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Das Schnullergeschenk

Das Schnullergeschenk

Ich habe mal wieder eine wahre Geschichte rausgehauen. Sie ist wirklich fast ganz haargenau so in etwa passiert. Fakt ist: Meine Tochter ist ein völlig immateriell eingestellter Mensch, der die Kaufhof-Kinderabteilung als Spielzeugmuseum betrachtet. Von wem sie das wohl hat…

Das Schnullergeschenk
 
Es gibt Kinder, die schlafen ab dem dritten Monat durch, essen alles, was man ihnen vorsetzt, geben ihren Schnuller mit eineinhalb freiwillig ab. Und es gibt unsere Tochter. Sie schläft nur durch, wenn man sie
zu Beginn der Tagesthemen ins Bett legt. Sie isst so gut wie nichts von dem, was man ihr vorsetzt und sie war auch mit zwei weit davon entfernt, jemals ihren Schnuller abzugeben.
Anläufe mit lustigen Geschichten und Schnullerfeen hatte es viele gegeben. Unsere Tochter reagierte darauf wie immer, nämlich gar nicht. Also wagte ich eine kleine Umfrage im Freundeskreis. „Unserem Konrad mussten wir den Schnuller nicht abgewöhnen, er hat nie einen gebraucht.“ Ja, ich weiß, dachte ich im Stillen, und er hat auch mit drei Monaten durchgeschlafen…
„Lisa hat ihren Schnuller an Weihnachten in die Krippe gelegt, für das Jesuskind.“ Wow, coole Idee! Weihnachten kam, unsere Tochter entwickelte eine ungeahnte Begeisterung für „Baby Jesus“ und nannte sogar ihre
Lieblingsente nach ihm. Bloß ihren Schnuller, den bekam er nicht. Freunde berichteten indes von Freunden, die eine „Schnuller-Station“ im Kinderzimmer angebracht hatten: Nagel in die Wand, Schnuller mit Schnur dranbinden, Kissen davorlegen. Bei meiner Tochter löste die Installation umgehend einen Wutausbruch aus, den ich ihr nicht ganz verdenken konnte.
 
Der Weckruf

Und dann kam dieser Vormittag im Café. Neben uns saß ein Herr, rührte in seinem Tee und sagte freundlich. „Sie sollten Ihrer Tochter den Schnuller abgewöhnen, sie hat einen offenen Biss.“ Es stellte sich heraus, dass er Zahnarzt war und wusste, wovon er sprach. Das Gespräch wurde zum Weckruf für unsere Tochter. Todesmutig erklärte sie am Abend: „Ich schmeiß den Schnuller jetzt weg.“

Eine Entscheidung mit Folgen… Die Fachliteratur prophezeit unentschlossenen Eltern maximal zwei bis drei unruhige Nächte, wenn es um die Schnuller-Entwöhnung geht. Aber die kennen ja auch unsere Tochter nicht. Nach drei Wochen (!) zermürbenden Kampfes und Minimalschlafes hatten wir es endlich geschafft. Der Schnuller war Geschichte, eine riesige Belohnung musste her.

Wir also wildentschlossen in die Kaufhof-Kinderabteilung. Ich dachte an XXL-Plüschgiraffen und dreistöckige Puppenhäuser mit kleinen Bettchen, Schränkchen und Mini-Toilette. Selbst mein Mann hatte einen großzügigen Tag und sprach die legendären Worte „Such dir etwas Schönes aus, Schatz!“ Zu mir hat er das noch nie gesagt…

Mit großen Augen stand ich vor einem detailgetreuen Bauernhof und sagte zu meiner Tochter: „Guck mal, Süße, wie schön!“ Sie sah sich alles an, schaute dann begeistert zu mir hoch und meinte: „Toll! Darf ich jetzt
Rolltreppe fahren? Bitte Mami!!“ Na gut, dachte ich. Dann also erst Rolltreppe fahren. Wir haben ja Zeit. Ich schickte Mann und Tochter aufs mobile Stufenelement und schaute mich weiter um.

