Jan. 13, 2015 | Mein Senf
So, das neue Jahr ist dreizehn Tage alt, die Nachbarin heute ganz genau ein Jahr (Happy Birthday, altes Haus!!!) Und ich fühle mich in der Tat etwa zwei Monate jünger, als noch beim letzten Post. Soll heißen statt Ende 47 mehr so Mitte 47. Das ist doch schon mal was!
Ob es an meiner Low-Carb-Diät liegt, bei der man alles Leckere weglässt und die ich seit sage und schreibe 12 Tagen durchhalte. Oder an dem Quentchen mehr Bewegung, die ich mir in letzter Zeit gegönnt habe (Schneemann bauen, Schlitten plus Pirelli-Tochter den Berg hoch ziehen). Oder aber doch an den drei Wochen Urlaub, die hinter mir liegen – ich weiß es nicht. Aber ich mache erst mal so weiter! Also, abgesehen
vom Urlaub. Seufz!
Die Nachrichten(p)lage
Was an meiner wundersamen Verjüngung sicherlich nicht schuld ist, ist die Nachrichtenlage, der ich mich ja – gemäß meiner guten
Vorsätze für 2015 – seit einigen Tagen widme. Ich weiß nicht, wie es Euch so geht, aber wenn ich dieses Jahr ein erstes graues Haar auf meinem Kopf finden sollte, liegt es sicherlich an dem, was da draußen so passiert.
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Paris |
Eigentlich gehe ich ja durchs Leben mit der Haltung: „Wenn‘s wirklich wichtig ist, wird es mich schon erreichen!“ So ganz stimmt das offensichtlich nicht, denn ich war dann doch überrascht: „Waaaas, die Insel Mayotte im Indischen Ozean ist jetzt Teil der EU?“ Andererseits, erreichte mich die Meldung vom Anschlag auf „Charlie Hebdo“ in der Lagerhalle eines
Baumarktes, wo gerade das Radio lief, als wir Laminat fürs Arbeitszimmer ins Auto luden. Also, mein Mann lud – ich musste ja Radio hören…
Nun ist die Nachbarin ja alles andere als politisch und positioniert sich höchstens bei Fragen wie: Minitulpen oder Traubenhyazinthen als Frühblüher in den Balkonkasten? (Beides) Bzw. Gemüsepfanne oder Buchweizen-Auflauf zum Abendessen? (Beides nicht). Aber auch ihr ist klar, dass es am 7. Januar um Dimensionen ging, die größer sind als Bleistift gegen Kalaschnikow – obwohl das Bild stimmt.
Und wenn sich die Nachbarin dann vorstellt, dass ihr Töchterlein schon drei ist und irgendwann anfangen wird, die richtigen Fragen zu stellen, so nach dem Sinn und nach der Gerechtigkeit in der Welt… dann schaut und hört und liest die Nachbarin lieber nicht so oft Nachrichten, aus Angst, sie könnte die Antwort darüber vielleicht vergessen.
„Völlig falscher Ansatz!“
Ja, ja, sagt das mal der Nachbarin. Aber hinter dem Gartenzaun ist es ja gerade sooo gemütlich. Durch die Latten sieht man diese Menschen mit schwarz-rot-goldenen Fahnen durch die Straßen laufen und skandieren – und es ist doch gar nicht WM?! Irgendwas von wegen „Abendland retten“. Ich kann es nicht genau verstehen, die Gegendemonstranten rufen so laut nach Frieden und Toleranz…
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Alle Latten am Zaun |
Andererseits: Was so eine Nachbarin ist, ist ja irgendwo auch eine Frau der Tat! Und weil die Maus noch keine Fragen stellt, die mit dem Sinn und der Gerechtigkeit der Welt zu tun haben, aber schon wunderbar mit Pinsel und Farbe umgehen kann, malen wir einfach den Gartenzaun bunt an. Dabei lernt
sie schon mal, dass viele Farben schöner sind als eine.Und alles andere? Da braucht unsere Nachbarin noch ein bisschen Zeit und versucht für den Anfang einfach mal die Nachrichten zu ertragen…In diesem Sinne: Weitermachen!
Nov. 3, 2014 | Reine Erziehungssache
Der Trend geht zu langen Überschriften 😉
Also, ich bin ja irgendwie vom Fach. Hab in grauer Vorzeit mal Pädagogik studiert UND abgeschlossen. Jahaaa! Aber es hatte wohl seinen Grund, dass ich den Schwerpunkt auf Erwachsenenbildung gelegt habe.
