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Weihnachten auf dem Märchenschloss oder das Osterhasen-Trauma

Weihnachten auf dem Märchenschloss oder das Osterhasen-Trauma

Kürzlich habe ich mich mit meiner Freundin Marisol über frühe Kindheitserinnerungen unterhalten. So mit fortschreitendem Alter kommen die ja langsam wieder. Eigentlich sollen sie ja erst so ab dem  dritten Lebensjahr langsam einsetzen. Als Mutter finde ich das manchmal traurig: Die Maus wird sich nicht an ihren ersten Tag am Meer erinnern oder an den ersten Schnee. Andererseits aber auch nicht an den Tag, als ich sie mit einem dieser kribbeligen Kopfhaut-Massage-Dinger erschreckte und sie sich die Stirn an der Tischecke aufschlug. (In der Notaufnahme waren sie sehr nett und die Narbe ist schon fast verheilt…)

Im Gespräch mit Marisol kamen wir darauf, dass wir zwar frühe Erinnerungen haben, ABER ja nicht wissen können, ob es echte Erinnerungen sind ODER Erinnerungen an Erzählungen ODER Erinnerungen an Erinnerungen. Könnte ja auch sein! Wenn ich mich an meinem dritten Geburtstag mit meinem Kurzzeitgedächtnis an etwas erinnere, dass ich mit – sagen wir Zweidreiviertel – erlebt habe und mich dann mit Dreieinhalb daran erinnere, an was ich mich an meinem dritten Geburtstag erinnert habe und so weiter und so fort… kommt doch am Ende eine astreine Erinnerung bei raus!

Superacht versus Smartphone

Jetzt hatten wir Ende der siebziger Jahre ja nicht die mediale Gedächtnisstütze, die die Kids von heute haben. In jedem Lebensmoment steht doch irgendeiner daneben, der das Ganze mit dem Smartphone als Video oder wenigstens im Bild festhält. Über uns gab es höchstens noch einen wackeligen Superachtfilm. Und mit „einen“ meine ich „einen“. Immerhin weiß ich dadurch, dass ich als Einjährige im Ungarn-Urlaub fast mal von der Schaukel gefallen wäre…

Unsere Tochter liebt es, sich Videos von sich selbst anzuschauen (heiliger Egozentrismus) und gibt ihrer Erinnerung damit immer wieder einen neuen Anstoß. So weiß sie auch noch, dass sie sich mit eineinhalb das Bein gebrochen hat (Gips bis zur Hüfte). Wenn man sie fragt, welches Bein und wo genau, kann sie es schneller und präziser zeigen, als wir.

Marisol meint übrigens, sie hat nicht ganz so viele Kindheitserinnerungen. Sie ist auch ein paar Jahre jünger als ich – also zwei. Je mehr ich so über meine ersten Lebensjahre nachdenke, desto mehr fällt mir wieder ein. Vielleicht habe ich aber auch nur eine blühende Fantasie (Krebsgeborene und so). Ein frühes Bild habe ich zum Beispiel von einer Amsel, die vor unserem Küchenfenster an einer mit Körnern gefüllten Kokosnuss schaukelt. Ein Foto gibt es davon nicht. Vielleicht ist es also eine Erinnerungen ersten Grades.

Ok, ein Foto gibt es offensichtlich doch. Mist! Aber in meiner Erinnerung war es eine Amsel. Wirklich!!

Das Osterhasen-Trauma

Aus der Kindergartenzeit habe ich dann schon richtig viele. Wie ich zum Beispiel stolz mein neues Wissen über die Nichtexistenz des Osterhasens mit den anderen teilte und die Erzieherin dann vor versammelter Mannschaft sagte: „Quatsch. Natürlich gibt es einen!“ Heute kann ich sie verstehen. (Mein Trauma lässt auch langsam nach.) Oder der Moment, als ich im Urlaub so „dumdidumdidubdidei“ in ein Schwimmbecken hineintaperte, bis ich nur noch Wasser und Luftblasen vor Augen hatte… und als nächstes die Armbanduhr meines Vaters, der mich (dankenswerterweise) wieder rauszog. Da war ich wohl so vier.

