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Überraschung im Auto

Überraschung im Auto

Autofahrer und ihre Mitreisenden – ein durchaus gespaltenes Verhältnis. Da gibt es den – in 99 Prozent der Fälle – männlichen Beifahrer, der mitbremst, sich ab 30 km/h ängstlich an den Haltegriff klammert, unvermittelt gutturale Laute des Entsetzens ausstößt, die die Fahrerin zu hektischen Brems- oder Ausweichmanövern animieren. In jedem Fall weiß er viel besser als man selbst, wie man schalten, blinken, bremsen, beschleunigen, einparken oder den Parkschein platzieren sollte.

Dann sind da die kleinen Menschen im Fond des Autos, die bei 150 Sachen auf der Autobahn „jetzt sofort“ essen, trinken, was Süßes, aufs Klo oder den nächsten Film auf dem iPad runtergeladen haben wollen. Die zetern und zoffen, singen und pupsen, einem den Fuß durch die Fahrersitzrückenlehne in die Nieren rammen oder unter der Kopfstütze hindurch an den Haaren ziehen. Die sich langweilen, zum hundertsten Mal „Conni auf dem Bauernhof“ über den Auto-CD-Player hören oder einfach nur mal brechen müssen.

Ganz hinten hat der ein oder andere noch eine Fellnase sitzen. Sie sind meist die angenehmsten Passagiere, wenn sie das Fahren gut vertragen, sich nicht über die Geburtstagstorte für Oma oder den Räucherlachs vom Aldi hermachen oder sich ohne Vorwarnung beim Rückwärtsfahren aufsetzen und einem einen Herzkasper verschaffen, weil es im Rückspiegel aussieht, als stünde plötzlich jemand direkt hinter dem Auto. Davon abgesehen verleihen sie dem Wageninneren eine besondere Duftnote, die man als Herr- und Frauchen kaum noch wahrnimmt, die Ungeübte jedoch beim Einsteigen zurücktaumeln und spontan auf eine andere Mitfahrgelegenheit hoffen lässt.

GummispinneVon all jenem abgesehen macht Autofahren mit der Familie jedoch sehr viel Spaß. So wie letztens, als meine Tochter vom Beifahrersitz aus erst kritisch, dann mit wachsendem Ekel auf einen Punkt an der Autodecke starrte, der sich beunruhigenderweise genau über meinem Kopf befand. Ihr panisches „Iiiiii, Mama, was ist DAS denn?“, trug sie nicht gerade dazu bei, meine Herzfrequenz zu entschleunigen. Möglichweise machte das Auto auch einen kleinen Schlenker. „Da sitzt ne fette Spinne über deinem Kopf!!!“, überzeugte mich dann vollends, die Fahrt am nächsten Abzweig spontan zu unterbrechen und den Wagen ein wenig schneller als sonst zu verlassen.

Inzwischen hatte die mittelgroße Winkelspinne den Rückzug in Richtung Kofferraum angetreten, während ich so schnell ich konnte ums Auto herumlief, um ihr von der hinteren Seitentür aus den Weg abzuschneiden. „So schnell ich kann“ geht in der Regel einher mit „nicht schnell genug“. Und so zog ich in Sachen zügiger Fortbewegung mal wieder den Kürzeren. „Die ist in die Ritze vom Rücksitz reingeklettert“, informierte mich meine Tochter, sichtlich erleichtert, sich den vorderen Bereich des Autos nicht mehr mit dem achtbeinigen Monster teilen zu müssen.

Was soll ich sagen: Ich habe das Wageninnere an diesem Tag noch in seine Bestandteile zerlegt und viele spannende Dinge gefunden. Darunter ein halbes Croissant, ein Pixiebuch, den Sattel eines Schleichpferdes und einen Euro. McSpider ist bis heute nicht wieder aufgetaucht. Aber ich weiß, er wächst und gedeiht irgendwo unterm Rücksitz, ernährt sich von Krümeln, die es dort reichlich gibt. Er wiegt mittlerweile bestimmt 100 Gramm und hat noch fünf weitere Beine dazu bekommen. Er sitzt und und lauert und wartet genau auf den perfekten Moment… Ich habe angeregt, ein neues Auto zu kaufen.

