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Der Gänseblümchenkranz

Der Gänseblümchenkranz

Der Mai ist gekommen. Die Bäume schlagen aus. Wie viel schmerzhafte Wahrheit in diesem Satz steckt, durfte ich letztes Jahr beim Waldspaziergang erfahren. Dornenranke mitten auf die Zwölf! Dieses Jahr geht es bisher viel friedlicher zu und der Anblick von sanft abfallenden Blumenwiesen und signalgelben Safranfeldern treibt mir Tränen der Rührung in die Augen. Beim Männe sind es eher Tränen der Grasallergie, aber Töchterchen hüpft glücklich wie ein junges Fohlen in der Natur umher. Entdeckt Feuerwanzen und Feuerwanzen… und Feuerwanzen. Ich glaub, es gibt hier nix anderes als Feuerwanzen. Ich glaub, wir haben ne Plage. Aber gut, ihr gefällts.

Beseelt vom Frühling am blauen Bande oder so, tue ich es meiner Maus nach und setze ich mich mitten in eine Gänseblümchenwiese. So viel Flower Power um mich herum – mir fehlt nur noch der lange Rock und die geflochtenen Zöpfe, um wirklich ins Bild zu passen. Trotzdem bin ich mal wieder hochmotiviert und starte auch auf Geheiß meiner Tochter eine Gänseblümchenkette. Also zwei Daisys ausreißen, miteinander verknoten… Der Stengel reißt und ich habe wieder zwei Teile in der Hand. Ende meines Lateins! Muttern rät: „Ich glaube, man muss den Stengel einritzen und dann die nächste Blume da durchziehen.“

Richtig, ich erinnere mich dunkel an meine Kinderheit, in der ich das mit Huflattich gemacht habe. Diese löwenzahnartigen Pflänzchen mit den – richtig – baumstammartigen Stengeln. Damit ging das damals hervorragend. Den dürren Dingern der Gänseblume dagegen macht jeder Ritz den Garaus. Vielleicht bin ich auch nur grobmotorisch. Meine Tochter hüpft ungeduldig von einem Bein aufs andere. „Mach mir einen Krahanz!!!“ „Ja, ich versuch es ja“, stöhne ich, während sich meine Frühlingsromantik langsam verflüchtigt.

Die Anleitung

Am Ende hilft dann, wie so oft, Doktor Google – wie haben die Leute das früher gemacht? Dort finde ich die Anleitung mit dem Ritzen, eine zweite, bei der man mit drei Gänseblümchen einen normalen Zopf flechtet und diesen dann immer um ein neues Blümchen erweitert UND die folgende Anleitung, die mich zum Erfolg und Töchterlein zum Glück führen. Nun muss ich dazu sagen, dass ich mit Anleitungen aller Art auf Kriegsfuß stehe. Wie früher mit den Textaufgaben in Mathe. Sobald mehr als zwei Sätze Anleitung aneinandergereit sind, geht es meinem Geduldsfaden wie der Gänseblümchenkette – er reißt.

Trotzdem habe ich mich durchgewurschtelt und es mit viermal lesen und dreimal verhunzen  irgendwann geschafft. Nä, wat schön! Jetzt will ich nichts mehr anderes machen! Das ist ja sooooo meditativ! Nur für den Fall, dass da draußen noch so ein Dummie rumlaufen sollte, habe ich jetzt mal eine gaaaaanz detaillierte Step-by-Step-Anleitung gemacht. Vielleicht hilft’s ja… Den Text braucht ihr eigentlich nicht zu lesen. Der verwirrt nur. Also mich zumindest 😉

Pflücke zwei Blümchen mit laaaaangen Stielen.

 

Überkreuze beide, so dass der waagerechte über dem
senkrechten Stengel liegt.

 

Führe den waagerechten Stengel dann nach hinten
um den senkrechten Stengel herum…

 

…und lege das Ende dann wieder nach vorne
über den waagerechten Stengel drüber.

 

Ziehe den entstanden Knoten vorsichtig fest,
so dass die waagerechte Blüte, dicht
am senkrechten Stengel sitzt und beide Stiele
eng nebeneinander liegen.

 

Halte nun BEIDE Stengel mit einer Hand und nimm dir
eine dritte Blume. Schlinge sie genauso wie eben
die zweite nun um BEIDE senkrechten Stengel
und ziehe sie fest.

Und so geht es weiter: immer alle Stengel festhalten, die noch greifbar sind. Jede weitere Blume – genau wie die ersten um die Stengel herumlegen – und festziehen. (Achtet darauf, dass die Blüten möglichst immer in die gleiche Richtung zeigen.) Auf diese Weise wächst der Kranz von alleine, so lange, wie ihr wollt oder bis ihr die Wiese abgeerntet habt. Um den Kranz zu schließen, einfach beide Enden miteinander verdrehen und ein oder zwei weitere Gänseblümchen drumherumknoten. So könnt ihr auch Lücken auffüllen.

