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Wo ist Nemo… wenn man ihn braucht?

Wo ist Nemo… wenn man ihn braucht?

Ist unsere schnuckelige Einzelkindtochter verwöhnt? Hm, mal überlegen… Okay, ich habe überlegt und will es mal so sagen: Vielleicht. Ein wenig. Und heute bekam ich dafür mal wieder die Quittung, die ich nur unter
Einsatz von zwei Fünferrippchen dieser endleckeren weißen Kokosschokolade und einem schnellen Post verarbeiten kann. In dieser Woche ist meine Patentochter – fast 16 – zu Besuch und das nutzen wir, um ein paar Ausflüge zu machen. Töchterchen nutzt das auch, nämlich, um mal so richtig ihr Potential auszuschöpfen und alle Register zu ziehen. Also im Meckern, Mäkeln, Fordern und Krakelen.

Eine bleibende Erinnerung
Heute ging es ins Sealife. Eine bleibende Erinnerung, die ich dann allerdings doch nicht mit einem dieser professionellen Fotos an unserer Wohnzimmerwand verewigen wollte, die dort am Eingang mit Piratenmütze geschossen werden. Unser Sealife ist überschaubar, aber hübsch gemacht. Okay, vielleicht könnten sie ein paar mehr bunte Quallen und schillernde Fische haben und eigentlich wird es auch erst für lesende Kinder so richtig interessant, die die vielen Spiele, Quizze und Beschreibungen am Wegesrand verstehen. Aber trotzdem….
….
kann man sich doch mal zusammenreißen, wenn man sogar selbst dieses Ziel („Willst du Bilderbuchmuseum oder Fische?“ „Fischeeeeee!!!“) ausgewählt hat. Ich habe nicht gesagt: „Willst du Bilderbuchmuseum oder
101 Clownfische?“ Ich sage „Fische!“ Und Fische sind nun mal oft grau und braun. Wie das Wasser, in dem sie schwimmen. Und Muttern versuchte das Ganze ja auch noch interessant zu gestalten. „Guck mal, das ist eine Muräne, die hat mal meinen Cousin fast beim Tauchen erlegt.“ – „Die Muräne?“ – „Nein, den Cousin.“ Oder: „Wusstest du, dass bei Seepferdchen der Papa die Babys kriegt?“ Oder: „Hier ein Seestern. Willst du den Mal streicheln?“
Ist das langweilig
Kein Grund also sich nach der halben Tour mitten im Gang aufzustellen und laut und sehr deutlich „MAMAAAA! IST DAS LANGWEILIG HIER! WANN KOMMT DENN ENDLICH MAL WAS SPANNENDES!“ zu rufen. Kein Grund auch, den gleichen Satz fünf bis zwanzig Mal auf den nächsten Metern zu wiederholen. Und erst Recht kein Grund, sich bei der Süßwasserfisch-Fütterung mit dem gleichen Wortlaut so in einen
Tobsuchtsanfall hineinzusteigern, dass es auch der Letzte mitbekommt. Müßig zu sagen, dass alle anderen Kinder staunend, fröhlich oder zumindest mal still waren.
Jetzthat man mehrere Möglichkeiten. Man besticht das Kind mit einem gezischelten: „Wenn du jetzt lieb bist, darfst  du heute Abend so oft „Findet Nemo“ gucken, wie du willst.“ Oder: Man schaut sich entrüstet nach den imaginären Eltern um und ruft „Die kleine Tabea-Chantalle möchte bei der Süßwasserfisch-Fütterung abgeholt werden“. Oder: Man entfernt sich vorsichtig und vertieft sich zwei Bänke weiter in einen Whatsapp-Chat (mein Patenkind). Oder: Man pflichtet seinem eigenen Kind lautstark bei: „Ja, voll öde hier und das für den Eintritt.“
Eine Aufgabe
Ich sparte mir die Luft und nahm meine Tochter forsch am Arm, um sie in einen menschenleeren dunklen Gang hineinzubugsieren. Dort ließ ich sie auf den Boden setzen und füllte sie mit einem Päckchen Orangensaft ab. Dann nannte ich ihr mit fester Stimme ihre einzige Aufgabe: Den selbst ausgewählten 41 Euro-Sealife-Rundgang zu Ende zu bringen und zwar ohne einen einzigen Mucks!
Wahrscheinlich was es der O-Saft. Eine winzig kleine Chance besteht aber auch, dass es meine vor erzieherischem Selbstbewusstsein nur so strotzende Forderung war: Meine Tochter sprang auf, tänzelte begeistert den Gang entlang, zeigte entzückt auf diesen oder jenen Fisch, drückte sich die Nase an den Scheiben platt und sagte am Ende doch tatsächlich: „Ich will aber noch nicht nach Hause!“ Das haben wir dann auch nicht gemacht, sondern waren erst Mal Eisessen.
Es grüßt euch immer noch erschöpft
Eure NachbarinPS: Natürlich gibt es Clownfische im Sealife. Drei. Aber erst ziemlich am Ende (also an meinem).
Zuverlässig unstrukturiert