Vielleicht bin ich, was diese ganzen Erinnerungen angeht, auch ein bisschen obsessed. Ich entstamme einer Familie von Ahnenforschern und Autobiographie-Schreibern, von Fotosammlern und Nie-etwas-Wegschmeißern. Sowas färbt sicherlich ab. Andererseits gibt es auch ein gutes Gefühl zu wissen, dass man von einem Südtiroler Freiheitskämpfer des 18. Jahrhunderts abstammt. Das erklärt so einiges. Sollte meine Tochter mal ein Ahnenforschungsinteresse entwickeln, wird es schwerer, denn „Multikulti-Kid“ müsste ihre Vorfahren gleich in sieben verschiedenen Ländern aufspüren…

Hmm… die Überschrift „Weihnachten auf dem Märchenschloss“ deutet darauf hin, dass ich eigentlich über was ganz anderes schreiben wollte und irgendwie vom Kurs abgekommen bin (ich glaube Seefahrer gehörten nicht zu meinen Urahnen). Jedenfalls schreibe ich über die wunderschöne vorweihnachtliche Märchenschlosserfahrung, an die sich meine Tochter später BITTEBITTE erinnern soll, einfach beim nächsten Mal.

Einen frohen Advent wünsche ich Euch! Und wenn ihr mögt, teilt doch Eure ersten Kindheitserinnerungen mit mir!!

One Lovely Blog Award

One Lovely Blog Award

Mama lernt ja nie aus. Es gibt einen „One Lovely Blog Award“ und Steffi alias Li-La-Mama hat mich nominiert. Vielen Dank!!! Ich habe schon eine Rede vorbereitet, Sekt kalt gestellt, meine fünfzehn besten Freundinnen zum Umtrunk geladen…

Denn schließlich soll man die Awards annehmen, wie sie verliehen werden. Ich freu mich und befolge nun also brav die Regeln, die da sind:

1. Verlinke die Person, die Dich nominiert hat (Häkchen)
2. Blogge die Regeln und zeige den Award (Häkchen)
3. Veröffentliche 7 Fakten über Dich (Ihr habt es so gewollt)
4. Nominiere 15 Blogger und teile ihnen die Nominierung mit (Ach so….)

Hier meine sieben Outings – zusammengetragen von meinen mittlerweile sehr lustigen – Freundinnen:

1. Ich schlafe mit halboffenen Augen.


2. Ich habe die gleiche Körper- und Schuhgröße wie meine Mutter UND meine Schwiegermutter.


3. Ich war mit 13 unsterblich in Kevin Costner verliebt. Bis er seine Frau verlassen hat. Da war er unten durch! Nennt das ruhig unlogisch.


4. Ich habe sechs Jahre lang klassische Gitarre gelernt und das einzige, was ich spielen kann, ist „Alle meine Entchen“.


5. Mein Zweitname ist eigentlich kein richtiger Vorname, weil mein Vater auf dem Standesamt einen Buchstaben vergessen hat.


6. Wenn ich mich geschnitten habe, klebe ich mir ein Bibi Blocksberg-Pflaster auf und singe „Heile, heile Segen“.


7. Ich bin in meinem Leben zwölf Mal umgezogen und kann mich an keine einzige Telefonnummer mehr erinnern.

Last but not least kommen hier 15 Blogs – äh fünf Blogs, die ich gerne lese. Vielleicht hat der ein oder andere noch keinen „One Lovely Blog Award“ und freut sich darüber so wie ich.

Papa b(l)oggt

Mama Couch und Coach


Prinzessin und Schildkröte


Knirps mit Krümel

Kreativ mit Kind

Die Felge

Die Felge

Mein Umfeld kennt mich als ruhigen besonnen Menschen mit Engelsgeduld und Nerven aus Stahl. (An dieser Stelle möchte ich bitte keine Kommentare enger Familienangehöriger lesen.) Nur manchmal, man kann diese Situationen im Jahr an einer Hand abzählen, erwacht das Rumpelstilzchen in mir, der Hulk schält sich aus seinem viel zu engen Anzug, die temperamentvollen Gene der Rothaarigen tanzen Samba…

