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Pädagogische Fehler, die ich immer vermeiden wollte und warum ich sie trotzdem mache

Pädagogische Fehler, die ich immer vermeiden wollte und warum ich sie trotzdem mache

Der Trend geht zu langen Überschriften 😉

Also, ich bin ja irgendwie vom Fach. Hab in grauer Vorzeit mal Pädagogik studiert UND abgeschlossen. Jahaaa! Aber es hatte wohl seinen Grund, dass ich den Schwerpunkt auf Erwachsenenbildung gelegt habe.

Trotzdem hatte ich eine diffuse Idee davon, wie ich denn mein Kind erziehen wollte, bzw. vor allem wohin: Zu einer selbständigen, toleranten, selbstbewussten, engagierten und natürlich glücklichen chülersprecherin. Als ich kürzlich ein Goldenes Ehepaar fragte, welche Werte sie ihren drei Kindern mitgegeben haben, sagten sie „Benehmen“ (sonst nichts). „Hmm!“, guckte ich etwas betreten.

Andererseits, wenn ich mir meine Tochter so anschaue: Ein bisschen Benehmen würde nicht schaden. Und Respekt! Und Grenzen! Aber der Zuch ist wahrscheinlich abgefahren, die frühkindlichen – das ganze Leben prägenden Jahre – fast vorbei. Das Kind quasi in den Brunnen gefallen. Ich freu mich schon auf die Pubertät.

Aber was ist eigentlich passiert?
Also, erstens erzieht man ja sein Kind nicht allein. Das ist die Krux. Drücken Sie mal ihre rudimentären Vorstellungen von ausgedehnten Waldtagen mit einem ausgeprägten Stubenhocker durch. Oder die Idee, das Kind ohne mobile Endgeräte erziehen. Stieß sich ebenfalls an der Realitätskante. Das ein ITler und eine Online-Redakteurin ein Kind ohne Pad-, Pod- und Phone-Affinität aufziehen ist eben eher unwahrscheinlich.   

IIIIICH hab ja als Kind kaum ferngesehen und meinen ersten CD-Player bekam ich mit 18. Okay, vorher hatte es auch wohl noch keine gegeben. Oder fast! Aber dafür hatten mein Bruder und ich neben unseren eigenen Zimmern ein riesiges Spielzimmer. Mit ’nem Regal aus einer alten Bäckerei vom Boden bis zur Decke voll mit buntem Zeug. Das wünsche ich meiner Tochter auch. Spielsachen satt.
Dieser Wunsch kollidiert wiederum mit unserer Quadratmeterzahl und den Ansichten meines Mannes: „IIIIICH habe meine ganze Kindheit durch nur drei Playmobil-Figuren und zwei Star Wars-Figuren gehabt und das Wars, äh war’s!“ Kein Wunder, dass er mit Ohren und Nase gleichzeitig wackeln und seinen Arm zweimal um die eigene Achse drehen kann. Mit irgendwas muss man sich ja beschäftigen. Jedenfalls muss unsere Tochter nun für jedes Spielgerät, das dazukommt, eins aussondern.
Was noch? Gesunde Ernährung. Sind wir eigentlich beide für, aber unsere Tochter nicht. Obwohl, wenn man es genau betrachtet, ist sie eigentlich Veganerin: „Ich will Nudeln mit Soße, aber ohne Soße!“. Das mit der zuckerfreien Ernährung klappte bis eineinhalb. Das mit der endgerätfreien Erziehung immerhin fast bis zwei. Dann brach sie sich das Bein und (wir) musste(n) vier Wochen Gips bis zur Hüfte (er-)tragen. Da gibt man
dann schon mal auf.
Auch die Idee, sie in einen multilingualen, integrativen Montessori-Wald-Kindergarten mit naturwissenschaftlich-anthroposophischem Bildungsansatz zu schicken,
mussten wir begraben. Hey, wir HABEN einen Kitaplatz, was will man heutzutage mehr. Und dann: Mandarin lernen am Nachmittag, Reitstunden für Kleinkinder, Zirkusschule? Wann das denn noch alles?

Also was haben wir?

