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Total unpolitisch!

Total unpolitisch!

So, das neue Jahr ist dreizehn Tage alt, die Nachbarin heute ganz genau ein Jahr (Happy Birthday, altes Haus!!!) Und ich fühle mich in der Tat etwa zwei Monate jünger, als noch beim letzten Post. Soll heißen statt Ende 47 mehr so Mitte 47. Das ist doch schon mal was!

Ob es an meiner Low-Carb-Diät liegt, bei der man alles Leckere weglässt und die ich seit sage und schreibe 12 Tagen durchhalte. Oder an dem Quentchen mehr Bewegung, die ich mir in letzter Zeit gegönnt habe (Schneemann bauen, Schlitten plus Pirelli-Tochter den Berg hoch ziehen). Oder aber doch an den drei Wochen Urlaub, die hinter mir liegen – ich weiß es nicht. Aber ich mache erst mal so weiter! Also, abgesehen
vom Urlaub. Seufz!
Die Nachrichten(p)lage
Was an meiner wundersamen Verjüngung sicherlich nicht schuld ist, ist die Nachrichtenlage, der ich mich ja – gemäß meiner guten Vorsätze für 2015 – seit einigen Tagen widme. Ich weiß nicht, wie es Euch so geht, aber wenn ich dieses Jahr ein erstes graues Haar auf meinem Kopf finden sollte, liegt es sicherlich an dem, was da draußen so passiert.
Paris

Eigentlich gehe ich ja durchs Leben mit der Haltung: „Wenn‘s wirklich wichtig ist, wird es mich schon erreichen!“ So ganz stimmt das offensichtlich nicht, denn ich war dann doch überrascht: „Waaaas, die Insel Mayotte im Indischen Ozean ist jetzt Teil der EU?“ Andererseits, erreichte mich die Meldung vom Anschlag auf „Charlie Hebdo“ in der Lagerhalle eines
Baumarktes, wo gerade das Radio lief, als wir Laminat fürs Arbeitszimmer ins Auto luden. Also, mein Mann lud – ich musste ja Radio hören…

Nun ist die Nachbarin ja alles andere als politisch und positioniert sich höchstens bei Fragen wie: Minitulpen oder Traubenhyazinthen als Frühblüher in den Balkonkasten? (Beides) Bzw. Gemüsepfanne oder Buchweizen-Auflauf zum Abendessen? (Beides nicht). Aber auch ihr ist klar, dass es am 7. Januar um Dimensionen ging, die größer sind als Bleistift gegen Kalaschnikow – obwohl das Bild stimmt.
Und wenn sich die Nachbarin dann vorstellt, dass ihr Töchterlein schon drei ist und irgendwann anfangen wird, die richtigen Fragen zu stellen, so nach dem Sinn und nach der Gerechtigkeit in der Welt… dann schaut und hört und liest die Nachbarin lieber nicht so oft Nachrichten, aus Angst, sie könnte die Antwort darüber vielleicht vergessen.
 
„Völlig falscher Ansatz!“
Ja, ja, sagt das mal der Nachbarin. Aber hinter dem Gartenzaun ist es ja gerade sooo gemütlich. Durch die Latten sieht man diese Menschen mit schwarz-rot-goldenen Fahnen durch die Straßen laufen und skandieren – und es ist doch gar nicht WM?! Irgendwas von wegen „Abendland retten“. Ich kann es nicht genau verstehen, die Gegendemonstranten rufen so laut nach Frieden und Toleranz…

 

Alle Latten am Zaun
Andererseits: Was so eine Nachbarin ist, ist ja irgendwo auch eine Frau der Tat! Und weil die Maus noch keine Fragen stellt, die mit dem Sinn und der Gerechtigkeit der Welt zu tun haben, aber schon wunderbar mit Pinsel und Farbe umgehen kann, malen wir einfach den Gartenzaun bunt an. Dabei lernt
sie schon mal, dass viele Farben schöner sind als eine.Und alles andere? Da braucht unsere Nachbarin noch ein bisschen Zeit und versucht für den Anfang einfach mal die Nachrichten zu ertragen…In diesem Sinne: Weitermachen!