Eure Nachbarin

Fräulein Rottenmeier

Fräulein Rottenmeier

Meine Tochter ist jetzt auch unter die Schreiberlis gegangen. Schuld ist wahrscheinlich, wie im Moment fast an fast allem: Corona. Nicht nur, dass unsere Zweitklässlerin vor dem Lockdown kein Buch in die Hand genommen hat, sie schrieb auch nie mehr, als vier Zeilen am Stück. Und die auch nur unter lautem Protest. Jetzt, drei Monate später, hat sie etwa 2.500 Seiten von Margit Auers „Schule der magischen Tiere“ und diverse andere Bücher gelesen und ein komplettes Heft mit Geschichten gefüllt.

Vorzugsweise schreibt sie über Tiere, die anders sind, als die Norm: Ein Affe, der nicht klettern kann, dafür aber Schwimmen. Ein Marienkäfer mit blauen Punkten, der aber trotzdem in die rot-schwarze Gemeinde integriert wird. Oder ein rosa-weißes Zebra, das halt anders aussieht, als alle anderen, dafür aber dank Klettertalent die besten Fürchte vom Baum holt. „Wie kamst du auf die Zebrageschichte“, wollte ich heute während einer Fahrradtour von ihr wissen. „Ach, der Tag war irgendwie so gestreift“.

Disteln

Ich liebe es mit ihr so rumzufabulieren. Wir können uns aus aktuellem Anlass eine Viertelstunde darüber unterhalten, warum es das Wort „nesseln“ gibt, ein Verb ganz offensichtlich abgeleitet von Brennnesseln, aber noch niemand das Wort „disteln“ erfunden hat, was wir hiermit nachholen. Ich werde versuchen, es künftig in jedem zweiten Beitrag unterzubringen. Vielleicht setzt es sich durch und steht 2025 im Duden. Auf einer Mutter-Tochter-Wanderung durchs Siebengebirge hatten wir kürzlich auch eine Menge Spaß.

Töchterchen blieb alle paar Schritte immer wieder stocksteif stehen, vielleicht war sie durch die vielen Bäume um uns herum inspiriert. Ich fragte sie dann irgendwann, was sie da treibe und sie meinte: „Ich nenne es Baguette-Stehen, das ist gesund“. Kurz darauf gelangten wir an einen See, der so sehr spiegelte, wie wir es noch nie in freier Wildbahn gesehen hatten. Ein kleiner Stein sorgte für ein wunderschönes Wellenspiel, so dass uns ganz ergriffen das Kichern verging. Als wir weitergingen meinte ich: „Den nennen wir ab jetzt Zaubersee.“ Und sie antwortete: „Nee, das ist der Echt-Respekt-See. Ich hab echt Respekt vor diesem See.“

Auf unserem weiteren Marsch ging es um berufliche Perspektiven. Da Minimo mit unfassbarer Geduld alles beobachtet, was in der Natur so kreucht und fleucht, könnte es gut was im Bereich Forschung und Expedition sein. Ich neige ja bekanntermaßen ein wenig zum Oberlehrertum. Ein früherer Freund nannte mich gelegentlich „Fräulein Rottenmeier“ nach der strengen Lehrkraft aus „Heidi“. Er nannte mich auch die „Uralte Morla“ nach der Schildkröte aus der „Unendlichen Geschichte“. Wenn ich mein Spiegelbild heute mit Fotos von damals vergleiche, war das wohl eher perspektivisch gemeint…

Jedenfalls schlug Frau Rottenmeier in mir vor: „Du könntest doch Pantologin werden.“ „Was ist denn das“, fragte meine Tochter. „Wie, das weißt du nicht? Du magst doch Dinos und so was?“ „Hm, aber von Pantologie habe ich noch nix gehört“, runzelte Minimo die Stirn. Dann erhellte sich ihr Blick: „Du meinst wohl Paläontologin?“ Man kann solche Situation super durch Ablenkung oder ein überlegenes Lachen überspielen. Ist mir an dieser Stelle leider nicht gelungen. Ich glaube, es ist Zeit den Rottenmeier-Staffelstab weiterzugeben und mir die Funktionsweise des Rasterelektronenmikroskops erklären zu lassen…

Genießt das Wochenende!