Zuverlässig unstrukturiert

Kinder brauchen Struktur! Ja, das weiß ich auch. Aber was ist, wenn man selber einer der unstrukturiertesten Menschen überhaupt ist? Neben „kreativem Chaos“ steht mein Tagesablauf im Lexikon. Ich schaffe es einfach nicht, einen Tag wie den anderen zu gestalten. Gerade war ich bei meinen Eltern. Von denen habe ich das nicht! Die sind so was von durchorganisiert. Wenn die eine Aufgabe anfangen, dann bringen sie sie auch zu Ende. In aller Gemütsruhe – einen Schritt nach dem anderen.
Wenn ich eine Aufgabe anfange, dauert es nicht lang und mit schießt irgendwas Unaufschiebbares, durch den Kopf, etwas, das ich sonst vergesse, wenn ich es nicht sofort… Oder mir wird kalt und ich brauche eine heiße Dusche (kommt im Juli schon mal vor) oder mein Handy sagt, dass jemand Geburtstag hat und wenn ich jetzt nicht gratuliere, dann erst wieder nächstes Jahr…
…oder es ruft jemand an oder der Postmann klingelt oder ein interessanter Vogel lässt sich auf der Balkonbrüstung nieder und ich muss unbedingt mal googeln, was es für einer ist und wenn ich schon dabei bin, muss ich auch unbedingt googeln, wie Raben in der Balzzeit machen. Ich habe da nämlich so einen interessanten Ruf letztens gehört, da gibt es doch sicher ein Youtube-Video. Oje, Youtube funktioniert nicht. Was ist da los? Da muss ich gleich mal meinen Mann anrufen und fragen. Der kann mir auch keine Antwort geben, sagt mir aber, dass ich dringend noch diese eine Handwerkerrechnung überweisen muss. A propos Handwerker, wieso ist das bestellte Gartentörchen noch nicht da, da guck ich besser mal bei Ebay rein und schreib ne Pöbelmail oder ich geh lieber vorher zu den Nachbarn, nicht dass sie es schon angenommen haben. Ach ja, die Nachbarn, die haben doch letztens den Rabarber rüber gebracht, dann könnte ich ihnen doch was von unseren Himbeeren… Viele Himbeeren sind das ja nicht! Oje, die Schnecken haben auch noch die letzten Sonnenblumen gekillt, wie kommen die bis auf ein Meter Höhe? Ich muss unbedingt zum Baumarkt und Schneckenkorn kaufen, haben meine Eltern gesagt. Und wenn ich da schon mal bin, kann ich ja auch mal die Grundierung für das Gästezimmer kaufen, da müssen wir langsam mal mit fertig werden, sonst haben wir hier Weihnachten noch Kartons stehen. Weihnachten! Geschenke! Naja, es ist noch ne Weile hin, aber da fällt mir ein, ich muss dringend mit meinem Bruder besprechen, was wir jetzt mit Papas Geburtstagsgeschenk machen. Und ich muss die Fotografin anrufen, wegen des zwei Jahre alten Geburtstagsgutscheins für das Familienshooting mit meiner Mutter. Wir haben noch so viele Gutscheine nicht eingelöst. Wie lange ist so ein Gutschein überhaupt gültig, muss ich mal googeln…
Wo war ich? Was wollte ich??
Das war ein Fünf-Minuten-Ausschnitt aus meiner Gedankenwelt. So geht das den lieben langen Tag und abends fragt mich mein Mann, warum ich nicht gekocht habe und was ich die ganze Zeit so mache. Erstens: Wer soll denn dabei noch kochen? Zweitens: Weiß ich nicht, was ich den ganzen Tag gemacht habe. Irgendwie erinnere ich mich dunkel, dass ich zwei Artikel fertig gestellt, mein Kind pünktlich von der Kita abgeholt, es verköstigt und bespaßt habe, dann war ich noch beim Bäcker und dann? Dann habe ich einen Filmriss, aber ich bin sicher, es ging im gleichen Ton wie oben weiter und weiter und weiter… Weil es immer so weiter geht, bis ich abends die Augen zu mache. Dann schlafe ich: Gott sei Dank.
Ja, ich bin unstrukturiert. Ja, das färbt auch auf meine Familie ab. Nein, ich kann nicht ohne Internet leben. Schön wäre es, aber ich bin Online-Redakteurin. Vielleicht sollte ich umschulen, auf Floristin oder so. Da fällt mir ein, ich muss noch die Blumen im Vorgarten wässern, es hat nicht geregnet, obwohl es den ganzen Tag so aussah. Was ist das überhaupt für ein Wetter? Ich spüre schon ein Kratzen im Hals, die Tochter hat nachts gehustet. Ich muss mal bei der Homöopathin anrufen, überhaupt ist da mal wieder ein Termin fällig…
Ächz!
Eure Nachbarin (glaube ich)
Die Wander-Metamorphose