Verpacken auf eigene Gefahr

Verpacken auf eigene Gefahr

Abgebrochene Nägel, kaputte Fingerkuppen, verklebtes, wirres Haar. Nein, ich komme nicht von einem Survivaltripp aus dem Dschungel. Ich habe nur Geschenke verpackt. Es gibt ja so Dinge, die verlernt man nie: Fahrradfahren, mit Messer und Gabel essen, Geschenke verpacken… Dachte ich zumindest. Die Realität sieht anders aus, muss ich leider feststellen. Früher gehörte das kunstvolle Verpacken zu meinen leichtesten Übungen (ich habe sogar mal am Packtisch gearbeitet). Ja, ich sonnte mich sogar in dem Glauben, ein gewisses Talent dafür aufzubringen. In jüngerer Zeit stelle ich mich jedoch an, wie ein Linkshänder mit Rechtshänderschere.

Das Papier reißt bereits beim Einschneiden – vorbei die Zeiten, in denen die Schere mit elegantem Schwung glatt durch das Papier fuhr und Papercut-Kanten produzierte. Die einst virtuos ausgeführte origamigleiche Falttechnik funktioniert überhaut nicht mehr. Meist ist das Papier viel zu groß und liegt in etwa so straff am Karton, wie die Haut einer 90-jährigen Omi. Dazu übelstes Geknuddel an beiden Seiten, wo eigentlich dieses perfekt gefaltete Dreieck hingehört, von einem dezenten  Klebesteifen gehalten. In meinen Glanzzeiten habe ich sogar Doppelklebeband benutzt…

Patchworkpapier

Manchmal ist das Papier aber auch zu klein, was ja noch blöder ist. Da mich offensichtlich mein Augenmaß verlassen hat, habe ich wenigstens auch eine Menge knitteriger kleiner Endstücke übrig. Die verklebe ich dann irgendwie miteinander zu einer Art Patchworkpapier und und gebe diesem mit Tesafilm den Rest. Ja, die Sache mit dem Tesafilm. Früher hatte ich Scotchband, bis sich mal irgendwann eine Freundin darüber lustig machte, dass ich ja immer dieses milchige Klebeband benutzen würde. Ja, auch, um filigrane Papiersterne ans Fenster zu pappen.

Sah ein bisschen unschön aus. ABER es verklebte nicht UND der dazugehörige Abroller tat, was er sollte. Nämlich nicht nur einwandfrei abrollen, ohne dass das Band verpappt, sondern auch an der Risskante problemlos den Klebestreifen abtrennen. War vielleicht Glück, aber seit ich besagten Scotch-Abroller kaputtgemacht habe, hatte ich nie wieder einen, von dem ich das Klebeband vernünftig abbekommen habe. Das Ergebnis ist ein vom hilflosen Rumziehen gedehntes und verflustes Band, das seine Klebekraft schon halb eingebüßt hat, bevor ich es überhaupt aufkleben kann.

Auch der glasklare Effekt von Tesa hat sich damit erübrigt, denn unzählige Fingerabdrücke machen es am Ende genauso milchig, wie das halbdurchsichtige Scotchklebeband. Grrrrrr! Aber auch wenn die Abrisskante murx ist, schaffe ich es immer noch, mir daran die Fingerkuppen zu zerstören. Sollte jemand mal meine Fingerabdrücke nehmen wollen, wird er es schwer haben und es hat auch einen Grund, dass ich immer nur rotes Papier verwende…

Bänderdehnung

Kommen wir zu den Bändern. Ich habe eine ganze Schublade voller Bänder – selbstredend. Aber nur wenige passen zu rotem Papier. Früher habe ich Geschenke kunstvoll verschnürt, mit Tannengrün oder Mistelzweigen versehen, hier noch ein Deko-Elch, dort eine Deko-Kugel, handgemalte Geschenk-Etiketten – das ganze Programm. Heute ziehe ich irgendein goldenes oder silbernes Geschenkband aus der Schublade, dass die sardinenbüchsengleiche Enge da drin nur mit vielen Falten überstanden hat und versuche es einigermaßen fest um das Papier zu wickeln. Was nicht klappt. Weshalb es rumschlackert, wenn ich den Knoten vorne drauf mache. Weshalb ich das lockere Band hinten am Geschenk nochmal zusammenfasse und mit einem fleckigen, verdrehen usw. – ihr wisst schon – Stück Tesa verklebe. Was sch…eibenhonig aussieht.