Eure Nachbarin

Passend zum Anlass

Passend zum Anlass

Meine Tochter zieht sich gerne dem Anlass entsprechend an: Wenn es zum Schmetterlingsgarten geht das Schmetterlingskleid, im Zoo ihr T-Shirt mit den wilden Tieren, auf dem Reiterhof die Leggings mit den Hufeisen. Jetzt im Herbst fragt sie nach Stoppersocken mit Blättermotiven, für den Winter möchte sie ein Kleid mit Schneeflockenapplikation und weißem Plüschsaum. Ich denke, ihr habt das Prinzip verstanden.
Es kann so einfach sein
Nun bin ich weder Krösus, noch gewillt, unserer Tochter jeden Wunsch zu erfüllen. Es sei denn, sie kreischt so laut, dass ich es einfach nicht mehr aushalte. Zudem kann ich nun wirklich nicht zu jedem Zweck ein neues Kleidungsstück herbeizaubern. Dachte ich bis jetzt. Denn eigentlich ist es doch so einfach, Kinder glücklich zu machen. Und wie wir alle wissen, zufriedene Kinder = zufriedene Eltern. Unzufriedene Kinder = Eltern reif für die Klapse.
Bevor es also soweit kommt, sind wir einfach mal wieder ein bisschen kreativ geworden: Als ich im September gefragt wurde, was sie sich zum Geburtstag wünscht, habe ich wohl ein wenig zu oft gesagt, ein paar Sticker täten es auch. Das Ende vom Lied waren: 565 Sticker. In allen Variationen. Elsas und Einhörner, Pferde und Schmetterlinge… Ungefähr 50 Prozent davon kleben jetzt in ihrem Zimmer auf jedem verfügbaren Möbelstück und Wandabschnitt. Gleich neben den Rewe-Aufklebern, an denen man vor Weihnachten ja nicht vorbei kommt.
Naja, wie dem auch sein: Den Rest habe ich – etwas zu spät – an mich genommen. Kürzlich kamen von der Großtante noch jede Menge Weihnachtssticker dazu. Und: Am Freitag beim Lichter-/Sankt Martins-/Adventsfest der Kita kamen sie dann tatsächlich und endlich gewinnbringend zum Einsatz. Und zwar auf des Tochters Lieblings-Kindergarten-Weihnachtsfeier-Kleid. Was soll ich sagen. Das dunkelblaue Textil mit dem Rehlein vorne drauf, wurde durch Glitzer-Tannen im „Hintergrund“ und Sternchen drumherum wirklich veredelt.
Upcycling mal anders
Gestern hatten wir Besuch und weil Töchterlein – ganz die Mama – immer sehr um die Kaffeetischdeko bemüht ist, drückte ich ihr wieder besagte Aufkleber in die Hand und ließ sie am gedeckten Tisch zurück. Somit hatte ich Ruhe für einen Last-Minute-Apfel-Zimt-Crumble, sie ihren Spaß und der Tisch am Ende etwas Weihnachtliches. Heute dann hat es zum ersten Mal geschneit. Also zumindest sieht es für meine Tochter so aus, denn der ganze Garten ist gefrostet. Die Autos übrigens auch – von innen und außen – was meinem Mann ein frühes Workout bescherte.
„Schnee“ bedeutet, es muss ein Schneeflockenkleid her. Das einzige, das sie besitzt, hat außerdem, wie soll es anders sein, eine Elsa vorne drauf und ist zwei Nummern zu klein. Außerdem gibt es noch ein ungeliebtes blaues Kapuzenkleid vom Flohmarkt. Genau richtig für die Jahreszeit, aber bisher geschmäht. Nun kleben glitzrige Schneeflöckchen auf der Brust. So schnell war die morgendliche Outfit-Diskussion noch nie beendet. Und das Beste: Die Dinger halten sogar einige Zeit durch. Upcycling mal anders!
Meine Tochter wünscht sich vom Christkind übrigens Sticker…
Adventliche Grüße
Eure Nachbarin…
…die sich auch gerne mal passend zum Anlass anzieht: Nämlich derzeit sieben Tage die Woche vermatschte Hosen, erdklumpige Wanderboots, versabbertes Shirt, Parka mit Pfotenabdrücken. Vielleicht besorge ich mir mal ein paar Hunde-Aufkleber…
Benni-Wutz
Wo ist Nemo… wenn man ihn braucht?