Trotzdem hatte ich eine diffuse Idee davon, wie ich denn mein Kind erziehen wollte, bzw. vor allem wohin: Zu einer selbständigen, toleranten, selbstbewussten, engagierten und natürlich glücklichen chülersprecherin. Als ich kürzlich ein Goldenes Ehepaar fragte, welche Werte sie ihren drei Kindern mitgegeben haben, sagten sie „Benehmen“ (sonst nichts). „Hmm!“, guckte ich etwas betreten.
Andererseits, wenn ich mir meine Tochter so anschaue: Ein bisschen Benehmen würde nicht schaden. Und Respekt! Und Grenzen! Aber der Zuch ist wahrscheinlich abgefahren, die frühkindlichen – das ganze Leben prägenden Jahre – fast vorbei. Das Kind quasi in den Brunnen gefallen. Ich freu mich schon auf die Pubertät.
Aber was ist eigentlich passiert?
Also, erstens erzieht man ja sein Kind nicht allein. Das ist die Krux. Drücken Sie mal ihre rudimentären Vorstellungen von ausgedehnten Waldtagen mit einem ausgeprägten Stubenhocker durch. Oder die Idee, das Kind ohne mobile Endgeräte erziehen. Stieß sich ebenfalls an der Realitätskante. Das ein ITler und eine Online-Redakteurin ein Kind ohne Pad-, Pod- und Phone-Affinität aufziehen ist eben eher unwahrscheinlich.
IIIIICH hab ja als Kind kaum ferngesehen und meinen ersten CD-Player bekam ich mit 18. Okay, vorher hatte es auch wohl noch keine gegeben. Oder fast! Aber dafür hatten mein Bruder und ich neben unseren eigenen Zimmern ein riesiges Spielzimmer. Mit ’nem Regal aus einer alten Bäckerei vom Boden bis zur Decke voll mit buntem Zeug. Das wünsche ich meiner Tochter auch. Spielsachen satt.
Dieser Wunsch kollidiert wiederum mit unserer Quadratmeterzahl und den Ansichten meines Mannes: „IIIIICH habe meine ganze Kindheit durch nur drei Playmobil-Figuren und zwei Star Wars-Figuren gehabt und das Wars, äh war’s!“ Kein Wunder, dass er mit Ohren und Nase gleichzeitig wackeln und seinen Arm zweimal um die eigene Achse drehen kann. Mit irgendwas muss man sich ja beschäftigen. Jedenfalls muss unsere Tochter nun für jedes Spielgerät, das dazukommt, eins aussondern.
Was noch? Gesunde Ernährung. Sind wir eigentlich beide für, aber unsere Tochter nicht. Obwohl, wenn man es genau betrachtet, ist sie eigentlich Veganerin: „Ich will Nudeln mit Soße, aber ohne Soße!“. Das mit der zuckerfreien Ernährung klappte bis eineinhalb. Das mit der endgerätfreien Erziehung immerhin fast bis zwei. Dann brach sie sich das Bein und (wir) musste(n) vier Wochen Gips bis zur Hüfte (er-)tragen. Da gibt man
dann schon mal auf.
Auch die Idee, sie in einen multilingualen, integrativen Montessori-Wald-Kindergarten mit naturwissenschaftlich-anthroposophischem Bildungsansatz zu schicken,
mussten wir begraben. Hey, wir HABEN einen Kitaplatz, was will man heutzutage mehr. Und dann: Mandarin lernen am Nachmittag, Reitstunden für Kleinkinder, Zirkusschule? Wann das denn noch alles?
Also was haben wir?
Eine Dreijährige, die seit ihrem zweiten Geburtstag von acht bis halb drei in die Kita geht und danach von fünf engen Familienmitgliedern betreut und
aufgezogen wird. Ein Kind, das jeden Tag vor die Tür kommt, Laufrad fährt wie der Teufel und problemlos drei Kilometer marschiert, wenn auch über Asphalt.
Eine Entdeckerin, die einen Marienkäfer von einer Feuerwanze und eine Eichel von einer Haselnuss unterscheiden kann, allerdings auch „Die Sendung mit der
Maus“ von „Jonalu“ und Firefox von Safari. Eine Leseratte, die etwa hundert Bücher besitzt und gefühlt alle auswendig kennt und die gleichzeitig das Tablet so virtuos bedient, dass die Oma runde Augen kriegt.
