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Der entschleunigte Familiensonntag

Der entschleunigte Familiensonntag

Die Nacht endete an diesem Sonntag etwas abrupt um sieben Uhr mit dem beunruhigenden Geständnis meiner Tochter: „Ich habe ein Baby in meinem Bauch.“ Ich war wohl noch im Halbschlaf. Anders ist nicht zu erklären, dass ich plötzlich senkrecht im Bett saß: „Wie schwanger? Vom wem? Kind, du verbaust dir dein Leben!“ Als endlich auch mein Geist erwachte, schaute ich in die besorgten Kulleraugen meiner 2-Jährigen und atmete langsam aus. Ich hatte wohl etwas überreagiert.

Freundlich interessiert fragte ich sie: „Wie heißt denn das Baby!“ – „Matschehose!“, kam es ernsthaft und wie aus der Pistole geschossen zurück. „Ähhhh? Aaahh!!“, machte ich. „Das ist nämlich gar kein Baby, das ist ein Monsterbaby!“ Ach so, das erklärt natürlich einiges… ‚Manchmal haben Late-Talker ja schon was für sich‘, dachte ich, bevor ich etwas ermattet zurück in die Kissen sank. Mein entschleunigter Familiensonntag hatte begonnen.

Ja, Entschleunigung ist immer noch ein Thema. Ich hatte es nur in den letzten Wochen vor lauter Stress vergessen… Aber wer sagt, dass man alle Vorsätze gleich im ersten Monat umsetzen muss. Die Bilanz für Januar lautet: Ich habe einen Tag lang immer alles gleich erledigt. Ich habe immer brav Mittagspause gemacht und hin und wieder auch was gegessen. Ich war einmal im Fitnessstudio. Ich hatte einen tollen Wellnesstag mit meinem Mann. UND:

Ich habe es sogar einmal für fünf Minuten geschafft, ganz im Moment zu sein. Das war als meine Tochter übers Bett gekotzt hat… Alle weiteren Termine hatten sich danach für den Januar erledigt, so dass dieses Event wirklich am nachhaltigsten zur Entschleunigung am Jahresbeginn beigetragen hat. Wie das allerdings so ist mit Terminen: Aufgeschoben ist eben nicht aufgehoben. Und deswegen könnte es in den nächsten Monaten etwas eng werden.

Bin ich das?

Bin ich das?

Als ich gestern beim Duschen mal genauer aufs Duschgel geguckt habe, wurde mir zwar irgendwie anders, aber das habe ich auf die Magenverstimmung geschoben, die ich vor Kurzem hatte. Aber so langsam mache ich mir Sorgen: Heute habe ich mir Anti-Verfärbetücher für die Waschmaschine gekauft und dann das!! Hab ich was verpasst???

Wer bist Du denn?

Wer bist Du denn?

Ich bin keine Bilderbuchnachbarin! So, jetzt ist es raus. Ich hab schon mal vergessen, die Mülltonne vors Tor zu stellen, die Treppe könnte auch mal wieder geputzt werden und als kürzlich die Vermieterin mit Kind und Magen-Darm-Grippe im Flur stand, habe ich schnell die Tür zu gemacht und nur noch per Whatsapp mit ihr kommuniziert… (Hat uns übrigens nichts genützt.)

Viel schlimmer aber ist: Ich grüße nicht! Jedenfalls nicht jeden. Arroganz? Sagt man mir hoffentlich nicht nach. Oberflächlichkeit? Dann würde ich mich hier nicht outen. Nein, tatsächlich ist es mein sagenhaft schlechtes Gesichtergedächtnis. Wirklich wahr, ich kann mich heute sehr nett mit Leuten unterhalten und morgen an ihnen vorbeilaufen, wenn ich sie nicht näher kenne. Werde ich dann gegrüßt, bin ich oft so verwirrt, dass ich gar nicht dazukomme, zurück zu grüßen und mein beschämter Blick nur noch einen Rücken trifft.