Im Kinderhimmel

Oh, eine Kindergitarre, wie süß. Und ein echter Laptop! Krass!! Puppen, Puzzles, Wasserspielzeug. Ich war im Kinderhimmel. Und meine Tochter fuhr immer noch Rolltreppe. Ich fing sie oben ab und klatschte in die
Hände. „So Mäuschen, jetzt gibt es Geschenke!“ Wir streiften durch die Gänge, ließen sie auf Schaukelpferden reiten, mit einem Grizzlybären spielen, ein ferngesteuertes Auto lenken, machten ein Foto mit Biene Maja. Und dann sagte sie plötzlich: „Gehen wir jetzt nach Hause?“ „Ja, willst du dir denn nichts aussuchen?“, fragte ich entgeistert. „Nein, danke.“ (Sie sagte wirklich danke).

Irgendwie fühlte ich mich in meiner Mission empfindlich gebremst und konnte gerade noch ein enttäuschtes „Och!“ unterdrücken. Anderseits war ich auch sehr stolz auf meine immateriell eingestellte Tochter.
„Das hat sie von mir“, tat ich meinem Mann kund, bevor ich schnell mit einem lila Pferde-Schlüsselband, vier Blumen-Ausstanzern und einer total stylischen Stofftasche zum Selberbemalen Richtung Kasse lief. Warum sollte ich mir nicht auch mal was gönnen.

Das wollte ich immer
schon  haben!
Als ich zurückkam, sah ich Mann und Tochter andächtig vor einem kleinen Basketballkorb stehen. „…und dann musst du den Ball da oben reinwerfen“, hörte ich meinen Mann erklären und meine Tochter nickte eifrig. Sie drehte sich zu mir um: „Mama, so einen Basketball-Dingsbums wollte ich immer schon haben“, sagte sie inbrünstig. „Super“, antwortete ich mit einem scheelen Blick zu meinem Mann, der früher übrigens einmal passionierter Basketballspieler gewesen ist. An der Kasse stapelten sich dann neben Basketballkorb und zugehörigem Basketball übrigens auf wundersame Weise noch drei Jonglierbälle,
eine Laserpistole und Star Wars-Shuttle. Seltsame Auswahl für eine Zweijährige… Aber mal ehrlich: wir hatten es uns auch wirklich verdient.

OP oder nicht OP?

OP oder nicht OP?

Unsere Tochter spricht seit etwa zwei Wochen mit englischem Akzent. Soll heißen aus Ball wird Balllll, aus toll wird tolllll, so wie in „well“. Kann man ein „l“ rollen? Falls ja, dann tut sie genau das.  Jetzt gibt es mehrere Theorien:

1)    Sie war in einem vorherigen Leben Jane Austen und das kommt jetzt langsam durch.
2)    Sie schaut heimlich, nachdem wir ins Bett gegangen sind, Sesamstraße in Originalfassung.
3)    Sie hat den Akzent von ihrer Erzieherin. Aber die heißt Carmen Gonzales, also eher unwahrscheinlich. 

4)    Sie hört nicht gut.

An weitere Theorien will ich im Moment gar nicht denken. Aber da man uns zeitgleich in der Kita ans Herz gelegt hat, ihre Ohren checken zu lassen („Irgendwie muss man ihr in letzter Zeit alles drei Mal sagen, bevor sie reagiert!“ – „In letzter Zeit??? Das ist schon seit der Entbindung so!!!“) haben wir uns entschieden zum HNO zu gehen. Schon wieder.

Mit dem Trend

Heutzutage gehört es ja zum guten Ton, sich im Kindergartenalter mindestens fünfmal die Rachenmandeln (die heißen nämlich gar nicht Polypen) entfernen zu lassen und je ein schickes Röhrchen im Gehörgang zu tragen, damit das Trommelfell nicht platzt. Da wir ja moderne Eltern sind und daher auch jeden Trend mitnehmen, hatten wir das dahingehende Potential unserer Tochter bereits abchecken lassen.

