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Urlaubsblog: Grüaß Gott!

Urlaubsblog: Grüaß Gott!

So und jetzt einmal tief Luft holen. Aaaaahhhhhhh! Nein, ich bin hier nicht beim Lungenfunktionstest. Das war letzte Woche: alles gut. Wir sind auf dem Lande und das, was da durch unsere geblähten Nüstern strömt, ist die gute Landluft.

Alles riecht hier nach Milch – im weitesten Sinne. Nach Wiesen, nach Kiefern, nach Heu und ja auch nach Kuhfladen, Schweinestall und Jauchegrube. Aber wenn schon, dann das volle Programm.
Töchterchen hat seit drei Tagen keine Schuhe mehr an, was auch daran liegt, dass sie eine Sandale verloren hat. Wer zufällig durch den Auenwald bei Füssen wandert und eine rosa-gelbe Trekkingsandale zweifelhaften Zustandes findet, möge sich bei mir melden. Ich zahle auch das Porto. Arme von der Hofkatze zerkratzt, Beine von den Pferdebremsen zerstochen, Nase von der Sonne gebräunt
– das Kind ist glücklich. UND – lasst es uns zusammen sagen: Ist das Kind glücklich, sind alle glücklich!
Einsame Sandale (gr. 30)  sucht
verschollenen Partner
Das Beste für unser Einzelkind – sie hat gleich am ersten Tag eine Freundin gefunden. Zu zweit machen sie jetzt den Hof unsicher und sind so richtig mutig. Schon am zweiten Tag sind sie mit Bauer Hans auf dem Monstertraktor gefahren. An den hätte nicht mal ich mich dran getraut. Also, an den Traktor. Und an den Bauern vielleicht auch nicht. Unsere Maus erzählte nach der Fahrt übers Feld: „Der hat gar nix gesagt! Ich hab zu ihm gesagt, guck mal dahinten sind unsere Eltern und er hat nix gesagt.“ „Gar nix?“ „Doch! ‚SO‘ hat er gesagt!“ „Wann?“ „Na, als wir aussteigen sollten.“
So!
Ein richtiger Allgäuer Bauer eben. Wie mein Uropa gelegentlich sagte, während er ansonsten stumm sein Mosel-Weinchen trank: „Jedes Wort schadet dem Körper!“ Er ist mit dieser Maxime 89 Jahre alt geworden und hatte das Herz auf dem rechten Fleck. So wie Bauer Hans sicher
auch. Ehrlichweise hätten die Mädels ihn wohl auch nicht verstanden, wenn er mehr gesagt hätte. „Was reden die hier für eine Sprache?“, fragte die kleine Berlinerin von nebenan. „Das ist Deutsch, aber ein Dialekt“, erklärte ihre Mama. „Ah! So wie ‚icke‘!“ Jenau – schlaue Maus…
Pfiat di!
Eure Nachbarin
Handysucht – oder Die das Handy sucht

Handysucht – oder Die das Handy sucht

Gestern habe ich mich mit einer Frau getroffen, die mich nachhaltig beeindruckt hat. Das trifft zwar auf viele Frauen zu, aber diese toughe, mitten im Leben stehende Mutter von drei Kindern, lässt mich geradezu in Ehrfurcht erstarren. Sie lebt ohne Handy. Ganz und gar! Wie macht die das???

Ich selbst fühle mich ohne Handy, wie Hanni ohne Nanni, Dick ohne Doof, Affe ohne Kokosnuss – äh, ihr wisst, was ich meine. Auf dem Weg zum Café, in dem wir uns verabredet hatten, dachte ich, ich hätte mein Smartphone zu Hause vergessen. Ich stand gerade auf der Fähre und ließ das morgendliche Rheinpanorama auf mich wirken, als meine Hand unbewusst – wie etwa 25 Mal am Tag – kontrollierend in die Tasche griff und ein gebrauchtes Taschentuch, einen Schlüssel und ein klebriges Hustenbonbon ertastete, aber KEIN Handy.