Die Wander-Metamorphose

Gestern waren wir auf dem Petersberg und alles hat geglitzert. Da ich ja keine Nachrichten verfolge und mein Mann auf RTL 2 ausschließlich Frauentausch guckt (das übrigens mit Begeisterung, vielleicht sollte ich ihn mal anmelden…), war uns Ignoranten gar nicht klar, warum. Später haben wir erfahren, dass tags zuvor offensichtlich eine Katzenhochzeit dort stattgefunden hat. Ich bin ja eher der Hundetyp, aber der noch vorhandene Rosenbogen an der Kapelle war durchaus sehenswert.

Die Wandlung
Aber davon nur am Rande. Eigentlich wollte ich von der wundersamen Metamorphose berichten, die unsere Tochter durchgemacht hat. Bis vor Kurzem, also genau genommen bis gestern, war es ihr nämlich kaum möglich, ohne Lautäußerung einen Schritt vor den anderen zu setzen, wenn ein Spaziergang sich anschickte, länger als zehn Minuten zu dauern. Also, im Prinzip, wie ich beim Joggen – inklusive asthmatischem Keuchen (bei mir echt, bei ihr gestellt).

„Mir tun die Beine, Füße, Rücken, Arme, Leber, Nieren, Ohrläppchen weh“, geht nach hundert Metern zuverlässig das Gejammer los. „Mir ist heiß, ich hab Hunger, ich hab Durst…“ bis hin zu: „Ich kann nicht mehr!!“ „Ich kann GAR NICHT mehr!!!“ „Mama, Papa, hört mir doch mal zu!!!!“ „Lasst mich einfach hier liegen!“ (ach ne, das bin ich beim Joggen). „Traaaaaagggg mich!!!“ (auch ich beim Joggen). „Papa, trag mich! Auf die Schulter!!!“ (unsere Tochter). Er abwehrend: „Kind du hast drei Kubikmeter Mutterboden an den Schuhen, wie hast du das auf hundert Metern laubbedecktem Waldboden geschafft???“