Wo ist Nemo… wenn man ihn braucht?

Ist unsere schnuckelige Einzelkindtochter verwöhnt? Hm, mal überlegen… Okay, ich habe überlegt und will es mal so sagen: Vielleicht. Ein wenig. Und heute bekam ich dafür mal wieder die Quittung, die ich nur unter
Einsatz von zwei Fünferrippchen dieser endleckeren weißen Kokosschokolade und einem schnellen Post verarbeiten kann. In dieser Woche ist meine Patentochter – fast 16 – zu Besuch und das nutzen wir, um ein paar Ausflüge zu machen. Töchterchen nutzt das auch, nämlich, um mal so richtig ihr Potential auszuschöpfen und alle Register zu ziehen. Also im Meckern, Mäkeln, Fordern und Krakelen.

Eine bleibende Erinnerung
Heute ging es ins Sealife. Eine bleibende Erinnerung, die ich dann allerdings doch nicht mit einem dieser professionellen Fotos an unserer Wohnzimmerwand verewigen wollte, die dort am Eingang mit Piratenmütze geschossen werden. Unser Sealife ist überschaubar, aber hübsch gemacht. Okay, vielleicht könnten sie ein paar mehr bunte Quallen und schillernde Fische haben und eigentlich wird es auch erst für lesende Kinder so richtig interessant, die die vielen Spiele, Quizze und Beschreibungen am Wegesrand verstehen. Aber trotzdem….
….
kann man sich doch mal zusammenreißen, wenn man sogar selbst dieses Ziel („Willst du Bilderbuchmuseum oder Fische?“ „Fischeeeeee!!!“) ausgewählt hat. Ich habe nicht gesagt: „Willst du Bilderbuchmuseum oder
101 Clownfische?“ Ich sage „Fische!“ Und Fische sind nun mal oft grau und braun. Wie das Wasser, in dem sie schwimmen. Und Muttern versuchte das Ganze ja auch noch interessant zu gestalten. „Guck mal, das ist eine Muräne, die hat mal meinen Cousin fast beim Tauchen erlegt.“ – „Die Muräne?“ – „Nein, den Cousin.“ Oder: „Wusstest du, dass bei Seepferdchen der Papa die Babys kriegt?“ Oder: „Hier ein Seestern. Willst du den Mal streicheln?“
Ist das langweilig
Kein Grund also sich nach der halben Tour mitten im Gang aufzustellen und laut und sehr deutlich „MAMAAAA! IST DAS LANGWEILIG HIER! WANN KOMMT DENN ENDLICH MAL WAS SPANNENDES!“ zu rufen. Kein Grund auch, den gleichen Satz fünf bis zwanzig Mal auf den nächsten Metern zu wiederholen. Und erst Recht kein Grund, sich bei der Süßwasserfisch-Fütterung mit dem gleichen Wortlaut so in einen
Tobsuchtsanfall hineinzusteigern, dass es auch der Letzte mitbekommt. Müßig zu sagen, dass alle anderen Kinder staunend, fröhlich oder zumindest mal still waren.
Jetzthat man mehrere Möglichkeiten. Man besticht das Kind mit einem gezischelten: „Wenn du jetzt lieb bist, darfst  du heute Abend so oft „Findet Nemo“ gucken, wie du willst.“ Oder: Man schaut sich entrüstet nach den imaginären Eltern um und ruft „Die kleine Tabea-Chantalle möchte bei der Süßwasserfisch-Fütterung abgeholt werden“. Oder: Man entfernt sich vorsichtig und vertieft sich zwei Bänke weiter in einen Whatsapp-Chat (mein Patenkind). Oder: Man pflichtet seinem eigenen Kind lautstark bei: „Ja, voll öde hier und das für den Eintritt.“
Eine Aufgabe
Ich sparte mir die Luft und nahm meine Tochter forsch am Arm, um sie in einen menschenleeren dunklen Gang hineinzubugsieren. Dort ließ ich sie auf den Boden setzen und füllte sie mit einem Päckchen Orangensaft ab. Dann nannte ich ihr mit fester Stimme ihre einzige Aufgabe: Den selbst ausgewählten 41 Euro-Sealife-Rundgang zu Ende zu bringen und zwar ohne einen einzigen Mucks!
Wahrscheinlich was es der O-Saft. Eine winzig kleine Chance besteht aber auch, dass es meine vor erzieherischem Selbstbewusstsein nur so strotzende Forderung war: Meine Tochter sprang auf, tänzelte begeistert den Gang entlang, zeigte entzückt auf diesen oder jenen Fisch, drückte sich die Nase an den Scheiben platt und sagte am Ende doch tatsächlich: „Ich will aber noch nicht nach Hause!“ Das haben wir dann auch nicht gemacht, sondern waren erst Mal Eisessen.
Es grüßt euch immer noch erschöpft
Eure NachbarinPS: Natürlich gibt es Clownfische im Sealife. Drei. Aber erst ziemlich am Ende (also an meinem).
Die Wander-Metamorphose