Eine Dreijährige, die seit ihrem zweiten Geburtstag von acht bis halb drei in die Kita geht und danach von fünf engen Familienmitgliedern betreut und
aufgezogen wird. Ein Kind, das jeden Tag vor die Tür kommt, Laufrad fährt wie der Teufel und problemlos drei Kilometer marschiert, wenn auch über Asphalt.
Eine Entdeckerin, die einen Marienkäfer von einer Feuerwanze und eine Eichel von einer Haselnuss unterscheiden kann, allerdings auch „Die Sendung mit der
Maus“ von „Jonalu“ und Firefox von Safari. Eine Leseratte, die etwa hundert Bücher besitzt und gefühlt alle auswendig kennt und die gleichzeitig das Tablet so virtuos bedient, dass die Oma runde Augen kriegt.
Ich glaube eher nicht, dass sie mal Schülersprecherin wird. Aber authentisch wird sie sein, tolerant und sozial, großherzig und lustig. Ganz einfach, weil sie es immer
schon war. Und Glück? Das können wir ihr wünschen. Erkennen muss sie es selbst.
Die Diva und ihr Personal

Die Diva und ihr Personal

Ein neuer Tag beginnt. „KAKAAAOOO!!!!“ schallt es aus dem Kinderzimmer. „Aber sicher meine Süße, es macht gar nichts, dass es erst sechs Uhr ist und du mich aus dem Tiefschlaf geweckt hast. Sahne dazu?“ Nein, das ist natürlich ein Märchen. Also zumindest meine Antwort. In Wirklichkeit habe ich mich nämlich wie jeden Morgen unwillig umgedreht und mir die Decke über den Kopf gezogen, in der naiven Annahme, ich könnte meinem Schicksal entgehen.

Naiv und irrig! Denn keine zehn Sekunden später dringt ein Heulen durchs dicke Federbett: „MAMAAAAAAA!!!! KAKAAAOOOOOO!!!“ Gefolgt von einem Zerren an der Bettdecke. „Lass mich in Ruhe, es ist noch viel zu früh“, stöhne ich, hieve widerwillig strampelnde 16 Kilo Lebendgewicht in mein Bett und gönne mir den ersten Hexenschuss des Tages. „Schlaf doch noch ein bisschen, Schatz“, murmelt neben mir mein Mann – endlich auch mal aufgewacht – bevor ihm ein Schmerzensschrei entfährt. „Aua, du kleines Aas, das waren meine Nieren.“
Struktur und Rituale
Man soll Kinder ja mit Struktur und gleichbleibenden Ritualen erziehen. So in etwa hört sich also unser tägliches Morgenritual an, souverän choreographiert von unserer dreijährigen Tochter, die seit einiger Zeit zur
Diva mutiert ist und sich einen ganzen Stab an Hauspersonal hält: Mutter und Vater, sowie zwei Omas und einen Opa. Echt ich will ein Gehalt! Während sie im Kindergarten mit „bitte“ und „danke“ arbeitet, hält sie sich zu Hause nicht mit anstrengenden Höflichkeitsfloskeln auf.
Ein gebellter Befehl, ein lautes Kreischen, dass in ein gepeinigtes Jaulen übergeht, wenn die Welt mal wieder nicht begreifen will – also einfach zu blöd und unfähig ist, zu kapieren – was man will. Obwohl man
sich doch klar ausgedrückt hat!!! „KAKAO!!“ heißt erstens: sofort! Zweitens: 34,5 Grad. Und drittens: zu servieren mit langstieligem Löffel und einer Auswahl an drei verschiedenfarbigen Strohhalmen. Und auch dann gibt es Fallstricke, die das Projekt noch zum Scheitern verurteilen können.