Es kann eine Kleinigkeit sein, nach einer anstrengenden Woche (die Nudeln sind mal wieder übergekocht) oder aber eine größere Kleinigkeit. Wie vor einigen Wochen, als der Fahrer eines klapprigen Ford meine
Tochter und mich fast umgenietet hat, während er mit 50 Sachen durch die verkehrsberuhigte Zone vor unserem Hauseingang jagte.
Möchtegern-Vettel
Okay, vielleicht ist er auch nur 30 gefahren, aber in der engen Gasse kam mir das wie 200 vor. Mindestens. Und hier ist Schrittgeschwindigkeit!!! Nicht auszudenken, wenn meine Tochter ein Stück weiter von mir weggestanden hätte. Und wenn es um meine Tochter geht, hört der Spaß auf. Dann werde ich zur Löwin und dann brülle ich. Zur Not überbrücke ich mit meiner Stimme kinderleicht die 50 Meter, die dieser Möchtegern-Vettel noch zurücklegte, um dann mit quietschenden Reifen auf dem Behindertenparkplatz zu halten.
In meiner Rage hatte ich mir mein Kind geschnappt und rannte, mit dem freien Arm wild gestikulierend auf den Rowdy zu, der sich als Mittfünfziger mit Wohlstandsbauch und offensichtlicher Zeitnot entpuppte. „Wie
kommen Sie dazu, hier so rumzurasen, hier ist verkehrsberuhigte Zone“, schrie ich, bereits schwer atmend, auf den letzten zwanzig Metern. Währenddessen fing meine Tochter an zu jammern „Mama, nicht böse sein!“ Sie hatte den Ernst der Lage intuitiv erkannt. ER NICHT!
Er motzte irgendwas zurück, schüttelte uns ab wie lästige Fliegen, rannte zur Praxistür des ansässigen Arztes – wahrscheinlich auf dem Weg, seine Beruhigungspillen abzuholen (vielleicht hätte er mir eine Packung mitbringen sollen) – und warf sie mir vor der Nase zu. Also, die Tür. Besagter Tür schmetterte ich in meinem Frust ein Schimpfwort der Kategorie ’nicht für Kinderohren bestimmt‘ an den Rahmen und stand dann etwas hilflos, aber nicht weniger wütend auf der Straße rum.
Kleine Frau, was nun?
Sollte ich ihm hinterherrennen? Das wollte ich meiner ohnehin überforderten Kleinen nicht antun. Sollte ich auf ihn warten? Wie lange sollte das wohl sein. Also entschied ich mich, zu gehen, brauchte aber
definitiv ein Ventil, denn mir stieg immer noch der Dampf aus den Nüstern, mein Puls auf 180. Als ich an dem uralt-Ka vorbeiging überkam es mich und ich trat einigermaßen kräftig gegen den Hinterreifen.
Also, ICH WOLLTE EIGENTLICH gegen den Hinterreifen treten. Leider bezieht sich meine legendäre Unsportlichkeit nicht nur auf meine schneckengleiche Performance beim Sprint oder die Gefahr für alle Zuschauer,
die beim Weitwurf HINTER mir stehen… Ein Sportlehrer diagnostizierte beim Speerwerfen mal eine motorische Behinderung und tat seine Meinung auch vor der ganzen Klasse kund! Ganz offensichtlich hatte er Recht und letztere betrifft auch meine Hirn-Fuß-Koordination.

Anders kann ich nicht erklären, dass es plötzlich laut schepperte und die Felge am Boden lag. (Dass es gar nicht die Felge war, sondern die Radkappe, erklärte mir später mein Mann, ich bin in solchen Sachen nicht so firm). Als also Raser-Rowdy kurz darauf aus der Praxis kam (war ja klar), sah er mich und meine Tochter am Boden knien, in dem erfolglosen Versuch, das abgesprungene Ding wieder „dranzunageln“.

„Was brüllen Sie die Frau so an??“
War seine Laune schon vorher nicht auf dem Höhepunkt, sackte sie jetzt in den Keller ab und er blaffte mich an. „Was haben Sie denn da gemacht???!!“ „Ich äh, also ich habe Ihnen die Felge abgetreten!“, stotterte ich etwas betreten. „Ja, haben Sie sie noch alle???“ plusterte er sich auf. „Wat haben Sie an meinem Auto verloren??“ – „Was brüllen Sie die Frau so an??“, kam unerwartet weibliche Schützenhilfe von der rechten Seite, eine Dame aus der Nachbarschaft hatte die Szene beobachtet.
So langsam wurde ich auch wieder wütend und schob mein schlechtes Gewissen zur Seite. „Was haben Sie hier so rumzurasen, wie ein Verrückter?“, fauchte ich gerade, als im ersten Stock das Fenster aufging:
Meine Freundin hatte das Wortgefecht gehört und rief nun von oben: „Lassen Sie ja die Frau in Ruhe!“ Ich sagte zu ihr: „Haste gesehen, wie der hier reingerast ist?“ Sie natürlich: „Ja, klar!!“ Ich hätte sie küssen können, und mich überkam plötzlich tiefe Gelassenheit.
Ich ließ meinen Blick demonstrativ über das auf dem Behindertenparkplatz geparkte Auto wandern und sagte ruhig: „Ok, dann holen wir jetzt die Polizei!“ Kurz huschten meine Gedanken in Richtung vorbestraft wegen
vorsätzlicher Sachbeschädigung, Sozialstunden, Knast, Jugendamt, völliger sozialer Absturz, Trunksucht und Obdachlosigkeit… dann hatte ich mich wieder gefasst und blickte ihm fest in die Augen.
Er sah von mir zu meiner Freundin im ersten Stock. Dann drehte er sich abrupt um, warf seine Felge (also seine Radkappe) in den Kofferraum und ranzte: „Ich hab ja wohl noch anderes zu tun heute! Termine!“
und war weg. Leider ebenso schnell wie er gekommen war. Unbelehrbar so was. Aber irgendwie war ich zu erleichtert, um mich nochmal aufzuregen. Mit einem warmen Dankeschön, winkte ich meiner Lieblingsnachbarin zu, nahm mein Töchterlein an die Hand und ging endlich meiner Wege.
Das Käsebrot-Trauma