Die Wander-Metamorphose

Gestern waren wir auf dem Petersberg und alles hat geglitzert. Da ich ja keine Nachrichten verfolge und mein Mann auf RTL 2 ausschließlich Frauentausch guckt (das übrigens mit Begeisterung, vielleicht sollte ich ihn mal anmelden…), war uns Ignoranten gar nicht klar, warum. Später haben wir erfahren, dass tags zuvor offensichtlich eine Katzenhochzeit dort stattgefunden hat. Ich bin ja eher der Hundetyp, aber der noch vorhandene Rosenbogen an der Kapelle war durchaus sehenswert.

Die Wandlung
Aber davon nur am Rande. Eigentlich wollte ich von der wundersamen Metamorphose berichten, die unsere Tochter durchgemacht hat. Bis vor Kurzem, also genau genommen bis gestern, war es ihr nämlich kaum möglich, ohne Lautäußerung einen Schritt vor den anderen zu setzen, wenn ein Spaziergang sich anschickte, länger als zehn Minuten zu dauern. Also, im Prinzip, wie ich beim Joggen – inklusive asthmatischem Keuchen (bei mir echt, bei ihr gestellt).

„Mir tun die Beine, Füße, Rücken, Arme, Leber, Nieren, Ohrläppchen weh“, geht nach hundert Metern zuverlässig das Gejammer los. „Mir ist heiß, ich hab Hunger, ich hab Durst…“ bis hin zu: „Ich kann nicht mehr!!“ „Ich kann GAR NICHT mehr!!!“ „Mama, Papa, hört mir doch mal zu!!!!“ „Lasst mich einfach hier liegen!“ (ach ne, das bin ich beim Joggen). „Traaaaaagggg mich!!!“ (auch ich beim Joggen). „Papa, trag mich! Auf die Schulter!!!“ (unsere Tochter). Er abwehrend: „Kind du hast drei Kubikmeter Mutterboden an den Schuhen, wie hast du das auf hundert Metern laubbedecktem Waldboden geschafft???“

Kloreiche Idee

Kürzlich waren wir bei meinen Eltern und ich hatte die glorreiche Idee ihr Laufrad mitzunehmen. Damit fährt sie locker zwei Kilometer, wusste ich. Allein, das Kind wollte nicht aufs Laufrad. Also trug der Vater das Laufrad, die Mutter den Helm, der Opa das Kind und die Oma eine Miene zur Schau, die besagte: Dir liebe Tochter hätte ich sowas nicht durchgehen lassen. Das stimmt. Wir mussten immer Spazieren gehen. Jedes Wochenende. Ich habe es gehasst. Heute wäre ich froh, wenn ich meinen Mann besser von der Couch hochbekommen könnte.
Denn: Beim Wandern oder auch nur beim Spazierengehen – hier zu Hause gibt es größere Differenzen bezüglich der Definition – habe ich nicht nur ein zeterndes Kind an den Hacken, das ich mit Schatzsuchen, Fantasiespielen, Essen, Getränken, Spielplätzen, Dammwild und die Aussicht auf ein Eis bei Ankunft bei Laune halten muss. Nein, da ist auch noch der Mann: „Du hast nicht gesagt, dass wir so weit gehen. Dann hätte ich andere Schuhe, eine andere Jacke, eine andere Hose, eine andere Tasche genommen oder gleich jemand anderen mitgeschickt.“

