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Silvester – Das Übliche

Silvester – Das Übliche

2014 ist schon so alt, das nur noch ein Blatt im Abreißkalender hat. So alt, wie ich mich fühle, wenn ich morgens im Bad meinem Spiegelbild ausweiche. Was hat es gebracht, das Jahr? Leider vieles, das in die Kategorie „In was für einer Welt leben wir eigentlich?“ passt. Wer sich nochmal gruseln will, schaue sich den ein oder anderen Jahresrückblick an…

Für die Nachbarin war 2014 ein besonderes Jahr. Sie erblickte nämlich am 13. Januar das Licht der Welt. Völlig unabsichtlich und ungeplant und eigentlich nur, weil so ein Bloggerprofil so einfach einzurichten ist, dass sogar Mami es kapiert hat. Beim Thema „intuitiv bedienbar“ gehen gewisse Meinungen dauerhaft auseinander (also zum Beispiel meine und die meines Informatikermannes). In diesem Fall nicht und schon war sie da – meine Alte Ego – und wollte nicht mehr weg. Den Rest kennt ihr.

Dass sie aber mein Jahr derartig durcheinander bringen würde, damit hätte ich niemals gerechnet. Ich lag also an einem grauen Januarmorgen auf der Couch, vor mir mein Potpouri der guten Vorsätze. Wollte entschleunigen, drei Kilo abnehmen, gesünder und nachhaltiger leben, netter zu meinen Mitmenschen sein, mehr Zeit für meine Familie haben… das Übliche eben. Ob ich meine Vorsätze auch umgesetzt habe? Nur so viel: Ich habe vier Kilo zugenommen.

Moment kleine Schokoladenpause…

So, wo war ich. Gute Vorsätze… Zu meinen Vorsätzen gehörte im Januar definitiv nicht, im Juni 2014, nach genau sieben Jahren, meinen sicheren Job als Online-Redakteurin zu schmeißen, mir zu Hause ein Homeoffice einzurichten und mich monatelang mit Dingen wie „Künstlersozialversicherung“ und „Umsatzsteuervoranmeldung“ zu befassen. Ihr wisst schon – schade um die Lebenszeit und so. An dieser Stelle noch mal vielen Dank an hilfreiche Kollegen und vor allem meinen Mann, der meine Legasthenie in Sachen Behördenkram und Exceltabellen mit stoischer Gelassenheit erträgt bzw. die Dinge einfach selbst in die Hand nimmt.

Heute sorgt die Nachbarin zum Teil für meinen Lebensunterhalt, indem sie sich auch regelmäßig auf dem Livestyle-Blog von GALERIA Kaufhof austoben darf. In meinem anderen Leben bin ich dem guten alten Online-Journalismus treu geblieben und er mir. Diese Mischung macht zufrieden und so haben die Nachbarin und ich unseren Schritt noch keinen Tag bereut.

Die Nachbarin und ich

Wieviel Nachbarin in mir steckt und wieviel von mir in der Nachbarin, darüber gehen die Meinungen auseinander. Meine älteste Freundin meint lapidar: „Mehr, als du denkst.“ Meine Mutter wundert sich unterdessen, wie ich immer auf „diese ganzen lustigen Geschichten“ komme und ich kann nur sagen: Sie passieren genauso. Naja, also fast genauso, in etwa. Mein Mann geht von mehr Wahrheitsgehalt aus, „als noch normal ist“. Wer es genauer wissen will, darf fragen.

Zweierlei freut mich immer wieder: Wenn ich mit „Hallo Nachbarin“ angesprochen werde, denn dann weiß ich: „Hach! Mein Leser!!“ Und: Wenn mir Leute ihre eigenen komischen Geschichten überlassen, mit denen ich dann machen darf, was ich will. Da geht mir das Herz auf. Danke 🙂 Ansonsten sind die Nachbarin und ich zum Jahresende ziemlich verschmolzen, was auch meine Gewichtszunahme erklären könnte. Ich hoffe, sie bleibt mir auch im nächsten Jahr erhalten, vor allem, wenn sie jetzt gleich meine Vorsätze liest:

– Ich muss und ich werde ein System finden, das den Sockenverlust auf ein Minimum reduziert.
– Ich werde keine Geburtstags-Mails und -Whatsapps mehr mit den Worten: „Nachträglich, aber besonders herzlich…“ beginnen (An dieser Stelle gratuliere ich nachträglich, aber besonders herzlich M. aus J. bei R. zum elften Geburtstag. Sorry Mate, ist ja noch das alte Jahr)
– Ich werde zucker- und (hoffentlich auch bald) fettarm leben (darauf noch ein Stück Toblerone).
– Ich werde meine sportlichen Ambitionen weiter verfolgen und wie 2014 jede mir irgendwie mögliche (ihr seht die Auswahl ist begrenzt) Sportart mindestens zweimal betreiben.
– Ich werde mindestens dreimal in der Woche Zahnseide benutzen und mich einer professionellen Zahnreinigung unterziehen. (Dr. M., Sie haben gewonnen.)
– Ich werde täglich Nachrichten hören/lesen/schauen, auch wenn es mir nach einer Folge „How I met your Mother“ viel besser geht.
– Ich werde aus meinem Arbeitszimmer-Schrägstrich-Gästezimmer-Schrägstrich-Rumpelkammer, das derzeit den Charakter und die Raumqualität einer verschimmelten Nerd-Butze hat, ein präsentables Arbeitszimmer-Schrägstrich-Kreativraum-Schrägstrich-Wenn-jemand-zu-Besuch-kommt-darf-er-trotzdem-hier-schlafen-Zimmer machen…
– Ich werde mich durch unseren familiären Mikrokosmos wühlen und wenn es was zu schreiben gibt, werde ich schreiben.
– Ich werde die Privatsphäre meiner Tochter so gut es geht schützen, damit sie nicht, wie unlängst von einer Kindergarten-Mutter prophezeit, in fünfzehn Jahren zum Therapeuten muss und danach zum Anwalt geht, um mich zu verklagen.

Ach ja, und ich werde entschleunigen, 6 Kilo abnehmen, nachhaltiger leben, netter zu meinen Mitmenschen sein, mehr Zeit für meine Familie haben… das Übliche eben!

Viel Glück!!!

In diesem Sinne:

Bleibt gesund,
verlernt das Lachen nicht
und schaut 2015 mal wieder rein.

Die Nachbarin und ich – wir freuen uns!!!

Wenn der Postmann täglich klingelt

Wenn der Postmann täglich klingelt

Weihnachtszeit, Paketezeit. Vor allem, wenn man mehr am Rand vom Rand wohnt und die sieben Kilometer bis zur Innenstadt dank Kleinkind in der Trotzphase unüberwindlich erscheinen. Was aber tun, mit den vielen, vielen Kartons, die sich nach einer vorweihnachtlichen Geschenke-Order-Aktion in der Ecke stapeln…

Es gibt da diese Theorie: Ein zerbrochenes Fenster, das längere Zeit nicht ersetzt wird, kann dazu führen, dass die gesamte Nachbarschaft verkommt. So ähnlich läuft das auch in unserer Wohnung ab. Es
gibt den Zustand „picobello“. Der ist Dienstagsmittags, nachdem unsere Perle das Haus verlassen hat. Ich habe morgens aufgeräumt, sie hat der bescheidenen Hütte Glanz verliehen!
Und dann braucht es nur eine klitzekleine Chaosecke. Dinge, die nicht da sind, wo sie hingehören: Zwei Schrauben liegen noch auf der Fensterbank, weil ich nicht wusste, wo sie herkommen. Der Brotkorb ist mit dem
falschen Tuch abgedeckt oder das Quietsche-Entchen steht noch vom abendlichen Bad auf dem Wannenrand. Und schon vermüllt die ganze Wohnung. Wenn mein Mann nach Hause kommt, kann er nicht mehr erkennen, dass unsere Perle überhaupt da gewesen ist. Meine Tochter und ich haben dann schon ganze Arbeit geleistet.
Vor Geburtstagen und vor allem vor Weihnachten spitzt sich das Problem zu. Denn wir bekommen Post. Viel Post! Große Pakete! Die Herren von Versand und Co laden uns schon zu ihrem Geburtstag ein oder erzählen uns von ihren Rückenproblemen, so gut kennen wir uns mittlerweile… Naja, vielleicht machen sie uns auch nur für letztere verantwortlich.
 