Ich habe auch noch den Tipp gelesen, drei Kränze zu machen und die dann miteinander zu verpflechten, wenn man zum Beispiel ein Türkränzchen machen möchte. Sieht dann noch voller aus und ist stabiler. Für unsere Zwecke hat aber eins vollkommen gereicht.

Also, genießt den Frühling!

Eure Nachbarin

Zuverlässig unstrukturiert

Zuverlässig unstrukturiert

Kinder brauchen Struktur! Ja, das weiß ich auch. Aber was ist, wenn man selber einer der unstrukturiertesten Menschen überhaupt ist? Neben „kreativem Chaos“ steht mein Tagesablauf im Lexikon. Ich schaffe es einfach nicht, einen Tag wie den anderen zu gestalten. Gerade war ich bei meinen Eltern. Von denen habe ich das nicht! Die sind so was von durchorganisiert. Wenn die eine Aufgabe anfangen, dann bringen sie sie auch zu Ende. In aller Gemütsruhe – einen Schritt nach dem anderen.
Wenn ich eine Aufgabe anfange, dauert es nicht lang und mit schießt irgendwas Unaufschiebbares, durch den Kopf, etwas, das ich sonst vergesse, wenn ich es nicht sofort… Oder mir wird kalt und ich brauche eine heiße Dusche (kommt im Juli schon mal vor) oder mein Handy sagt, dass jemand Geburtstag hat und wenn ich jetzt nicht gratuliere, dann erst wieder nächstes Jahr…
…oder es ruft jemand an oder der Postmann klingelt oder ein interessanter Vogel lässt sich auf der Balkonbrüstung nieder und ich muss unbedingt mal googeln, was es für einer ist und wenn ich schon dabei bin, muss ich auch unbedingt googeln, wie Raben in der Balzzeit machen. Ich habe da nämlich so einen interessanten Ruf letztens gehört, da gibt es doch sicher ein Youtube-Video. Oje, Youtube funktioniert nicht. Was ist da los? Da muss ich gleich mal meinen Mann anrufen und fragen. Der kann mir auch keine Antwort geben, sagt mir aber, dass ich dringend noch diese eine Handwerkerrechnung überweisen muss. A propos Handwerker, wieso ist das bestellte Gartentörchen noch nicht da, da guck ich besser mal bei Ebay rein und schreib ne Pöbelmail oder ich geh lieber vorher zu den Nachbarn, nicht dass sie es schon angenommen haben. Ach ja, die Nachbarn, die haben doch letztens den Rabarber rüber gebracht, dann könnte ich ihnen doch was von unseren Himbeeren… Viele Himbeeren sind das ja nicht! Oje, die Schnecken haben auch noch die letzten Sonnenblumen gekillt, wie kommen die bis auf ein Meter Höhe? Ich muss unbedingt zum Baumarkt und Schneckenkorn kaufen, haben meine Eltern gesagt. Und wenn ich da schon mal bin, kann ich ja auch mal die Grundierung für das Gästezimmer kaufen, da müssen wir langsam mal mit fertig werden, sonst haben wir hier Weihnachten noch Kartons stehen. Weihnachten! Geschenke! Naja, es ist noch ne Weile hin, aber da fällt mir ein, ich muss dringend mit meinem Bruder besprechen, was wir jetzt mit Papas Geburtstagsgeschenk machen. Und ich muss die Fotografin anrufen, wegen des zwei Jahre alten Geburtstagsgutscheins für das Familienshooting mit meiner Mutter. Wir haben noch so viele Gutscheine nicht eingelöst. Wie lange ist so ein Gutschein überhaupt gültig, muss ich mal googeln…
Wo war ich? Was wollte ich??
Das war ein Fünf-Minuten-Ausschnitt aus meiner Gedankenwelt. So geht das den lieben langen Tag und abends fragt mich mein Mann, warum ich nicht gekocht habe und was ich die ganze Zeit so mache. Erstens: Wer soll denn dabei noch kochen? Zweitens: Weiß ich nicht, was ich den ganzen Tag gemacht habe. Irgendwie erinnere ich mich dunkel, dass ich zwei Artikel fertig gestellt, mein Kind pünktlich von der Kita abgeholt, es verköstigt und bespaßt habe, dann war ich noch beim Bäcker und dann? Dann habe ich einen Filmriss, aber ich bin sicher, es ging im gleichen Ton wie oben weiter und weiter und weiter… Weil es immer so weiter geht, bis ich abends die Augen zu mache. Dann schlafe ich: Gott sei Dank.
Ja, ich bin unstrukturiert. Ja, das färbt auch auf meine Familie ab. Nein, ich kann nicht ohne Internet leben. Schön wäre es, aber ich bin Online-Redakteurin. Vielleicht sollte ich umschulen, auf Floristin oder so. Da fällt mir ein, ich muss noch die Blumen im Vorgarten wässern, es hat nicht geregnet, obwohl es den ganzen Tag so aussah. Was ist das überhaupt für ein Wetter? Ich spüre schon ein Kratzen im Hals, die Tochter hat nachts gehustet. Ich muss mal bei der Homöopathin anrufen, überhaupt ist da mal wieder ein Termin fällig…
Ächz!
Eure Nachbarin (glaube ich)
Die Sache mit den Pantoffeln