Das Käsebrot-Trauma

So ein Trauma lässt sich ja wunderbar in der frühen Kinderheit anlegen, um dann mit fortgeschrittenem Alter die Kassen der Psychotherapeuten klingeln und Berufsunfähigkeitsversicherungen abwinken zu lassen. So hatte ich als Kind eine ausgewachsene Männerphobie. Meine Mutter und ich haben uns dazu Gedanken gemacht. „Du bist deinem Vater mal vom Wickeltisch gefallen“ – „Ob ich wohl eine Frauenphobie entwickelt hätte, wenn dir das passiert wäre…“. Oder: „Dein Onkel UND ein Freund von uns hatten einen Bart, gepaart mit einer lauten Stimme“ – „Das hat mich beim Nikolaus aber auch nicht gestört!“ – „Doch!“ – „Echt?!“

Meine Phobie hatte sich dann endlich in der zweiten Klasse ausgewachsen. Als letztes erinnere ich mich noch, wie ich panisch vor einem Mathe-Vertretungslehrer aus dem Klassenzimmer floh. Seinen perplexen Gesichtsausdruck werde ich nie vergessen. Fluchtgedanken hatte ich im Matheunterricht noch bis zum Abitur, aber das bezog sich mehr auf Algebra und Vektorenrechnung als auf das Geschlecht der Lehrperson. Auch heute noch ploppen hin und wieder ungute Gedanken zum männlichen Geschlecht bei mir auf, etwa in der Auseinandersetzung mit meinem Mann, dem Kfz-Mechaniker oder dem gegnerischen Anwalt.

Und auch das Bartproblem scheint sich noch nicht ganz gelegt zu haben. Zum Beispiel beschleichen mich ungute Gefühle, wenn mir in der Bahn ein Mann mit langem schwarzen Gesichtshaar und Wallegewand gegenüber sitzt. Aber ich bin ja aufgeklärt und tolerant, ich ziehe in solchen Fällen nicht gleich die Notbremse, sondern beschränke mich darauf, beim nächsten Halt unauffällig schnellen Schrittes den Zug zu verlassen – um dann frierend im Niemandsland auf der Bahnsteigkante zu sitzen und wichtige Termine zu verpassen…

Das Trauma meiner Tochter

Auch meine Tochter hat nach einem Jahr Kindergarten nun das erste richtige Trauma eingefahren. Und darauf werde ich künftig alle ihre Verhaltensauffälligkeiten zurückführen. „Was du willst einen MANN heiraten??? Das muss an deinem ersten Kindergartenjahr liegen. Damals in der Mäusegruppe…“ Den Rest werde ich wohl der Tür erzählen, die sie hinter sich zugeworfen hat. Vielleicht sollte ich doch mal zum Therapeuten…

Aber zurück zu ihrem Trauma. Als sie mit zwei Jahren in der Kindergarten kam, wollte ich nicht, dass sie Würstchen isst. Ich dachte, sie könnte sich an der Pelle verschlucken. Verschluckt hat sie sich dann später an einem großen Gummibärchen. An solche Gefahren hatte ich im Voraus gar nicht gedacht. Kita und Süßes schlossen sich in meiner mittlerweile bekannten Naivität irgendwie aus…

Jedenfalls traute ich den Erziehern die Trennung zwischen Würstchen und anderen fleischhaltigen Lebensmitteln nicht zu. Zu Recht, wie ich spätestens heute weiß, denn es kam schlimmer: Ich schrieb also in den
Fragebogen zur Anmeldung „vegetarische Ernährung“. Nachdem ich mir jedoch ausmalte, wie meine Tochter einsam und allein an einem Grünkernbratling kaut, während sich die anderen leckere Buletten reinziehen, änderte ich spontan meine Meinung und teilte der Gruppenleitung mit, dass meine Tochter aber auch wirklich jede Schweinerei mitessen dürfe. Leider kam diese Änderung aber weder am Frühstücktisch noch an der Mittagstafel jemals an.

