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Nein ist (k)ein ganzer Satz

Nein ist (k)ein ganzer Satz

Immer wieder stolpere ich in den sozialen Medien über „Nein ist ein ganzer Satz“. Darunter tausendfache, jubelnde Zustimmung. Ich habe dabei Bauchweh. Klar gibt es Situationen, in denen ein „Nein“ Aussage genug ist. Zum Beispiel, wenn die körperliche Unversehrtheit, Leib und Leben in Gefahr sind. Im alltäglichen Umgang jedoch, sage ich zu dieser Aussage „nein“. Würde jetzt nichts mehr kommen, würde dieser Beitrag keinen Sinn machen, denn so funktioniert Kommunikation einfach nicht. Die gleichen Menschen, die in den Kommentarspalten klatschen, bejammern an anderer Stelle die Verrohung der Gesellschaft und dass es überall an Empathie, Menschlichkeit und Mitgefühl mangelt.

„Nein ist ein ganzer Satz“ meint: Sieh mich! Wahre meine Grenzen! Beute mich nicht aus! Und bezieht sich in der Regel auf unfaire Chefs, hinterhältige Kollegen, zu viel Arbeit. Auf aufdringliche Nachbarn, distanzlose Freunde und dreiste Fremde. Auf zu viele Elternabende, eine Politik, die uns nicht abholt, dominante Eltern, aufsässigen Nachwuchs und sperrige Partner. Er sagt, bis hierhin und nicht weiter.

„Nein!“ – mit Ausrufezeichen, heißt, wir müssen es vehement sagen, um gehört zu werden und uns gleich noch mit zu überzeugen. Denn viel zu oft lassen wir es zu weit kommen. So weit, dass wir nicht mehr können. Immer wenn wir „ja“ sagen, obwohl wir „nein“ meinen, weil es uns eigentlich zu viel wird. Wenn ich zustimme – aus Höflichkeit, aus Pflichtgefühl, aus der Verantwortung heraus – oder weil es zu anstrengend ist, „nein“ zu sagen. Weil eh schon alles so anstrengend ist und ich lieber den Weg des geringeren Widerstands gehe und dann am Abend netflixe, um runterzukommen.

Alle, die „Nein ist ein ganzer Satz“ liken, denken dabei an bestimmte Situationen und einen bestimmten Menschen. Und vielleicht feiert dieser die Aussage gerade genauso, weil er sich an der gleichen oder aber einer anderen Stelle genauso fühlt. Klein und ausgelaugt, übervorteilt und ungesehen. In einer Zeit, in der man sich auf nichts mehr verlassen kann, wie es scheint. Deshalb ist „Nein“ in meinen Augen kein ganzer Satz. Wir müssen im Gespräch bleiben, auch wenn es erschöpft, wenn wir uneins sind, genervt oder sogar ernstlich voneinander angekotzt.

Ein „Nein“ hat eine Begründung verdient! „Nein ist ein ganzer Satz“ meint, ich habe es nicht nötig, mich zu rechtfertigen. Aber eine Erklärung ist keine Rechtfertigung. Sie trägt zur Verständigung bei, ist menschlich und empathisch, selbst wenn sie gebrüllt wird. Zur Rechtfertigung wird sie erst, wenn wir sie selbst so bewerten – aus Schuldgefühlen heraus oder weil wir Angst vor der Reaktion auf unser „Nein“ haben. Angst anzuecken, als schwach oder nutzlos zu gelten, Angst angegriffen oder fallen gelassen zu werden. Sagen wir einfach nur „nein“, nehmen wir diese Gefühle vorweg, eliminieren werden wir sie dadurch nicht.

Das heißt nicht, dass wir in Beziehungen, Arbeitsverhältnissen und familiären Gemengelagen ausharren sollten, die uns nicht gut tun. Dass wir die Zähne zusammenbeißen und einfach immer weitermachen sollten. Im Gegenteil. Wenn etwas dauerhaft wehtut, verdient es eine Veränderung. Mit einem „Nein“ alleine, wird das aber nicht gelingen.

