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Weihnachten auf dem Märchenschloss oder das Osterhasen-Trauma

Weihnachten auf dem Märchenschloss oder das Osterhasen-Trauma

Kürzlich habe ich mich mit meiner Freundin Marisol über frühe Kindheitserinnerungen unterhalten. So mit fortschreitendem Alter kommen die ja langsam wieder. Eigentlich sollen sie ja erst so ab dem  dritten Lebensjahr langsam einsetzen. Als Mutter finde ich das manchmal traurig: Die Maus wird sich nicht an ihren ersten Tag am Meer erinnern oder an den ersten Schnee. Andererseits aber auch nicht an den Tag, als ich sie mit einem dieser kribbeligen Kopfhaut-Massage-Dinger erschreckte und sie sich die Stirn an der Tischecke aufschlug. (In der Notaufnahme waren sie sehr nett und die Narbe ist schon fast verheilt…)

Im Gespräch mit Marisol kamen wir darauf, dass wir zwar frühe Erinnerungen haben, ABER ja nicht wissen können, ob es echte Erinnerungen sind ODER Erinnerungen an Erzählungen ODER Erinnerungen an Erinnerungen. Könnte ja auch sein! Wenn ich mich an meinem dritten Geburtstag mit meinem Kurzzeitgedächtnis an etwas erinnere, dass ich mit – sagen wir Zweidreiviertel – erlebt habe und mich dann mit Dreieinhalb daran erinnere, an was ich mich an meinem dritten Geburtstag erinnert habe und so weiter und so fort… kommt doch am Ende eine astreine Erinnerung bei raus!

Superacht versus Smartphone

Jetzt hatten wir Ende der siebziger Jahre ja nicht die mediale Gedächtnisstütze, die die Kids von heute haben. In jedem Lebensmoment steht doch irgendeiner daneben, der das Ganze mit dem Smartphone als Video oder wenigstens im Bild festhält. Über uns gab es höchstens noch einen wackeligen Superachtfilm. Und mit „einen“ meine ich „einen“. Immerhin weiß ich dadurch, dass ich als Einjährige im Ungarn-Urlaub fast mal von der Schaukel gefallen wäre…

Unsere Tochter liebt es, sich Videos von sich selbst anzuschauen (heiliger Egozentrismus) und gibt ihrer Erinnerung damit immer wieder einen neuen Anstoß. So weiß sie auch noch, dass sie sich mit eineinhalb das Bein gebrochen hat (Gips bis zur Hüfte). Wenn man sie fragt, welches Bein und wo genau, kann sie es schneller und präziser zeigen, als wir.

Marisol meint übrigens, sie hat nicht ganz so viele Kindheitserinnerungen. Sie ist auch ein paar Jahre jünger als ich – also zwei. Je mehr ich so über meine ersten Lebensjahre nachdenke, desto mehr fällt mir wieder ein. Vielleicht habe ich aber auch nur eine blühende Fantasie (Krebsgeborene und so). Ein frühes Bild habe ich zum Beispiel von einer Amsel, die vor unserem Küchenfenster an einer mit Körnern gefüllten Kokosnuss schaukelt. Ein Foto gibt es davon nicht. Vielleicht ist es also eine Erinnerungen ersten Grades.

Ok, ein Foto gibt es offensichtlich doch. Mist! Aber in meiner Erinnerung war es eine Amsel. Wirklich!!

Das Osterhasen-Trauma

Aus der Kindergartenzeit habe ich dann schon richtig viele. Wie ich zum Beispiel stolz mein neues Wissen über die Nichtexistenz des Osterhasens mit den anderen teilte und die Erzieherin dann vor versammelter Mannschaft sagte: „Quatsch. Natürlich gibt es einen!“ Heute kann ich sie verstehen. (Mein Trauma lässt auch langsam nach.) Oder der Moment, als ich im Urlaub so „dumdidumdidubdidei“ in ein Schwimmbecken hineintaperte, bis ich nur noch Wasser und Luftblasen vor Augen hatte… und als nächstes die Armbanduhr meines Vaters, der mich (dankenswerterweise) wieder rauszog. Da war ich wohl so vier.

