Nov 3, 2014 | Reine Erziehungssache
Der Trend geht zu langen Überschriften 😉
Also, ich bin ja irgendwie vom Fach. Hab in grauer Vorzeit mal Pädagogik studiert UND abgeschlossen. Jahaaa! Aber es hatte wohl seinen Grund, dass ich den Schwerpunkt auf Erwachsenenbildung gelegt habe.
Trotzdem hatte ich eine diffuse Idee davon, wie ich denn mein Kind erziehen wollte, bzw. vor allem wohin: Zu einer selbständigen, toleranten, selbstbewussten, engagierten und natürlich glücklichen chülersprecherin. Als ich kürzlich ein Goldenes Ehepaar fragte, welche Werte sie ihren drei Kindern mitgegeben haben, sagten sie „Benehmen“ (sonst nichts). „Hmm!“, guckte ich etwas betreten.
Andererseits, wenn ich mir meine Tochter so anschaue: Ein bisschen Benehmen würde nicht schaden. Und Respekt! Und Grenzen! Aber der Zuch ist wahrscheinlich abgefahren, die frühkindlichen – das ganze Leben prägenden Jahre – fast vorbei. Das Kind quasi in den Brunnen gefallen. Ich freu mich schon auf die Pubertät.
Aber was ist eigentlich passiert?
Also, erstens erzieht man ja sein Kind nicht allein. Das ist die Krux. Drücken Sie mal ihre rudimentären Vorstellungen von ausgedehnten Waldtagen mit einem ausgeprägten Stubenhocker durch. Oder die Idee, das Kind ohne mobile Endgeräte erziehen. Stieß sich ebenfalls an der Realitätskante. Das ein ITler und eine Online-Redakteurin ein Kind ohne Pad-, Pod- und Phone-Affinität aufziehen ist eben eher unwahrscheinlich.
IIIIICH hab ja als Kind kaum ferngesehen und meinen ersten CD-Player bekam ich mit 18. Okay, vorher hatte es auch wohl noch keine gegeben. Oder fast! Aber dafür hatten mein Bruder und ich neben unseren eigenen Zimmern ein riesiges Spielzimmer. Mit ’nem Regal aus einer alten Bäckerei vom Boden bis zur Decke voll mit buntem Zeug. Das wünsche ich meiner Tochter auch. Spielsachen satt.
Dieser Wunsch kollidiert wiederum mit unserer Quadratmeterzahl und den Ansichten meines Mannes: „IIIIICH habe meine ganze Kindheit durch nur drei Playmobil-Figuren und zwei Star Wars-Figuren gehabt und das Wars, äh war’s!“ Kein Wunder, dass er mit Ohren und Nase gleichzeitig wackeln und seinen Arm zweimal um die eigene Achse drehen kann. Mit irgendwas muss man sich ja beschäftigen. Jedenfalls muss unsere Tochter nun für jedes Spielgerät, das dazukommt, eins aussondern.
Was noch? Gesunde Ernährung. Sind wir eigentlich beide für, aber unsere Tochter nicht. Obwohl, wenn man es genau betrachtet, ist sie eigentlich Veganerin: „Ich will Nudeln mit Soße, aber ohne Soße!“. Das mit der zuckerfreien Ernährung klappte bis eineinhalb. Das mit der endgerätfreien Erziehung immerhin fast bis zwei. Dann brach sie sich das Bein und (wir) musste(n) vier Wochen Gips bis zur Hüfte (er-)tragen. Da gibt man
dann schon mal auf.
Auch die Idee, sie in einen multilingualen, integrativen Montessori-Wald-Kindergarten mit naturwissenschaftlich-anthroposophischem Bildungsansatz zu schicken,
mussten wir begraben. Hey, wir HABEN einen Kitaplatz, was will man heutzutage mehr. Und dann: Mandarin lernen am Nachmittag, Reitstunden für Kleinkinder, Zirkusschule? Wann das denn noch alles?
Also was haben wir?
