Ich weiß, es gibt viel Schlimmeres, aber man ist ja doch damit beschäftigt. So als junge Familie. Im Winter. Mit einem Kindergartenkind… Die Rede ist vom Viren- und Bakterienbefall der hartnäckigen und wiederkehrenden Art. Erst das Kind, dann der Vater, dann die Mutter, dann das Kind, das andere Kind und der Vater eigentlich immer noch. Dann wieder die Mutter, die Oma, die andere Oma, der Opa, der Wellensittich, die Nachbarn… Irgendwie alles und jeder, der sich länger als fünf Minuten im Rotz-, Schnief-, Schmier- und Schleimkreis des Kindergartenkindes aufhält. Erzieher sollten allein deshalb im Winter eine Gefahrenzulage erhalten.
Im mütterlichen Bekanntenkreis kommunizieren wir übrigens nur noch in Kürzeln. MD steht für Magen-Darm, MD24 für „letzte Kotzattacke einen Tag her“. B – Bronchitis, HgA – Husten mit grünem Auswurf. S wird extra rot geschrieben und steht für Scharlach (ihr wisst schon, „Der scharlachrote Buchstabe“ – man wird ja kreativ). Sng – „bei uns im Kindergarten ist Scharlach ausgebrochen, noch geht es uns gut“. Das Treffen absagen sollte man spätestens bei HHA-rswk: „Himbeerzunge, Halsweh und Ausschlag – rette sich wer kann“. Aber dann ist es meistens schon zu spät. Denn das ist ja das Tückische: Ansteckend ist der Kram, wenn das Kind noch oder schon wieder mopsfidel durchs Veedel tanzt.
Also schleppt man sich von November bis März so durch. Sagt Termine ab, vertagt lang anberaumte Verabredungen: Duisburger Zoo mit Freunden vom Niederrhein. Per Whatsapp: „Wir hätten langwierige Erkältung mit Bindehautentzündung im Angebot und ihr?“ – „MD!!“ – „Okay, ihr habt gewonnen!“ Und wir bleiben daheim. Am liebsten immer, die ganzen Wintermonate hindurch. Essen kaufen wir in Dosen oder eingeschweißt Ende Oktober. Dann schließen wir uns ein, melden das Kind von der Kita ab, nehmen unbezahlten Urlaub und halten Winterschlaf, bevor wir ausgeruht und fit zur Ostersaison wieder auftauchen… Hach!
Stattdessen versucht man seinen mehr oder weniger familienerfahrenen und-affinen Vorgesetzten zu erklären, warum man schon wieder nicht da ist. Und man neigt dazu, das Kind (zu) früh wieder in die Kita zu schicken. Damit man selbst auch mal wieder ins Büro kann, so zwischen MD24 und HgA. Dass das Kind dann in der Kita die anderen ansteckt… Ach, die sind ja auch alle krank. Virus bleibt Virus. Befeuert wird dieser schöne Kreislauf durch die Schnittmengen, die sich in der Spielegruppe, in der Musikgruppe, beim Kinderturnen oder eben im Hausflur bilden. Dort, wo Kind auf anderes Kind trifft, mit anderem Kita-Bazillenhintergrund. Ein Freudenfest für die Viecher. Wenigstens gibt es gegen das ganz fiese Zeug (Masern und Co.) jetzt nette Impfungen. Das haben wir ja noch alles fein durchgemacht, so in den 80ern.
Meine Eltern haben sich irgendwie nie angesteckt. Ebenso wie meine Kollegin, die jetzt in Rente geht und vier Kinder durch diverse Winter gebracht hat. „Also ich war nie krank. Mütter stecken sich ja nicht an.“ Ach so, ist leider bei meinem Immunsystem noch nicht angekommen. Bin ich zu alt? Zu gestresst? Zu verweichlicht? Mit letzterem bin ich zumindest nicht alleine. „Komm Tochter, wir gehen raus an die frische Luft. Und machen dabei einen großen Bogen um andere Kinder.“ – „Och nöööö, da ist eine Wolke am Himmel!“ Da, wo unsere Generation noch beim Budenbauen im Regen abgehärtet ist, muss man heute schon in eigens angelegte Himalaya-Salz-Grotten gehen, um die Atemwege auf Vordermann zu bringen. Das machen vor allem Eltern mit erkälteten Kindern. Und die Kinder treffen sich dann in der Spieleecke der Grotte. Und tauschen sich aus… Was den positiven Effekt dann doch wieder etwas eindämmt. Mist! Ich geh jetzt inhalieren.
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