Vielleicht bin ich, was diese ganzen Erinnerungen angeht, auch ein bisschen obsessed. Ich entstamme einer Familie von Ahnenforschern und Autobiographie-Schreibern, von Fotosammlern und Nie-etwas-Wegschmeißern. Sowas färbt sicherlich ab. Andererseits gibt es auch ein gutes Gefühl zu wissen, dass man von einem Südtiroler Freiheitskämpfer des 18. Jahrhunderts abstammt. Das erklärt so einiges. Sollte meine Tochter mal ein Ahnenforschungsinteresse entwickeln, wird es schwerer, denn „Multikulti-Kid“ müsste ihre Vorfahren gleich in sieben verschiedenen Ländern aufspüren…

Hmm… die Überschrift „Weihnachten auf dem Märchenschloss“ deutet darauf hin, dass ich eigentlich über was ganz anderes schreiben wollte und irgendwie vom Kurs abgekommen bin (ich glaube Seefahrer gehörten nicht zu meinen Urahnen). Jedenfalls schreibe ich über die wunderschöne vorweihnachtliche Märchenschlosserfahrung, an die sich meine Tochter später BITTEBITTE erinnern soll, einfach beim nächsten Mal.

Einen frohen Advent wünsche ich Euch! Und wenn ihr mögt, teilt doch Eure ersten Kindheitserinnerungen mit mir!!

Joggen für Anfänger

Joggen für Anfänger

In Sport war ich schon immer eine Niete. Kartoffelsack am Reck, Ersatzbank beim Völkerball. Und Sprint? „Langsamer kannst du eigentlich nur noch sein, wenn du rückwärts läufst“, meinte mein Sportlehrer bei den Bundesjugendspielen `91. Es ist mir einfach nicht gegeben. Beim Singen kann ich den Ton halten, beim Malen erkennt man, was es sein soll, beim Speerwerfen eben nicht: „Ich glaube, hier liegt eine motorische Behinderung vor.“ (Besorgter O-Ton vom gleichen Sportlehrer).
 
Die traumatischen Erfahrungen meiner Kindheit und Jugend haben dazu geführt, dass ich heute noch ein extremer Sportmuffel bin und mich nur im Notfall bewege. Zum Beispiel, wenn
meine kleine Tochter mit wehenden Haaren vom Spielplatzgelände Richtung starkbefahrene Hauptstraße rennt. Aber selbst eine einfahrende Bahn kann mich nicht dazu bringen, meinen Schritt zu beschleunigen. Da warte ich lieber eine halbe Stunde auf die nächste.
 
Ich hab Rücken
 
Addiert mit meinem Schreibtischtäterjob ergibt meine geckogleiche Reglosigkeit das folgende Ergebnis: Meine vielbejammerten 42+, Zellulite sogar an den Oberarmen und ich
habe RÜCKEN! „Das war ja zu erwarten“, höre ich im Geiste meinen Sportlehrer spotten. Jetzt ist Rücken eine Sache, Migräne eine andere. Und da ersteres derzeit immer wieder zu letzterem führt, bleibt mir keine Wahl: Ich. Muss. Mich. Bewegen. (Egal, wie es aussieht)
 
„Wir leben hier in einem Joggerparadies“, sagt mein Mann und meint die 300 Meter, die wir von den Rheinanlagen entfernt wohnen. „Schwing die Hufe!“ Und eine Freundin erzählt:
„Ich war früher genauso unsportlich und dann habe ich mit dem Laufen angefangen. Ein Jahr später bin ich einen Marathon gelaufen.“ Hm, auch mein Vater ist früher Marathon gelaufen. Dann muss ich das doch quasi im Blut haben.
 
Ich begebe mich also in die nächste Sportabteilung und erstehe wichtig aussehende Laufschuhe, die auf hundert Euro runtergesetzt sind. „Der Preis motiviert mich jetzt noch
mehr, auch wirklich anzufangen“, sage ich zu meinem kopfschüttelnden Mann. „Das hat der Fitnessstudiobeitrag auch nie geschafft“, meint er lapidar. „Du musst
es wirklich wollen. Und denk dran, alles was man 21 Mal gemacht hat, wird zur Gewohnheit.“ Schlaumeier.
 