Eine Dreijährige, die seit ihrem zweiten Geburtstag von acht bis halb drei in die Kita geht und danach von fünf engen Familienmitgliedern betreut und
aufgezogen wird. Ein Kind, das jeden Tag vor die Tür kommt, Laufrad fährt wie der Teufel und problemlos drei Kilometer marschiert, wenn auch über Asphalt.
Eine Entdeckerin, die einen Marienkäfer von einer Feuerwanze und eine Eichel von einer Haselnuss unterscheiden kann, allerdings auch „Die Sendung mit der
Maus“ von „Jonalu“ und Firefox von Safari. Eine Leseratte, die etwa hundert Bücher besitzt und gefühlt alle auswendig kennt und die gleichzeitig das Tablet so virtuos bedient, dass die Oma runde Augen kriegt.
Ich glaube eher nicht, dass sie mal Schülersprecherin wird. Aber authentisch wird sie sein, tolerant und sozial, großherzig und lustig. Ganz einfach, weil sie es immer
schon war. Und Glück? Das können wir ihr wünschen. Erkennen muss sie es selbst.
Okt 3, 2014 | Alltagschaos
Ich räume gerne auf. Vorrangig deshalb, weil ich mir damit die uneingeschränkte Anerkennung meines Mannes erwerbe (anders als beim Kochen). „Wow, das ging ja wieder blitzschnell“, sagt er begeistert, wenn er leergefegte Böden, Tische, Regale, Türklinken und Gardinenstangen (wieso hing da ein Kinderkleid meiner Mutter aus den 50er Jahren?!) bewundert.
Und Bewunderung (m)eines Mannes ist ein seltenes Gut, für eine gestresste Mutter-Schrägstrich-Selbständige Ende 30, die Schokolade einfach lieber mag, als diese grandiose diätische Kohlsuppe und deren einziger Sport sich auf den morgendlichen Ringkampf mit der Tochter beim Strumpfhose anziehen beschränkt (Minus 500 Kalorien – mindestens). Dummerweise muss ich danach Schokolade essen, um wieder Energie für den Tag zu tanken, der vor mir liegt…
Erstaunliche Schätze
Die Kehrseite meiner Schnelligkeit beim Aufräumen ist übrigens, dass ich mich leider immer nur daran erinnern kann, von wo ich etwas weggeräumt habe, aber nicht wohin. An dieser Stelle hört die Anerkennung meines Mannes dann auch abrupt auf. „Schaahaaaatz! Wo hast du mein D-Link DUB-H7 HUB USB hingeräumt?“ – „Ich?? Ich weiß noch nicht mal, was das ist!“
Meistens war ich es dann doch und die Suche beginnt. Dabei trifft man auf erstaunliche Schätze. Da sind zum Beispiel sämtliche Einrichtungszeitschriften, derer ich seit 2003 habhaft werden konnte. Die kann
ich doch nicht wegschmeißen! Die muss ich alle nochmal lesen, am liebsten gleich… Oder alle Ausgaben der Elternzeitschrift, seit meine Eltern mir 2011 das Abo geschenkt haben. Oh, da ist noch eine mit Versandfolie drum – Dezember 2013… Leergut verteilt sich über Küche, Wohnzimmer und Arbeitszimmer. Kleidungsstücke unterschiedlicher Frische über die anderen Räume. Außerdem Bücher, die ich mal gelesen habe. Es verbietet sich, die ins Altpapier zu schmeißen, aber die AWO-Sozialstelle gegenüber nimmt nur einmal in der Woche an und irgendwie verpasse ich den Termin seit zwei Jahren. Dann Schuhe,
die ich nur einmal anhatte, weil sie Blasen machen – aber hej, die sind ja quasi neu, sogar das Etikett klebt noch drunter und meine Füße wachsen doch nicht mehr, anders als mein Hintern. Aber die jetzt zu den Altkleidern geben? Ich weiß nicht.