Über die Monate entwickelte meine Tochter zu Hause eine massive Abneigung gegen Käse und alles, was jemals im Supermarkt neben dem Käse oder aber im Umkreis von drei Metern gelegen hatte. Da mein Mann auch keinen Käse isst, dachten wir: die Gene. Ich wunderte mich nur ein bisschen, weil sie vorher so süchtig nach Babybell gewesen war, dass sie ihn auch gerne mal mit Wachsschale aß, wenn ich nicht schnell genug bei der Hand war.

Die will immer Fleisch!

Im Kindergarten meckerte man im Halbjahres-Rückmeldegespräch. „Ihre Tochter ist eine ganz schlechte Esserin, die will immer Fleisch.“ – „Ja“, lachte ich, „zu Hause auch. Am liebsten mag sie aber Fisch.“ Die
Reaktion auf diesen Satz folgte leider etwas zeitversetzt, nämlich erst beim Abschluss-Gespräch Anfang Juli. „Wie Fisch???“ – „Ja, halt alles: Lachs, Thunfisch, Sardinen, Seelachs…“ – „Aber, sie ist doch
Vegetariarin.“ – „Äh, nein!“ – „Oh, das erklärt jetzt aber einiges…“ Zum Beispiel, dass meine Tochter oft heulend am Kita-Tisch saß, ewig zum Essen brauchte und manchmal sogar lieber frühzeitig ins Bettchen ging,
als einen Bissen zu sich zu nehmen.

Schatz, mal mir doch mal ein Käsebrot!

Schlimmer aber noch, als die Diskriminierung war das, was beim Frühstück passierte. Da saß sie das ganze geschlagene Jahr vor einem – KÄSEBROT. Wenn ich mir vorstelle, ich müsste jeden Werktag damit beginnen ROSENKOHL zu essen… Das ist Guantanamo in Reinform! Kein Wunder, dass dieses Kind heute sogar den Käse von ihrer geliebten Pizza abkratzt! Und wie muss sie sich gefühlt haben, bei all diesen unerreichbaren Köstlichkeiten um sie herum. Wie ich, in meinen besten Weight Watchers-Zeiten, mit dem Unterschied, dass ich es nötig hatte – und mal wieder hätte…

Das Beste kommt aber wie immer zum Schluss. Als ich dieses Drama der Frau Elternbeirat erzählte, war sie völlig erschüttert. Einerseits aus Mitleid, andererseits: „Oje, ich weiß, dass es nur ein Kind in der Gruppe gab, das vegetarisch ernährt wurde. Dann war das deine Tochter. Es sollte aber eigentlich Ronja sein. Wenn ihre Eltern wüssten, dass sie jetzt das ganze Jahr Fleisch bekommen hat, die würden ausflippen!!“ Oh Mann! Aber ich denke, die Kleine hat’s sicher gefreut.

Aus gegebenem Anlass…

Aus gegebenem Anlass…

…krame ich mal wieder eines meiner Lieblingsthemen aus der Schublade: das Altern. Seit Jahren klettet es an mir und drängt sich immer dreister in den Vordergrund. Bis zum 29. Lebensjahr war eigentlich alles gut! Ohne Perso kam ich in keine Disco. Wenn ich erzählte, ich hätte bald einen runden Geburtstag, bekam mein Gegenüber schmeichelhaft große Augen. Und dann kam er, der große Tag, an dem ich jubelnd und in naiver Erwartung

mit meinen Freunden auf das neue Lebensjahrzehnt anstieß. Ich hätte besser eine Trauerfeier ausgerichtet! Um meine Jugend zu beerdigen und mit ihr meinen wachen Geist, die verhältnismäßig glatte Haut und die Fähigkeit nach langen Nächten in annehmbarer Zeit zu regenerieren.

