März 24, 2014 | Alltagschaos
Die Kunde von meinem Blog ist mittlerweile bis Bayern vorgedrungen 🙂 Bekam ich doch am Wochenende die etwas entgeisterte Mail einer ehemaligen Mitvolontärin und zweifachen Mutter: „Wann hast du denn dafür noch Zeit???“ Da die Frage angesichts meiner Entschleunigungsvorhaben dieses Jahr nicht ganz unberechtigt ist, habe ich mir mal wieder ein paar Gedanken dazu gemacht. Die Antwort lautet: „Ich habe dafür keine Zeit!“
Zum Beispiel heute: Nachdem Töchterlein die ganze Nacht derartig rumgeturnt ist, dass die Windel sich von allen Versprechungen losgesagt hat und ich sie komplett umziehen musste, hatte sie heute morgen wenigstens den Anstand erst nach sechs Uhr aufzuwachen. Das Anziehen war in dreißig Minuten über die Bühne, was kein Rekord, aber auch nicht schlecht ist. Sie hat sich ihre Hose nur einmal wieder vom Leib gerissen und auch das Kleidchen durfte bleiben. Ein Marmeladenbrot, dreimal „Michel, das glücklose Schaf“ und einmal „Der Klokönig“ später, Kind mit dem Vater in die Kita entsandt. Nicht ohne den täglichen Versuchsballon „Ich will aber nicht in den Kindergarten!“ an mir abprallen zu lassen. Ja, man wird hart…
In den zehn Minuten bis Ehemann wieder auftauchte ausgehfertig gemacht, außerdem spontan das Expedit-Regal im Kinderzimmer abgeschraubt und ins Gästezimmer am anderen Ende der Wohnung geschleift. Das hatte mich da immer schon genervt. Augenrollen des Ehemannes, der wieder zur Tür reinkam, ignoriert. Selbigen zur Arbeit gebracht. Dann Aldi, Obi, Post (nee, Mist, Paket vergessen) dm, Bäcker und Rewe. Einen Artikel schreiben, einen für die Nachbarin ausdrucken, das Kinderzimmer weiter ins Gästezimmer räumen und umgekehrt, waschen, aufräumen, kochen, zur Post (Grrrr!). Kind von der Kita abholen. Ach so, bloggen – zwischen Rewe und Artikel schreiben.
Wer will sich denn schon langweilen in den freien fünf Minuten zwischen sechs und halb drei? Ich nicht! Denn dann passieren wieder diese Gedankengänge wie heute morgen. Für mich ein klares Zeichen: „Die Frau – also ich – hat doch zu viel Zeit!“ Ich also bei Obi an der Kasse. Vor mir ein gebeugtes Mütterchen. Kauft eine Palette Frühblüher und drei Sack Gartenerde. Die freundliche Kassiererin (nein, nicht Wodka-Born, die ist ja bei Rewe) telefoniert dem Praktikanten hinterher, er möge der Dame doch beim Einladen helfen. Voraufhin Omilein die Beine in die Hand nimmt und mit einem Affenzahn – hätte ich ihr gar nicht mehr gegeben – aus dem Laden stürzt. Fast wäre sie volle Kanne mit dem Einkaufswagen in ihren 1990er Mercedes reingerauscht.
Und jetzt mein Gedankengang dazu: „Wieso ist die jetzt so schnell abgehauen? Die hätte sich doch locker mal von Hamed helfen lassen können? Vielleicht wenns ein Peter gewesen wäre und kein Hamed??? Oder es war ihr peinlich, weil sie sich gar nicht so alt fühlt, wie sie aussieht… Hm, damit hätte sie mir was voraus…“ – „Nein, ich weiß! Sie hat gestern Abend Opi um die Ecke gebracht und in den Kofferraum verfrachtet. Die Blümchen sind nur Tarnung und die drei Sack Blumenerde zum Verscharren!!“ Fall gelöst! Ich klopfe mir innerlich auf die Schulter, wo „Leicht-zu-Begeistern“ immer noch einsam rumsitzt und mit den Beinen baumelt.