Vier Käsereiben und ein Eichhörnchen
So geht es munter weiter. „Schatz, du hast schon wieder eine Käsereibe gekauft!“ – „Ja, ich weiß, aber die anderen drei waren nix.“ – „Und warum hängen die dann noch alle hier rum?“ Na, weil sie neu sind – irgendwie. Und ich es nicht geschafft habe, sie rechtzeitig umzutauschen und ich mich nicht traue, bei der nächsten Einladung zum Dinner mit einer – noch nicht mal guten – Käsereibe als Gastgeschenk aufzutauchen. Meine Tochter ist auch nicht gerade hilfreich. Geschenke interessieren sie ja eher peripher. Aber von Spaziergängen müssen immer Stöcke, Eicheln, Kastanien und was sie sonst noch so findet mitgebracht werden. Die fliegen dann in der Wohnung rum. Eine Nacht habe ich ganz schlecht geschlafen, nur um festzustellen, dass sie eine Haselnuss unter dem Spannbetttuch gebunkert hatte. Ist sie ein Eichhörnchen, oder was?
Meine Lösung für dieses massive Überangebot an Zeug ist seit Jahren dieselbe. Ich kaufe einen neuen Schrank, ein neues Regal, Betten mit
Schubladen – egal, Hauptsache Stauraum! „Wir brauchen noch ein Expedit-Regal“, informiere ich meinen Mann. Wusstet ihr, dass Expedit jetzt Kallax heißt? So
wie Raider plötzlich Twix hieß oder Premiere Sky… Seltsam! Mein Mann jedenfalls rauft sich die Haare. „Wo soll das denn noch hin??“ – „Also, wenn wir den Schreibtisch aus dem Wohnzimmer entfernen und das Regal aus dem Arbeitszimmer ins Wohnzimmer stellen, dann haben wir da wieder Platz…“ – „Nein haben wir nicht! Ich weiß schon nicht mehr, welche Farbe die Tapete im Arbeitszimmer hat.“ Auch wieder wahr. Ich glaube, sie war weiß… „Und wo willst du überhaupt den Schreibtisch hinstellen?“ – „Na, in der Keller, bis wir wieder mehr Platz haben…“ Bevor sein anschließender Lachanfall noch weiter ins Hysterische abgleitet, lasse ich das Thema erst mal fallen.
Wirklich!
Ihr habt mir schon mit vielen Tipps in Sachen Baby-Spinnen-Invasion geholfen (die Kleinen sind übrigens wieder da, machen sich prächtig und wir
leben eine zufriedene Co-Existenz im Schlafzimmer). Wenn ihr also Ideen oder Erfahrungen mit diesem Chaos-Thema habt, bitte her damit. Oder, wenn ihr was
braucht! Oder jemanden kennt, der was braucht. Vielleicht einen Schreibtisch oder quasi neue Schuhe in Größe 40 oder Käsereiben! Sagt einfach Bescheid und wir gucken, was wir für euch tun können.
Kleine ernstgemeinte Anmerkung
Ich schreibe in meinem anderen Leben immer wieder Artikel
über Armut in Deutschland und weltweit, deshalb ist es umso krasser, sich
bewusst zu machen, in welchem Überfluss man lebt. Trotzdem höre ich von vielen
Ansprechpartnern aus dem sozialen Bereich und der Entwicklungshilfe: „Bloß
keine Sachspenden mehr. Wir werden damit zugemüllt.“ Schlau wäre, erst gar
nicht so viel anzuschaffen, zu erben, sich schenken zu lassen. Aber auch wenn
man reduziert, sammelt sich ja trotzdem vieles an, was sich nicht zu verkaufen lohnt oder was man nicht weggeben/wegschmeißen will. Wie geht ihr damit um?
Sep 29, 2014 | Nä wat schön - DIY
Oh Mann, morgen feiert meine Kleine Geburtstag. Und ich bin so aufgeregt! Drei Jahre wird das Kind schon alt und ich hab immer noch nicht mit der Rückbildung angefangen. Jetzt kann ich es auch lassen. Und
mich auf wichtigere Dinge konzentrieren: Die Geburtstagstorte! Lecker und saftig muss sie sein. Vor allem aber muss sie hammermäßig aussehen – und zum Motto des Kindergeburtstages passen. Womit wir beim zweiten wichtigen Ding wären: Das Motto!
