst hängen deine Haare beim Turnen ständig im Gesicht!“ „Auuuuuuuaaaaaa!“ „Wir können deine Haare auch abschneiden!“ „Neeeeeiiiiiiin!“ (Das kommt von meinem Mann aus dem Badezimmer) „Mach du ihr doch die Haare!!“ Irgendwie kriege ich trotz Gezappel und Gejaule zwei anständige Zöpfe geflochten. Es ist Viertel vor acht.

„So jetzt hier Klamotten! Zack, zack, zack!“ Aber „zack, zack, zack“ is nich mit einer Dreijährigen, die ihre Spielsachen die ganze Nacht nicht gesehen hat. „Ich muss noch grad den Fluffi…“ „Nein, du kommst jetzt bitte her, sonst kommen wir zu spät zum Turnen. Herkommen!!! Ah gut. … Nein!!!! Hiergeblieben!!!“ Und schon ist sie wieder weg.

Neben Donnerstagen hasse ich übrigens den Winter: Unterhose, Leggins, dünne Socken „Nicht die Leggings ÜBER die Socken, die Socken ÜBER die Leggins!!!“, dicke Socken, Hose. „Nein nicht die Jeans!! Ich habe Angst vor dieser Jeans!!!“ Unterhemd, Pulli. „Sag mal ist dein Kopf wieder größer geworden? Ich krieg… das nicht… drüber!“ „Auuuuuaaaa!“ – „Was macht ihr denn wieder hier, Mädels??“ Ach, mein Mann ist ja auch noch da. Frisch geduscht, frisch, rasiert, im Anzug – er sieht umwerfend aus. Ich dagegen rieche wie etwas, das man schnell im Biomüll entsorgen will. Und es ist schon fünf vor acht.

„Kannst du ihr die Zähne putzen? Ich muss mich noch anziehen.“ „Ja, klar!“ Oh, er ist echt zu süß, riskiert sogar Prinzessin-Lillifee-Zahnpasta-Kleckse auf seinem Hugo Boss. Ein echter Daddy eben!! Schnell werfe ich mir irgendwas über und fahre mir alibimäßig dreimal mit der Zahnbürste durch den Mund. Dr. Hund würde sich mal wieder die Haare raufen. Apropos Haare: Kämmen? Zwecklos! Naturlocken und Heizungsluft: Im Winter baut jemand darin nachts sein Nest und haut dann ab… Also, mit dem Haargummi festzurren und Kapuze auf.

Durchschnittlicher Klamottenberg für einen Ausflug im Winter

Das Kind steht mehr oder weniger fertig im Wohnungsflur. Das muss noch mit und das muss noch mit… – „Schatz! hast du meine Uhr gesehen…?“ „Nicht jetzt!! Können wir uns darauf einigen, dass du mich morgens nicht mehr fragst, wo deine Sachen sind? Es reicht, wenn ich zwei Leute fertig machen muss.“ „Wir müssen auch gar nicht mehr miteinander reden…“ Oh, jetzt ist er motzig. Nicht gut! Und es ist 8 Uhr 5. Jetzt müsste ich mir eigentlich Zeit zur deeskalierenden Kommunikation nach Marshall B. Rosenberg nehmen. Aber wir müssen lohoooos! „Kind, nimm noch eine Banane für den Weg und dann ab dafür!“


Während meine Tochter durchaus kooperativ, aber in Schildkrötengeschwindigkeit die Treppe hinunterbalanciert, mache ich den Buggy fertig. Normalerweise geht sie an der Hand, aber heute müssen wir joggen. Kind also mit Müh und Not festgezurrt, Schlüssel fürs Gartentor kurz verlegt und wiedergefunden. Turnbeutel, Matschehose. Alles da! Bis mir am besagten Gartentor auffällt: Es sind drei Grad und das Kind hat weder Schal noch Mütze an. 

„Werd grün!!!!“

Also zurückgejoggt und beides aus dem Schrank gerissen. Es ist 8 Uhr 12 Uhr mein Puls auf 180. Ich rase mit meiner Tochter im Buggy dahin, brülle die Ampel an, damit sie grün wird, grüße links und rechts ein paar Nachbarn und schaffe es Schlag 8:17 Uhr zur Turnhalle. Die Tür ist schon zu. Also zerre ich mein Kind auf dem Flur aus seinen Sachen und bugsiere es mit der einen Hand in die Halle, während ich mit der anderen versuche Socken, Hose, Strickjacke Jacke, Schal, Handschuhe, Mütze und Turnbeutel festzuhalten.