Eure Nachbarin

 

Zurück in den Norden

Zurück in den Norden

Die Sonne strahlt mal wieder vom blauen Himmel, als wir unser liebgewonnenes Möff am nächsten Morgen ausgefertig machen. Die Straße ruft! Wir stöpseln den Landstrom ab, kontrollieren die Räder auf dem Träger, lassen mit einer gewissen Routine Grauwasser in die Kanalisation laufen und leeren mit Todesverachtung die Toilettenkassette. Tochter Hose verabschiedet sich unterdessen von jeder Katze im Umkreis. Als wir vom Platz rumpeln, entdecken wir begeistert ein Kunstwerk. Da haben Wohnmobilisten anscheinend jedes einzelne Reiseziel künstlerisch auf ihrer Karosserie verewigt und sie sind offensichtlich schon weit gereist. Ein Campingwagen als Leinwand. Tolle Idee! Wir kehren noch kurz an der Tanke ein – mit vollem Magen fährt unser Wagen einfach besser – und biegen dann auf die lange Straße ein, die Marina di Pisa mit der Autobahn verbindet.

Toskanaberge

Über den Highway geht es viereinhalb Stunden durch die Berge in Richtung Schweiz. Lange hatten wir in der Region um den Lago Maggiore nach einem Camping- oder Stellplatz für unser Wohnmobil gesucht und uns schließlich für Camper Area Tamaro entschieden. Das ist unser heutiges Ziel. Auf der Rückfahrt kämpfe ich mit einem  fiesen Moskitostich, der von Parma über Mailand bis zum Comer See immer weiter anschwillt und ziemlich zwiebelt. Ziemlich unkonzentriert sorge ich dann leider auch dafür, dass wir die letzte italienische Tanke verpassen und in Teuerland nachladen müssen. Damit nicht genug, vergessen wir, dass mein Handy mit Töchterchens iPad verbunden ist und erhalten nach zehn Minuten durch die Schweiz die freundliche Info, dass mein Kontingent von 50 Euro nun aufgebraucht ist. Das ist mal eine kostspielige Begrüßung. Wenigstens klebt bereits eine gültige Jahresvignette von einem Vormieter an der Windschutzscheibe, so dass wir wenigstens die 42 Euros dafür sparen.

Kleiner Ausblick aus dem Comer See

Ein bisschen fluchend passieren wir  Tunnel und Pässe und schrauben uns in der Höhe um den Comer See herum, auf den ich über die hohe Leitplanke hinweg einen kurzen aber atemberaubenden Blick erhasche. Dann tauchen wir auch schon in die Dunkelheit des nächsten Tunnels ein. Die Straße ist voll und so nähern wir uns nur langsam dem Lago Maggiore mit dem, wie soll es anders sein, ich eine wunderschöne Kindheitserinnerung verbinde. Bei einer Chorfahrt mit der Schule, die uns ins oberitalienische Novara führte, hatten wir hier die Isola Bella besucht und diesen Traum von einer Insel habe ich nie vergessen. So wirklich romantisch wirkt unsere heutige Strecke nicht uns so beschließen wir, müde wie wir sind, zuerst einmal zu unserem Stellplatz zu fahren und von dort die Aussicht über den See zu genießen. Wenn es denn eine gegeben hätte.

Stellplatz unter Bäumen

Als wir nach endlosen Serpentinen endlich den Stellplatz erreichen, der gleich neben der vielbefahrenen Straße liegt, kommen uns zwei Camper entgegen. „Stehen kann man hier gut, aber sonst gibt es echt nix zu sehen“, meinen sie enttäuscht. Und tatsächlich sind wir hier im absoluten Hinterland gestrandet. Keine Frage, der Platz ist schön grün und schweizerisch sauber. Hohe Bäume erinnern an einen Rotkäppchenwald, aber die einzige Aussicht, die wir hier haben, ist die auf die Tankstelle gegenüber. Ein paar Versuche zu Fuß noch etwas Sehenswertes zu erreichen und ein hoffnungsvoller Blick auf den Fahrplan der Bushaltestelle direkt vor dem Platz offenbart: Das war es für heute. Also ziehen wir uns in unser Domizil zurück und beenden den Tag in Ruhe.