Also, zu meiner Zeit – in den sehr frühen 80ern – liefen Kindergeburtstage so ab: Irgendeine Einladung mit Marienkäfern, irgendwelche – zugegebenermaßen endleckeren – Kuchen, Topfschlagen und
Blindekuh, Würstchen mit Pommes, Feierabend. ALLE Kindergeburtstage liefen so ab, meine eigenen und die meiner Freunde. Und auch beim zehnten Mal machte es noch Spaß.
Heute kann man als vorausplanende Mutter Worte wie „irgendwie“ und „irgendwas“ getrost aus seinem Vokabular streichen. Es geht um einen Kindergeburtstag, Herrschaftszeiten. Das bedeutet Recherche, Logistik, Corporate Design! In diesem Jahr habe ich mich für das Motto „Frosch“ entschieden! Meine Tochter sollte schon an Karneval als Froschkönig gehen, weigerte sich aber im entscheidenden Moment, das so liebevoll ausgewählte Froschkostüm anzuziehen. Dafür trägt sie es nun schon das ganze Jahr über. Soll sie also auch ihren Froschgeburtstag haben! Das bedeutet im Klartext: Froschdeko, Froschteller, Froschbecher, Froschservietten, Froschhütchen, Froschtrötchen, Froschessen, Froschspiele,
Froschlieder, Froschalles. Ich seh‘ grün, mein Mann rot! Nach längeren – absolut unnötigen – Diskussionen und einem hilflosen Lachanfall seinerseits rausche ich zur Tür. „Das ist kein Spaß, das ist Ernst!“ Ernst von gegenüber, denn der hilft beim Girlandenaufhängen. Mein Mann hat Rücken. War ja klar. Dafür muss er sich um das deftige Essen kümmern (Froschburger mit grüner Soße), denn ich – BACKE.
Weichen Sie zurück, der Maestro betritt den Raum! In Schürze und mit 25 Rezeptausdrucken zum Thema „die optimale Froschgeburtstagstorte“ aus dem Internet unterm Arm. Es lohnt sich nicht, ein Rezeptbuch anzulegen. Im nächsten Jahr ist schon wieder etwas ganz anderes in.Meine Mutter hat früher meine Geburtstagskuchen mit Eiern, Mehl, Zucker, Butter und wahlweise Mandeln oder gemahlenen Haselnüssen gebacken. Die liebe ich heute noch.
Ich arbeite mit Fondant, Lebensmittelfarbe, Fondantroller (als ich den kürzlich kaufte, bekam die Kassiererin einen Lachkrampf – hab ich nicht verstanden), Modelierwerkzeug und einer SEHR ruhigen Hand. Wehe einer stört!Ach so, den Kuchen muss ich ja auch noch backen. Sonst habe ich ja nix zum Dekorieren. Also, meine Mutter angerufen und den Hörer zwischen Ohr und Schulter geklemmt.
„Was willst du denn für einen Kuchen backen?“ „Egal, saftig und lecker. Und rund muss er sein. Also eigentlich brauche ich zwei, einen kleinen und einen großen!“ Stille. „Aha…“
Unter telefonischer Schritt für Schritt-Anleitung verarbeitete ich: Eier, Mehl, Zucker und Butter. Kurios! Am Ende hatte ich einen Biskuitkuchen mit Mandarinencreme und einen mit Himbeer. Saftig und lecker!
Dann kommt der spannende Teil. ‚Kneten Sie die Fondantmasse gut durch und geben sie ein paar Tropfen grüner Lebensmittelfarbe dazu‘, hieß es auf der Packung. Das Ergebnis sind tiefgrüne Hände und mintfarbenes Fondant. Leider wird es nicht besser. Ich komme noch bis türkis, um mich dann zur unerwartet ehrlichen Begeisterung meines Mannes für rosa zu entscheiden. „Eine andere Farbe“, jubelt er.