Damit es nicht schlimmer wird – es gibt ja soviel, über das ich sonst nachdenken müsste: Krimkrise – droht der dritte Weltkrieg? Fleisch wird noch billiger – wir sollten doch komplett auf bio umsteigen! Am Mittwoch Termin beim Kinderorthopäden in der Uniklinik – unser Kind ist schief, sagt die Kita… Übrigens auch ihre Zähne, wie gewöhnen wir nur den Schnulli ab? Die nächste Erkältung hat schon den Fuß in der Tür, hoffentlich können wir überhaupt zum Kinderorthopäden, Zahnarzt, HNO…“ Kreisel, kreisel, kreisel… Oh Mann! Da blog‘ ich doch lieber!!
März 19, 2014 | Mein Senf, Uncategorized
Eigentlich bilde ich mir was drauf ein, nicht mit jeder Mode zu gehen. Zum Beispiel Karottenhosen. Die sahen in den 80ern schon scheiße aus. Warum soll ich die jetzt anziehen. Mal ganz davon abgesehen, dass Hüften mit Tendenz zur Breite in Karottenhosen einen wahren Panoramaeffekt entwickeln. Jedenfalls braucht man diese Einstellung an der Kamera, um sie so auf’s Bild zu kriegen.
Das Gleiche gilt beim Einrichten: Da bleib ich mir treu. Skandinavischer Landhausstil! Weiß mit Farbtupfern. Schon seit Jahren. Schon laaaaange, bevor das so „in“ wurde. Und dabei bleibe ich. Auch wenn jetzt die 50er wieder Einzug halten. Ich finde der Begriff „Nierentisch“ sagt schon alles. Ich will keine Innereien im Wohnzimmer.
Aber eins nimmt mich immer mehr gefangen: Shabby Chick! Plötzlich ist aber wirklich alles salonfähig. Was du vor zwei Jahren noch voller Verachtung auf den Sperrmüll geknallt hast, findest du heute bei Dawanda unter „Vintage“ für viele bare Euros. Eigentlich fing es ja mit niedlichen Kommödchen vom Flomarkt an, denen man das Alter ansah. Und wenn nicht: zweimal Streichen, erst dunkler, dann heller und die Kanten abschleifen. So schnell nagt der Zahn der Zeit.
So langsam nimmt es aber groteske Formen an. Nicht nur, dass man irgendwie kaum noch neue Möbel ohne synthetischen Alterungsprozess bekommt und das irgendwie paradox ist, auch ich fange langsam echt an zu spinnen. Gut, wenn ich morgens in den Spiegel schaue, hilft mir die Vorliebe für
Shabby Chick, trotz der Misere einen Fuß vor die Tür zu setzen. Falten überschminken? Ach quatsch: AUFMALEN!
Aber heute morgen hab ich dann doch überlegt, ob ich noch alle Tassen im Schrank habe (natürlich mit Sprung…). Ich stand also wartend am Fähranleger, um mich auf die beste aller Weisen über den Rhein bewegen zu lassen, und starrte abwesend auf den modrigen, schrundigen und pittoresk vermüllten Uferbereich (Niedrigwasser). Und dann begannen meinen Augen trotz Müdigkeit zu leuchten:
„Shabby Chick!“ freute ich mich und sinnierte: Ein Foto vom Schlick als Poster groß aufziehen und ins Wohnzimmer über die Couch hängen… „Hast du nen Knall“, rief Geistig-klar auf meiner linken Schulter und es klang nicht wie eine Frage. „Aber die Roststellen am Anleger sind einfach zu charmant“, meinte Leicht-zu-Begeistern auf meiner Rechten. „Demnächst nagelst du dir noch tote Regenwürmer an die Wand, weil die so schön vergänglich aussehen“, ätzte Geistig-klar. „Hm, jetzt wo du’s sagst…“
Seitdem hat sich Geistig-klar nicht mehr zu Wort gemeldet. Er murmelte etwas von „Hopfen und Malz“ bevor er seine Tätigkeit einstellte. Wahrscheinlich sitzt er in der Kneipe. Heute Nachmittag jedenfalls, stand ich plötzlich bei H&M am Drehständer mit den Karottenhosen…
Feb. 11, 2014 | Ne Story
Worüber könnte ich heute schreiben? Hmm, zum Beispiel über unsere Bettgewohnheiten. Keine Sorge, da ist überhaupt nichts Anrüchiges dabei. Leider! Ich sag immer, unsere Tochter wechselt in 14 Jahren nahtlos aus dem Elternbett ins Bett ihres ersten Freundes. Mein Mann schüttelt sich dann immer. Aber ist doch wahr…
Ich könnte auch über die jüngsten Entwicklungen an der Viren- und Bazillenfront schreiben. Diesmal sMOEmhHuF40+ (schwere Mittelohrentzündung mit heftigem Husten und Fieber über 40), geht langsam in Erkältung über. Vielleicht hat sich Töchterlein auch wieder neu bei mir angesteckt. Aber mit der Zeit langweilt mich das Thema selbst.