Mein erster Gedanke war: Cool! Ich treffe mich mit einer Frau ohne Handy und habe auch keins dabei. Wie entspannend! Noch während ich so dachte, machten ein paar Hirnzellen ihr eigenes Ding und dachten: Was, wenn eine Mail mit dem Angebot meines Lebens kommt und ich kann sie nicht schnell genug abrufen (immerhin bin ich Freiberufler und muss sehen, wo ich bleibe). Oder was, wenn ich wieder so eine SMS kriege, wie letzte Woche: „Herzlichen Glückwunsch! Wir haben Sie aus 80 Trilliarden Nutzern ausgewählt und Sie haben ein iPhone6 gewonnen. Bitte übermitteln Sie uns Ihre Adresse, Ihre Kontonummer und Ihre Geheimzahl.“ Hab ich alles gemacht, vielleicht ist es nicht angekommen…

Un wahrscheinlich

Nachgestellt – ich mach das bestimmt
nicht nochmal.

Ach egal, dachte ich. Wie wahrscheinlich ist das schon?! „In etwa so wahrscheinlich, wie dass einem am Sparkassenautomaten eine Münze runterfällt, die man aus Versehen mit der Fußspitze aus der Tür hinaus auf den Gehweg kickt, wo sie sich um 90 Grad dreht, um durch den winzigen Schlitz eines Metallgitters in einen Lichtschacht zu fallen“, kicherte das Teufelchen auf meiner Schulter. In der Tat ist mir das kürzlich passiert und bei einem kontrollierenden Blick in den Lichtschacht stellte ich zweierlei fest. Erstens: Es war natürlich die größte Münze meiner Barschaft gewesen. Zweitens: Offensichtlich bin ich die einzige, der es bisher gelungen ist.

Aber das nur am Rande. Zurück auf die Fähre, die mittlerweile die Mitte des Flusses erreicht hatte. Eine Minute ohne Handy und so langsam wurde ich nervös. Ich bin mit dem Fahrrad unterwegs, dachte ich. Was, wenn ich auf den noch zu überwindenden 200 Metern stürze und dann habe ich kein Handy dabei, um meinen Mann, den Notarzt und/oder meine Osteopathin anzurufen??? Was, wenn der Kindergarten anruft, weil die Maus krank ist und mich nicht erreicht und dann meinen Mann anruft und ihn auch nicht erreicht und dann bei der Oma anruft und die auch nicht erreicht und dann… Panik kroch meinen Nacken hinauf, während Helicopter-Mum fast von der Fähre abhob.

Ohne der wunderschönen Umgebung noch einen Blick zu gönnen, grub ich hektisch mit beiden Händen in meiner Tasche. Zweimal noch fuhr ich mit der Fähre hin und zurück, dann hatte ich es in ihren unergründlichen Tiefen gefunden: mein süßes, kleines, goldiges Smartphone. Es steckte genau da, wo ich es zwanzig Minuten vorher hingesteckt hatte. Und – ich hatte keine neuen Nachrichten. Als ich aufblickte, erreichte ich gerade zum dritten Mal das Bad Godesberger Rheinufer. Jetzt aber schnell, dachte ich, schwang mich aufs Rad und pedalte in fünf Minuten unfallfrei zum Café.

Tiefenentspannt wie ein Eichhörnchen

Smartphones stehlen Ihre Zeit!

Dort saß ich dann tiefenentspannt und wartete auf meine Kollegin. Und während ich so saß, schaute ich – nein, nicht in die Bäume oder in den Himmel oder wenigstens auf die leckere Auslage – ich schaute aufs Handy. Immer wieder. Um die Uhrzeit zu checken (Armbanduhr? Für Oldies!). Um die Mail zu checken, mit der wir uns verabredet hatten. (Ich könnte ja am falschen Tag, zur falschen Zeit, am falschen Ort sein). Um die Schlagzeilen des Tages zu lesen (unmotiviert, ich gebe es zu) und um auf Facebook einen Link zu teilen. Dann fiel mir nichts mehr ein und ich war für 15 Sekunden wieder ganz im Moment. Entschleunigt genoss ich die Ruhe, bis meine Hand wieder zu diesem vermaledeiten….