Leider kommen meine vierstündigen Bemühungen zu einem abrupten Ende, als ich schließlich versuche, die Fondantmasse über den Biskuitkuchen zu ziehen. „Ahhhhh! Das suppt!! Hilfe!“ Rosa Masse läuft über meine Hände und vermischte sich mit meinen strömenden Tränen. Mein Mann erkennt die Katastrophe und rief seine Mutter an: „Wir brauchen dich hier!“Drei Stunden später sitzen wir völlig erschlagen auf dem Sofa und starren auf das Werk vor uns. Es ist es vollbracht! Meine Schwiegermutter hat das Problem auf den ersten Blick erkannt und die Sache mit einem trockenen „Tja, Fondant und Cremefüllung vertragen sich eben nicht“, in die Hand genommen. Mit einem Ergebnis, dass sich wirklich sehen lassen kann, findet ihr nicht?
Sep 1, 2014 | Ne Story, Reine Erziehungssache
Ich habe mal wieder eine wahre Geschichte rausgehauen. Sie ist wirklich fast ganz haargenau so in etwa passiert. Fakt ist: Meine Tochter ist ein völlig immateriell eingestellter Mensch, der die Kaufhof-Kinderabteilung als Spielzeugmuseum betrachtet. Von wem sie das wohl hat…
Das Schnullergeschenk
Es gibt Kinder, die schlafen ab dem dritten Monat durch, essen alles, was man ihnen vorsetzt, geben ihren Schnuller mit eineinhalb freiwillig ab. Und es gibt unsere Tochter. Sie schläft nur durch, wenn man sie
zu Beginn der Tagesthemen ins Bett legt. Sie isst so gut wie nichts von dem, was man ihr vorsetzt und sie war auch mit zwei weit davon entfernt, jemals ihren Schnuller abzugeben.
Anläufe mit lustigen Geschichten und Schnullerfeen hatte es viele gegeben. Unsere Tochter reagierte darauf wie immer, nämlich gar nicht. Also wagte ich eine kleine Umfrage im Freundeskreis. „Unserem Konrad mussten wir den Schnuller nicht abgewöhnen, er hat nie einen gebraucht.“ Ja, ich weiß, dachte ich im Stillen, und er hat auch mit drei Monaten durchgeschlafen…
„Lisa hat ihren Schnuller an Weihnachten in die Krippe gelegt, für das Jesuskind.“ Wow, coole Idee! Weihnachten kam, unsere Tochter entwickelte eine ungeahnte Begeisterung für „Baby Jesus“ und nannte sogar ihre
Lieblingsente nach ihm. Bloß ihren Schnuller, den bekam er nicht. Freunde berichteten indes von Freunden, die eine „Schnuller-Station“ im Kinderzimmer angebracht hatten: Nagel in die Wand, Schnuller mit Schnur dranbinden, Kissen davorlegen. Bei meiner Tochter löste die Installation umgehend einen Wutausbruch aus, den ich ihr nicht ganz verdenken konnte.
Der Weckruf
Und dann kam dieser Vormittag im Café. Neben uns saß ein Herr, rührte in seinem Tee und sagte freundlich. „Sie sollten Ihrer Tochter den Schnuller abgewöhnen, sie hat einen offenen Biss.“ Es stellte sich heraus, dass er Zahnarzt war und wusste, wovon er sprach. Das Gespräch wurde zum Weckruf für unsere Tochter. Todesmutig erklärte sie am Abend: „Ich schmeiß den Schnuller jetzt weg.“
Eine Entscheidung mit Folgen… Die Fachliteratur prophezeit unentschlossenen Eltern maximal zwei bis drei unruhige Nächte, wenn es um die Schnuller-Entwöhnung geht. Aber die kennen ja auch unsere Tochter nicht. Nach drei Wochen (!) zermürbenden Kampfes und Minimalschlafes hatten wir es endlich geschafft. Der Schnuller war Geschichte, eine riesige Belohnung musste her.