Oder: „Es ist ja kein Wunder, dass das Kind jammert. Wenn du wandern gehen willst, bringen wir sie lieber zur Oma.“ Ich: „Das ist keine Wanderung, das ist ein Waldspaziergang.“ Er: „Ein Spaziergang darf mit An- und Abfahrt maximal eine Stunde dauern.“ Ich: „Ja, dann hätten wir eben auf das Picknick verzichten müssen.“ Er (jammernd): „Du weißt, dass ich vom Spazierengehen Nackenschmerzen kriege.“ Ich: „Okay, es ist doch eine Wanderung.“ Er: „Eine Wanderung muss zwei Wochen im Voraus angekündigt werden…“ Und so weiter und so fort.

Alles anders

Aber gestern, ja gestern war alles anders. ICH hatte bei 25 Grad und 95 Prozent Luftfeuchtigkeit keine Lust, mich mehr als nötig zu bewegen. Und plötzlich wollte mein Mann den Petersberger Wald erkunden. Hier noch lang und da noch lang. Die Tochter kriegte nach 200 Metern ihren obligatorischen Krampf und er zauberte ein Brötchen aus dem Rucksack. Also ein Zauberbrötchen. Denn mit einem Mal wurde aus unserer Tochter ein Duracell-Einhorn, das in wilden Sprüngen den Petersberg hinunter hüpfte. Dummerweise hatten wir ja oben geparkt.
Als wir daran dachten, waren wir aber schon halbe Strecke Tal, denn Töchterlein legte ein unglaubliches Tempo vor. „Okay, ich laufe wieder hoch, hole das Auto und wir treffen uns dann unten“, rief mein Mann, ob der sich abzeichnenden sportlichen Herausforderung plötzlich Feuer und Flamme. Und während ich – als einzige mit Wanderschuhen ausgestattet – vorsichtig nach Halt suchend den Berg heruntereierte, tanzte meine Tochter in zu großen Gummistiefeln leichtfüßig durch steile verschlammte Bachbetten, dschungelartig überwucherte Hohlpfade und klammgleiche Schluchten. Immer dreißig Meter voraus.
Gerade noch rechtzeitig
Dabei sang sie so laut „Hopp hopp hopp, Einhorn lauf Galopp“, dass sich sogar entgegenkommende Wanderer motiviert fühlten und einen Zahn zulegten. Was soll ich sagen, wir kamen genau in dem Moment im schönen Kloster Heisterbach an – unsere Talstation – in dem mein Mann dort auf dem Parkplatz fuhr. Es war genau der richtige Zeitpunkt, denn gerade hatte Töchterchen ihren Gesang eingestellt und ein ungewöhnlich dezentes: „Ich kann nicht mehr“, hören lassen. Ich hoffe, das war der Beginn einer wunderbaren familiären Wanderepoche, denn bald kommt Ben zu uns und ich habe keine Lust als einzige mit ihm Gassi zu gehen.
Auf die Hufe!
Eure Nachbarin
Elsa wer?

Elsa wer?