Weihnachtsshopping
Aber wir wohnen eben nicht in der Bonner Fußgängerzone, sondern quasi am Rand vom Rand. Es gibt Supermärkte und Drogerien, Bäcker, Schneider und Floristen, aber es gibt keinen Spielwarenladen, keine Modehäuser und keine Fastfood-Restaurants. Letzteres hat damit eigentlich nichts zu tun,
stößt aber meinem Mann immer wieder auf. Kaufhof ist Luftlinie nur siebeneinhalb Kilometer entfernt. In der Realität aber liegen unzählige logistische und
organisatorische Meilen zwischen mir und dem Weihnachtsshopping.
Also bewege ich mich gar nicht – das kann ich ja ohnehin am besten – und bestelle alles, was es zu bestellen gibt online. Ich meine, Weihnachtsmann und Christkind bringen die Sachen doch auch ins Haus. Da war nie die Rede von schwitzenden Menschenmassen, die sich – viel zu warm angezogen – bepackt,
rempelnd und mit den Nerven am Ende durchs Kaufhaus schieben, um den Wunschzettel abzuarbeiten. Und das sind nur die OHNE zeterndes Kleinkind an den Haxen. No thanks!
Aber zurück zu unserer Wohnung. Wenn zwei Schrauben ausreichen, um aus einem ordentlichen Heim ein Dickicht zu machen, durch das man sich den Weg nur noch mühsam bahnen kann, ist der Effekt von Pappkartons naheliegend. Und wir sprechen hier von vielen Pappkartons. In einer Ecke gestapelt – herausquellendes Füllmaterial, Werbeprospekte und Lieferscheine
noch nicht mitgerechnet – blockieren sie etwa fünf Prozent unserer Wohnfläche und die nächste Altpapierabfuhr ist erst in einem Monat. Unverantwortlich sowas.
 
Idee!!!
Jetzt verstehe ich natürlich, dass sich manchmal eine gewisse Kartongröße nicht vermeiden lässt. Zum Beispiel – äh – bei einem Paravent. Warum aber Pakete hier ankommen, die mindestens eine Mikrowelle vermuten lassen, sich dann aber als Transportkäfig für zwei zentimeterhohe Tierfigürchen erweisen, erschließt sich nicht auf den ersten Blick. Vielleicht kann mich jemand erhellen.
Jedenfalls habe ich mir überlegt, dass ich – auch um mein schlechtes Gewissen in Sachen Papierverbrauch zu beruhigen – die diversen Kartons einer sinnvollen Aufgabe zuführen werde. Meine 38 Weihnachtsdeko-Zeitschriften sagen seit letztem Jahr einhellig das Gleiche: Baut Euch Weihnachtsbäume! Aus Streichhölzern und Ästen, aus Bildern, die pyramidenartig an der Wand hängen, aus Lebkuchen und Büchern. Warum als nicht auch aus Kartons??? Et viola!

 

Die gegen das Chaos verliert

Die gegen das Chaos verliert

Ich räume gerne auf. Vorrangig deshalb, weil ich mir damit die uneingeschränkte Anerkennung meines Mannes erwerbe (anders als beim Kochen). „Wow, das ging ja wieder blitzschnell“, sagt er begeistert, wenn er leergefegte Böden, Tische, Regale, Türklinken und Gardinenstangen (wieso hing da ein Kinderkleid meiner Mutter aus den 50er Jahren?!) bewundert.

Und Bewunderung (m)eines Mannes ist ein seltenes Gut, für eine gestresste Mutter-Schrägstrich-Selbständige Ende 30, die Schokolade einfach lieber mag, als diese grandiose diätische Kohlsuppe und deren einziger Sport sich auf den morgendlichen Ringkampf mit der Tochter beim Strumpfhose anziehen beschränkt (Minus 500 Kalorien – mindestens). Dummerweise muss ich danach Schokolade essen, um wieder Energie für den Tag zu tanken, der vor mir liegt…
Erstaunliche Schätze

Die Kehrseite meiner Schnelligkeit beim Aufräumen ist übrigens, dass ich mich leider immer nur daran erinnern kann, von wo ich etwas weggeräumt habe, aber nicht wohin. An dieser Stelle hört die Anerkennung meines Mannes dann auch abrupt auf. „Schaahaaaatz! Wo hast du mein D-Link DUB-H7 HUB USB hingeräumt?“ – „Ich?? Ich weiß noch nicht mal, was das ist!“   