Wir also wildentschlossen in die Kaufhof-Kinderabteilung. Ich dachte an XXL-Plüschgiraffen und dreistöckige Puppenhäuser mit kleinen Bettchen, Schränkchen und Mini-Toilette. Selbst mein Mann hatte einen großzügigen Tag und sprach die legendären Worte „Such dir etwas Schönes aus, Schatz!“ Zu mir hat er das noch nie gesagt…
Mit großen Augen stand ich vor einem detailgetreuen Bauernhof und sagte zu meiner Tochter: „Guck mal, Süße, wie schön!“ Sie sah sich alles an, schaute dann begeistert zu mir hoch und meinte: „Toll! Darf ich jetzt
Rolltreppe fahren? Bitte Mami!!“ Na gut, dachte ich. Dann also erst Rolltreppe fahren. Wir haben ja Zeit. Ich schickte Mann und Tochter aufs mobile Stufenelement und schaute mich weiter um.
Im Kinderhimmel
Oh, eine Kindergitarre, wie süß. Und ein echter Laptop! Krass!! Puppen, Puzzles, Wasserspielzeug. Ich war im Kinderhimmel. Und meine Tochter fuhr immer noch Rolltreppe. Ich fing sie oben ab und klatschte in die
Hände. „So Mäuschen, jetzt gibt es Geschenke!“ Wir streiften durch die Gänge, ließen sie auf Schaukelpferden reiten, mit einem Grizzlybären spielen, ein ferngesteuertes Auto lenken, machten ein Foto mit Biene Maja. Und dann sagte sie plötzlich: „Gehen wir jetzt nach Hause?“ „Ja, willst du dir denn nichts aussuchen?“, fragte ich entgeistert. „Nein, danke.“ (Sie sagte wirklich danke).
Irgendwie fühlte ich mich in meiner Mission empfindlich gebremst und konnte gerade noch ein enttäuschtes „Och!“ unterdrücken. Anderseits war ich auch sehr stolz auf meine immateriell eingestellte Tochter.
„Das hat sie von mir“, tat ich meinem Mann kund, bevor ich schnell mit einem lila Pferde-Schlüsselband, vier Blumen-Ausstanzern und einer total stylischen Stofftasche zum Selberbemalen Richtung Kasse lief. Warum sollte ich mir nicht auch mal was gönnen.
Das wollte ich immer
schon haben!Als ich zurückkam, sah ich Mann und Tochter andächtig vor einem kleinen Basketballkorb stehen. „…und dann musst du den Ball da oben reinwerfen“, hörte ich meinen Mann erklären und meine Tochter nickte eifrig. Sie drehte sich zu mir um: „Mama, so einen Basketball-Dingsbums wollte ich immer schon haben“, sagte sie inbrünstig. „Super“, antwortete ich mit einem scheelen Blick zu meinem Mann, der früher übrigens einmal passionierter Basketballspieler gewesen ist. An der Kasse stapelten sich dann neben Basketballkorb und zugehörigem Basketball übrigens auf wundersame Weise noch drei Jonglierbälle,
eine Laserpistole und Star Wars-Shuttle. Seltsame Auswahl für eine Zweijährige… Aber mal ehrlich: wir hatten es uns auch wirklich verdient.