Aber hey, das Ding ist verpackt. Etiketten sind überbewertet, aber da ich mir über die zwei Tage bis Weihnachten definitiv nicht merken kann, welches rote Geschenk für wen ist, schreibe ich großzügig mit schwarzem Edding den Namen drauf. Nicht auszudenken, wenn meine Schwiegermutter die Schnürsenkel, die Lammfellschuheinlagen oder die Thermounterwäsche bekäme, die mein Bruder sich gewünscht hat oder meine Tochter den Stahlbesen, die Sturmhaube, die Dauerfilter für Nasssauger oder die Baumsäge, die für meinen Vater bestimmt sind. Mein Bruder wiederum könnte wahrscheinlich wenig anfangen mit einem Duplo-Zirkus, einem Rattan-Puppenwagen und dem Buch „Lili geht aufs Töpfchen“. Aber wer weiß.

Jedenfalls, wenn das so weitergeht mit dem Verpacken, dann werde ich demnächst nur noch auf weihnachtliche Geschenktüten zurückgreifen. So ein Stahlbesen macht sich sicher super in einer dieser schmalen hohen Tüten, in denen man Weinflaschen verschenkt…

Warum ich das Geschenkeverpacken verlernt  habe? Ich weiß es nicht. Habe schon mal in Erwägung gezogen, meinen Hormonstatus ermitteln zu lassen. Vielleicht habe ich ja Testosteronüberschuss.

Andererseits könnte es eventuell auch etwas mit meiner Tochter zu tun haben, denn beim Verpacken hört sich das meist so an: „Nein Schatz, leg die Schere weg, nicht dass du dich schneidest!“ „Wo hast du den Abroller hingetan?“ „Ach da hinten, holst du ihn mal wieder her? Nein? Dann gehe ich wohl selbst!“ „Sag mal Schatz, hast du das ganze Tesa abgerollt? Das hätte ich noch gebraucht. Wo hab ich denn…?“ „NEEEIIIN, nicht auf der Geschenkpapierrolle balancieren!!!“ „Ach, da hast du das ganze Tesa verklebt, auf den bereits fertig verpackten Geschenken. Ähhhh – sehr hübsch, mein Schatz.“ usw. usf. (Haare-rauf!)

In diesem Sinne werde ich mich nun verpflastern und mich den übrigen 32 Geschenken zuwenden, die noch zu verpacken sind. Meinem eigenen übrigens auch: Mein Mann sagt, er kann keine Geschenke verpacken!

In diesem Sinne, falls wir uns nicht mehr lesen: Frohe Weihnachten!!!

Eure Nachbarin

Zum vierten Hochzeitstag

Zum vierten Hochzeitstag

Zehn Gründe, warum ich gerne mit meinem Mann verheiratet bin…

  • Weil er zuhört, auch wenn er weghören könnte.
  • Weil er Dinge zu mir sagt wie: „Du musst das nicht tun!“
    oder „Wenn es dir wichtig ist, gehe ich mit!“ oder auch „Du schaffst das!“
  • Weil er wirklich und in echt Gänsehaut bekommt, wenn er Metallica
    hört.
  • Weil er unsere Tochter trotz Rückens noch dreimal
    mehr in die Luft wirft, wenn sie „Bitte, bitte hang time machen“ ruft.
  • Weil er seine Wimpern an sie vererbt hat! Darüber
    freue ich mich immer noch jeden Tag!
  • Weil er weiß, dass ich mich unglaublich freue, wenn er
    Einrichtungszeitschriften für mich mitbringt UND weil er sich die Zeit nimmt,
    genau die auszusuchen, die am besten meinen Geschmack trifft.

  • Weil er mich so laut und anhaltend zum Lachen bringt, dass
    meine Tochter anfängt zu brüllen, weil sie den Witz nicht verstanden hat.
  • Weil er über mich lachen kann und über sich selber auch.
  • Weil er seinen Platz zu Hause bei seiner Familie hat und
    nicht um die Ecke bei seinen Kumpels und er trotzdem viele Kumpels hat.
  • Weil er mir, wenn wir ohne Tochter unterwegs sind, die
    Beifahrertür aufhält. Immer noch!
  • Weil ich mich auf die Zehenspitzen stellen muss, wenn ich
    ihn küssen will.
  • Weil er mich massiert, wenn der Rücken schmerzt.
  • Weil er auf mein: „Lass uns jetzt nicht streiten“ gar nichts
    antwortet und mich kurz darauf in den Arm nimmt.
  • Weil er viel lieber salziges Popcorn isst, als Schokolade und so mehr für mich bleibt.
  • Weil er nur vier Tage arbeitet, um drei Tage mit uns
    verbringen zu können!
  • Weil er seine Zombiefilme mit Kopfhörern schaut, damit ich das Gemetzel nicht mit anhören muss.
  • Weil er sich über meine Chickflick-Bücher lustig macht, sich aber
    ohne mit der Wimper zu zucken, die ganze Story erzählen lässt.
  • Weil er sensibel ist, aber kein Weichei.
  • Weil er aussieht, wie „James Bond in gut“, wenn er morgens
    das Haus verlässt.
  • Weil er immer für uns da ist.