Kloreiche Idee

Kürzlich waren wir bei meinen Eltern und ich hatte die glorreiche Idee ihr Laufrad mitzunehmen. Damit fährt sie locker zwei Kilometer, wusste ich. Allein, das Kind wollte nicht aufs Laufrad. Also trug der Vater das Laufrad, die Mutter den Helm, der Opa das Kind und die Oma eine Miene zur Schau, die besagte: Dir liebe Tochter hätte ich sowas nicht durchgehen lassen. Das stimmt. Wir mussten immer Spazieren gehen. Jedes Wochenende. Ich habe es gehasst. Heute wäre ich froh, wenn ich meinen Mann besser von der Couch hochbekommen könnte.
Denn: Beim Wandern oder auch nur beim Spazierengehen – hier zu Hause gibt es größere Differenzen bezüglich der Definition – habe ich nicht nur ein zeterndes Kind an den Hacken, das ich mit Schatzsuchen, Fantasiespielen, Essen, Getränken, Spielplätzen, Dammwild und die Aussicht auf ein Eis bei Ankunft bei Laune halten muss. Nein, da ist auch noch der Mann: „Du hast nicht gesagt, dass wir so weit gehen. Dann hätte ich andere Schuhe, eine andere Jacke, eine andere Hose, eine andere Tasche genommen oder gleich jemand anderen mitgeschickt.“

Oder: „Es ist ja kein Wunder, dass das Kind jammert. Wenn du wandern gehen willst, bringen wir sie lieber zur Oma.“ Ich: „Das ist keine Wanderung, das ist ein Waldspaziergang.“ Er: „Ein Spaziergang darf mit An- und Abfahrt maximal eine Stunde dauern.“ Ich: „Ja, dann hätten wir eben auf das Picknick verzichten müssen.“ Er (jammernd): „Du weißt, dass ich vom Spazierengehen Nackenschmerzen kriege.“ Ich: „Okay, es ist doch eine Wanderung.“ Er: „Eine Wanderung muss zwei Wochen im Voraus angekündigt werden…“ Und so weiter und so fort.

Alles anders

Aber gestern, ja gestern war alles anders. ICH hatte bei 25 Grad und 95 Prozent Luftfeuchtigkeit keine Lust, mich mehr als nötig zu bewegen. Und plötzlich wollte mein Mann den Petersberger Wald erkunden. Hier noch lang und da noch lang. Die Tochter kriegte nach 200 Metern ihren obligatorischen Krampf und er zauberte ein Brötchen aus dem Rucksack. Also ein Zauberbrötchen. Denn mit einem Mal wurde aus unserer Tochter ein Duracell-Einhorn, das in wilden Sprüngen den Petersberg hinunter hüpfte. Dummerweise hatten wir ja oben geparkt.
Als wir daran dachten, waren wir aber schon halbe Strecke Tal, denn Töchterlein legte ein unglaubliches Tempo vor. „Okay, ich laufe wieder hoch, hole das Auto und wir treffen uns dann unten“, rief mein Mann, ob der sich abzeichnenden sportlichen Herausforderung plötzlich Feuer und Flamme. Und während ich – als einzige mit Wanderschuhen ausgestattet – vorsichtig nach Halt suchend den Berg heruntereierte, tanzte meine Tochter in zu großen Gummistiefeln leichtfüßig durch steile verschlammte Bachbetten, dschungelartig überwucherte Hohlpfade und klammgleiche Schluchten. Immer dreißig Meter voraus.
Gerade noch rechtzeitig
Dabei sang sie so laut „Hopp hopp hopp, Einhorn lauf Galopp“, dass sich sogar entgegenkommende Wanderer motiviert fühlten und einen Zahn zulegten. Was soll ich sagen, wir kamen genau in dem Moment im schönen Kloster Heisterbach an – unsere Talstation – in dem mein Mann dort auf dem Parkplatz fuhr. Es war genau der richtige Zeitpunkt, denn gerade hatte Töchterchen ihren Gesang eingestellt und ein ungewöhnlich dezentes: „Ich kann nicht mehr“, hören lassen. Ich hoffe, das war der Beginn einer wunderbaren familiären Wanderepoche, denn bald kommt Ben zu uns und ich habe keine Lust als einzige mit ihm Gassi zu gehen.
Auf die Hufe!
Eure Nachbarin
Kommunikation mit Vierjährigen