Die Nachbarin – müde und ein bisserl angedätscht

 

Guten Abend, gute Nacht

Guten Abend, gute Nacht

Mittagsschlaf stärkt und so zieht es uns am späten Tag nochmal ans Meer. Wenn wir unser Wohnmobil pünktlich wieder zurückbringen wollen, müssen wir morgen los. Es ist also unser letzter Abend hier in Marina di Pisa. Wir schnallen die Kinnriemen unserer Fahrradhelme fest und düsen, nach einer ausgiebigen Streichelrunde unter diversen Katzen am Rande des Stellplatzes, über den Trammino in Richtung Abendrot. Und das hat es heute wirklich in sich. Ganze Armadas von Engeln müssen hier irgendwo Plätzchen backen.

 

Marina di Pisa im AbendrotHerz am Strand

Wir stellen unsere Räder an der verwaisten Promenade ab, suchen uns eines der menschenleeren Bagnos aus und toben im Sand und im knietiefen Wasser herum. Die Horizontlinie entzieht sich wegen eines aufgeschütteten Steinwalls unseren Blicken, dafür liegt das Wasserbecken abgeschirmt von der Brandung da wie ein Spiegel. Gleich oberhalb unseres Strandabschnitts steht ein einzelnes Wohnmobil, das auch gestern schon dort parkte. In der ersten Reihe, mit dem grandiosesten Meerblick aller Zeiten. Es scheint niemanden zu stören. Drin sitzen Vater und Sohn und es sieht einfach nur gemütlich aus. Abschied hängt in der Luft und Dankbarkeit für unseren Urlaub, die vielen Eindrücke, die harmonische Dreisamkeit, unser treues Gefährt und diesen letzten schönen Abend am Meer. Jetzt kann es nach Hause gehen.

Marina di Pisa am Abend

Die Nachbarin – dankbar

100 Farben blau

100 Farben blau

Als wir am Morgen in Parma aufwachen, wird uns erstens klar, dass unser Urlaub ein Ablaufdatum hat und zwar in fünf Tagen. Zweitens sieht es tatsächlich so aus, als würden wir vorher unser Traumziel erreichen. Das Mittelmeer wartet heute auf uns und die Sonne strahlt vom Himmel, als wir die Auffahrt zur Autobahn E33 in Richtung Südwesten nehmen. Gut zwei Stunden trennen uns von unserem heutigen Ziel Marina di Pisa.

Mal links und mal rechts vom Highway mäandert der Fluss Taro in seinem flachen, weiten Bett, das nach dem trockenen Sommer mehr Kies offenbart, als Wasser führt. Ein spektakulärer Anblick, der bald von den immer höher aufragenden Bergen der Emilia Romagna abgelöst wird. Die Morgensonne bringt die dichten Nebelfelder zum leuchten, die aus den Tälern aufsteigen, während sich die Gipfel der Berge im Gegenlicht daraus erheben. Das Bild wirkt wie in Sepia getaucht und brennt sich als Erinnerung in die Netzhaut ein. Italien ist einfach so wunderschön.

Fluss Taro

Fluss Taro

Mit jedem Kilometer, den wir zurücklegen, gewinnt die Sonne an Kraft. Der weiße Dunst weicht einer saftiggrünen Vegetation, die sich die Steilhänge hinaufzieht und wir staunen über kleine Dörfchen und Burgen, die selbstsicher ganz oben auf den Gipfeln balancieren. Ein bisschen sind wir auch dankbar, dass wir dort mit unserem Brummi nicht hinaufmüssen. Papa Hose, der es nicht so mit der Höhe hat, erinnert sich immer noch mit Grausen an die Serpentinen in unserem Dolomitenurlaub vor fünf Jahren. Und damals saßen wir in einem kompakten, relativ wendigen Allrad-Auto.

Mit unserem Womo folgen wir aber lieber relaxed mit gemütlichen 120 km/h unserer Autobahn, über Brücken und durch Tunnel bis nach Ligurien, das sich wie eine Art Schulterpolster des Meeres von Monaco über Genua bis südlich der Cinque Terre an der Küste entlangzieht.

Nach einigen Kilometern holt uns die Toskana wieder ein und schon sind wir mitten im Marmorland. Linkerhand erheben sich die Apuanischen Alpen und dort aus Carrara kommt es her, das gleichnamige weiße Gestein, das zu den bekanntesten der Welt gehört und in der Gegend abgebaut und weiterverarbeitet wird. Zu Treppen und Arbeitsplatten, Waschbecken und natürlich auch zu bildhauerischer Kunst.