Das Kind endet dann regelmäßig schreikrampfend auf dem Fußboden. Und es ist noch nicht mal halb acht. Das heißt der Kampf um Strumpfhose und Pullover-Auswahl steht noch bevor. Der gute Erzieher bleibt ruhig
und konsequent, lässt dem Kind die Wahl, wo es möglich ist und setzt sich durch, wenn er es für wichtig hält. Also: „Schatz! Heute ist es kalt, du hast also die Auswahl zwischen diesen drei warmen Strumpfhosen.“ „Neeeeeeiiiiiiiiii!“ „Wie nein?!“ „Ich will keine Jacke anziehen!“ „Süße es geht gerade nicht um die Jacke, sondern um die Strumpfhose.“ „Ich will aber Leggins.“
Der Kampf geht weiter
Irgendwie schaffen wir es fast immer bis acht Uhr in den Kindergarten, wo sie dann bis halb drei ihre brave, vernünftige, selbständige Seite zeigt („Wie, du kannst schon seit drei Monaten deine Leggings alleine
anziehen???“). Es heißt ja, dass man gute Erziehung daran erkennt, wie sich das Kind bei Fremden benimmt. Ich glaube ja eher, dass sie den ganzen Vormittag Kraft sammelt, um nachmittags wieder den Kampf aufzunehmen. Der geht weiter, sobald wir die Wohnung betreten.
Jesper Juul sagt: Wenn ein Kind immer wieder versucht, das Gleiche durchzusetzen, dann liegt es daran, dass es noch nicht versteht, dass eine Regel etwas Wiederkehrendes ist. Immer schon werden  nach dem Reinkommen die Hände gewaschen. Das heißt, nachdem ich meine Tochter in schmutzverkrusteten Gummistiefeln durch die gesamte Wohnung verfolgt oder an besseren Tagen eine langwierige Diskussion gewonnen habe. Mich strengt das so an, dass ich mich um 15 Uhr gerne hinlegen würde, um danach gleich ins Bett zu gehen. Jesper Juul würde wahrscheinlich sagen: „Das Kind hat die Regel begriffen. Erst der Kampf, dann das Händewaschen.“ Danke auch.
So geht es dann eigentlich den ganzen Tag weiter. „Mama, wenn ich auf Klo sitz, musst du draußen warten… NEEEEIIIIN, nicht da, auf der anderen Seite!!!“ (Soll heißen: Nicht rechts von der Tür, sondern links) „Mama, mach mir einen tiefen Zopf. Einen TIIIIIIIIEEEEEFEN!“ – „Tiefer geht nicht!“ – „WAAAAAHHHHH!“. Oder: „Papaaaaaa???“ (über drei Räume hinweg) „PAPAAAAA, kommaaaaaaa!“ Ehemann schleppt sich ins Schlafzimmer. „Neeeeeeeiiiiiin, Mama soll kommen!!!!“
Lachen verboten
Grundsätzlich verboten sind Unterhaltungen unter Erwachsenen, lautes Lachen (manchmal auch leises Schmunzeln) und jegliche Art von Anforderungen an Eure Majestät, die sich auf Nahrungsaufnahme, Körperpflege, Ruhezeiten oder etwa Chaosbeseitigung beziehen. Immerhin, da ist sie konsequent.
Auf die elterliche Stimmung wirkt sich der tägliche Ringkampf auch nicht unbedingt positiv aus. Aber ein Silberstreif erscheint am Horizont: Eine Freundin hat mir eine Bachblütenmischung versprochen, die kleine Zornpuckel wieder zu sich selbst finden lässt. Wir hätten gerne eine Zweiliter-Flasche. Ach so, und dann noch was fürs Kind. 
Backen 2.0