Kommunikation mit Vierjährigen

Manchmal könnt ich explodieren – vor Lachen. Eine Unterhaltung mit meiner Tochter schwankt zwischen Kasernenhofton, poetischem Geplänkel, philosophischen Exkursen und Aussprüchen, die locker Platz 1 der O-Ton-Charts einnehmen könnten.
Die Maus entwickelt sich in einer ihrer vorpubertären Phasen gerade mal wieder zur königlichen Hoheit. Höflichkeitsfloskeln wie „bitte“, „danke“ und „könntest du“, die sie mit
drei Jahren noch beherrschte, sind völlig aus ihren Wortschatz
verschwunden und ersetzt von „Mach!!!“, „Mach jetzt!“, „Orrrrr!!!“ oder auch „Ich befehle
dir!“
Dazu kommt eine Angewohnheit, mit der ich auch erst im Teenager-Alter gerechnet hätte. Das Erweitern einsilber Wörter auf genervte zwei: „Hast du deine Zähne geputzt?“ „Ja-haaa!“ – „Möchtest du noch ein Brot essen?“ „Na-hein!“ „Hilfst du mir beim Wäschefalten?“ „Je-hetzt ni-hicht!!!“
Die Bösigkeit
Läuft etwas nicht nach Plan (also dem ihren) gibt es eine eindrucksvolle Neuauflage der Trotzanfälle, die wir mit Ende des dritten Lebensjahres schon abgehakt glaubten. 1. Jaulen untermalt von 2. Zittern am ganzen Leibe, 3. Haare raufen und 4. Tränenflut (wenn letzteres nicht klappt, steigert sich Punkt 1). Dazu Aufstampfen oder theatralisch der Länge nach zu Boden stürzen: „Auuuuuu! Jetzt hab ich mir weh getan (und du bist schuld!).“In einer ruhigen Minute auf solche Ausdrucksformen angesprochen, sagt sie: „Ich weiß auch nicht. Diese Bösigkeit kriecht vom Bauchnabel hoch bis unter die Augenbrauen. Und dann muss sie raus.“
Jenseits dieser Wutzwerg-Momente geht es nachdenklich und philosophisch zu. Wo kommen wir her, wo gehen wir hin. Groß werden ist nicht ihr Ding, das sagt sie immer wieder. Schon der Gedanke nächstes Jahr in die Schule zu kommen, nervt sie massiv. Vor kurzem fuhren wir an einer potentiellen Grundschule vorbei und ich zeigte sie ihr. Sie: „Ich will da nicht hin!“ Ich: „Musst du ja auch noch nicht.“ Sie: „Dann muss ich auch nicht wissen, wo die ist.“
Der liebe Gott und die Mädchen
Ganz andere Töne höre ich, wenn ich mit ihr die Umgebung erkunde. Beim Anblick reifer Rapsfelder, blühender Bäume und saftig-grüner Hügel, macht sie sich so ihre Gedanken. „Also, das war nämlich so: Der liebe Gott hat zwar die Welt erschaffen, aber zuerst hat er die Mädchen erschaffen. Die haben Bilder von schönen Landschaften gemalt und die hat Gott dann gebaut!“ Genauso wird es gewesen sein. Überhaupt sind „Frauen sind besser als Männer, weil sie Babys kriegen und niemals kämpfen!“
Auch zu meiner Entlastung als Leiterin unseres Familienbetriebes steuert sie hin und wieder konstruktive Ideen bei, die leider wenig mit ihrer Mithilfe und umso mehr mit meinen körperlichen Defiziten zu tun haben. „Mama, wenn du eine Krake wärst, könntest du viel mehr gleichzeitig machen.“ Hach ja, das wäre toll!
Auch Vatern kämpft gelegentlich mit Renitenzen. Zum Beispiel, wenn er sie abends zum Zähneputzen motivieren will. Er enthusiastisch: „Komm, ich bin erster im Bad!“ Sie gelangweilt: „Ja, geh nur!“ Weggeschmissen habe ich mich auch gestern Abend. Er streng: „Ich zähle jetzt bis drei!“ Sie neugierig: „Was ist um drei?“
Von ihrem Wortwitz kann ich ja nie genug bekommen und weiß manchmal nicht, ob sie es wirklich ernst meint. Kürzlich sprachen wir über die jungen Vögel, die jetzt in den Nestern sitzen. „Die Jungen heißen Küken“, erklärte ich. „Ach, und wie heißen die Mädchen?“
Mittagspoesie
Am liebsten aber mag ich, wenn sie poetisch wird. An einem Tag wie heute mit vielen Schönwetterwolken sagte sie plötzlich.
„Mama, jetzt nehme ich mir einen Sonnenstrahl und spieße damit eine Wolke auf. Und dann esse ich sie als Zuckerwatte!“. Au ja! Gute Idee, genau das mache ich jetzt auch!
Euch ein wunderschönes Vater- und Muttertagswochenende mit vielen Sonnenstrahlen und Zuckerwattewolken.
Eure Nachbarin
Leben am seidenen Draht