Immerhin verhalf Michelangelo dem Carrara-Marmor einst zu Berühmtheit, denn er schuf zum Beispiel seinen legendären David aus einem selbst ausgewählten Block. Solche Blöcke sehen wir nun links und rechts der Fahrbahn soweit das Auge reicht. Ein spektakulärer Anblick, der uns begleitet, bis wir tatsächlich die Ausfahrt Pisa erreichen.

Ein paar Kilometer und drei bis zehn der landestypischen Kreisverkehre weiter, fahren wir auf einer langen, geraden Straße am Fluss Arno entlang auf Marina die Pisa zu. Am Ufer reiht sich ein Bootshändler an den nächsten, ins Landesinnere hinein erstreckt sich eine weite grüne Ebene und dann gleich zu Beginn der Ortschaft unser Stellplatz Area Sosta Camper.

Sagen wir mal so: Flankiert von ein paar Wohnblocks und einer immerhin recht ansehnlichen, weil neu gestalteten Tankstelle, kann der Platz nicht mit unserem Gardasee-Paradies mithalten. Dennoch soll er sich für uns – ganz unerwartet – als der perfekte Ort erweisen. Zunächst einmal sind wir aber da, und nachdem wir das Mobil geparkt und angestöpselt haben, reißen wir gleich unsere Räder vom Träger.

Wir sind hier nicht zum Spaß. Wir wollen das Meer sehen!!! Nach fünf Minuten Fahrtweg entlang eines duftenden Pinienhains und über kaum befahrene breite Straßen, erstreckt sich vor uns ein Strand mit blütenweißen, faustgroßen Kieseln, die ich gerne einpacken und zu Hause in unserem Vorgarten verteilen möchten. Dahinter das Meer in einer unglaublichen glasklaren Farbe.

Durch mint- und türkisfarbene sanfte Uferwellen watet man hier in ein tiefsattes Aquablau hinein, von dem sich der Himmel ganz zart abhebt. Die türkis-blaue Palette ist in den letzten Jahren klamottentechnisch zu meinem Markenzeichen geworden und deshalb befinde ich mich hier gerade im siebten Himmel (und möchte das Meer gerne anziehen).

Kieswall Marina di PisaWeißer Strand Marina di Pisa

Während ich es mir am Ufer so gemütlich mache, wie es halt auf einem Haufen Kieselsteine möglich ist, stürzen sich Mann und Kind samt Schwimm-Doughnut ins Wasser – soweit es eben auf Kieselsteinen und angesichts oktoberlicher Wassertemperaturen möglich ist. Also halt eher in Slow Motion. Bis dann doch noch unerwartet Bewegung in meinen Mann kommt und er mit einem hohen Quietschen wieder aufs Ufer zurück hechtet. „Da ist was an mir vorbeigeschossen wie ein Pfeil“, ruft er mit leichter Panik in der Stimme.

Während er sich wild nach einem vermeintlichen Fliegenfischer oder einem Typ mit grüner Kappe, grünem Wams und Armbrust im Anschlag umsieht, kommt mir das Wort Seenadel in den Sinn. Und tatsächlich scheint es einer dieser dürren langen Knochenfische gewesen zu sein, die Papa Hose in Angst und Schrecken versetzt haben. Tochter Hose ist viel zu versunken in ihr Lieblingselement, als dass es sie aus ihrer Ruhe gebracht hätte.

Wir beschließen den Tag eine Stunde später mit Seefisch und Pizza unter der italienischen Sonne, direkt an der ruhigen Uferpromenade, wo sich adrette Häuschen samt Eisdielen, Cafés und Ristorantes aneinanderreihen. Es ist ruhig hier in Marina di Pisa. Die Saison ist eindeutig vorbei und wir genießen die langsame Gangart und die milden Temperaturen. Heute ist uns nach nichts mehr. Zurück auf dem Stellplatz wasche ich ein bisschen Wäsche im Spülbecken unseres Wohnmobils und hänge die guten Stücke zum Trocknen auf eine Leine, die ich zwischen dem Seitenspiegel und einem Holzzaun spanne.