Aug 18, 2014 | Alltagschaos
Entschleunigung! Wer mich kennt, weiß, dass ich dieses Wort nicht leiden kann. Wahrscheinlich, weil ich dieser Tante E. immer mit enervierender Erfolglosigkeit hinterherrenne. Kein Wunder, so als langsamste Joggerin des Planeten. Trotzdem ist sie ja irgendwie der Grund für meinen Blog. Und siehe da, nach acht ergebnislosen Monaten habe ich endlich ein Werkzeug gefunden, um sie zu erreichen. Es ist der Knopf an meinem Wasserkocher.Aber von Anfang an: Wir wollten also in den Urlaub. Ans Meer. Nicht schon wieder Seychellen, dachte ich und beschloss: Diesmal fahren wir an die Nordseeküste. Als die Familie meinem Vorschlag etwas unenthusiastisch begegnete, zog ich meinen Trumpf aus der Tasche: „Nein, nicht Holland. Diesmal machen wir was Besonderes: Wir fahren nach Ostfriesland!“
Zwanzig Minuten später hatte sich der Sturm der Begeisterung etwas gelegt, so dass ich mir wieder Gehör verschaffen konnte: „Wir werden in einem Mühlenhaus wohnen und uns wird völlig egal sein, ob es regnet, schneit oder weht. Denn ich packe einfach für alle Eventualitäten.“ Der Urlaub verzögerte sich dann noch um einige Monate, weil wir für unseren französischen Kleinwagen erst einen Dachgepäckträger und dann noch einen Anhänger kaufen mussten…
Ab auf den Ostfriesenspieß
Aber schließlich waren die 20-seitige Packliste abgearbeitet, die fünf Kubik verstaut und es ging los Richtung „Ostfriesenspieß“. So heißt die A31. Sie fängt hinterm Ruhrpott an und ist die leerste Autobahn Deutschlands. Hier fahren pro Minute nur neun Autos. Dass wir es dann schafften, auf dieser Autobahn trotzdem zwei Stunden im Stau zu stehen, lasse ich an dieser Stelle mal unerwähnt.
In unserem Mühlenhaus angekommen, stellten wir fest: Im zentralostfriesischen Uttum mahlen die Mühlen nicht nur langsamer, sie malen gar nicht! Was daran
liegt, dass die eindrucksvolle Windmühle keine Flügel hat. Ein Manko, über das ich großzügig hinwegsehen konnte. Was mich jedoch viel mehr bewegte, war ihre
Lage, nämlich total ungünstig zwischen dem nächsten UMTS-Masten, Satelliten oder was weiß ich und besagtem Mühlenhaus. Wir hatten KEIN INTERNET!!!
Panik und Schweißausbrüche meinerseits. Das hätte man beim Bau vor 150 Jahren nun wirklich beachten können, zürnte ich, um dann in der Abenddämmerung drei Stunden lang mit aufgeklapptem Laptop in den verkrampften Händen ums Gelände zu schleichen, auf der Suche nach dem Netz. Das ich nicht fand. Stattdessen zog ich einen Schwarm Moskitos, Nachtfalter und Fledermäuse hinter mir her und fiel fast in den Wassergraben am Grundstücksende. Aufgegeben habe übrigens nicht ich, sondern der Laptop-Akku.
Ein Urlaub, wie er früher einmal war
Aber man gewöhnt sich an alles und nach drei Tagen aussichtslosen Suchens quer durch Ostfriesland – das Ganze erwies sich als flächendeckendes Problem – war ich bereit, meinen Urlaub zu beginnen. Der Laptop blieb zu, das Tablet wanderte in die Schublade, das Smartphone wurde zum Fotoapparat und ich begann endlich – ENDLICH – zu entspannen. Was folgte war
ein „Urlaub, wie er früher einmal war“ mit einem „Sommer, wie er früher einmal war“ und ich hätte beides gerne bis 2020 ausgedehnt.
Allein – wir mussten zurück. Raus aus der ostfriesischen Sonne, rein in den rheinischen Dauerwolkenbruch bei 16 Grad Celsius. Das Netz ist perfekt, der Stress ist zurück! Aber das ostfriesische Rezept zur
Entschleunigung haben wir uns als Souvenir mitgebracht. Hier ist es:Wasser in den Wasserkocher einfüllen. Knopf an Wasserkocher drücken. Warten bis es blubbert. Schwarzen Ostfriesentee in Teebeutel füllen und in ostfriesische Teekanne einhängen. Mit heißem Wasser übergießen, 3 bis 5 Minuten ziehen lassen. Ein Kluntje (Mega-Kandis) in einer ostfriesischen Teetasse platzieren, Tasse zur Hälfte mit Tee füllen.
Sahne mit dem ostfriesischen Rohm-Lepel (Mini-Sahnekelle) in den Tee einbringen. In die Sahnewolken schauen. Nichts mehr denken, nichts mehr sagen, nichts mehr tun.
Neueste Kommentare