Um nochmal auf das Thema Gesichtererkennung zurückzukommen. Eigentlich ist mir mein Handicap erst so richtig bewusst, seit ich mit meinen Mann zusammen bin. Sein Gesichtergedächtnis fotografisch zu nennen, wäre glatte Untertreibung. Er erinnert sich an das Gesicht des Kellners, der uns vor vier Jahren im Griechenlandurlaub aushilfsweise einen Abend im Hotelrestaurant bedient hat. „Hä, Kellner, da war doch Buffet?!“ „Ja, aber der hat Wasser nachgeschenkt, das musst du doch noch wissen.“ „Ach so ja…“.
Mein Mann erkennt jeden Menschen wieder, mit dem er jemals ein Bitte – Danke gewechselt hat. Egal, ob sie dreißig Kilo zugelegt, 80 Prozent des Haupthaares verloren oder sich einer Geschlechtsumwandlung unterzogen haben. Und – für mich am Bewundernswertesten: Er hat mich am Morgen nach der Entbindung unserer Tochter wiedererkannt. Damit hat er mir etwas voraus. Ich habe diese zerrupfte Frau, die da durch den Krankenhausflur schlurfte erst mitleidig gegrüßt, bevor ich gemerkt habe, dass ich mit einem Spiegel spreche.
Nachdem mir bewusst geworden ist, dass ich mein Gesichtergedächtnis umso schlechter wahrnehme, seit ich meinen Mann kenne, bin ich der Sache mal auf den Grund gegangen. Und siehe da, meine Selbstwahrnehmung steht in kausalem Zusammenhang zu seinen Fähigkeiten und Gewohnheiten. Seit wir zusammen sind, halte ich mich für schokoladensüchtig, für eine miserable Köchin, für unsportlich (ok, ich BIN unsportlich) vor allem aber halte ich mich für ein Orientierungsgenie:
Mein Mann hat Probleme, den Weg aus einer Umkleidekabine zu finden. Und wenn er es geschafft hat, findet er die Kasse nicht. Und wenn er es doch geschafft hat zu bezahlen, biegt er am Ausgang garantiert in die Richtung ab, aus der er gekommen ist. Würde mein Mann auf dem Jakobsweg pilgern, käme er wahrscheinlich in Santiago de Chile an und selbst auf dem Nürburgring käme er wohl nie ins Ziel. Aber das macht alles gar nichts. Dafür hat er ja mich, das ORIENTIERUNGSGENIE (und unser Navi natürlich).
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