Leben am seidenen Draht

Vor Kurzem war es wieder da: Das Gefühl, dass hier irgendetwas faul ist. Meine Kollegin in Bonn spürte es auch und unkte schon etwas von einem Mobbing-Angriff auf Rothaarige. Vielleicht ist es aber auch das neue Jahr, dem sämtliche technische Errungenschaften zum Opfer fallen… ohne dass darüber in den Medien berichtet wird… weil denen auch grade der Redaktions-PC abstürzt. Oder es ist eine höhere Macht, die mir mitteilen will, dass ich einfach spontan ins Wochenende gehen soll…

Es fing alles ganz harmlos an, mit meiner Kamera, die ich zweimal im Monat einsetze und zwar für Nahaufnahmen, die ich mit meinem Handy so nicht hinkriege. Und für Nahaufnahmen braucht man? Genau! Ein flexibles Rückgrat, je nachdem, wo sich das Objekt befindet UND einen Fokus. Und genau diesen boykottiert meine Kamera im Moment genauso, wie den ebenso wichtigen Auslöser. Also jedenfalls, wenn ICH ein Foto mache.

Ich bin ja der Meinung, man kann auch mal was Neues kaufen, wenn das Alte – nun – halt eben alt ist. Mein Mann sieht das grundsätzlich völlig anders, schont damit Umwelt und Geldbeutel, aber nicht meine Nerven, wenn mir mal wieder die Argumente ausgehen. Denn er hat etwas, was ich nicht habe: Einen Draht zum Gerät. Wenn er also die Kamera nimmt und wild triumphierend rumknipst, um mir zu beweisen, dass es noch laaaaaaaaange nicht Zeit für eine neue ist, funktioniert sie einwandfrei. (Da ist er wieder der Unterschied zwischen Männern und Frauen, der ja meist beim Öffnen von Drehverschlüssen zutage tritt und durch die Kombination Informatiker (schlau) und Geisteswissenschaftlerin (geht so) regelmäßig potenziert zu werden scheint.)

Nur der Anfang…

Jedenfalls war besagte Kamera ja nur der Anfang. Am Nachmittag rief ich meinen Mann auf dem Handy an und er verstand mich nicht und ich verstand ihn nicht. Das ist an sich nichts Ungewöhnliches, nur dass es diesmal wirklich daran lag, dass wir uns nicht hörten. Wir wiederholten das Spiel an diesem Tag noch ein paarmal und ich übte zwischendurch auch noch mit einigen Handwerkern, die das eher weniger lustig fanden.

So richtig spannend wurde es dann am nächsten Morgen. Es sollte ein ertragreicher Homeoffice-Tag werden. Als ich mich im Hausflur von Mann und Kind verabschiedete, streikte die Beleuchtung. Als ich meine ersten Whatsapps und Mails des Tages auf dem Handy checken wollte, passierte nichts. Das Gleiche auf iPad und Laptop. So langsam dämmerte mir, dass ich wohl das Internet gelöscht hatte oder zumindest aus Versehen das W-Lan-Kabel gekappt, denn in der Regel bin ich es, die so was kaputt kriegt.