Meistens war ich es dann doch und die Suche beginnt. Dabei trifft man auf erstaunliche Schätze. Da sind zum Beispiel sämtliche Einrichtungszeitschriften, derer ich seit 2003 habhaft werden konnte. Die kann
ich doch nicht wegschmeißen! Die muss ich alle nochmal lesen, am liebsten gleich… Oder alle Ausgaben der Elternzeitschrift, seit meine Eltern mir 2011 das Abo geschenkt haben. Oh, da ist noch eine mit Versandfolie drum – Dezember 2013… Leergut verteilt sich über Küche, Wohnzimmer und Arbeitszimmer. Kleidungsstücke unterschiedlicher Frische über die anderen Räume. Außerdem Bücher, die ich mal gelesen habe. Es verbietet sich, die ins Altpapier zu schmeißen, aber die AWO-Sozialstelle gegenüber nimmt nur einmal in der Woche an und irgendwie verpasse ich den Termin seit zwei Jahren. Dann Schuhe,
die ich nur einmal anhatte, weil sie Blasen machen – aber hej, die sind ja quasi neu, sogar das Etikett klebt noch drunter und meine Füße wachsen doch nicht mehr, anders als mein Hintern. Aber die jetzt zu den Altkleidern geben? Ich weiß nicht.
Vier Käsereiben und ein Eichhörnchen

So geht es munter weiter. „Schatz, du hast schon wieder eine Käsereibe gekauft!“ – „Ja, ich weiß, aber die anderen drei waren nix.“ – „Und warum hängen die dann noch alle hier rum?“ Na, weil sie neu sind – irgendwie. Und ich es nicht geschafft habe, sie rechtzeitig umzutauschen und ich mich nicht traue, bei der nächsten Einladung zum Dinner mit einer – noch nicht mal guten – Käsereibe als Gastgeschenk aufzutauchen. Meine Tochter ist auch nicht gerade hilfreich. Geschenke interessieren sie ja eher peripher. Aber von Spaziergängen müssen immer Stöcke, Eicheln, Kastanien und was sie sonst noch so findet mitgebracht werden. Die fliegen dann in der Wohnung rum. Eine Nacht habe ich ganz schlecht geschlafen, nur um festzustellen, dass sie eine Haselnuss unter dem Spannbetttuch gebunkert hatte. Ist sie ein Eichhörnchen, oder was?
Meine Lösung für dieses massive Überangebot an Zeug ist seit Jahren dieselbe. Ich kaufe einen neuen Schrank, ein neues Regal, Betten mit
Schubladen – egal, Hauptsache Stauraum! „Wir brauchen noch ein Expedit-Regal“, informiere ich meinen Mann. Wusstet ihr, dass Expedit jetzt Kallax heißt? So
wie Raider plötzlich Twix hieß oder Premiere Sky… Seltsam! Mein Mann jedenfalls rauft sich die Haare. „Wo soll das denn noch hin??“ – „Also, wenn wir den Schreibtisch aus dem Wohnzimmer entfernen und das Regal aus dem Arbeitszimmer ins Wohnzimmer stellen, dann haben wir da wieder Platz…“ – „Nein haben wir nicht! Ich weiß schon nicht mehr, welche Farbe die Tapete im Arbeitszimmer hat.“ Auch wieder wahr. Ich glaube, sie war weiß… „Und wo willst du überhaupt den Schreibtisch hinstellen?“ – „Na, in der Keller, bis wir wieder mehr Platz haben…“ Bevor sein anschließender Lachanfall noch weiter ins Hysterische abgleitet, lasse ich das Thema erst mal fallen.
Wirklich!

Ihr habt mir schon mit vielen Tipps in Sachen Baby-Spinnen-Invasion geholfen (die Kleinen sind übrigens wieder da, machen sich prächtig und wir
leben eine zufriedene Co-Existenz im Schlafzimmer). Wenn ihr also Ideen oder Erfahrungen mit diesem Chaos-Thema habt, bitte her damit. Oder, wenn ihr was
braucht!  Oder jemanden kennt, der was braucht. Vielleicht einen Schreibtisch oder quasi neue Schuhe in Größe 40 oder Käsereiben! Sagt einfach Bescheid und wir gucken, was wir für euch tun können.