Tatsächlich bin ich beim Wiedererkennen auf Dinge angewiesen, die das Gesicht ergänzen. Der Gang, der Haarschnitt – oder der Hund! Hunde kann ich mir super merken, die haben ja viele Haare. Gut ist auch Berufsbekleidung: Die Bäckereifachverkäuferin erkenne ich immer und auch die Kassiererin beim dm. Aber wehe ich treffe die eine in Zivil beim Brötchenholen oder die andere am Duschgel-Regal…

Mein Mann bringt in geselliger Runde gerne die folgende Geschichte, die Gott sei Dank schon ein paar Jahre her ist.Wir waren auf Reportagetour in einem Ökokloster. Morgens trafen wir auf den Biobäcker, der gerade von der Frühschicht kam und auch so aussah. Wir machten einen Termin für den Nachmittag aus. Er wollte uns die Backstube zeigen. Als wir um 15 Uhr an die Tür klopften, öffnete ein hochgewachsener Mann mit Kutte. Ich fragte ihn freundlich, wo ich denn den Bäcker finden könnte, während mein Mann fast zusammenbrach: Er hatte den Bäcker natürlich auch im schwarzen Habit erkannt.

Jetzt habe ich endlich zum letzten Mittel der Verzweifelten gegriffen: GOOGLE! Und ich habe Folgendes erfahren. Erstens: Die meisten Leute können sich Gesichter gut merken, dafür keine Namen. Okay, auch nicht schön. Zweitens: Sogar Schimpansen können sich gut Gesichter merken. Na danke… Drittens: Frauen können sich besser Gesichter merken, als Männer. Das bedeutet also, ich stehe irgendwo auf dem Level eines testosterongesteuerten Schnurrbarttamarins. Das macht Mut! Denn es kann nur besser werden.

Den ein oder anderen Tipp habe ich im Internet dann doch gefunden: Wie beim Namenmerken sollte man versuchen, auch beim Gesichtermerken Assoziationsketten zu bilden. Je lustiger und unwahrscheinlicher, desto besser. Ich beginne bei Nachrichtensprechern und so langsam macht es mir Spaß.

Ich frage mich zum Beispiel, ob schon mal jemandem aufgefallen ist, dass einer der n-tv-Sprecher ein Prozentzeichen im Gesicht hat: Muttermal, schräge Augenbraue und linkes Auge. Den erkenne ich garantiert wieder! Ansonsten sehe ich mit dieser Methode haufenweise Bulldoggen, Königspudel und Dackel. Nicht schmeichelhaft, aber hilfreich. Mit Hunden kenne ich mich schließlich aus!

Echtes Workout

Echtes Workout

Es ist so krass. Gerade zwei Wochen nach dem Urlaub und ich fühle mich morgens mal wieder, als hätte mich eine Dampfwalze überfahren: Total platt! „Da hilft nur eins“, sagt mein Mann. „Was denn? Schokolade?“, antworte ich hoffnungsvoll. „Nee, Fitnessstudio!“ Boah, das kann doch nicht sein Ernst sein?! Aber da mein Mann meistens Recht hat und sich dazu selbst jede Woche zur Muckibude schleppt, beschließe ich spontan: ich machs.

Lange ist es her, seit ich das letzte Mal einen Fuß in so einen Fitnesstempel gesetzt habe und ich gestehe, ich hab es nicht vermisst. Aus meinen Sportsachen bin ich seitdem etwas herausgewachsen und in Leggins wird mich dort niemand sehen. Bleibt nur eine Pyjamahose. Es wird eh peinlich, also ist das auch schon egal. Immerhin habe ich noch diese Angeberlaufschuhe. Hundert Euro im Sonderangebot vor vier Jahren und dann einmal gejoggt…

Im Pyjama – wenn ich die Hose anziehe, kann ich auch gleich das Oberteil dazu anziehen, habe ich mir gedacht – schwinge ich mich auf den Crosswalker. Der will nicht so, wie ich will. Statt einfach anzufangen, soll ich erst Alter und Gewicht eingeben. Ich schaue mich vorsichtig um, niemand in der Nähe – und gebe 25 und 55 ein. Das Display blinkt hektisch und piepst: „Error“. Unverschämt!