Aus den Augenwinkeln sah ich eine Frau auf den Stufen des Café sitzen, die an ihrer Zigarette zog. Und obwohl ich Nichtraucherin bin, erinnerte mich die Szene irgendwie an mich selbst…

Eure Nachbarin, die offensichtlich nicht nur süchtig nach Schokolade ist

PS: Natürlich habe ich meine Kollegin gefragt, wie sie ohne Handy (über-)lebt. Sie tut es einfach! Respekt!!

Liebster Blog Award

liebster-award1Wunder gibt es immer wieder und vor ein paar Tagen ereilte mich ein schönes, in Form des „Liebster Awards“, der neue Blogs unters interessierte Volk bringen soll. Ganz herzlichen Dank an Wundermama, die auf ihrem Blog Wundermädchen über das Leben mit ihren Zwillingsbabys bloggt. Sie hat mir elf Fragen dagelassen, die ich gerne beantworte. Aber erst zu den Spielregeln, denn so sind die Spielregeln 😉

 

  1. Danke der Person, die dich für den Liebster Award nominiert hat und verlinke den Blog in deinem Artikel.
  2. Beantworte die 11 Fragen, die dir der Blogger, der dich nominiert hat, stellt.
  3. Nominiere 11 weitere Blogger mit weniger als 1.000 Followern für den Liebster Award.
  4. Stelle eine neue Liste mit 11 Fragen für deine nominierten Blogger zusammen.
  5. Schreibe diese Regeln in deinen Liebster Award Blog-Artikel.
  6. Informiere deine nominierten Blogger über den Blog-Artikel.

 

Und hier meine Antworten…

wie üblich, kaum durchdacht, durch den Hinterkopf ins Knie…

Was ist das Besondere an deinem (Eltern-)Blog?

Wahrscheinlich, dass nicht ich ihn schreibe, sondern mein frecheres, mutigeres und humorvolleres Alter Ego „Die Nachbarin“. Manchmal fühle ich mich dominiert, aber es geht schon…

Auf welchen deiner Texte bist du besonders stolz?

Stolz ist vielleicht das falsche Wort, aber ich liebe sie alle, weil sie mich dazu bringen, das Leben lockerer zu nehmen und mehr über mich selbst zu lachen. Naja, zumindest im Nachhinein 😉

Schreibst du deine Texte überwiegend am PC, auf dem Smartphone oder wie sonst?

Mein Patenkind (oh mein Gott, sie ist schon 14) kriegt einen Kollaps, wenn sie mich eine Whatsapp tippen sieht, so mit angefeuchtetem Zeigefingerchen auf der kurzsichtigen Suche nach dem richtigen Buchstaben. Nee, nee, ohne ordentliche Tastatur und nem Bildschirm auf Augenhöhe geht da nix.

Was denkst du, wird dein Kind zu deinem Blog sagen, wenn es ihn später liest?

„Ich mach jetzt mal ’ne Therapie!“

Was bringt dich so richtig auf die Palme?

Da: http://dienachbarin.blogspot.de/2014/09/die-felge.html

In welche Richtung soll sich dein Blog weiterentwickeln? Hast du Ziele?

Je mehr Leute, über mich lachen, desto mehr freue ich mich 🙂

Welche Social Media Kanäle nutzt du wie stark?

Derzeit nur Facebook und Twitter und beides auch nur in der Lightversion, weil ich zu mehr einfach nicht komme.

Wer in deinem persönlichen Umfeld weiß von deinem Blog?

Familie – auch die entferntere, Freunde, Bekannte.