Okay, das waren jetzt mehr als zehn Gründe, aber noch lange
nicht alle und ich war gerade so schön im Flow!! Danke für vier wunderbare Jahre, M. Chen!

Shoppen mit Mann und Kind

Shoppen mit Mann und Kind

Also mal Hand aufs Herz: Ich bin jetzt nicht gerade das, was man neudeutsch als Fashion Victim bezeichnen würde. Manolo Blahniks hielt ich bis vor Kurzen noch für eine chronische Stoffwechselerkrankung, bis mich eine „Sex and the City“-erfahrene Freundin darüber aufklärte, dass es sich um Stöckelschuhe, handelt. Auch besagte Serie ist leider an mir vorbeigegangen, was im Wesentlichen damit zu tun hat, dass ich seit Jahren den Kampf um die Fernbedienung verliere.

Nur wenn es um Heidis XS-Meeeedchen geht, setze ich mich einmal im Jahr durch! Schon aus gesundheitlichen Gründen: Eine Staffel „Germany’s Next Topmodel“ motiviert mich zu etwa drei Wochen Schlankheitskur. Und zum Kauf eines Marken-Mascaras, den ich nach einmaliger Benutzung sofort in der Schublade versenke, weil ich eigentlich seit Jahr und Tag meiner geliebten No-Name-Wimperntusche treu bin und bisher definitiv nichts Besseres gefunden habe.
Seit ich mit der Aufzucht eines Kleinkindes beschäftigt bin, haben meine Ambitionen für die Schönheit zu leiden, beträchtlich abgenommen. Ich hab auch so schon genug am Hals. Bequem muss es sein, kleinen klebrigen Kinderhändchen muss es trotzen und trocknergeeignet wäre auch nicht schlecht. Also Jeans. Die habe ich mittlerweile in allen Größen von 36 (Fehlkauf) über 38 (jaha, das waren noch Zeiten) und 40 (Schwangerschaft) bis 42 (Bewegungsmuffel, Schokoaddict).
 
Spieglein, Spieglein
Langsam wird auch das zu eng. Beim Hinsetzen knarzt es mittlerweile verdächtig im Gewebe – also im Jeansgewebe und GNTM noch so lange hin. Deshalb muss ich etwas tun, was ich wirklich nur mache, wenn es nicht anders geht: Ich muss Hosen shoppen! Für jemanden wie mich, deren Hüfte eindeutig der breiteste Körperteil ist, in etwa so spaßig, wie eine Wurzelbehandlung beim Zahnarzt. Selbst meine – wirklich wunderschöne – Freundin Claudia meinte kürzlich: „Wenn ich in der Umkleide stehe, gucke ich niemals in den Spiegel, das tue ich mir nicht an.“ Sollte ich vielleicht auch lassen, denn anders als die Wurzelbehandlung hat Hosenkaufen zusätzlich einen überaus nachteiligen Effekt auf mein Selbstbewusstsein…
Hier mal ein Aufruf: Liebe Umkleidekabinen-Designer! Wir brauchen mehr Licht!!! Wie kommt ihr darauf, dass Schummer-Leuchten den unbekleideten Körper eines Menschen jenseits der 35 besser aussehen lassen? Gedämpftes Licht erzeugt Schatten an Stellen, an denen man als Frau seit der Erfindung der Cellulite keine Schatten mehr sehen möchte. Grelles Licht macht vielleicht blass um die Nase, aber es lässt Hügel und Täler verschwinden. Zumindest wenn man nicht so genau hinsieht.
 