Drinnen sitzen 20 Kinder im Kreis und starren uns an. Die beiden Erzieherinnen stehen in der Mitte und machen irgendeine Ansage, als wir reinkommen. „Oh, die Maus hat sich schon draußen umgezogen.“ „Ja, wir dachten, ihr hättet schon angefangen und wollten nicht stören.“ „Ach, das ist aber nett. Und was für hübsche Zöpfchen du hast!“ Na, wenigstens hier herrscht gute Laune. Ich würde ja gerne bleiben, aber die Arbeit ruft. Also knalle ich das Klamottenbündel auf irgendeinen Stuhl, winke meinem Töchterlein zu, das irgendwo rumsteht und mir etwas verloren hinterher blickt und siehe – nicht ohne Rabenmuttergefühl – zu, dass ich Land gewinne…



Um diesen Editor und euch geneigte Leser, die ihr mir bis hierhin gefolgt sein (wow!) nicht überzustrapazieren, habe ich beschlossen, den „Tag in der Familie der Nachbarin“ in mehrere Kapitel, sprich Beiträge aufzuteilen. Quasi als Fortsetzungs-Post. Teil zwei kommt am Donnerstag! Lest rein, wenn ihr mögt!

Weitere erschienene Beiträge der Serie:

Immer noch Tag eins!

Alle guten Dinge…

Kann es was Schöneres geben?

Und der Mann hat doch das letzte Wort
 

Total unpolitisch!

Total unpolitisch!

So, das neue Jahr ist dreizehn Tage alt, die Nachbarin heute ganz genau ein Jahr (Happy Birthday, altes Haus!!!) Und ich fühle mich in der Tat etwa zwei Monate jünger, als noch beim letzten Post. Soll heißen statt Ende 47 mehr so Mitte 47. Das ist doch schon mal was!

Ob es an meiner Low-Carb-Diät liegt, bei der man alles Leckere weglässt und die ich seit sage und schreibe 12 Tagen durchhalte. Oder an dem Quentchen mehr Bewegung, die ich mir in letzter Zeit gegönnt habe (Schneemann bauen, Schlitten plus Pirelli-Tochter den Berg hoch ziehen). Oder aber doch an den drei Wochen Urlaub, die hinter mir liegen – ich weiß es nicht. Aber ich mache erst mal so weiter! Also, abgesehen
vom Urlaub. Seufz!
Die Nachrichten(p)lage
Was an meiner wundersamen Verjüngung sicherlich nicht schuld ist, ist die Nachrichtenlage, der ich mich ja – gemäß meiner guten Vorsätze für 2015 – seit einigen Tagen widme. Ich weiß nicht, wie es Euch so geht, aber wenn ich dieses Jahr ein erstes graues Haar auf meinem Kopf finden sollte, liegt es sicherlich an dem, was da draußen so passiert.
Paris

Eigentlich gehe ich ja durchs Leben mit der Haltung: „Wenn‘s wirklich wichtig ist, wird es mich schon erreichen!“ So ganz stimmt das offensichtlich nicht, denn ich war dann doch überrascht: „Waaaas, die Insel Mayotte im Indischen Ozean ist jetzt Teil der EU?“ Andererseits, erreichte mich die Meldung vom Anschlag auf „Charlie Hebdo“ in der Lagerhalle eines
Baumarktes, wo gerade das Radio lief, als wir Laminat fürs Arbeitszimmer ins Auto luden. Also, mein Mann lud – ich musste ja Radio hören…

Nun ist die Nachbarin ja alles andere als politisch und positioniert sich höchstens bei Fragen wie: Minitulpen oder Traubenhyazinthen als Frühblüher in den Balkonkasten? (Beides) Bzw. Gemüsepfanne oder Buchweizen-Auflauf zum Abendessen? (Beides nicht). Aber auch ihr ist klar, dass es am 7. Januar um Dimensionen ging, die größer sind als Bleistift gegen Kalaschnikow – obwohl das Bild stimmt.
Und wenn sich die Nachbarin dann vorstellt, dass ihr Töchterlein schon drei ist und irgendwann anfangen wird, die richtigen Fragen zu stellen, so nach dem Sinn und nach der Gerechtigkeit in der Welt… dann schaut und hört und liest die Nachbarin lieber nicht so oft Nachrichten, aus Angst, sie könnte die Antwort darüber vielleicht vergessen.
 
„Völlig falscher Ansatz!“
Ja, ja, sagt das mal der Nachbarin. Aber hinter dem Gartenzaun ist es ja gerade sooo gemütlich. Durch die Latten sieht man diese Menschen mit schwarz-rot-goldenen Fahnen durch die Straßen laufen und skandieren – und es ist doch gar nicht WM?! Irgendwas von wegen „Abendland retten“. Ich kann es nicht genau verstehen, die Gegendemonstranten rufen so laut nach Frieden und Toleranz…

 

Alle Latten am Zaun
Andererseits: Was so eine Nachbarin ist, ist ja irgendwo auch eine Frau der Tat! Und weil die Maus noch keine Fragen stellt, die mit dem Sinn und der Gerechtigkeit der Welt zu tun haben, aber schon wunderbar mit Pinsel und Farbe umgehen kann, malen wir einfach den Gartenzaun bunt an. Dabei lernt
sie schon mal, dass viele Farben schöner sind als eine.Und alles andere? Da braucht unsere Nachbarin noch ein bisschen Zeit und versucht für den Anfang einfach mal die Nachrichten zu ertragen…In diesem Sinne: Weitermachen!