Das Ergebnis: „Herzlichen Glückwunsch!!! Ihr Kind hat riiiiiiiiiiesige Polypen. Das sind wahre Bazillenschleudern. Wir machen eine klitzekleine OP und nehmen sie einfach raus.“ – „Cool! Das freut uns!“ „Außerdem hat sie Unterdruck in den Ohren. Vielleicht haben Sie Glück und sie darf irgendwann auch ein bis zwei Paukenröhrchen tragen.“ – „Oh ja, das wäre echt schick, kann man das irgendwie fördern…?“

Nachdem unsere naturkundlich angehauchte Kinderärztin kürzlich auch noch versicherte „Ihre Kleine hat einen tollen Erguss im Ohr“ und damit prahlte „meine Kinder haben mit zwei schon die Polypen rausgehabt“ war klar: Auf den Zug müssen wir aufspringen!! Da man jedoch auf einer Schiene bekanntlich nicht gut fährt, wollten wir nun noch eine zweite Experten-Meinung einholen und folgten einer Empfehlung unserer Nachbarin.

Wie!? Sachlich??

Wir also in die HNO-Praxis, da sagt der doch zu uns: „Wir gehen das Thema jetzt mal ganz sachlich an.“ – „Wat denn, sachlich?!“ fragten wir etwas perplex. „Ich schau mir jetzt mal Ihre Tochter an und es ist wichtig, dass Sie dabei ganz neutral bleiben.“ – „Hallo guter Mann, ich bin Mutter, das ist das Gegenteil von neutral. Und ich will das Beste für mein Kind.“ – „Eben“, meinte er und löste vorsichtig meine Hand, die sich etwas nervös um den Oberarm meiner Tochter gekrallt hatte.

Etwas eingeschüchtert folgten wir der Untersuchung. Selbst unsere Tochter verzichtete dieses Mal darauf, Zeter und Mordio zu schreien. Und dann kam die Diagnose – ich hatte schon so was befürchtet: „Ihre Tochter braucht keine Operation, die braucht ein Taschentuch!“ – „Hä?“, fragte ich, wohl etwas zu emotional, denn er trat mich gegen das Schienbein. „Wir wollten doch sachlich bleiben…“ – „Äh ja, ‚tschuldigung.“

„Also Ihre Tochter hat Schnupfen und ansonsten nur ganz leicht vergrößerte Rachenmandeln, die man definitiv nicht operieren muss“, sagte er. „Oh!“, hauchte ich und warf meinem Mann einen kurzen Blick zu. Er hatte es ja immer schon gesagt… „So geht es übrigens 90 Prozent der Kinder, die man operiert. Aber so ein Belegarzt will ja auch irgendwie seinen Sommerurlaub finanzieren.“ Stimmt, diese armen Belegärzte haben es ja auch nicht leicht.

„Und was ist mit Pauken….“ – „Die Ohren ihrer Tochter sind völlig in Ordnung“, unterbrach er mich. „Die einzige Krankheit, die sie hat heißt ‚Kindergarten‘.“

Mit hängenden Schultern verließ ich die Praxis. Auf dem Weg zur Apotheke, um homöopathische Nasentropfen zu holen, blickte ich auf unsere fröhlich umherhüpfende Tochter und dann in das Grinsegesicht meines Mannes und seufzte laut: „Na gut, dann kriegt sie eben Ohrringe.“

Echt krank!

Echt krank!

„Wenn Sie merken, Sie reiten ein totes Pferd – steigen Sie ab.“ So sprach einst unser Kinderarzt in Bezug auf Hausmittel gegen Säuglingswehwehchen. Dass wir diesen Satz bald auf ihn beziehen könnten, hätten wir damals nicht gedacht…

Ach, was hatten wir doch für eine schöne Kindheit in den 80ern. Erstmal alles mitgenommen, was es so an Masern, Mumps und Windpocken gab, und dann kam der nette Doktor mit seiner schwarzen Arzttasche, Stethoskop und Tröste-Gummibärchen. Wohlgemerkt ans Kinderbett – auch aus der Innenstadt in den Vorort. Und heute? Da kann man froh sein, wenn es heißt: „Dann laden Sie mal
ihre fiebernden und reiernden Zwillinge ins Auto und kommen her. Aber bringen Sie viiiiiel Zeit mit!“