 
Morgenstund‘ hat Sport im Mund
 
Ich nutze also die frühe Morgenstunde, kleide mich in Pyjamahose und T-Shirt (für ein Laufdress hat das Geld nicht mehr gereicht) und stehe schließlich vor meiner Tochter, die
große Augen macht. „Wow“, sagt mein Mann aus dem Hintergrund, „du siehst ja richtig sportlich aus!“ Na, dann kann ich ja hierbleiben, denke ich und will mich gerade aufs Sofa schmeißen, als ein schmerzhaftes Ziehen im Nackenbereich mich an den eigentlichen Grund meiner Ambitionen erinnert.
 
Also los, sage ich mir und ziehe schnellen Schrittes Richtung Rhein davon. Dass ich tatsächlich jogge, kann am ersten Tag nun wirklich niemand erwarten. Am Fluss empfängt mich
eine Nebelwand und ich bin dankbar: So erkennen mich wenigstens die Nachbarn nicht, die da unten ihre Hunde ausführen. In zügigem Tempo geht es Richtung Süden, Ziel ist der hintere Spielplatz mit dem Trampolin. Da möchte ich ein bisschen hüpfen.
 
Ich lasse die Schultern kreisen und so langsam wird mir sogar warm. Das läuft doch großartig, denke ich, als ich in der Ferne den Spielplatz sehe. Dann könnte ich vielleicht doch mal versuchen zu laufen. Locker falle ich in den Trab. Hm, das fühlt sich jetzt aber nicht mehr so lustig an. Egal, die zweihundert Meter bis zum Trampolin muss ich jetzt schaffen. Mein Atem geht stoßweise, erstes Seitenstechen stellt sich ein. Kurz einatmen, laaaange ausatmen.
 
Locker flockig?
 
Mit jedem Schritt vertieft sich meine Gesichtsfarbe, während ich dampflockmäßig den Weg entlangrattere. Eine Kolonie Kaninchen zieht rechts an mir vorbei, weiter hinten sitzen zwei Eichhörnchen mit einem Defibrillator am Wegesrand. Sehe ich so schlimm aus? Mein Sportlehrer hat beim Joggen immer gesagt: „Wenn das Gesicht tiefrot anläuft und sich um den Mund herum ein weißes Dreieck bildet, ist man überlastet.“ Ein Selfie mit dem Handy gibt mir Gewissheit: Ich sehe aus wie ein leuchtendes „Vorfahrt achten“-Schild!
 
Die letzten Meter zum Trampolin lege ich lieber wieder im Schritt zurück. Schwer atmend lasse ich mich auf die daneben stehende Bank fallen. Mal aufs Handy gucken, wie
lange ich schon unterwegs bin. Cool! 15 Minuten. Das ist ja schon die halbe Zeit. Nur grade mal meine Mails checken… Eine Viertelstunde später erhebe ich mich leicht angefroren, um den Rückweg anzutreten. Fürs Trampolinspringen habe ich keine Zeit mehr. Ich muss schließlich auch mal arbeiten und kann nicht den ganzen Tag Sport machen.
 
Als ich einige Zeit später unsere Straße entlangwalke, kommt mir mein Mann entgegen. „Super“, sagt er anerkennend, „du warst ja richtig lange unterwegs! Und du siehst aus,
als wärst du wirklich gejoggt!“ – „Ja, was denkst du denn?“ sage ich leichthin, als ich Kusshändchen werfend an ihm vorbeiziehe. So ein bisschen Sport am Morgen tut doch richtig gut. Darauf erstmal einen Kakao und ein Nutellabrot! 
Aus gegebenem Anlass…

Aus gegebenem Anlass…

…krame ich mal wieder eines meiner Lieblingsthemen aus der Schublade: das Altern. Seit Jahren klettet es an mir und drängt sich immer dreister in den Vordergrund. Bis zum 29. Lebensjahr war eigentlich alles gut! Ohne Perso kam ich in keine Disco. Wenn ich erzählte, ich hätte bald einen runden Geburtstag, bekam mein Gegenüber schmeichelhaft große Augen. Und dann kam er, der große Tag, an dem ich jubelnd und in naiver Erwartung

mit meinen Freunden auf das neue Lebensjahrzehnt anstieß. Ich hätte besser eine Trauerfeier ausgerichtet! Um meine Jugend zu beerdigen und mit ihr meinen wachen Geist, die verhältnismäßig glatte Haut und die Fähigkeit nach langen Nächten in annehmbarer Zeit zu regenerieren.