Was ist für dich das Tolle am Bloggen? Woran hast du besonders viel Spaß?

Ich liebe es einfach, frei Schnauze losschreiben zu können und mit Sprache zu spielen, wie es mir gerade in den Sinn kommt. Ohne Recherche, Autorisierung und ohne Fristen, die zu meinem Beruf als Journalistin gehören.

Worüber hast du dich heute gewundert?

Darüber, dass beim Kuchenbuffet des Kinderbasars noch fast alle Stücke dieser endleckeren Erdnuss-Karamel-Toffee-Baiser-Sahne-Wasauchimmer-Cremetorte da waren. (Mittlerweile habe ich sie gegessen und wundere mich nicht mehr).

Was wird dein Highlight in 2015?

Das erzähle ich Euch dann an Silvester.

 

Und hier die Nominierten…

Ein paar herrliche Blogs, die Eure Aufmerksamkeit verdient haben.

Makellosmag

Sonea Sonnenschein

Feiersun

Fo(u)r travelers

EinBisschenHaushalt

Frau Müller

Frauen und Kinder zuerst

Frühlingsmama

Zwergenzimmerchen

Mamischnack

Glucke und so

 

Und hier die Fragen…

Dies ist eine Einladung zum Mitmachen, die ihr natürlich ausschlagen dürft. Oder aber ihr beantwortet mir den folgenden neugierigen Mix aus persönlichen und blogbezogenen Fragen.

    1. Wie bist du zum Bloggen gekommen?

 

    1. Ostern oder Weihnachten?

 

    1. Worüber bloggst du am liebsten?

 

    1. Helene Fischer oder Rammstein?

 

    1. An wen richtet sich dein Blog?

 

    1. Bauernhofurlaub oder Kiten am Meer?

 

    1. Wie gewinnst du neue Leser?  

 

    1. Kochsession oder Pizzablitz?

 

    1. Über welche drei Dinge würdest du niemals bloggen?

 

    1. Was machst du, wenn du eine Stunde nur für dich hast?

 

  1. Hat der Blog dein Leben verändert? 

Herzliche Frühlingsgrüße,

Eure Nachbarin

Warum ich „Last Christmas“ toll finden darf

Warum ich „Last Christmas“ toll finden darf

Ab und an ist ja Zeit für ein peinliches Geständnis. Hier ist es: Für mich ist Weihnachten kein echtes Weihnachten ohne „Last Christmas“! Ja, ich weiß, genauso gut könnte man David Hasselhoff-Fan sein (was ich niemals war) oder Modern Talking toll finden….…… Ja okay… Aber Mann, ich war in der dritten Klasse und Thomas Anders hatte die Haare, die ich mir immer gewünscht hatte.

Aber zurück zu George Michael und „Wham!“. Ich weiß, das Lied sollte eigentlich „Last Easter“ heißen und war nur als Gelddruckmaschine gedacht. Und ich weiß, dass George Michael in dem Video aussieht, wie meine Großtante Henriette und dass man mit dem Schmalz, der gerade aus den Boxen tropft (ja, ich höre das Lied, siehe oben) ausreicht, um Bräter für mindestens drei Weihnachtsgänse einzufetten. Aber ich habe eine wirklich gute Entschuldigung.

Es war der Winter 1991, ich war ein Teenie mit Zahnspange und lila Nerdbrille und schwärmte seit etwa einem halben Jahr für den heißesten Typen, den die Einkaufs-Mall (jaha, sowas gab es damals schon) zu bieten hatte. Er arbeitete in dem großen Musikladen im Basement, dessen Namen ich vergessen habe. Sagen wir der Einfachheit halber „Musikpalast“. Er war groß – also der Typ – mindestens zwanzig und er hatte diese langen dunklen Locken, für die es sich lohnte, mehrmals pro Woche 25 Minuten mit dem Bus in der Innenstadt zu fahren.