Kleine ernstgemeinte Anmerkung
Ich schreibe in meinem anderen Leben immer wieder Artikel
über Armut in Deutschland und weltweit, deshalb ist es umso krasser, sich
bewusst zu machen, in welchem Überfluss man lebt. Trotzdem höre ich von vielen
Ansprechpartnern aus dem sozialen Bereich und der Entwicklungshilfe: „Bloß
keine Sachspenden mehr. Wir werden damit zugemüllt.“ Schlau wäre, erst gar
nicht so viel anzuschaffen, zu erben, sich schenken zu lassen. Aber auch wenn
man reduziert, sammelt sich ja trotzdem vieles an, was sich nicht zu verkaufen lohnt oder was man nicht weggeben/wegschmeißen will. Wie geht ihr damit um?
Die Einköchin

Die Einköchin

Klassentreffen sind doch was Feines. Mein Auto, mein Haus, mein Boot. Meine Wampe, meine Krähenfüße, meine verzogenen Abkömmlinge… Dieses Schicksal wird mich vielleicht in zwei Jahren ereilen, denn
dann ist das Abi schon zwanzig Jahre her (Oh mein Gott!). Auch ohne offiziellen Anlass finde ich es immer spannend zu sehen, wohin sich ehemalige Weggefährten so entwickeln. Zum Beispiel meine Buddys von der Journalistenschule.
 
Vor acht Jahren saßen wir noch einträchtig zusammen, die Zukunft war so was von offen. Hach! Und heute bin ich die Nachbarin und sehr glücklich damit. Und meine liebe Kollegin Sonja? Schreibt
investigative Artikel über Drogenkartelle in Mexiko, geht tauchen in der Südsee, verbringt ihre Geburtstage an der Copacabana  und fliegt mal eben übers Wochenende nach Afrika, weil sie dort ein Patenkind hat.
 
Ich sag immer: Treffen sich zwei Flugzeuge, in beiden sitzt Sonja! Während sich bei mir schon ein nervöses Ziehen in der Magengegend einstellt, wenn ich – huuuh – mit der Regionalbahn von Bonn nach
Köln fahren muss, jettet Mrs. Bonusmeile kreuz und quer über alle fünf Kontinente. Oder waren es sechs? Aber jetzt, JETZT, hat sie mich herausgefordert! Keine Sorge, ich plane keine einsame Backpacker-Tour durch Indien – hab‘ Rücken.
 
Ich werde einkochen! Denn das hat Madame zwischen Kambodscha, Bolivien und Nepal auch noch geschafft: Marmelade, Rumtopf und Chutney! Meine liebe Sonja, das ist ja nun wirklich mein Beritt. Äh – also
wäre es, wenn ich es könnte… Was war nochmal Chutney? Hmm… Hab ich eigentlich schon geschrieben, dass der heimische Herd nicht unbedingt mein Freund ist? Obwohl das doch zur ambitionierten Mutterschaft dazugehört.
 
Nein, ich habe keinen Pastinaken-Brei für mein Baby hergestellt, obwohl ich es mir doch so fest vorgenommen hatte. Bei uns gab es Gläschen und für meine Tochter war das definitiv die sicherere Wahl.
Kochen ist einfach nicht mein Ding. Wie sagte vorgestern mein Mann mit skeptischen Blick auf das Undefinierbare, was da im Topf vor sich hin blubberte und seltsame Gerüche verbreitete: „Wie soll das was werden, wenn du das Essen noch nicht mal abschmecken willst?“ – „Das soll ich probieren? Ich bin doch nicht lebensmüde!“
 
