Es ist immer noch Tag eins unserer Reise und gerade kommen wir vom Rhein zurück. Der Hund ist entleert, der Rest der Familie durch den Spaziergang an der Promenade entspannt und gelüftet. Und ich bin bereit, mich ans Steuer zu setzen. Wenn auch nur auf dem leeren Obi-Parkplatz ums Eck. Das Größte, was ich in meinem Leben gefahren bin, war ein Kastenwagengespann. Ich war Mitte 20 und begleitete meine Mitbewohnerin bei einer Promotour für Sportschuhe zu Volksläufen. Mit dem Wagen zogen wir einen großen Verkaufsstand, in dem wir die Produkte präsentierten.
Ich erinnere mich, dass ich auf unserer Rückfahrt durchs stockdunkle, dickvernebelte Bergische Land am Steuer saß und meine Mitbewohnerin selig auf dem Beifahrersitz vor sich hin schnarchte. „Sei eine Frau!“, mache ich mir nun Mut. Wir haben diese Fahrt damals überlebt, dann werde ich doch auch so ein Wohnmobil fahren können. Und ich fahre! Vor und zurück und kreuz und quer über den Obi-Parkplatz. Die Bedienung kenne ich von unserem Renault, Gangschalt-Getriebe bin ich gewöhnt. Nicht jedoch das Fahrgefühl. Mir ist, als würde ich einen Truck steuern. Schluck!
Bevor sich erste Krämpfe in meiner Nackenmuskulatur bemerkbar machen, überlasse ich den Fahrersitz gerne wieder meinem Mann, der seine Sache echt gut macht. Mit einem Abstecher zum goldenen M, wo wir zwei PKW-Parkplätze blockieren und mit Burgern und Nuggets die Essecke einweihen, geht es über die A3 nach Koblenz. Vorher haben wir in der App „park4night“ einen Stellplatz in der Nähe der Festung Ehrenbreitstein gefunden. Er heißt „Koblenz Niederbergerhöhe“ und ist laut App-Nutzern der einzige Platz für Womos in Festungsnähe.
Als wir auf der Niederbergerhöhe ankommen ist es stockduster. Google Maps zeigt uns irgendeinen Mist an und ich bin froh, dass ich mich in meiner Heimatstadt ganz gut auskenne. Und so fahren wir die lange Stichstraße durch, bis wir schließlich am offiziellen Parkplatz der Festung ankommen. Der für Wohnmobile verboten ist! Sackgasse! Ein Aufsteller weist uns auf einen anderen Platz hin, wo man seinen Camper parken, aber nicht übernachten darf. Mist! Aber was nutzt es. Wir müssen es trotzdem versuchen, in der App stand es ja anders. Also wenden und zurück.
Ein paar hundert Meter weiter entdecken wir links im Dunkeln eine mächtige gemauerte Einfahrt zu einem Bundeswehrgelände. Der Zaun ist zwei Meter hoch und oben mit drei Reihen Stacheldraht gesichert. „Militärischer Sicherheitsbereich! Unbefugtes Betreten verboten! Vorsicht Schusswaffengebrauch!“ informiert uns ein einladendes Schild unter einer funzeligen Laterne. Genau das, was ich mir unter einem romantischen Urlaubsort vorstelle! Als mein Mann sich vorsichtig dem Eingang nähert, kommen zwei zivile Männer mit Hunden aus der Einfahrt. „Ja, hier kann man über Nacht stehen. Dahinten parkt unser Camper“, erklären sie. Ein wachhabender Soldat mit Kippe im Mundwinkel löst sich aus dem Schatten und winkt freundlich.
Ich bin einfach nur erleichtert. Unsere erste Nacht ist im wahrsten Sinne des Wortes gesichert. Vorsichtig fahren wir auf das Gelände, das sich als unbeleuchteter fußballfeldgroßer Platz erweist. Im hintersten Eck steht ein einsames in die Jahre gekommenes Wohnmobil. Wir platzieren uns mit ein bisschen Abstand daneben, damit wir nicht ganz so einsam sind und verbringen eine sehr ruhige Nacht. Das weiß ich, weil ich kein Auge zukriege. Nicht, weil es ungemütlich wäre. Im Gegenteil, es ist kuschelig. Nicht, weil es kalt wäre. Die Heizung funktioniert wunderbar. Noch nicht mal, weil mein Mann schnarcht. Denn das höre ich nur gedämpft. Sondern grundlos. Wie 45-Jährige Frauen halt einfach mal so mitten in der Nacht wachliegen.
Eure Nachbarin – schlaflos in Niederberg
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