Unsere Tochter macht den Platz unsicher und freundet sich mit jeder Katze an, derer sie habhaft werden kann. Und noch ein paar andere Bewohner lernen wir eher unfreiwillig kennen, denn hier wimmelt es vor Moskitos. Wie gut, dass wir Fliegengitter an allen Fenstern haben. Den Abend verbringt Papa Hose lesend in seiner Koje, während die Tochter und ich uns gemütlich im Cockpit einrichten und „The Masked Singer“ auf dem iPad schauen. Alles ist gut!

Eure Nachbarin – entspannt

 

Mit dem Fahrrad vom Meer nach Pisa

Mit dem Fahrrad vom Meer nach Pisa

Mit dem Fahrrad vom Meer nach Pisa

Was unseren Stellplatz in Marina di Pisa zum besten Stellplatz aller Zeiten macht, ist nicht die hohe Katzendichte (obwohl das Tochter Hose definitiv anders sieht). Es ist nicht die Lage beim Meer oder die zufriedenstellende Ver- und Entsorgungssituation. Nein, es ist die unmittelbare Nähe zum „Ciclopista del Trammino“, einem Radweg, der entlang einer ehemaligen Bahnstrecke angelegt wurde. Bis in die 1960er verband der Zug Pisa und Livorno über die Küste. Heute rollen hier Räder statt Waggons. 2020 wurde die Strecke neu eingeweiht und sie erfüllt Radlerwünsche, von denen man noch nicht mal wusste, dass man sie hatte: Das Ding ist eben, glatt asphaltiert, breit, führt viele Kilometer durch die Natur und ist durch Felder, Wiesen und Gärten von der parallel laufenden Straße getrennt. An diesem sonnigen und milden Oktobermorgen ist die Fahrradautobahn leergefegt und wie cruisen dahin wie der Wind. Unsere E-Motoren auf Highspeed, die Tochter auf ihrem normalen Fahrrad zwischen uns gespannt, geht es durch Alleen und an Bauernhöfen vorbei in Richtung Pisa.

Trammino di Pisa

Für alle die, die Strecke genau wissen wollen, bitte kursiv weiterlesen. Sonst überspringt den Absatz einfach.

Wir folgen der Piste bis zu Via Livornese, an der wir auf einem gut gesicherten, von der Straße getrennten Fahrrad- und Fußgängerweg, weiterfahren. Wir überqueren den Canale dei Navicelli. Dahinter wird es dann kurz etwas verkehrsreicher und wir müssen auf Autos und Busse achten. Dann aber führt uns der Trammino durch eine breite Unterführung in die baumbestandene Via Aldo Moro. Nach ein paar Metern schließt sich halb links ein reiner Radweg an, der zur Via Conte Fazio mit einem gesicherten Fahrradweg führt. Hinter einer Eisenbahnüberführung halten wir uns halb rechts, überqueren die Via Porta a Mare und rauschen durch das Tor der Stadtmauer nach Pisa hinein. Wir folgen der Straße Largo Uliano Martini, bis zu einer stärker befahrenen Kreuzung, schieben unsere Räder über die Straße und tauchen in die Altstadt ein. 

Arno und Dornenkirche in Pisa

Die ruhige Via San Antonio führt uns direkt zur wunderschönen Kirche Santa Maria della Spina am breiten Fluss Arno. Ein Kleinod, das vom Giebel bis zum Fundament mit Figuren und Türmchen verziert ist. Früher wurde hier als Reliquie ein Dorn der Dornenkrone aufbewahrt, daher heißt sie auch Dornenkirche. Nach einer Pause zieht es uns weiter. Der Schiefe Turm wartet. Ein Hüpfer noch über die Ponte Solferino und geradeaus über den Piazza Solferino in die Via del Roma hinein und schon nehmen wir direkten Kurs auf unser ultimatives, erträumtes Urlaubsziel. Mit jedem Meter, den wir uns nähern, wird es voller. Ein Sprachengewirr umfängt uns. Touristen mit Rollkoffern blockieren den Weg. Die ersten Souvenirläden tauchen links und rechts der Strecke auf. Und dann öffnet sich vor uns die weitere Piazza dei Miracoli und wir haben es tatsächlich geschafft! Wir sind mit dem Wohnmobil bis Pisa gefahren und stehen nun vor dem leibhaftigen schiefen Turm!!!!! (Das ist wirklich ein paar Ausrufezeichen wert ;-))

