„Was ist eigentlich aus deinem Upcycling geworden“, fragt mich mein Mann gestern scheinheilig. Nur um gleich danach zu rüffeln: „Wir haben dieses Jahr schon wieder ganz schön viel neu gekauft!“ Ja, er hat Recht – ein bisschen. Aber zum Upcycling braucht man Zeit und auch die ein oder andere Fähigkeit, die ich (noch) nicht besitze. Aber ich arbeite dran. Eine Freundin bringt mir Nähen bei und mein erster Pulli ist fertig – an ihrer Maschine genäht. Sie selbst verbrachte die ersten drei Übungsstunden erfolglos damit, an meiner Maschine den Oberfaden mit dem Unterfaden zu verbinden. SORRY!
Aber zurück zu meinem Mann! Er setzt nämlich seit Sonntag seine ganz eigene Idee des Nachhaltigseins um, hat da aber irgendwas falsch verstanden: „Ich schmeiße jetzt jeden Tag ein Teil weg!“ Okaaayyyy??!! Wer meinen Mann besser kennt weiß, hier passiert etwas ganz Großes – nahezu eine Frühlings-Revolution. Seit 1998 hat er so gut wie nichts entsorgt. Gott sei Dank auch nicht sooo viel gekauft. Dafür bin ich ja zuständig.
Mein Mann besitzt Kabel und Adapter und Verbindungsstücke, Chinchstecker und Klinken, Festplatten, Kopfhörer, Konsolen, Aufladegeräte, Walkmen, kaputte Fotoapparate, Rechner mit Solarbetrieb, Mäuse, Tastaturen, noch mehr Festplatten… Das Ganze verwirrt in einem riesigen schwarzen Knäuel. Wir reden auch von einem Menschen, der Socken besitzt. Viele Socken.
Kürzlich stand er verzweifelt vor seinem Kleiderschrank und rief: „Du hast doch letztens meine 168 Strümpfe gefaltet.“ „Ja“, rief ich stolz zurück. „Da passt kein Paar zusammen!“ Ja, ist doch logisch, es waren alles einzelne Socken. Aber alle schwarz – immerhin. „Ich sag doch, wir brauchen eine neue Waschmaschine, die frisst die Dinger“, rufe ich zurück, weil ich weiß, dass er auf diesem Ohr ganz plötzlich taub wird und ich mir weitere Diskussionen erspare.
Umso begeisterter beobachtete ich gestern, wie er forschen Schrittes zu seinem Schrank marschierte, mindestens sechs lose Socken entnahm, um sie in der Mülltonne zu entsorgen. „Das ist für heute und morgen“, meinte er und griff im Vorbeigehen noch einen Lautsprecher mit SDCard-Anschluss. Wow! Nachhaltigkeit hin oder her. Ich bin stolz auf ihn! Denn schließlich ist er ein Mann und dass die manchmal mit größter Passion an irgendwelchen Dingen hängen, die weder vintage noch shabby, sondern einfach nur alt und häßlich sind, ist ja bekannt.
Wie in dieser Fernsehwerbung, die momentan läuft. Ich weiß nicht für welches Produkt – bin als Werbekunde völlig ungeeignet, wenn es nicht um Schokoriegel geht. Aber eine Frau trägt einen Karton mit Sachen durch den Flur, um sie zu entsorgen und ihr Mann greift in letzter Sekunde nach seinem alten Hut, der nun für weitere fünf Monate im Schrank rumgammeln wird. Bis seine Frau nämlich die Sommersachen wegpackt und die Wintersachen rausholt. Dann wird sie einen neuen Versuch starten.
So geht das bei uns mit verbeulten Schirmmützen, Deutschlandflaggen (die nächste WM kommt bestimmt), verwanzten uralt T-Shirts mit Erinnerungswert, verklebten Luftmatratzen, luftleeren Fußbällen und angestaubten Vorhängen in einer Farbe, die man noch nicht mal als 80er bezeichnen kann. Auch immer wieder schön und seit Jahren im Frühjahr und Herbst ein beliebtes Thema. „Hier deine beiden schwarzen Lee-Jeans, darf ich die dieses Jahr in den Altkleidersack tun?“ „Neeeeiiiin!!! Die kann man noch verkaufen, bei Ebay!“ „Das hast du letztes und vorletztes Jahr auch schon gesagt.“
Meine Mutter hielt sich vor einigen Jahren mal für ganz schlau und schmiss heimlich ein Paar Schuhe meines Vaters in den Müll. Er hatte sie seit 1986 nicht mehr getragen. Drinnen wohnte eine Spinne namens Esmeralda, die Sohle war vermoost und das Leder hatte eine Patina angesetzt, wie man sie manchmal an diesen Bronzestatuen sieht. Vorsichtig ging sie also nachts zum Schuhschrank, nahm die Schuhe – nicht ohne vorher Schutzhandschuhe anzuziehen, man weiß ja nie – schlich die Treppe hinunter und versenkte sie tief unten in der Tonne der Nachbarn.
Zwei Tage später stand mein Vater vor ihr: „Sag mal, hast du meine dunkelbraunen Lederschuhe gesehen, die von der Silberhochzeit meiner Eltern. Die sind irgendwie weg!“ Ich weiß nicht, wie die Geschichte ausging, ich war zu sehr damit beschäftigt, meine Hand vor die Stirn zu schlagen.
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