Nach dem 30. Geburtstag geht es langsam aber stetig den Bach runter. Das sagen auch Leute, die vorher groß getönt haben: „Vor der 30 habe ich keine Angst!“ Leute wie mich. Seitdem aber halte ich es mit Horst Schlämmer, habe Rücken, Kreislauf und „Zipperlein“. Letztere habe ich immer mit Butterfahrten und Rheumadecken in Zusammenhang gebracht. Wenn ich aber mal so unter meinen Kollegen rumfrage, höre ich überall das gleiche Gejammer. Von wegen 30 ist die neue 20 oder so. Schönfärberei! Toll ist auch immer: „Man ist so jung wie man sich fühlt!“ Auweia, kann ich da nur sagen.

Der eine altert mehr mental, der andere mehr optisch oder beides. Also ich. Auch meine Hoffnung auf ewig jugendliche Gesichtshaut hat sich verflüchtigt und zwar schneller als ich mithalten konnte. Faltencreme? Ach, das hat noch Zeit, dachte ich mit 23 und mit 33 immer noch. Nun – mit 37 – ist es zu spät. Jetzt brauche ich auch nicht mehr anfangen. Es gibt ja Menschen die altern echt schön. Zum Beispiel Judy Dench. Leider gehe ich wohl eher in Richtung Inge Meisel – Gott hab sie selig. Und meine Falten zwischen Nasenflügel und Mundwinkel haben die unvorteilhafte Tendenz, sich merkelmäßig in meine greise Gesichtshaut zu graben.

Kürzlich – also Ostern 2013 – traf ich bei einem Heimatbesuch im Neubaugebiet meiner Kindheit eine Nachbarin. Das kommt nicht oft vor, denn mit diesem Wohngebiet ist das gleiche passiert wie mit mir – es ist gealtert. Früher spielten wir in Horden auf den Straßen und in den Gärten. Heute sind alle weggezogen, die Eltern – mittlerweile Großeltern – sitzen in viel zu großen Häusern und gucken mit scheelem Blick auf das Altenheim, das passenderweise vor einigen Jahren mittenrein gebaut wurde.

Aber ich schweife ab. Besagte Nachbarin hatte mich länger nicht gesehen und meinte freundlich: „An den roten Haaren würde ich dich immer wieder erkennen!“ Bevor ich mich freuen konnte, fügte sie hinzu: „Die sind doch noch echt, oder?“ „Äh ja!“ In der Tat ein Schicksal, das mich noch nicht ereilt hat, ist das erste graue Haar – im Gegensatz zu meinem Mann. Der hat schon drei Stück namens Heinz, Günter und Knut. Eine gute Freundin besuchte kürzlich ihren Hautarzt. Einfach so – und um sich – ähem – mal die Warze am Fuß anschauen zu lassen. „Das ist keine Warze, das ist ein Hühnerauge. Das kommt mit dem Alter immer mehr“, meinte er gnadenlos und wieder einmal barst ein gutes Arzt-Patientinnen-Verhältnis.

Aber seien wir realistisch: Die Jahre, in denen wir von Männern Charme erwarten konnten, sind ebenso vorüber, wie die Jahre, in denen ich mich noch ohne Pareo an den Strand traute. Nicht nur die Gesichtshaut folgt seit Jahren der Schwerkraft… Mit dem Unterschied, bei anderen Körperteilen habe ich gekämpft: Fitnessstudio (ich hätte niemals aufhören dürfen), Creme und Massageroller (64 blaue Flecken pro Oberschenkel), Autogenes Training (Vielleicht ist es eine Sache der inneren Haltung, dachte ich. Ist es nicht!), abnehmen (klappte hervorragend, bei 52 Kilo auf 172 cm Körpergröße sah es fast gut aus). Das war bevor ich 15 Kilo zugelegt hatte…