Damit ich nicht noch mehr Aufsehen errege, drücke ich auf „Pause“ und laufe einfach los. Wer braucht schon Widerstand – den hab ich zu Hause genug, wenn ich versuche, meiner Tochter Schal und Mütze anzuziehen. Nach 15 Minuten bildet sich ein Schweißtropfen auf meiner Stirn und ich beschließe: Ich bin jetzt aufgewärmt. Ab an die Geräte!

Weil die so kompliziert aussehen (das kann sich nur ein Mann ausgedacht haben), greife ich zunächst nach zwei 3-Kilo-Hanteln. Und plötzlich ist die Erinnerung wieder da: „Füße hüftbreit hinstellen“, kommandiere ich mich selbst. „Hehe, du kannst doch gar keinen Spagat“, kichert eine hämische Stimme in meinem Kopf. Na danke, so was brauche ich jetzt.

Aber dann klappt es tatsächlich ganz gut. Ich stelle ohne größere Quetschungen, die Geräte ein und trainiere. Drei Durchgänge à zwölf Wiederholungen pro Gerät. Der Atem geht, wie er soll (ausatmen beim Anspannen – ich finds unlogisch). Und, es tut noch nicht mal weh! Irgendwie komme ich mir kräftiger vor als damals. Und damit meine ich nicht ausschließlich das Fett.

Eigentlich klar, man wächst mit seinen Aufgaben. Von 3.100 Gramm zu derzeit 15 Kilo pirellimäßig verpacktes Lebendgewicht in Rosa. Durch die Gegend schleppen… ziehen, festhalten, hochstemmen usw. Je nachdem wie meine Tochter so drauf ist. Echtes Workout und ich habs gar nicht gemerkt!

Aua Wellness oder Zu viel Information

Aua Wellness oder Zu viel Information

Sieben Uhr morgens, Wochenende und mein Rücken ist ein BRETT.
An Liegenbleiben ist nicht mehr zu denken. Gestern haben wir Wellness gemacht.
Im Sinne der Entschleunigung und im Sinne des uralten Gutscheins, dessen Ablauf
drohte. Wellness mit Massage! Und es kam wie es kommen musste.

Masseurin: „Boah,
Sie sind aber verspannt. Knirschen sie nachts mit den Zähnen?“ Ich: „Äh, hab ich
noch nicht gehört.“ Masseurin: „Also, die sanfte Massage, die sie gebucht
haben, können wir vergessen, da muss ich richtig ran. Haben Sie Stress???“ Ich:
„Nun ja…“ Sie: „Ihr ganzer Rücken ist komplett verspannt. Das kommt vom Po, sie
spannen den Po an.“ Darf man das nicht? In dieser Frauenzeitung stand, man
soll… „Ihre untere Wirbelsäule ist deformiert. Das Kreuzbein steht raus.“ GOTT
SEI DANK – dann bin ich ja gar nicht selber schuld. Puh!

Und dann kommt das
obligatorische Gespräch. Kennt das jemand oder ist das eine Berufskrankheit der
Journalistin? Egal, ob Frisörin, Steuerberaterin oder Physiotherapeutin. Nach
einem Termin kenne ich ihr ganzes Leben. Mein Mann sagt, ich soll nicht so viel
fragen. Unser Ex-Kinderarzt hat mich mal fast rausgeschmissen, als ich im
Sprechzimmer einen Zettel mit „weiteren Fragen“ aus der Tasche zog… Aber das
ist eine andere Geschichte.

Jedenfalls greifen solche Gespräche bedenklich in
meinen Alltag ein. Als ich kürzlich  Essigreiniger
auf die Einkaufsliste schreiben will, fällt mein Blick auf unseren
Kühlschrankmagneten aus Antalya. „Hat nicht letztens die Frisörin erzählt, ihre
Oma in Izmir ist schon über 100… In Japan werden die Leute ja auch so alt… Das
liegt bestimmt an der Ernährung…  Meeresfrüchte…“ Und prompt steht „Meeresfrüchte“
auf der Liste. Im Supermarkt weiß ich dann natürlich nicht mehr, was ich eigentlich
kaufen wollte. Meeresfrüchte sicher nicht. Ich kann definitiv nichts essen, was
dermaßen nach Dschungelcamp-Prüfung aussieht. Gesundheit hin oder her.