Tochter Hose fotografiert den schiefen Turm

Aller innerer Unkenrufe und Zweifel zum Trotz hat alles super geklappt und so betrachte ich staunend und immer noch etwas ungläubig die prächtigen Bauten, die sich hier stolz in der Vormittagssonne in Szene setzen. In der Mitte der Dom Santa Maria Assunta, links davon das Baptisterium und auf der rechten Seite das weltberühmte Wahrzeichen der Stadt. Um uns herum ist jede Menge Trubel und  und ich frage mich, wie das in der Hauptsaison aussieht. Ein bisschen nervös behalte ich unsere Räder im Blick, während nun die obligatorischen Ich-halte-den-Turm-vom-Umfallen-ab-Fotos dran sind. Wer weiß, vielleicht läge das Ding ohne die tatkräftige Mithilfe der Touristen schon lange in Schutt und Asche…

Wir führen unsere Drahtesel über den Platz und stehen kurz darauf entzückt am Fuße des Turms. Hinauf wollen wir heute nicht, aber lassen ganz in Ruhe die architektonische Schönheit vor dem tiefblauen Himmel auf uns wirken. Bis es Tochter Hose zu den Souvenirläden und -stände zieht. Sie findet ein Seidentuch mit Toskana-Motiven und einen kleinen Glaskubus, in dessen Mitte ein eingravierter schiefer Turn zu schweben scheint. Ich kaufe mir eine neue Kappe, die der Ladenbesitzer mit einer langen Teleskopstange von der Decke seines vollgestopften Ladens angelt. Wir werfen einen Blick in einen beeindruckenden Innenhof, mit Säulengängen an allen Seiten. Hier ist der Sitz des Erzbistums Pisa. Dann überholen wir eine Touribimmelbahn und drehen ein paar Runden auf dem Piazza dei Cavalieri. Ein paar Meter abseits des schiefen Turmes ist es ruhiger.

Radeln in den Gassen von Pisa

Entspannt folgen wir den Gassen und überqueren schließlich wieder den Arno, diesmal über die Ponte die Mezzo. Auf der Suche nach etwas Essbarem, verfranzen uns ein bisschen hinterm Platz XX. Settembre und finden uns schließlich auf der belebten Einkaufsmeile Pisas wieder. Wir folgen einer Google-Empfehlung und lassen uns nach der Tour einigermaßen erleichtert auf den Außenstühlen der Pizzeria da Nando nieder. Die 4,6 Sternebewertung von Google lügt nicht und so genießen wir fantastische Pizza (was sonst) inmitten von Studis, Einkaufsbummlern, Geschäftsleuten und ein paar Touristen. Es tut gut, einfach nur zu sitzen und die Leute zu beobachten. Dolce far niente. So fühlt es sich an.

Ein Teil von mir möchte sich im Fresskoma jetzt auf den Beifahrersitz eines nahe geparkten Autos knallen und die Rückfahrt ebenfalls mit Nichtstun verbringen. Aber so ist das, wenn man mit dem Wohnmobil unterwegs ist: Vor das Bett für die Siesta hat der liebe Gott die Rückfahrt mit dem Fahrrad gesetzt. Und so schwingen wir uns wieder in den Sattel und passieren den Platz Vittorio Emanuele II. Der Name erinnert zwar an das Monument in Rom, der Ort kann jedoch mit seinem Namensvetter nicht wirklich mithalten. Wir radeln an der Kirche Sant‘ Antonio Abate vorbei auf die Largo Uliano Martini und folgen unserem Hinweg einfach zurück. Bald schon sind wir aus der Stadt heraus und schaffen die Kilometer bis zu unserem Stellplatz in einer knappen Stunde.

Ein bisschen müde, aber mit dem tollen Gefühl alles erreicht zu haben, was dieser Urlaub versprochen hat, ziehen wir uns in unseren Camper zurück.

Sehr froh und ein bisschen stolz, Eure Nachbarin

 

Guten Abend, gute Nacht