Mein Mann sieht übrigens seit zehn Jahren aus wie 24. Wenn ich meine Schwiegermutter anschaue, weiß ich auch, wo das herkommt. Noch finde ich es lustig, bis es dann irgendwann mit Blick auf mich heißt: „Ach Herr M. und sie haben ihre Frau Mutter mitgebracht?“

PS: Ich brauchte einen kleinen Egobooster und hatte keine Zeit zum Rewe zu gehen. Deshalb habe ich online alle „Teste dein biologisches Alter“-Tests gemacht, die ich finden konnte. Der beste ist von AOK. Danach bin ich 32,5 Jahre. Der schlechteste von „Das biologische Alter“, danach bin ich 50.

Shabby oder schick?

Shabby oder schick?

Eigentlich bilde ich mir was drauf ein, nicht mit jeder Mode zu gehen. Zum Beispiel Karottenhosen. Die sahen in den 80ern schon scheiße aus. Warum soll ich die jetzt anziehen. Mal ganz davon abgesehen, dass Hüften mit Tendenz zur Breite in Karottenhosen einen wahren Panoramaeffekt entwickeln. Jedenfalls braucht man diese Einstellung an der Kamera, um sie so auf’s Bild zu kriegen.

Das Gleiche gilt beim Einrichten: Da bleib ich mir treu. Skandinavischer Landhausstil! Weiß mit Farbtupfern. Schon seit Jahren. Schon laaaaange, bevor das so „in“ wurde. Und dabei bleibe ich. Auch wenn jetzt die 50er wieder Einzug halten. Ich finde der Begriff „Nierentisch“ sagt schon alles. Ich will keine Innereien im Wohnzimmer.

Aber eins nimmt mich immer mehr gefangen: Shabby Chick! Plötzlich ist aber wirklich alles salonfähig. Was du vor zwei Jahren noch voller Verachtung auf den Sperrmüll geknallt hast, findest du heute bei Dawanda unter „Vintage“ für viele bare Euros. Eigentlich fing es ja mit niedlichen Kommödchen vom Flomarkt an, denen man das Alter ansah. Und wenn nicht: zweimal Streichen, erst dunkler, dann heller und die Kanten abschleifen. So schnell nagt der Zahn der Zeit.

So langsam nimmt es aber groteske Formen an. Nicht nur, dass man irgendwie kaum noch neue Möbel ohne synthetischen Alterungsprozess bekommt und das irgendwie paradox ist, auch ich fange langsam echt an zu spinnen. Gut, wenn ich morgens in den Spiegel schaue, hilft mir die Vorliebe für

Shabby Chick, trotz der Misere einen Fuß vor die Tür zu setzen. Falten überschminken? Ach quatsch: AUFMALEN!

Aber heute morgen hab ich dann doch überlegt, ob ich noch alle Tassen im Schrank habe (natürlich mit Sprung…). Ich stand also wartend am Fähranleger, um mich auf die beste aller Weisen über den Rhein bewegen zu lassen, und starrte abwesend auf den modrigen, schrundigen und pittoresk vermüllten Uferbereich (Niedrigwasser). Und dann begannen meinen Augen trotz Müdigkeit zu leuchten:

„Shabby Chick!“ freute ich mich und sinnierte: Ein Foto vom Schlick als Poster groß aufziehen und ins Wohnzimmer über die Couch hängen… „Hast du nen Knall“, rief Geistig-klar auf meiner linken Schulter und es klang nicht wie eine Frage. „Aber die Roststellen am Anleger sind einfach zu charmant“, meinte Leicht-zu-Begeistern auf meiner Rechten. „Demnächst nagelst du dir noch tote Regenwürmer an die Wand, weil die so schön vergänglich aussehen“, ätzte  Geistig-klar. „Hm, jetzt wo du’s sagst…“

Seitdem hat sich Geistig-klar nicht mehr zu Wort gemeldet. Er murmelte etwas von „Hopfen und Malz“ bevor er seine Tätigkeit einstellte. Wahrscheinlich sitzt er in der Kneipe. Heute Nachmittag jedenfalls, stand ich plötzlich bei H&M am Drehständer mit den Karottenhosen…

Alaaaaaf!!