Die Sache mit den Pantoffeln

Vielleicht liegt es daran, dass wir am Wochenende lieben Besuch aus England hatten oder an den sommerlichen Fotos, die meine Eltern ständig aus dem Urlaub schicken, aber heute muss ich einfach mal kurz über das Wetter reden. Da riss ich doch um halb acht schwungvoll und in bester Erwartung die Rollos hoch und dann das: Bäääääh! Schnee!!! (Stellt Euch ein jammerndes Emoticon vor, so in etwa sah mein Gesicht aus, das sich da in der Fensterscheibe spiegelte.)

Statt das einzig Vernünftige zu tun (Rollos schnell wieder runterlassen und zurück ins Bett kriechen) schnappte ich mir das Tablet und schaute mir die Wettervorsage für diese Woche an. Regen und 0 Grad, -1 Grad, -2 Grad, -15 Grad. Letzteres ist die Temperatur, die gerade meiner Laune entspricht. Männo!! Gestern sah es noch aus, als käme der Frühling. Die Sonne schien, wir waren alle gleichzeitig (!) gesund. Meine Tochter trug ein Kleidchen (also zumindest über den fünf anderen Lagen Winterstoff) und die ersten Schneeglöckchen wagten einen Blick.

Da kann man sich dran gewöhnen, dachte ich noch. Hätte ich es mal besser nicht gedacht oder wenigstens dreimal auf Holz geklopft… Übrigens, nur falls es jemanden interessiert: Sollte es morgen wieder kalt, schneeregnerisch und doof aussehen, wenn man aus dem Fenster guckt, kann ich nur sagen: Gewöhnt Euch (nochmal) dran! Denn wie sagt die Bauernregel zum Matthiastag: „Wenn neues Eis Matthias bringt, so friert’s noch 40 Tage.“ YEAH!!! Aber wir haben ja auch Fastenzeit.

Und dann immer diese Sache mit meinen Pantoffeln. Ich liebe diese Pantoffel. Es sind so Birkenstock-Fakes und ich trage sie seit mindestens 15 Jahren. Sie haben schon so viel gesehen und mitgemacht. Motto-Partys in der Studenten-WG und nachfolgende Renovierungsarbeiten, meinen Job als Zimmermädchen in Cambridge, Liebeskummer in Barcelona, meine Barista-Ausbildung bei Starbux, Neufindungsphasen in Paris, Reisen in 20 Länder auf drei Kontinenten, die Hochzeitsnacht und natürlich die kleine Stippvisite auf der Entbindungsstation.

Meine treuen Treter

„So sehen sie auch aus!“ würde mein Mann jetzt sagen. „Ja, aber sie riechen noch wie neu. Ganz im Gegensatz zu…“ würde ich mit Blick auf seine Puschen kontern und das Satzende bedeutungsvoll in der Luft hängen lassen. Ja, meine Pantoffeln tragen die Spuren eines Erwachsenenlebens, die ich in meinem Gesicht lieber nicht finden möchte. Unnötig zu sagen, dass dieser Wunsch ebenso unerfüllt ist, wie der nach Sonne. Aber wir haben ja auch Fastenzeit… Meine Pantoffeln sind gezeichnet (selbst ich habe sie schon gezeichnet, damals auf dieser langweiligen Bustour nach Frankreich) und ich hoffe, sie sind mir noch lange, lange treu.

Worüber ich mich aber trotz allem immer wieder maßlos ärgern kann: Sie sind jeden Morgen verschwunden!! JEDEN. EINZELNEN. MORGEN. Und IMMER habe ich kalte Füße. Und IMMER vergeude ich wertvolle Minuten, in denen ich fluchend vom einen Ende der Wohnung zum anderen renne und zurück (immerhin 66 Schritte) und sie NIEMALS finden kann. Und IMMER liegen sie am Schluss an der gleichen Stelle unter dem Wohnzimmertisch. Und NIE – NICHT EINMAL – kann ich mich morgens daran erinnern, dass ich sie dort gelassen habe.

Naja, ich verbuche es als Workout.  „Was man nicht im Kopf hat, hat man in den Füßen“, sagt Onkel Eddi immer. Ich hätte die Pantoffeln ja am liebsten AN den Füßen, sobald ich selbige aus dem Bett schwinge. „Das lernt sie noch!“, sagen wir gerne über unser Töchterchen. Vielleicht gilt das ja auch für die Mutti…

Und jetzt? Jetzt ziehe ich meine Puschen an und baue einen Schneemann auf der Terrasse. Und die Schneeglöckchen? Die kann er sich an den Hut stecken.

PS: Wie man mir gerade aus England glaubhaft versichert hat, sind meine Pantoffeln übrigens schon 20 Jahre alt 😉