Immer öfter steht aber noch nicht mal dieses Angebot. Stattdessen schallt es entgeistert durchs Telefon: „Krank? Ihre Tochter? Und dann rufen Sie HIER an????“ – „Äh ja, Sie sind doch unsere Kinderarztpraxis?!“ – „Das mag sein, aber kommen Sie in Ihrem Interesse bloß NICHT rein!! Sie glauben ja nicht,was hier los ist.“ Und das ist noch die freundliche Variante. „Brrrsss, zzzz, kkrrrzzz – tut mir Leid, ich kann Sie nicht hören … die Leitung ist gestört … rufen sie nächstes Jahr nochmal an“, lautet die kreativ ausweichende. Und ein geraunztes „Sie machen wohl Witze!“, gefolgt von einem langen „Tuuuuuuuut!“ die ehrliche.

Ein kleines Mädchen aus unserer Kita landete auf diese Weise im Krankenhaus. Die Zweijährige hatte sich einen Magen-Darm-Virus eingefangen. Einen Termin bekam ihre Mutter natürlich nicht, dafür ein Päckchen Brechmittel. Die Information, dass sie das Präparat maximal zweimal geben durfte, fiel im hektischen Praxis-Vorzimmer irgendwie unter die Theke. Also, gab sie es alle acht Stunden und der Kleinen ging es schlecht!

Ich weiß nicht, ob sie sich die richtige Dosierung aus dem Internet gefischt hat – Doktor Google ist 24 Stunden für Sie da – jedenfalls dämmerte ihr: Da läuft was falsch. Die Zeit, die es brauchte, den Kinderarzt an die Strippe zu kriegen – nämlich zwei Stunden – füllte sie klugerweise mit einem Anruf beim Giftnotruf. So kam ihr völlig ausgetrocknetes Kind noch rechtzeitig in die Klinik, wo es drei Tage am Tropf hing und sich erholte. Zu dieser gefährlichen Misere fiel besagtem Kinderarzt folgendes ein: „Ich hab hier 100 Kinder am Tag, Sie können sich gerne eine Alternative suchen.“ Ach so.

Dass der gute Onkel Doktor am Kinderbett ins Reich der 80er-Jahre-Bilderbücher gehört, haben wir verstanden. Und auch, dass man sich als erstes im Internet schlau macht (3,3 Mio Suchergebnisse zum Thema „komische rote Flecken“). Ebenso richtet man sich als Kassenpatient automatisch aufs Warten ein: „Schatz, wie wollen wir unseren Sommerurlaub legen?“, fragte mein Mann an Weihnachten. Ich: „Wieso?“ Er: „Ich brauche einen Augenarzttermin.“

Soweit, so naja. Aber: Müssen wir wirklich damit leben, dass Ärzte vor lauter Stress und Budgetproblemen ihre Berufung verlieren und ihren Hippokratischen Eid vergessen? Zur Erinnerung, da heißt es unter anderem: „Ich werde ärztliche Verordnungen treffen zum Nutzen der Kranken nach meiner Fähigkeit und meinem Urteil, hüten aber werde ich mich davor, sie zum Schaden und in unrechter Weise anzuwenden.“ Hmmm… Klar, es liegt nicht nur am Arzt, viele arbeiten sich kaputt. Es ist auch das kranke System, das für jeden Patienten rund 35 Euro Budget im Quartal vorsieht…

„Wir haben immer noch eines der besten Gesundheitssysteme der Welt“, sagen indes selbst Kritiker. Klar, unter den Blinden… Der Alltag sieht nicht so aus. Und eine Spontanheilung ist in dieser Sache nicht in Sicht. Mein Mann hatte zu Silvester nach vielen Enttäuschungen im letzten Jahr einen guten Vorsatz: „Ich werde einfach nicht mehr krank.“ Nachdem es jetzt Mai ist und er in den letzten Monaten selten wirklich gesund war, hat er es trotzdem nochmal bekräftigt: „Prävention ist alles!“  Ich halte das für eine gute Idee und schaue gerade etwas reuig auf die leere Tüte der Gummibärchen, die ich zum Frühstück hatte, während ich mir am PC den Hintern breit sitze…