In der Umkleidekabine
Bis die Beleuchtung in Umkleidekabinen angepasst ist, mache ich es also wie meine Freundin – ich schaue nicht mehr hin. Was dem Hosenkaufen eine weitere unerträgliche Komponente hinzufügt, denn: Ich muss meinen Mann mitnehmen. Wer soll denn sonst gucken, ob die Hose einigermaßen sitzt? Nein, nichts gegen meinen Mann, er gibt sich wirklich Mühe. Aber wenn ich ihn mitnehme, muss ich auch meine Tochter mitnehmen. Und das, liebe Freunde, wünscht man wirklich niemandem.
Wir also an einem sonnigen Samstagmorgen mit einer schlecht gelaunten Dreijährigen in der Bonner Innenstadt: „Ich wollte nicht einkaufen, ich wollte zu den Hirschen!“ – „Schatz, ich brauche neue Hosen, wir gehen
später zum Wildgehege.“ „Du kannst doch alleine einkaufen und Papa geht mit mir vor?“ Hmm, wie erkläre ich ihr das jetzt?? „Der Papa muss der Mama helfen, weil sie doch so einen großen Popo hat“, springt mein Mann hilfreich ein und weicht feixend meinem bösen Blick aus. Meine Tochter gibt sich mit dieser Erklärung prompt zufrieden. Hmmm…
Eine Stunde später stehe ich schweißgebadet in der Kaufhof-Umkleide. Meinem Mann ist das Feixen vergangen. „Wenn du mir nicht vertraust, kannst du genauso gut alleine shoppen gehen“, motzt er nicht ganz unberechtigt und zeigt anklagend auf den von mir verworfenen Jeansstapel. „Wie soll ich dir vertrauen, wenn du Hüftjeans, die aus leichten Rundungen monströse Ausbuchtungen machen, für sexy hältst?“ meckere ich zurück. (So ganz hatte ich dem Blick in den Spiegel dann doch nicht ausweichen können). „Ich will jetzt endlich Hirsche!“ höre ich zum 35sten Mal meine Tochter vor der Umkleide jammern.
 
Größe 38!
Ein genervtes Grunzen aus der Nachbarkabine gibt mir den Rest und ich entscheide mich, das Experiment abzublasen. Erleichtert ziehen Mann und Tochter von dannen, um Rolltreppe zu fahren, während ich desillusioniert mit meinen Jeans aus der Kabine wanke. Da sehe ich ihn plötzlich: Er hängt auf der Stange der zurückgelassenen Kleidungsstücke unterhalb des Fachs, in das ich jetzt eilig meine Jeans stopfe und strahlt mich an. Dieser eine Rock, nur für mich gemacht, wohl ein Überbleibsel aus der Sommerkollektion, verschiedene Türkistöne, zartes Muster, ein Traum. Hatte nicht meine Typberaterin einst gesagt, ich solle auf Romantik setzen? Ich gucke auf die Größe: 38!
Wenn der jetzt passt, dann steige ich auf Röcke um, schwöre ich mir, als ich nach einem kurzen Blick Richtung Rolltreppe (alles ruhig) in die Kabine zurückeile. Weich fließt der Stoff an meinem Körper entlang und tut
so, als hätte ich überhaupt keine Hüften. Der Reißverschluss lässt sich problemlos schließen, denn der einzige Vorteil der Birnenfigur ist eine schmale Taille. Klebrige Kinderhändchen, praktische Klamotten und potentiell kalte Winter sind vergessen. „Ich passe in 38“, jubiliere ich, als ich zur Kasse schwebe und mich dabei auf wundersame Weise zehn Kilo leichter und hundert Prozent weiblicher fühle. Darauf ein Sektchen und eine Staffel „Sex and the City“!
Pädagogische Fehler, die ich immer vermeiden wollte und warum ich sie trotzdem mache

Pädagogische Fehler, die ich immer vermeiden wollte und warum ich sie trotzdem mache

Der Trend geht zu langen Überschriften 😉

Also, ich bin ja irgendwie vom Fach. Hab in grauer Vorzeit mal Pädagogik studiert UND abgeschlossen. Jahaaa! Aber es hatte wohl seinen Grund, dass ich den Schwerpunkt auf Erwachsenenbildung gelegt habe.

Trotzdem hatte ich eine diffuse Idee davon, wie ich denn mein Kind erziehen wollte, bzw. vor allem wohin: Zu einer selbständigen, toleranten, selbstbewussten, engagierten und natürlich glücklichen chülersprecherin. Als ich kürzlich ein Goldenes Ehepaar fragte, welche Werte sie ihren drei Kindern mitgegeben haben, sagten sie „Benehmen“ (sonst nichts). „Hmm!“, guckte ich etwas betreten.