Ihr seht ich bin meinen Vorlieben auch nach der dritten Klasse erstmal treu geblieben. Jedenfalls war es irgendwann vor Weihnachten und ich schaute diesen neuen, verwackelten Regionalsender. Irgend so ein armer Praktikant hatte am Tag zuvor eine Umfrage in der Fußgängerzone gemacht und sich die Lieblings-Weihnachtslieder der Leute vorsingen lassen. Und plötzlich war ER da und füllte mit seinen Locken den ganzen 56er Röhrenbildschirm aus.

Und als ob das nicht schon gereicht hätte, um meinen Tag zu machen, erhob er auch noch seine Stimme und sang im perfekten weichen Bariton sein Lieblingsweihnachtslied ins Mikro: „Laaast Christmas, I gave you my heart…“ Als meine Mutter ins Wohnzimmer kam, fand sie nur noch eine Pfütze an der Stelle, an der mein Herz dahingeschmolzen war. Ich selbst saß im Bus Richtung Innenstadt, um mir eine ganz bestimmte CD zu kaufen…

Die Felge

Die Felge

Mein Umfeld kennt mich als ruhigen besonnen Menschen mit Engelsgeduld und Nerven aus Stahl. (An dieser Stelle möchte ich bitte keine Kommentare enger Familienangehöriger lesen.) Nur manchmal, man kann diese Situationen im Jahr an einer Hand abzählen, erwacht das Rumpelstilzchen in mir, der Hulk schält sich aus seinem viel zu engen Anzug, die temperamentvollen Gene der Rothaarigen tanzen Samba…

Es kann eine Kleinigkeit sein, nach einer anstrengenden Woche (die Nudeln sind mal wieder übergekocht) oder aber eine größere Kleinigkeit. Wie vor einigen Wochen, als der Fahrer eines klapprigen Ford meine
Tochter und mich fast umgenietet hat, während er mit 50 Sachen durch die verkehrsberuhigte Zone vor unserem Hauseingang jagte.
Möchtegern-Vettel
Okay, vielleicht ist er auch nur 30 gefahren, aber in der engen Gasse kam mir das wie 200 vor. Mindestens. Und hier ist Schrittgeschwindigkeit!!! Nicht auszudenken, wenn meine Tochter ein Stück weiter von mir weggestanden hätte. Und wenn es um meine Tochter geht, hört der Spaß auf. Dann werde ich zur Löwin und dann brülle ich. Zur Not überbrücke ich mit meiner Stimme kinderleicht die 50 Meter, die dieser Möchtegern-Vettel noch zurücklegte, um dann mit quietschenden Reifen auf dem Behindertenparkplatz zu halten.
In meiner Rage hatte ich mir mein Kind geschnappt und rannte, mit dem freien Arm wild gestikulierend auf den Rowdy zu, der sich als Mittfünfziger mit Wohlstandsbauch und offensichtlicher Zeitnot entpuppte. „Wie
kommen Sie dazu, hier so rumzurasen, hier ist verkehrsberuhigte Zone“, schrie ich, bereits schwer atmend, auf den letzten zwanzig Metern. Währenddessen fing meine Tochter an zu jammern „Mama, nicht böse sein!“ Sie hatte den Ernst der Lage intuitiv erkannt. ER NICHT!
Er motzte irgendwas zurück, schüttelte uns ab wie lästige Fliegen, rannte zur Praxistür des ansässigen Arztes – wahrscheinlich auf dem Weg, seine Beruhigungspillen abzuholen (vielleicht hätte er mir eine Packung mitbringen sollen) – und warf sie mir vor der Nase zu. Also, die Tür. Besagter Tür schmetterte ich in meinem Frust ein Schimpfwort der Kategorie ’nicht für Kinderohren bestimmt‘ an den Rahmen und stand dann etwas hilflos, aber nicht weniger wütend auf der Straße rum.
Kleine Frau, was nun?
Sollte ich ihm hinterherrennen? Das wollte ich meiner ohnehin überforderten Kleinen nicht antun. Sollte ich auf ihn warten? Wie lange sollte das wohl sein. Also entschied ich mich, zu gehen, brauchte aber
definitiv ein Ventil, denn mir stieg immer noch der Dampf aus den Nüstern, mein Puls auf 180. Als ich an dem uralt-Ka vorbeiging überkam es mich und ich trat einigermaßen kräftig gegen den Hinterreifen.
Also, ICH WOLLTE EIGENTLICH gegen den Hinterreifen treten. Leider bezieht sich meine legendäre Unsportlichkeit nicht nur auf meine schneckengleiche Performance beim Sprint oder die Gefahr für alle Zuschauer,
die beim Weitwurf HINTER mir stehen… Ein Sportlehrer diagnostizierte beim Speerwerfen mal eine motorische Behinderung und tat seine Meinung auch vor der ganzen Klasse kund! Ganz offensichtlich hatte er Recht und letztere betrifft auch meine Hirn-Fuß-Koordination.