Vorbeugen ist wichtig. Trotzdem kann es doch nicht sein, dass man von Ärzten keine Hilfe mehr erwartet. Gott sei Dank gibt es sie aber vereinzelt noch: Menschliche Mediziner, Kinderärzte, die Kinder MÖGEN. Unser Arzt gehört nicht dazu. Immer kürzer angebunden schleust er seine kleinen Patienten fließbandmäßig durch. Interesse und Feinfühligkeit sehen anders aus.

„Ich kann mir heute das Ekzem Ihrer Tochter am Handgelenk anschauen, aber für das am Bein machen Sie mal einen neuen Termin“, sagte er irgendwann ungeduldig, nachdem wir zwei Wochen auf den Termin und eineinhalb Stunden im Wartezimmer gewartet haben. Seither steigen wir vom  lahmen Gaul auf 70 PS um und fahren so oft es geht über zwei Autobahnen zu einer Ärztin im Norden der Nachbarstadt. Sie ist aufmerksam, hat eine lustige Brille und brüllt uns die Diagnose nicht über das angstvolle Weinen unserer Tochter hinweg zu. Mehr ist derzeit nicht zu wollen.

Outing: Unsere Schlafgewohnheiten

Outing: Unsere Schlafgewohnheiten

Saß ich jüngst in einem der klapprigen Nahverkehrsmittel, die im südlichen NRW Städte und Städtchen verbinden. Es war 18 Uhr, die Bahn voll und es roch nach einem langen Arbeitstag. Ein paar Reihen weiter hing eine Frau in ihrem Sitz: die Augen geschlossen, den Mund geöffnet. Ihr Kopf schwankte willenlos mal Richtung Fenster, mal Richtung Sitznachbar.

Erst machte ich mir Sorgen… Doch dann öffnete sie kurz die Augen und darin las ich. „Ich bin berufstätige Mutter von drei Kindern! Ja, und ich schlafe hier! Weil ich sonst nicht dazu komme! Und es ist mir sowas von egal, ob ich dabei dämlich aussehe. Wehe, es weckt mich jemand auf! Mit etwas Glück verpasse ich meine Haltestelle und fahre einfach immer weiter im Kreis…“

Kinder und Schlaf sind inkompatibel…

Dafür müssen die Kleinen noch nicht mal auf der Welt sein. In der Schwangerschaft fängt es an: Wadenkrämpfe lassen einen im vierten Monat rumpelstilzchenartig aus dem Bett hüpfen. Dann folgt die Blase, die zwar irgendwann leer ist, sich aber nie so anfühlt. Der Bauchschläfer hat ja schon früh verloren, der Rückenschläfer – also ich – spätestens, wenn er bei dem Versuch, in der geliebten Position einzuschlafen, in Ohnmacht fällt. Nach der Entbindung folgt „24/7/2-3“ (auch bekannt als zwei bis drei Stunden Taktung).

Jetzt kommt das alles nicht wirklich überraschend, hat man sich doch im Normalfall neun Monate lang ins Thema eingearbeitet. Dass so ein Erdenneuling nicht von Anfang an elf Stunden durchschläft, erwartet auch niemand. Dass das Thema „Schlafmangel“ aber auch drei Jahre später noch akut sein könnte, hat uns keiner gesagt!! Meine Familie hat sich in ein wanderndes Feldlager verwandelt, immer auf der Suche nach ungestörten Nächten.