Andererseits, wenn ich mir meine Tochter so anschaue: Ein bisschen Benehmen würde nicht schaden. Und Respekt! Und Grenzen! Aber der Zuch ist wahrscheinlich abgefahren, die frühkindlichen – das ganze Leben prägenden Jahre – fast vorbei. Das Kind quasi in den Brunnen gefallen. Ich freu mich schon auf die Pubertät.

Aber was ist eigentlich passiert?
Also, erstens erzieht man ja sein Kind nicht allein. Das ist die Krux. Drücken Sie mal ihre rudimentären Vorstellungen von ausgedehnten Waldtagen mit einem ausgeprägten Stubenhocker durch. Oder die Idee, das Kind ohne mobile Endgeräte erziehen. Stieß sich ebenfalls an der Realitätskante. Das ein ITler und eine Online-Redakteurin ein Kind ohne Pad-, Pod- und Phone-Affinität aufziehen ist eben eher unwahrscheinlich.   

IIIIICH hab ja als Kind kaum ferngesehen und meinen ersten CD-Player bekam ich mit 18. Okay, vorher hatte es auch wohl noch keine gegeben. Oder fast! Aber dafür hatten mein Bruder und ich neben unseren eigenen Zimmern ein riesiges Spielzimmer. Mit ’nem Regal aus einer alten Bäckerei vom Boden bis zur Decke voll mit buntem Zeug. Das wünsche ich meiner Tochter auch. Spielsachen satt.
Dieser Wunsch kollidiert wiederum mit unserer Quadratmeterzahl und den Ansichten meines Mannes: „IIIIICH habe meine ganze Kindheit durch nur drei Playmobil-Figuren und zwei Star Wars-Figuren gehabt und das Wars, äh war’s!“ Kein Wunder, dass er mit Ohren und Nase gleichzeitig wackeln und seinen Arm zweimal um die eigene Achse drehen kann. Mit irgendwas muss man sich ja beschäftigen. Jedenfalls muss unsere Tochter nun für jedes Spielgerät, das dazukommt, eins aussondern.
Was noch? Gesunde Ernährung. Sind wir eigentlich beide für, aber unsere Tochter nicht. Obwohl, wenn man es genau betrachtet, ist sie eigentlich Veganerin: „Ich will Nudeln mit Soße, aber ohne Soße!“. Das mit der zuckerfreien Ernährung klappte bis eineinhalb. Das mit der endgerätfreien Erziehung immerhin fast bis zwei. Dann brach sie sich das Bein und (wir) musste(n) vier Wochen Gips bis zur Hüfte (er-)tragen. Da gibt man
dann schon mal auf.
Auch die Idee, sie in einen multilingualen, integrativen Montessori-Wald-Kindergarten mit naturwissenschaftlich-anthroposophischem Bildungsansatz zu schicken,
mussten wir begraben. Hey, wir HABEN einen Kitaplatz, was will man heutzutage mehr. Und dann: Mandarin lernen am Nachmittag, Reitstunden für Kleinkinder, Zirkusschule? Wann das denn noch alles?

Also was haben wir?

Eine Dreijährige, die seit ihrem zweiten Geburtstag von acht bis halb drei in die Kita geht und danach von fünf engen Familienmitgliedern betreut und
aufgezogen wird. Ein Kind, das jeden Tag vor die Tür kommt, Laufrad fährt wie der Teufel und problemlos drei Kilometer marschiert, wenn auch über Asphalt.
Eine Entdeckerin, die einen Marienkäfer von einer Feuerwanze und eine Eichel von einer Haselnuss unterscheiden kann, allerdings auch „Die Sendung mit der
Maus“ von „Jonalu“ und Firefox von Safari. Eine Leseratte, die etwa hundert Bücher besitzt und gefühlt alle auswendig kennt und die gleichzeitig das Tablet so virtuos bedient, dass die Oma runde Augen kriegt.
Ich glaube eher nicht, dass sie mal Schülersprecherin wird. Aber authentisch wird sie sein, tolerant und sozial, großherzig und lustig. Ganz einfach, weil sie es immer
schon war. Und Glück? Das können wir ihr wünschen. Erkennen muss sie es selbst.