In der Morgensonne fahren wir aus Klausen hinaus und tanken zum ersten Mal in Italien. Ein erfreuliches Ereignis für sagenhafte 1,79 Euro pro Liter (in Deutschland liegt der Preis zu diesem Zeitpunkt weit über 2 Euro). Die Tanke und ihr Wärter sind eine Sache für sich. Der Metal-Fan lümmelt entspannt in einem Gartenstuhl in seiner Baracke und lässt sich bedröhnen. Was man halt so samstagmorgens um halb acht so macht. Als wir an der Zapfsäule andocken wollen, schießt er erstaunlich behände aus seinem Kabäuschen heraus und ruft uns zu: „Obacht! Die Zapfsäule ist mit Service. Da kostet der Liter 2 Euro.“ Dankbar für die rettende Info ziehen wir uns den Zapfhahn von der gegenüberliegenden Seite heran. Und Iron Maiden schlurft wieder zurück in sein Häuschen. „Der hatte auch keinen Bock auf Service“, lacht mein Mann erleichtert und füllt unseren Tank auf. Bald darauf sind wir wieder auf der Autobahn und genießen die Alpen, die nach und nach immer mehr zur Seite weichen, wie ein Sesam öffne dich.
Zweieinhalb Stunden später sind wir in einer völlig anderen Welt. Pinien und Zypressen säumen die Straße, blühender Oleander und Zitrushecken die Gärten. Ich schaue in meinen Handykalender: Ja, es ist definitiv der 8. Oktober und nicht der 1. September. Aber für die nächsten Tage tun wir mal so als ob. Ein letzter Kreisverkehr und schon biegen wir rechts in den Zuweg zu unserem nächsten Stellplatz in Desenzano ein. Garda Agricamper – der schönste Aufenthaltsort unserer Reise. Als erstes fällt mir der blütenweiße Kies auf, als zweites die gepflegten Beete, als drittes die vielen freien Stellplätze, die durch saftiggrüne Hecken und Bäumchen abgegrenzt sind. Ein freundlicher Rezeptionist begrüßt uns und wir dürfen uns einen Platz aussuchen. Es gibt Strom, Frischwasser, saubere Sanitäranlagen und einen Platz zur Entsorgung.
Außerdem Hängematten, einen Pool, eine Halle mit Kicker und ähnlichem, einen kleinen Spielplatz und einen Pfau, auf den sich unsere Tochter gleich stürzt, während wir uns auf Platz 7 anstöpseln. Wir sind im Paradies! Jetzt müssen wir nur noch herausfinden, wie wir hier wieder weg, bzw. zum See kommen. Ein Versuch zu Fuß bringt uns zum verschlossenen Portal eines Fünf-Sterne-Campingplatzes. Dahinten glitzert der See – ganz nah und doch unerreichbar für uns, denn heimlich einschleichen wollen wir uns auch nicht. Also zurück zum Camper und nach dem nächsten öffentlichen Strand gesucht. Der ist zehn Fahrradminuten entfernt. Und wieder merken wir, wie wichtig unsere Drahtesel im Wohnmobilurlaub sind.
Wir packen Badesachen, Sonnenschirm und Wegzehrung in Körbe und Satteltaschen. Und dann erleben wir, wie es ist, in Italien mit dem Rad zu fahren, nämlich völlig anders als erwartet. Gut… dass es in Oberitalien anders zugeht als in Neapel, war mir von früheren Urlauben durchaus bekannt. Mein Vater, der sich in den Achtzigern noch mit großer Begeisterung in das hupenden und fluchende Chaos namens italienischer Verkehr stürzte, nennt es „geradezu langweilig“. Also genau das, was wir brauchen! Die breiten, gut zu fahrenden Radwege führen uns an der Straße entlang, sind aber mit niedrigen Hecken von der Fahrbahn abgegrenzt. Das ist sehr angenehm. Wir teilen uns den Weg mit Fußgängern, aber so wirklich viel ist nicht los.
Als wir Richtung See abbiegen, wird es noch ruhiger. Es ist Mittagszeit – Siesta – und hier verirrt sich gerade niemand hin. Schon gar nicht ins Wasser, aber das kennen wir schon. Meine beiden Wasserratten sind selten davon abzuhalten, ins kühle oder auch echt kalte Nass zu springen. Ich schaffe es bis zur Hüfte rein und wate nach ein paar Anstandsminuten wieder dankbar nach draußen. Eine entspannte Ruhe überkommt mich, während ich Vater, Kind und unseren aufblasbaren rosa Doughnut im Wasser beobachte. Wir sind in Italien, die Sonne scheint, was braucht man mehr zum Glücklichsein. Also ich gerade nichts!! Nach einer Weile fahren wir weiter am See entlang, auf dem breiten Holzsteg, Richtung Dezensano.
Eigentlich darf man hier nicht radeln – auch wenn es keinen interessiert. Deshalb steigen wir hin und wieder ab und schieben. Bis zu einem schönen Strandcafé am Porto di Rivoltella, wo wir uns die erste (und noch lange nicht die letzte) Pizza des Urlaubs schmecken lassen. Leute gucken, Spatzen füttern, die Seele baumelt irgendwo rum. Das nennt man Dolce Vita, erkläre ich dem Nachwuchs. Bald danach zieht es uns zum Camper zurück. Noch ein bisschen chillen, denn abends wollen wir nach Sirmione.
Eure Nachbarin – sehr gechillt
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