Kürzlich ist mir aufgefallen, dass ich mich abends nur noch selten umziehe, sondern ermattet in Straßenklamotten irgendwo niedersinke. Ich dachte noch: „Das war doch früher nicht so…“, da fiel mein Blick auf ein vertrautes abendliches Bild: Mein Mann mit Bettdecke, Wolldecke, Kissen, Oropax und Kindle im Arm wankte verwirrt durch die Wohnung auf der Suche nach einem guten Schlafplatz für die Nacht. „Klar, dachte ich: Früher lag mein Schlafzeug immer am Fußende meines Bettes unter meiner Decke. A propos, wo ist überhaupt meine Decke? Wo habe ich letzte Nacht geschlafen?“ Kopfkratz!

Der beste Schlafplatz der Wohnung befindet sich egal wo, Hauptsache weit weg von unserer Tochter. Neben ihr zur Ruhe zu kommen ist, als würde man versuchen, im FC-Fanblock ein Nickerchen zu machen, wenn die Mannschaft gerade verliert… Da unsere Tochter allerdings nach wie vor Probleme mit „weit weg“ im Zusammenhang mit „schlafen“ hat, gibt es Nacht für Nacht eine Abstimmung darüber, wer bei ihr, soll heißen, in einer ruhelosen ringkampfartigen Umarmung mit dem Kinde schläft.

Ehebett??? 
Schon lange ist aus unserem Ehebett  ein Mutter-Kind- bzw. Vater-Kind-Bett geworden. Dort schläft der, der nicht arbeiten muss, nicht krank ist, eine Wette verloren oder wie in meinem Fall, unerlaubt Schokolade gegessen hat. (Es gibt da so einen Vertrag zwischen mir und meinem Mann, aber dazu ein andermal.)

Auf diese Weise haben sich schon die folgenden Schlafkonstellationen ergeben: Alle im Gästezimmer (zu Beginn) | alle im Schlafzimmer mit Beistellbett | alle im Schlafzimmer mit zugestelltem Kinderbett | alle im Elternbett inkl. Zombieeffekt am Morgen. Dann: einer im Gästezimmer, zwei im Schlafzimmer | einer auf der Wohnzimmercouch, zwei im Schlafzimmer | Tochter im Gitterbett im Kinderzimmer, zwei glückliche Eltern im Ehebett (da war sie etwa 20 Monate alt – netter Versuch!).

Dann eine Phase, die ich lieber vergessen will:  Einer im Schlafzimmer, zwei im Kinderzimmer – Tochter im Gitterbett, einer auf der Matratze davor. Daraus wurde in meinem Fall leeres Gitterbett, Mutter- und Tochter auf 90er Matratze  auf dem Boden… Heute schlafe entweder ich mit meiner Tochter im früheren Ehebett und  mein Mann im eigens aufgestellten großen Bett im Kinderzimmer oder umgekehrt. Wer niemals im Kinderzimmer schläft, ist unsere Tochter…

Nicht selten finden auch mitten in der Nacht schlaftrunkene Wechsel statt. Wenn zum Beispiel Tochter mit Mutter zusammenliegt, erstere aber unausgesetzt nach Vater schreit. Dann lässt man sich nach zwei Stunden schon mal überreden. Beim Wechsel der Zimmer im Dunkeln mit Bettzeug und allem anderen Firlefanz (s.o.) gilt übrigens die Regel rechts vor links.

Ein echtes Mädchen

Ein echtes Mädchen

„Deine Tochter ist ein echtes Mädchen“, spricht der Gatte und es klingt ein bisschen verzweifelt ob der schieren Klamottenflut, die ihn gerade mal wieder zu überwältigen droht. Eine befreundete Erzieherin sagte mal zu uns: „Man kann morgens erkennen, wer das Kind angezogen hat.“ In der Tat hätte unsere Tochter ihren Weg in die Kita sicher auch schon mal im Schlafanzug zurückgelegt, hätte sie nicht ganz genaue Vorstellungen davon, was man anziehen kann oder nicht.