Jaaaaa, aber einkochen, das ist ja was ganz anderes. Man kann diese wunderschönen vintagemäßigen Weckgläser verwenden, tolle Etiketten gestalten und das Ergebnis dann auf dem Landhausküchenregal
ausstellen. Ich merke, dass eine gewisse Vorfreude in mir erwacht. Plötzlich fühle ich mich, wie eine dieser Landfrauen aus den englischen Country-Zeitschriften. So mit uriger Küche und einem Garten mit knorrigen Apfel- und Pflaumenbäumen unter denen Pferde, Schafe und ein Esel weiden… Aber ich schweife ab.
Also zunächst mal: Was koche ich ein? Laut Wikipedia kann man außer Hochzeitstorten ja so ziemlich alles auf diese Weise konservieren: Obst, Gemüse, Pilze, Fleisch und – ich muss mich korrigieren – sogar
Kuchen. Wow! Klingt großartig. Aber zunächst will ich es klassisch versuchen. Jeder fängt mal klein an… In Ermangelung eines eigenen Gartens mit altem Obstbaumbestand, gebe ich eine Bestellung bei meinen Eltern auf, die über dergleichen verfügen.
Eine Woche später stehe ich also hochambitioniert in der Küche. Vor mir Zwetschgen, Mirabellen und Sommerhimbeeren. Letztere wandern in meinen Mund, bevor ich sie einkochen kann. Sorry! Dem Steinobst rücke ich mit dem Messerchen zu Leibe, während ich die Gläser schön in der Mikrowelle sterilisiere und Wasser in einem kleinen Topf aufkoche.
Dann zwei Gläser mit Zwetschgen und ein Glas mit Mirabellen füllen. Heißes Wasser und Zucker dazu, bis das Obst ganz bedeckt ist und Deckel drauf. Damit mir die Gläser beim Einkochen nicht zu heiß werden und um die Ohren fliegen, bedecke ich den Topfboden mit einem Küchentuch. Dann Gläser rein, Wasser bis zum Kragen und eine Viertelstunde kochen. Alle rausnehmen und eine halbe Stunde abkühlen lassen. „It’s so easy“, trällere ich und fühle mich wie eine Hausfrau der 50er Jahre. Kurz bin ich versucht, mir Lockenwickler in die Haare zu drehen.
Motiviert von meinem Erfolg koche ich in den folgenden Tagen alles ein, was mir unter die Finger kommt: Äpfel mit Zimt, Kirschtomaten, Socken meiner Tochter, die mal wieder auf dem Boden rumliegen… Dann kommen echte Gerichte: Chili Con Carne und Bolognese, die mein Mann zubereitet (sicher ist sicher). Wie das alles schmeckt, weiß ich zwar nicht, aber es sieht toll aus. Meine Bilanz nach einer Woche: Der Keller ist voll (mit Küchenregal war leider nix, das Ganze muss dunkel und kühl stehen). Der lange und raue Bonner Winter kann kommen.
Zum krönenden Abschluss werde ich mich noch an den Kuchen im Glas wagen: Zitrone, Nuss und Schoko! Ich nehme mir vor, Sonja eine Auswahl zu schicken. Die kann sie bei ihrer nächsten Reise in den Koffer
packen. Dann hat sie was aus der Heimat, wenn sie am Ende der Welt mal die Sehnsucht packt.
Upcycling

Upcycling

Anfang der Jahres hat mir die Caritas mal wieder einige bekannte Wahrheiten um die Ohren gehauen, mit so sexy Schlagworten wie Globalisierung, Verantwortung, nachhaltiger Konsum… Aber wo sie Recht haben, haben sie eben Recht. Die Kampagne heißt „Globale Nachbarn“ und ich will ja schließlich eine gute Nachbarin sein.

Ich jonglierte also ein bisschen mit den Begriffen öko, sparsam und bewusst und kam auf Upcycling. Man könnte auch sagen aus alt mach neu oder elegante Resteverwertung. Und das Ganze indirekt zu Gunsten meiner Nachbarn in Kenia und Bangladesh. UND direkt zu Gunsten meines Mannes.

Denn: Mein Mann leidet. Nicht nur, wenn er unsere Tochter anziehen muss. Er leidet unter meinem Dekowahn. So nennt er das. Es muss doch auch ein bisschen wohnlich sein, nenne ich das. Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen. Im Alltag sieht das so aus: Mutti bastelt, fotografiert, sammelt, kauft, erbt und macht die Wohnung schön. Papi besteht darauf, dass für jedes neue Papiervögelchen eine andere Deko verschwindet.

Das Ende vom Lied – volle Schubladen, Schränke, Körbe mit lauter schönen Sachen.Und deshalb habe ich mir für dieses Jahr vorgenommen: Ich verschenke nur Dinge, die ich schon besitze. Okay, das hat Tante Edda auch immer gemacht, wenn sie mal wieder mit einem vergilbten Spitzendeckchen oder einem alten Regenschirm ankam…

Die Herausforderung ist: Der andere muss sich wirklich darüber freuen und nicht das Gefühl haben, meiner Entrümpelungswut zum Opfer gefallen zu sein. Ob ich das wirklich durchziehen kann, wird sich zeigen. Aber einen ernsthaften Versuch ist es wert, denn es entschleunigt (kein Lastminute-Gerenne durch die Läden), es ist nachhaltig UND es freut meinen Mann.

Hier ein Beispiel: Aufgehübschtes vintage Einmachglas mit Backmischung für Zitronenkuchen. Letztere war im Küchenschrank seit einiger Zeit vorhanden, ebenso wie bunte Zuckerperlen. Muffinförmchen: dito. Einmachglas: geerbt. Serviette, Etikett, Satinband: übrig von Weihnachten. Das Ergebnis: sah gar nicht schlecht aus und die Beschenkte hat sich gefreut. Yes!

 

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