Nach dem 30. Geburtstag geht es langsam aber stetig den Bach runter. Das sagen auch Leute, die vorher groß getönt haben: „Vor der 30 habe ich keine Angst!“ Leute wie mich. Seitdem aber halte ich es mit Horst Schlämmer, habe Rücken, Kreislauf und „Zipperlein“. Letztere habe ich immer mit Butterfahrten und Rheumadecken in Zusammenhang gebracht. Wenn ich aber mal so unter meinen Kollegen rumfrage, höre ich überall das gleiche Gejammer. Von wegen 30 ist die neue 20 oder so. Schönfärberei! Toll ist auch immer: „Man ist so jung wie man sich fühlt!“ Auweia, kann ich da nur sagen.

Der eine altert mehr mental, der andere mehr optisch oder beides. Also ich. Auch meine Hoffnung auf ewig jugendliche Gesichtshaut hat sich verflüchtigt und zwar schneller als ich mithalten konnte. Faltencreme? Ach, das hat noch Zeit, dachte ich mit 23 und mit 33 immer noch. Nun – mit 37 – ist es zu spät. Jetzt brauche ich auch nicht mehr anfangen. Es gibt ja Menschen die altern echt schön. Zum Beispiel Judy Dench. Leider gehe ich wohl eher in Richtung Inge Meisel – Gott hab sie selig. Und meine Falten zwischen Nasenflügel und Mundwinkel haben die unvorteilhafte Tendenz, sich merkelmäßig in meine greise Gesichtshaut zu graben.

Kürzlich – also Ostern 2013 – traf ich bei einem Heimatbesuch im Neubaugebiet meiner Kindheit eine Nachbarin. Das kommt nicht oft vor, denn mit diesem Wohngebiet ist das gleiche passiert wie mit mir – es ist gealtert. Früher spielten wir in Horden auf den Straßen und in den Gärten. Heute sind alle weggezogen, die Eltern – mittlerweile Großeltern – sitzen in viel zu großen Häusern und gucken mit scheelem Blick auf das Altenheim, das passenderweise vor einigen Jahren mittenrein gebaut wurde.

Aber ich schweife ab. Besagte Nachbarin hatte mich länger nicht gesehen und meinte freundlich: „An den roten Haaren würde ich dich immer wieder erkennen!“ Bevor ich mich freuen konnte, fügte sie hinzu: „Die sind doch noch echt, oder?“ „Äh ja!“ In der Tat ein Schicksal, das mich noch nicht ereilt hat, ist das erste graue Haar – im Gegensatz zu meinem Mann. Der hat schon drei Stück namens Heinz, Günter und Knut. Eine gute Freundin besuchte kürzlich ihren Hautarzt. Einfach so – und um sich – ähem – mal die Warze am Fuß anschauen zu lassen. „Das ist keine Warze, das ist ein Hühnerauge. Das kommt mit dem Alter immer mehr“, meinte er gnadenlos und wieder einmal barst ein gutes Arzt-Patientinnen-Verhältnis.

Aber seien wir realistisch: Die Jahre, in denen wir von Männern Charme erwarten konnten, sind ebenso vorüber, wie die Jahre, in denen ich mich noch ohne Pareo an den Strand traute. Nicht nur die Gesichtshaut folgt seit Jahren der Schwerkraft… Mit dem Unterschied, bei anderen Körperteilen habe ich gekämpft: Fitnessstudio (ich hätte niemals aufhören dürfen), Creme und Massageroller (64 blaue Flecken pro Oberschenkel), Autogenes Training (Vielleicht ist es eine Sache der inneren Haltung, dachte ich. Ist es nicht!), abnehmen (klappte hervorragend, bei 52 Kilo auf 172 cm Körpergröße sah es fast gut aus). Das war bevor ich 15 Kilo zugelegt hatte…

Mein Mann sieht übrigens seit zehn Jahren aus wie 24. Wenn ich meine Schwiegermutter anschaue, weiß ich auch, wo das herkommt. Noch finde ich es lustig, bis es dann irgendwann mit Blick auf mich heißt: „Ach Herr M. und sie haben ihre Frau Mutter mitgebracht?“

PS: Ich brauchte einen kleinen Egobooster und hatte keine Zeit zum Rewe zu gehen. Deshalb habe ich online alle „Teste dein biologisches Alter“-Tests gemacht, die ich finden konnte. Der beste ist von AOK. Danach bin ich 32,5 Jahre. Der schlechteste von „Das biologische Alter“, danach bin ich 50.