Dreimal rief ich bei Unitymedia an und es war besetzt, „Wat denn? Noch nicht mal mehr ne Warteschleife?“, wunderte ich mich, bis mein Mann, der gerade aus der Kita zurückkam berechtigterweise daraufhin wies, dass, „wenn Internet nix gäht, Telefon nix gäht“. Ach ja. Also Kamera nicht, Handy nicht, Internet nicht, Telefon nicht… Mein hilfloser Dackelblick prallte an ihm ab. Er drückte mir sein Diensthandy in die Hand und entschwand. Ich erreichte dann zunächst besagte Kollegin mit der ich die Haarfarbe teile und die mir auf mein Lamento hin erzählte, dass ihr Ofen kaputt sei, der Abfluss verstopft und die Heizung kaputt und zwar dergestalt, dass sie immer auf höchster Stufe läuft und ihre Rente und das Erbe ihrer Kinder aus dem weitgeöffneten Fenster bläst.

Empfindlich kalt

Irgendwie versöhnte mich das, bis ich beim Stichwort „Heizung“ merkte, dass es doch empfindlich kalt um mich herum war. Fröstelnd zog ich meine Strickjacke enger und lief von Heizkörper zu Heizkörper, nur um festzustellen: alle aus! Wild drehte ich an den Thermostaten, aber nichts tat sich. Neben der Kamera, dem Handy, dem Internet und dem Telefon hatte mich nun auch noch die Heizung verlassen. Entkräftet sank ich aufs Sofa, um mir zum Trost ein paar Minuten meiner Lieblingsserie reinzuziehen, doch: Auch der Stream lief ja nicht ohne Internet…

Ich ergab mich in mein Schicksal und griff nach dem Diensthandy meines Mannes, um nochmal bei Unitymedia anzurufen. Nach zweimaliger Eingabe der Kundennummer und der Beantwortung verschiedenster Fangfragen zur Identifikation (Name des ersten Haustieres, Lieblingsessen, Körbchengröße)  begab ich mich mit dem netten Herrn aus dem Süddeutschen auf Ursachenforschung. Sie führte mich schließlich hinter den Weihnachtsbaum, wo ich kopfüber vom angrenzenden Sofa hängend nach der Fritzbox schaute, die an einer Multimediabox angeschlossen sein musste. Gerade als ich fragen wollte, was denn z.T. eine Multimediabox sei, war plötzlich das Gespräch weg.

Auch egal, dachte ich und rief meine Vermieterin an, um sie über die nichtlaufende Heizung zu informieren. Dann wickelte ich mich in eine Decke, setzte mich und wartete auf den Elektriker. Ansonsten tat ich nichts. Ich arbeitete nicht, ich chattete nicht, ich surfte nicht, ich telefonierte nicht, ich sah nicht fern. Ja, ich las auch nicht, denn der Akku meines Kindles war ebenfalls leer.

Wenn der Postmann gar nicht klingelt

Nicht mal der Postmann hätte klingeln können, denn, wie ich später erfuhr, war auch die Türglocke vom Stromausfall betroffen, welcher bei uns Licht, Heizung und Internet lahmgelegt hatte. In solchen Situationen werden Kinder gezeugt, aber ich war ja alleine. Also besann ich mich aufs Wesentliche und öffnete eine Packung Dominosteine. Zwei Stunden und 20 Dominosteine später war der Elektriker da und machte alles wieder heile: Die Heizung, die Klingel, den Fernseher, das Internet, das Telefon und das Flurlicht. Mit EINEM Draht. Mein Leben hängt an einem Draht, wie bei den Seiltänzern, dachte ich, bevor ich mich in die Arbeit stürzte.

Am Abend kam mein Mann und nahm sich meines Handys an. Er wechselte die SIM-Karte, machte hier einen Test, da einen Test und pustete schließlich dreimal ins Gerät. Seitdem läuft es wieder! Und mein Seiltänzer-Dasein geht weiter, als wäre nichts gewesen…

Es grüßt Euch – digital wie immer

Eure Nachbarin