Anders kann ich nicht erklären, dass es plötzlich laut schepperte und die Felge am Boden lag. (Dass es gar nicht die Felge war, sondern die Radkappe, erklärte mir später mein Mann, ich bin in solchen Sachen nicht so firm). Als also Raser-Rowdy kurz darauf aus der Praxis kam (war ja klar), sah er mich und meine Tochter am Boden knien, in dem erfolglosen Versuch, das abgesprungene Ding wieder „dranzunageln“.

„Was brüllen Sie die Frau so an??“
War seine Laune schon vorher nicht auf dem Höhepunkt, sackte sie jetzt in den Keller ab und er blaffte mich an. „Was haben Sie denn da gemacht???!!“ „Ich äh, also ich habe Ihnen die Felge abgetreten!“, stotterte ich etwas betreten. „Ja, haben Sie sie noch alle???“ plusterte er sich auf. „Wat haben Sie an meinem Auto verloren??“ – „Was brüllen Sie die Frau so an??“, kam unerwartet weibliche Schützenhilfe von der rechten Seite, eine Dame aus der Nachbarschaft hatte die Szene beobachtet.
So langsam wurde ich auch wieder wütend und schob mein schlechtes Gewissen zur Seite. „Was haben Sie hier so rumzurasen, wie ein Verrückter?“, fauchte ich gerade, als im ersten Stock das Fenster aufging:
Meine Freundin hatte das Wortgefecht gehört und rief nun von oben: „Lassen Sie ja die Frau in Ruhe!“ Ich sagte zu ihr: „Haste gesehen, wie der hier reingerast ist?“ Sie natürlich: „Ja, klar!!“ Ich hätte sie küssen können, und mich überkam plötzlich tiefe Gelassenheit.
Ich ließ meinen Blick demonstrativ über das auf dem Behindertenparkplatz geparkte Auto wandern und sagte ruhig: „Ok, dann holen wir jetzt die Polizei!“ Kurz huschten meine Gedanken in Richtung vorbestraft wegen
vorsätzlicher Sachbeschädigung, Sozialstunden, Knast, Jugendamt, völliger sozialer Absturz, Trunksucht und Obdachlosigkeit… dann hatte ich mich wieder gefasst und blickte ihm fest in die Augen.
Er sah von mir zu meiner Freundin im ersten Stock. Dann drehte er sich abrupt um, warf seine Felge (also seine Radkappe) in den Kofferraum und ranzte: „Ich hab ja wohl noch anderes zu tun heute! Termine!“
und war weg. Leider ebenso schnell wie er gekommen war. Unbelehrbar so was. Aber irgendwie war ich zu erleichtert, um mich nochmal aufzuregen. Mit einem warmen Dankeschön, winkte ich meiner Lieblingsnachbarin zu, nahm mein Töchterlein an die Hand und ging endlich meiner Wege.