Ich glaube eher nicht, dass sie mal Schülersprecherin wird. Aber authentisch wird sie sein, tolerant und sozial, großherzig und lustig. Ganz einfach, weil sie es immer
schon war. Und Glück? Das können wir ihr wünschen. Erkennen muss sie es selbst.
Apr. 19, 2014 | Reine Erziehungssache
Ein langes selbstreflektierendes „Hmmmm“ entschlüpfte mir heute bei der Lektüre eines Artikels zum Thema: „Mama, wo bist du?“ Na, nicht hier! Zumindest nicht geistig. Ich muss Mails checken (wenn vielleicht auch
nicht 148). Außerdem: Whatsapps nachgucken, SMS schreiben, News lesen, die Fahrzeiten der Schiffslinie nach Köln googeln, Fotos bearbeiten, Blogs schreiben und Artikel lesen… Lange, nicht selbstreflektierte „Hmmmms“ sind deshalb oft die Antwort auf mannigfaltige Anfragen meiner Tochter, während ich dies tue. Eigentlich kein Zustand oder zumindest einer, den man besser dem Jugendamt melden sollte.
Wenn – ja, wenn dieses Verhalten nicht den Großteil einer Elterngeneration beträfe, die an und für sich das Beste für ihre Kinder will und tut. Zumindest in den Minuten, in denen sie nicht auf einen Bildschirm
starrt. Die Studie einer großen Krankenkasse hat ergeben, dass die Deutschen täglich über drei Stunden einen Screen oder ein Display fixieren. Und das nur in der Freizeit! Macht also für alle Vollzeit-Büroleute und sonstige PC-Arbeiter mehr als zehn Stunden werktäglich. Wenn ich mir unseren eigenen Alltag anschaue, ist das durchaus realistisch. Oh Graus!
Schuld ist natürlich – wer hätte etwas anderes gedacht – mein Mann. Er ist genauso verantwortlich für das massive Endgeräteaufkommen in unserer Wohnung, wie ich für Papiervögelchen und Kissen in Vintage-Postsack-Optik. Der überdimensionierte Flachbildfernseher, der das Wohnzimmer verunstaltet, geht ebenso auf sein Konto wie Pods, Pads, Kindles, Smartphones und Laptops. Ohne ihn hätte ich wahrscheinlich keinen Fernseher, ein geerbtes Handy von 2009 und viele neue Bücher – aus Papier. Trotzdem will und kann ich keinen meiner Screens mehr missen und meinen Mann natürlich auch nicht.
Für unsere 2,5-jährige Digital Native bedeutet das alles neben Elektrosmog und geistig abwesenden Eltern vor allem eine bewundernswerte Expertise in Sachen Touchpad-Navigation. Schon mit eineinhalb Jahren suchte sie sich ihre Videos auf dem iPod selbst aus, schaute Fotosstrecken an und versuchte, das Laptop-Ladekabel in ihr Liederbuch zu stecken. Das Wort „Aufladen!“ (ja, mit Ausrufezeichen) gehörte zu ihrem frühesten Wortschatz. Der erste von ihr selbst gegoogelte Begriff war übrigens „McDonalds“, der zweite „Määähry Christmas“. Heute kann sie „Jonalu“ – den Titel ihrer Youtube-Abendserie – fast schon alleine eintippen.
Für eine Mutter, die Bullerbü für die idealste aller Welten hält und ihr Kind am liebsten auf Wiesen, Weiden und im Matsch sieht – also für mich – ein Grund, die Hände über dem Kopf zusammenzuschlagen. Eigentlich! Gäbe es da nicht diese neue Entwicklung: Unsere Tochter interessiert sich plötzlich wesentlich mehr für Pfützenpatschen, Ameisenbeobachten und Hühnerstreicheln als für Padpod und Konsorten. „Jonalu“ gehört zum Abendprogramm, der musikalisch tänzerische Output der Serie bereichert unseren Alltag. Ansonsten: Mal ein kurzer Switch durch die aktuellsten Bilder, ganz selten ein interaktives Wimmelbild, hin und wieder die eigenen Baby-Videos auf dem Laptop gucken. Das war’s. Vorerst!
Was wir von unserer Tochter derzeit lernen können? Zehn Minuten lang konzentriert auf ein Stück Wiese starren kann ereignisreicher und erfüllender sein, als jeder screentransportierte Inhalt. Binsenweisheit ja – aber ich hätte sie fast vergessen und werde meinem Mann gleich mal davon erzählen, wenn er das Tablet weglegt und den Fernseher ausmacht und ich meinen Blog beendet habe…
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