Backen 2.0

Oh Mann, morgen feiert meine Kleine Geburtstag. Und ich bin so aufgeregt! Drei Jahre wird das Kind schon alt und ich hab immer noch nicht mit der Rückbildung angefangen. Jetzt kann ich es auch lassen. Und
mich auf wichtigere Dinge konzentrieren: Die Geburtstagstorte! Lecker und saftig muss sie sein. Vor allem aber muss sie hammermäßig aussehen – und zum Motto des Kindergeburtstages passen. Womit wir beim zweiten wichtigen Ding wären: Das Motto!

Also, zu meiner Zeit – in den sehr frühen 80ern – liefen Kindergeburtstage so ab: Irgendeine Einladung mit Marienkäfern, irgendwelche – zugegebenermaßen endleckeren – Kuchen, Topfschlagen und
Blindekuh, Würstchen mit Pommes, Feierabend. ALLE Kindergeburtstage liefen so ab, meine eigenen und die meiner Freunde. Und auch beim zehnten Mal machte es noch Spaß.

Heute kann man als vorausplanende Mutter Worte wie „irgendwie“ und „irgendwas“ getrost aus seinem Vokabular streichen. Es geht um einen Kindergeburtstag, Herrschaftszeiten. Das bedeutet Recherche, Logistik, Corporate Design! In diesem Jahr habe ich mich für das Motto „Frosch“ entschieden! Meine Tochter sollte schon an Karneval als Froschkönig gehen, weigerte sich aber im entscheidenden Moment, das so liebevoll ausgewählte Froschkostüm anzuziehen. Dafür trägt sie es nun schon das ganze Jahr über. Soll sie also auch ihren Froschgeburtstag haben! Das bedeutet im Klartext: Froschdeko, Froschteller, Froschbecher, Froschservietten, Froschhütchen, Froschtrötchen, Froschessen, Froschspiele,

Froschlieder, Froschalles. Ich seh‘ grün, mein Mann rot! Nach längeren – absolut unnötigen – Diskussionen und einem hilflosen Lachanfall seinerseits rausche ich zur Tür. „Das ist kein Spaß, das ist Ernst!“ Ernst von gegenüber, denn der hilft beim Girlandenaufhängen. Mein Mann hat Rücken. War ja klar. Dafür muss er sich um das deftige Essen kümmern (Froschburger mit grüner Soße), denn ich – BACKE.

Weichen Sie zurück, der Maestro betritt den Raum! In Schürze und mit 25 Rezeptausdrucken zum Thema „die optimale Froschgeburtstagstorte“ aus dem Internet unterm Arm. Es lohnt sich nicht, ein Rezeptbuch anzulegen. Im nächsten Jahr ist schon wieder etwas ganz anderes in.Meine Mutter hat früher meine Geburtstagskuchen mit Eiern, Mehl, Zucker, Butter und wahlweise Mandeln oder gemahlenen Haselnüssen gebacken. Die liebe ich heute noch.

Ich arbeite mit Fondant, Lebensmittelfarbe, Fondantroller (als ich den kürzlich kaufte, bekam die Kassiererin einen Lachkrampf – hab ich nicht verstanden), Modelierwerkzeug und einer SEHR ruhigen Hand. Wehe einer stört!Ach so, den Kuchen muss ich ja auch noch backen. Sonst habe ich ja nix zum Dekorieren. Also, meine Mutter angerufen und den Hörer zwischen Ohr und Schulter geklemmt.
„Was willst du denn für einen Kuchen backen?“ „Egal, saftig und lecker. Und rund muss er sein. Also eigentlich brauche ich zwei, einen kleinen und einen großen!“ Stille. „Aha…“

Unter telefonischer Schritt für Schritt-Anleitung verarbeitete ich: Eier, Mehl, Zucker und Butter. Kurios! Am Ende hatte ich einen Biskuitkuchen mit Mandarinencreme und einen mit Himbeer. Saftig und lecker!
Dann kommt der spannende Teil. ‚Kneten Sie die Fondantmasse gut durch und geben sie ein paar Tropfen grüner Lebensmittelfarbe dazu‘, hieß es auf der Packung. Das Ergebnis sind tiefgrüne Hände und mintfarbenes Fondant. Leider wird es nicht besser. Ich komme noch bis türkis, um mich dann zur unerwartet ehrlichen Begeisterung meines Mannes für rosa zu entscheiden. „Eine andere Farbe“, jubelt er.

Leider kommen meine vierstündigen Bemühungen zu einem abrupten Ende, als ich schließlich versuche, die Fondantmasse über den Biskuitkuchen zu ziehen. „Ahhhhh! Das suppt!! Hilfe!“ Rosa Masse läuft über meine Hände und vermischte sich mit meinen strömenden Tränen. Mein Mann erkennt die Katastrophe und rief seine Mutter an: „Wir brauchen dich hier!“Drei Stunden später sitzen wir völlig erschlagen auf dem Sofa und starren auf das Werk vor uns. Es ist es vollbracht! Meine Schwiegermutter hat das Problem auf den ersten Blick erkannt und die Sache mit einem trockenen „Tja, Fondant und Cremefüllung vertragen sich eben nicht“, in die Hand genommen. Mit einem Ergebnis, dass sich wirklich sehen lassen kann, findet ihr nicht?

Ein echtes Mädchen

Ein echtes Mädchen

„Deine Tochter ist ein echtes Mädchen“, spricht der Gatte und es klingt ein bisschen verzweifelt ob der schieren Klamottenflut, die ihn gerade mal wieder zu überwältigen droht. Eine befreundete Erzieherin sagte mal zu uns: „Man kann morgens erkennen, wer das Kind angezogen hat.“ In der Tat hätte unsere Tochter ihren Weg in die Kita sicher auch schon mal im Schlafanzug zurückgelegt, hätte sie nicht ganz genaue Vorstellungen davon, was man anziehen kann oder nicht.