Was war noch? Ach ja, ich lese ein Buch. Das ist an sich nichts Besonderes. Seit ich im April mein Kindle bekommen habe, sind es schon über 80. Darunter auch zwei, drei Gute. Keine Angst, es kommt keine Rezension. Aber dieses Buch hat meine Friede-Freude-Eierkuchen-Nachbarschafts-Sehnsüchte aufgegriffen.
Ihr wisst schon: Spontane, ehrliche Beziehungen ohne Management. Ad hoc Grillabende mit einer lachenden Meute unterm Apfelbaum. (Eigentlich war es eine Trauerbirke, aber was bitte ist eine Trauerbirke…) Frische Muffins von der Nachbarin zur Linken, handwerkliche Unterstützung vom Nachbarn zur Rechten. Okay, es ist ein Märchen und wäre mir in der Realität sowieso zu viel.
Aber trotzdem: Der Blog heißt nicht umsonst „Die Nachbarin“ und deshalb ist es Zeit für eine kleine Liebeserklärung an mein eigenes Dorf. Dass es überhaupt „mein Dorf“ ist, will schon was heißen, denn wir wohnen erst zwei Jahre hier.
Nur wenige Kilometer vor der Stadt, ist es irgendwie offener. Hier trifft man fast so viele Auswärtige, wie auf der Domplatte. Die Menschen sind eine Mischung aus rheinisch fröhlich, rheinisch gelassen, rheinisch grummelig und rheinisch klüngelig und können einen damit auch mal in den Wahnsinn treiben: „Kommste heut nit, kommste morgen ooch nit…“
Es gibt ein Ober- und ein Unterdorf, welche sich naturgemäß nicht grün sind. Oben die Weinbauern, unten die Fischer. Villarriba und Villabajo – ohne Paella, dafür mit Sauerbraten. Es gibt Bäckereien, Supermärkte mit Fleischtheken, Schneider … Schreinereien, Ärzte und – wenn die nicht mehr helfen – Bestatter. Für alles andere ist Amazon zuständig.
Und – man kennt alle persönlich irgendwann. Also, im meinem Fall, wenn sie hinter ihrer Theke stehen und oder ihre Berufsbekleidung tragen, ansonsten wirds schwierig. Nur an Kassiererin Frau Born werde ich mich jetzt immer erinnern und ab und an einen Schnaps bei ihr kaufen, wenn ich mal wieder was fürs Ego brauche.
Gestern war ich mit meiner Tochter unterwegs. Noch nicht fit für den Kindergarten, aber für die Sonne schon. Also raus, ein „Guten Morgen“ an Hofkatze Schoki, die niemandem gehört und auf der Heizung im Keller wohnt. Die monatlichen zehn Euro aufs Kindersparbuch eingezahlt, wie immer nettes Schwätzchen mit der Kassiererin gehalten.
In den Bus gestiegen, um zum Kinder-Second-Hand in den Nachbarort am Hang zu fahren. Meine Tochter mal ganz zahm und lieb, diskutierte mit mir die Farben der vorbeifahrenden Autos. Da drehte sich der Busfahrer um und schenkte ihr eine Kette mit einer kleinen roten Möwe dran. Ha, der wusste, dass wir zu den Fischern gehören. Ahoi!