Alaaaaaf!!

Es ist Karneval und irgendwie sind wir doch alle Kölner. Ich gehe dieses Jahr als Manisch-Depressive. Zumindest kam es mir so vor, bei meinem Wechselbad der Gefühle am Weiberfastnacht-Morgen. Ich bin eigentlich zu alt für Partys. Also, für echte Partys, nicht die, von denen man sich gemeinsam mit anderen Eltern um halb elf verabschiedet, weil Durchmachen seit der Geburt der Kinder nichts Besonderes mehr ist… Aber dieses Jahr wollte ich es nochmal wissen.

Der Donnerstagmorgen begann mit einem echten Tiefpunkt in Sachen Gesichtererkennung. Irgendwie ist in solchen Situationen auch immer mein Mann dabei. Egal! Wir also morgens in die buntbehängte Kita, wo uns ein wallküreartiger Froschkönig begrüßte, was Töchterlein dazu veranlasste, ihr eigenes grünes Cape sofort und unwiderbringlich von sich zu werfen. Dieses „Spiegelbild“ war wohl zu viel für sie, sie hat es bis heute nicht mehr angezogen…

In der Mäusegruppe saß Biene Maja, der Praktikant. Das dachte ich zumindest, als ich ihn höflich ansprach, um nach seinem Namen zu fragen und wie lange er denn bleibe. Immerhin bin ich im Elternbeirat, da muss man ja schon wissen, was so passiert! „Ich bin der Vater von Maja“, sagte er und ich lachte herzlich: Guter Witz! „Nein, ich bin wirklich der Vater von Maja“, formulierte er überdeutlich und wies auf eine kleine Biene zu seinen Füßen, die ich irgendwie im Gewusel übersehen hatte.

„Oh!“ machte ich und hatte wenigstens den Anstand rot anzulaufen. Besagte Maja befindet sich – wie ich sehr wohl weiß – in der Kita-Eingewöhnungsphase und ich hatte mich noch zwei Tage vorher ausführlich mit ihren Vater unterhalten, der mich nun wahrscheinlich für völlig plemplem hält. Im besten Fall nimmt er wohl an, ich hätte morgens um acht schon mal ein bisschen vorgeglüht. Nach diesem Einstieg wollte ich Karneval eigentlich abblasen.

Verzottelt, ungeschminkt und gebeugt, ob dieser Schmach, schleppte ich mich zu Rewe und suchte zwischen den Regalen nach meinem Selbstwert. Und dann traf ich Frau Born! Kassiererin, weißblonde Föhnwelle, wogender Busen, die Rente in Sicht. Und Frau Born rettete meinen Tag an der Kasse mit genau zwei genuschelten Worten: „Perso bitte!“

Ich drehte mich um, auf der Suche nach Jugendlichen mit Alkopops, aber nein: Sie meinte mich!! Mich und meinen Zentiliter Wodka (wie war der denn aufs Band gekommen?). Jubelnd rannte ich um die Kasse herum, riss den Verschlag auf und Frau Born in meine Arme, um mit ihr gemeinsam „Viva Colonia“ zu intonieren. Naja, zumindest hätte ich das gerne: Immerhin hatte sie mich gleich 20 Jahre jünger gemacht! Kölle Alaaf!!

Der Rest des Tages gestaltete sich, wie danach zu erwarten war: Einfach Bombe! Und als hätte meine Erfahrung im Supermarkt nicht gereicht, hänge ich mir noch die folgende Aussage eines unbekannten Mit-Jecken gerahmt übers Bett: „Jut dat de dabei bis, mit dir kama escht Paaady mache!“ Juchhuuu!

Was mein Mann an Weiberfastnacht gemacht hat? Na, er hat sich zu Hause eine Zombie-Apokalypse reingezogen und dieses Kontrastprogramm frecherweise mit den Worten kommentiert: „Wieso Kontrastprogramm???“