Jede Generation hat ja so ihre Favoriten. Dunkel erinnere ich mich an He-Man und Skeletor. Mein 14-jähriges Patenkind stand in den Neunzigern auf Hannah Montana und heute kommen Mädcheneltern ganz offensichtlich nicht an Elsa, der Eiskönigin, vorbei. Die übrigens auch bei 25 Grad im Schatten sehr präsent ist, obwohl sie ja gar kein Eis bringt – zumindest kein leckeres. Dann könnte ich den Hype ja noch besser verstehen.
Gut, sie ist blond, hat einen echt dicken Zopf – den hat Rapunzel auch. Sie hat eine Schwester, kommuniziert mit einem lustigen Schneemann namens Olaf und produziert Gletscher am laufenden Band. Das ist so ziemlich alles, was ich über sie weiß und was meine Tochter über sie weiß. Den Film hat sie nämlich noch nie gesehen, weder das Hörspiel gehört, noch ein Buch dazu gelesen.
Dafür war sie auf fünf verschiedenen Elsa-Geburtstagen eingeladen, trägt an Karneval und darüber hinaus vorzugsweise Elsa-Kleidchen, -Krönchen und -Zepter, spielt am liebsten mit Elsa-Puppen und -Barbies und würde sogar Blumenkohl essen, wenn ein Elsa-Schildchen dranpappen würde. Damit hebt sie sich natürlich kein Stück von anderen Kindergartenmädchen ab. Dass man sich als Mädchenmama da kaum entziehen kann, ist eine Sache. Wenn sich aber schon gestandene Väter WhatsApps über Elsa-Joghurt im Sonderangebot schicken, wird es langsam komisch.
Pippi adé
Noch vor einem Jahr erklärte ich im würdevoll-herablassenden Ton des Bildungsbürgertums: „Also, MEINE Tochter kann ja mit Elsa nichts anfangen. Sie liebt Astrid Lindgren, Pippi ist ihr großer Star.“ Im September richtete ich einen entsprechenden Kindergeburtstag aus. Drei Monate später landete Pippi in der Ablage, nämlich genau in dem Moment, als wir an Weihnachten endlich das komplette Kostüm zusammen hatten (inklusive Kleinem Onkel-Schaukelgaul, übergroßen Pippischuhen und Herrn Nilson für die Schulter).
Und während der wunderschöne Pippi-Kalender ein unbeachtetes Dasein an der Kinderzimmerwand fristet (ich werde ihn wohl ins Wohnzimmer hängen) und der Kleine Onkel nun Sabrina heißt, übernahm Elsa das Regiment. Nicht ohne die Mithilfe wackerer Kita-Erzieherinnen, die die Kinder in schöner Regelmäßigkeit mit Elsa-Ausmalbildern, Elsa-Pappmaschee-Figuren und Elsa-Frisuren mit passenden Spängchen und Haargummis nach Hause schicken.
Im Laden
Neulich ging ich mit meiner Tochter einkaufen (natürlich mit Krone und Zepter – also sie). Sie lief durch den Laden und riss zielsicher alles mit Elsa-Aufdruck an sich. Warum gibt es Elsa-Sommer-T-Shirts mit Hawaiimuster??? Macht das irgendeinen Sinn, der sich nur mir nicht erschließt? Beim Bezahlen sagte ich beschämt: „Sie hat auch noch andere Klamotten zu Hause!“ und erntete nur ein breites Grinsen der Kassiererin, während die Kasse so laut klingelte, das ein weiteres Gespräch nicht möglich war.
Vor Kurzen habe ich mir dann überlegt, ob ich unserer kleinen Eisprinzessin mal den Film zeige. Wenn sie schon so ein großer Fan ist, soll sie doch wenigstens wissen, wovon. Einige Mütter rieten mit ab. Viel zu gruselig sei der und zu traurig. Warum dann dieser Wirbel? Ich entschied mich, ihr stattdessen ein kurzes Elsa-Video auf Youtube vorzuspielen. „Und“, fragte ich gespannt. „Das war voll langweilig!“, meinte sie, und: „Kann ich jetzt mein Elsa-Kleid anziehen?“
Kopfschüttelnde Grüße

Eure Nachbarin (die sich hiermit outet, dass ihr die Eiskönigin trotz allem besser gefällt, als Schneewittchen und Co, weil sie so schöne türkisfarbene Sachen anhat)

Nachtrag: Die Elsa-Phase hat nicht lange angehalten und den Film hat sie bis heute (fünf Jahre später) nicht gesehen. Mittlerweile steht sie übrigens auf blutrünstige Drachen und Wölfe.