Im Kinder-Second-Hand drei Teile erstanden. Die rote Jacke mit den Pferden drauf musste gleich anbleiben. Und dann eine Viertelstunde die Zeit angehalten, mit einer Frau über 90, die schon im Bus gesessen hatte, und uns nun zwischen den Kleiderständern ihre Lebensgeschichte erzählte:
Von Wien ins Rheinland, als Krankenschwester, in Zeiten, als Ärzte noch brutale Ohrfeigen an Kinder verteilten und Kinderstationen mit Elternzimmern jenseits von Eden schienen. Ihre Traurigkeit ausgehalten und wieder was gelernt: „Legen Sie das Kettchen vom Busfahrer in eine Schachtel. Solche Geschichten muss man gut aufbewahren.“
Zum Schluss noch eine Runde durch den Park, Gänse gejagt, Gänseblümchen gepflückt, um einen Springbrunnen herumbalanciert, Steine ins Wasser geschmissen… „Da hattet ihr ja einen schönen Mutter-Tochter-Tag im Dorf“, sprach dann abends der Papa, und es klang ein bisschen neidisch. Zu Recht! So ganz weit weg vom Kindle-Buch ist unser Veedel ja doch nicht.
Feb. 1, 2014 | Mein Senf
Als ich gestern beim Duschen mal genauer aufs Duschgel geguckt habe, wurde mir zwar irgendwie anders, aber das habe ich auf die Magenverstimmung geschoben, die ich vor Kurzem hatte. Aber so langsam mache ich mir Sorgen: Heute habe ich mir Anti-Verfärbetücher für die Waschmaschine gekauft und dann das!! Hab ich was verpasst???
Feb. 1, 2014 | Reine Beziehungssache
Um nochmal auf das Thema Gesichtererkennung zurückzukommen. Eigentlich ist mir mein Handicap erst so richtig bewusst, seit ich mit meinen Mann zusammen bin. Sein Gesichtergedächtnis fotografisch zu nennen, wäre glatte Untertreibung. Er erinnert sich an das Gesicht des Kellners, der uns vor vier Jahren im Griechenlandurlaub aushilfsweise einen Abend im Hotelrestaurant bedient hat. „Hä, Kellner, da war doch Buffet?!“ „Ja, aber der hat Wasser nachgeschenkt, das musst du doch noch wissen.“ „Ach so ja…“.
Mein Mann erkennt jeden Menschen wieder, mit dem er jemals ein Bitte – Danke gewechselt hat. Egal, ob sie dreißig Kilo zugelegt, 80 Prozent des Haupthaares verloren oder sich einer Geschlechtsumwandlung unterzogen haben. Und – für mich am Bewundernswertesten: Er hat mich am Morgen nach der Entbindung unserer Tochter wiedererkannt. Damit hat er mir etwas voraus. Ich habe diese zerrupfte Frau, die da durch den Krankenhausflur schlurfte erst mitleidig gegrüßt, bevor ich gemerkt habe, dass ich mit einem Spiegel spreche.
Nachdem mir bewusst geworden ist, dass ich mein Gesichtergedächtnis umso schlechter wahrnehme, seit ich meinen Mann kenne, bin ich der Sache mal auf den Grund gegangen. Und siehe da, meine Selbstwahrnehmung steht in kausalem Zusammenhang zu seinen Fähigkeiten und Gewohnheiten. Seit wir zusammen sind, halte ich mich für schokoladensüchtig, für eine miserable Köchin, für unsportlich (ok, ich BIN unsportlich) vor allem aber halte ich mich für ein Orientierungsgenie:
Mein Mann hat Probleme, den Weg aus einer Umkleidekabine zu finden. Und wenn er es geschafft hat, findet er die Kasse nicht. Und wenn er es doch geschafft hat zu bezahlen, biegt er am Ausgang garantiert in die Richtung ab, aus der er gekommen ist. Würde mein Mann auf dem Jakobsweg pilgern, käme er wahrscheinlich in Santiago de Chile an und selbst auf dem Nürburgring käme er wohl nie ins Ziel. Aber das macht alles gar nichts. Dafür hat er ja mich, das ORIENTIERUNGSGENIE (und unser Navi natürlich).
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