Die Inventur ihres Kleiderschranks ergibt das Folgende: 15 Oberteile langarm, 9 T-Shirts, 12 Hosen (davon zieht sie drei an und zwar nur unter tränenreichem Protest) und 12 Kleider. Die zieht sie alle an. Manchmal auch zwei übereinander. Während andere Kinder ihren Schnuffelhasen vermissen, der auch mal in die Wäsche muss, will sie genau DAS Kleid. Das Rosane! NICHT das mit den kleinen Punkten!!! Das mit den GROSSEN Punkten!!! Dabei ist es egal, dass man an der Vorderseite den Kitaspeiseplan der letzten Woche ablesen kann. Ohne dieses Kleid geht sie nicht aus dem Haus.

Jetzt könnte man denken, hier lebt eine Mittdreißigerin ihren nostalgischen Barbie-Spieltrieb an ihrem Kind aus. Ganz falsch! Ich konnte mit Barbies noch nie was anfangen. Die zwei oder drei, die ich in meinem Kleinmädchenleben geschenkt bekam, lagen irgendwo ohne Kopf in der Ecke, während ich knetete, mit dem Kaufladen spielte, Schnecken mit Salat fütterte oder irgendwo in der Nachbarschaft von einem Baum fiel. Auf rosarote Plastik-Wohnmobile/-Schlösser/-Kutschen reagierte ich legasthenisch. Mir wollte einfach nicht einfallen, wie man richtig damit spielt.

Auf Röcke und Kleidchen habe ich als Kind wohl auch nicht wirklich gestanden. Sie hätten beim munteren Rohbau-Erkunden in unserem Neubaugebiet gestört. Bis heute ist mein Klamottengeschmack wesentlich unausgereifter, als der meiner Tochter im Alter von 15 Monaten. Schon damals wusste sie genau, was geht. Am Überfluss ihrer Klamotten habe ich allerdings neben diversen Omas und anderen Anverwandten einen deutlichen Anteil. Ich liebe Kinderflomärkte und wühle mich bodycheckend durch Kleiderhaufen, als gäbe es kein Morgen mehr.

Hallo? Ich meine, wo gibt es denn sonst kaum getragene Teile für zwei Euro? Das kann man doch nicht liegen-, beziehungsweise anderen überlassen. So sehen das übrigens alle Mütter (Väter findet man auf solchen Veranstaltungen so gut wie gar nicht). Mit Tüten und Taschen bewaffnet stehen die Frauen schon eine halbe Stunde vor der Öffnung bereit, scharren mit den Sneakers und kratzen an der Tür. Wenn es dann endlich losgeht, erinnert das Ganze ein bisschen an den Sturm auf die Bastille, mit fast ebenso vielen Opfern. Wer Pech hat, wird in Richtung Spielzeugecke oder Kuchenbuffet abgedrängt und dann hat man schon verloren. Die ersten fünf Minuten sind schließlich entscheidend.

Und so kommt es, dass ich nach diesen Flohmarktbesuchen derangiert, aber glücklich mit locker 20 neuen Teilen nach Hause komme. Was davon in den Augen meiner Tochter Gnade findet, zeigt sich dann über die nächsten Wochen hinweg. Der Rest wird sorgfältig gebündelt in den Keller verfrachtet und wartet seinerseits auf den nächsten Flohmarkt. So langsam wird es da unten allerdings eng, was mich gerade an eine prägende Erfahrung vor eineinhalb Jahren erinnert:

Als ich damals noch relativ unerfahren über den großen Bonner Rheinauenmarkt schlenderte, kam ich an einem riesigen Stand vorbei. Acht Tapeziertische standen im Carré, darüber war eine Dachkonstruktion gleichen Ausmaßes errichtet, an denen Kleidchen, Jacken und andere ‚Bügelwäsche‘ hing. Unbedarft, wie ich war, fragte ich die Standbetreiber. „Kommen Sie von einem Kinderheim?“ Die sahen mich mit einem wissenden Seitenblick auf unseren Kinderwagen nur milde lächelnd an. „Nein! Das ist alles von unserer Tochter. Wieso?“ Ja, wieso eigentlich… Ich war einfach noch ein richtiges Greenhorn in Sachen Kinderbekleidung. Heute weiß ich es natürlich besser. Und mein armer Mann leider auch.