Die Inventur ihres Kleiderschranks ergibt das Folgende: 15 Oberteile langarm, 9 T-Shirts, 12 Hosen (davon zieht sie drei an und zwar nur unter tränenreichem Protest) und 12 Kleider. Die zieht sie alle an. Manchmal auch zwei übereinander. Während andere Kinder ihren Schnuffelhasen vermissen, der auch mal in die Wäsche muss, will sie genau DAS Kleid. Das Rosane! NICHT das mit den kleinen Punkten!!! Das mit den GROSSEN Punkten!!! Dabei ist es egal, dass man an der Vorderseite den Kitaspeiseplan der letzten Woche ablesen kann. Ohne dieses Kleid geht sie nicht aus dem Haus.

Jetzt könnte man denken, hier lebt eine Mittdreißigerin ihren nostalgischen Barbie-Spieltrieb an ihrem Kind aus. Ganz falsch! Ich konnte mit Barbies noch nie was anfangen. Die zwei oder drei, die ich in meinem Kleinmädchenleben geschenkt bekam, lagen irgendwo ohne Kopf in der Ecke, während ich knetete, mit dem Kaufladen spielte, Schnecken mit Salat fütterte oder irgendwo in der Nachbarschaft von einem Baum fiel. Auf rosarote Plastik-Wohnmobile/-Schlösser/-Kutschen reagierte ich legasthenisch. Mir wollte einfach nicht einfallen, wie man richtig damit spielt.

Auf Röcke und Kleidchen habe ich als Kind wohl auch nicht wirklich gestanden. Sie hätten beim munteren Rohbau-Erkunden in unserem Neubaugebiet gestört. Bis heute ist mein Klamottengeschmack wesentlich unausgereifter, als der meiner Tochter im Alter von 15 Monaten. Schon damals wusste sie genau, was geht. Am Überfluss ihrer Klamotten habe ich allerdings neben diversen Omas und anderen Anverwandten einen deutlichen Anteil. Ich liebe Kinderflomärkte und wühle mich bodycheckend durch Kleiderhaufen, als gäbe es kein Morgen mehr.

Hallo? Ich meine, wo gibt es denn sonst kaum getragene Teile für zwei Euro? Das kann man doch nicht liegen-, beziehungsweise anderen überlassen. So sehen das übrigens alle Mütter (Väter findet man auf solchen Veranstaltungen so gut wie gar nicht). Mit Tüten und Taschen bewaffnet stehen die Frauen schon eine halbe Stunde vor der Öffnung bereit, scharren mit den Sneakers und kratzen an der Tür. Wenn es dann endlich losgeht, erinnert das Ganze ein bisschen an den Sturm auf die Bastille, mit fast ebenso vielen Opfern. Wer Pech hat, wird in Richtung Spielzeugecke oder Kuchenbuffet abgedrängt und dann hat man schon verloren. Die ersten fünf Minuten sind schließlich entscheidend.

Und so kommt es, dass ich nach diesen Flohmarktbesuchen derangiert, aber glücklich mit locker 20 neuen Teilen nach Hause komme. Was davon in den Augen meiner Tochter Gnade findet, zeigt sich dann über die nächsten Wochen hinweg. Der Rest wird sorgfältig gebündelt in den Keller verfrachtet und wartet seinerseits auf den nächsten Flohmarkt. So langsam wird es da unten allerdings eng, was mich gerade an eine prägende Erfahrung vor eineinhalb Jahren erinnert:

Als ich damals noch relativ unerfahren über den großen Bonner Rheinauenmarkt schlenderte, kam ich an einem riesigen Stand vorbei. Acht Tapeziertische standen im Carré, darüber war eine Dachkonstruktion gleichen Ausmaßes errichtet, an denen Kleidchen, Jacken und andere ‚Bügelwäsche‘ hing. Unbedarft, wie ich war, fragte ich die Standbetreiber. „Kommen Sie von einem Kinderheim?“ Die sahen mich mit einem wissenden Seitenblick auf unseren Kinderwagen nur milde lächelnd an. „Nein! Das ist alles von unserer Tochter. Wieso?“ Ja, wieso eigentlich… Ich war einfach noch ein richtiges Greenhorn in Sachen Kinderbekleidung. Heute weiß ich es natürlich besser. Und mein armer Mann leider auch.