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Wenn’s mal wieder klemmt

Wenn’s mal wieder klemmt

Wenn es darum geht, sich zum Affen zu machen, rufe ich ja immer ganz laut „hier“. Kürzlich wieder: Elternversammlung in der Kita. Bei der Begutachtung meiner Garderobe – inklusive Geruchstest – stellte ich fest: Im Parka kann ich da nicht hin. Seit ich immer eine Handvoll Hundeleckerlis in der rechten Manteltasche aufbewahre, entströmt diesem ein leicht animalischer Geruch. Auch die schlammigen Pfotenabdrücke auf der Vorderseite wollten nicht so ganz zum Anlass passen.
Sauber, wohlriechend, zu groß
Da es mal wieder fünf vor zu spät war, schnappte ich mir stattdessen den Parka meines Mannes. Wohlriechend, sauber, fünf Nummern zu groß. Aber egal. Mit Reißverschlüssen stehe ich ja schon immer auf Kriegsfuß. Die Mechanik ist einfach zu komplex für mein geisteswissenschaftliches Hirn und durch gutes Zureden ist so ein Ding ja noch nie auf und zu gegangen. Sogar meine Tochter beherrscht den Vorgang mittlerweile besser als ich. Mit ein bisschen Mühe und Gefluche im Hausflur war ich schließlich erfolgreich und stürmte in die Nacht hinaus.
Pünktlich um 20 Uhr kam ich in der Kita an, nur um festzustellen, dass die Veranstaltung in vollem Gange war. Ich also um Zeit zu sparen mit Jacke rein, unauffällig einen Platz gesucht und auf einem dieser Miniaturstühlchen zusammengeklappt. Genauso unauffällig wollte ich mich der Riesenjacke entledigen. Allein, ich kriegte diesen Sch… äbigen Zipper nicht auf. Ich ruckelte und zog unauffällig am kleinen metallenen Griff. Nichts. Bestimmt hat sich wieder ein Stück Stoff eingezogen, dachte ich, und zog den Reißverschluss noch ein wenig zu, um ihn zu lösen. Damit hatte ich mich dann endgültig eingesperrt.
Mobile Sauna
Nichts anmerken lassen, sagte ich mir und tat die nächsten zehn Minuten so, als sei es völlig normal, in einem Parka von den Ausmaßen einer Arktisausrüstung in der Elternversammlung zu sitzen. Während ich den Blick starr geradeaus auf die Leinwand richtete und großes Interesse an der Jahresbilanz unserer Elterninitiative heuchelte, begann ich mich langsam, wie in einer mobilen Sauna zu fühlen. Erdbeerfarbener Teint, Schweißperlen, die langsam die Schläfen hinablaufen. Unverwechselbare Minzöl-Dämpfe, die aus meinem Kragen in die Kitaluft stiegen (ich hatte mir am Nachmittag die Schulter gezerrt und dachte, so ein bisschen Balsam könnte helfen).
Während mich meine Sitznachbarn immer misstrauischer musterten und erfolglos versuchten, Abstand zu gewinnen (Minzöl assoziiert man ja gerne mit starker Erkältung) sah ich schließlich ein: Ich muss raus aus dem Saal UND aus der Jacke. Ich erhob mich also vorsichtig, versperrte dabei wahrscheinlich zehn Leuten die Sicht und schlich in die angrenzende Kita-Garderobe. Dort versteckte ich mich hinter einem halbhohen Regal.
Erfolg im Ring
Das folgende Schauspiel muss von der Aula aus in etwa so ausgesehen haben: Schwerer Ringkampf mit unbekannten Gegner. Arme und Beine, die wahllos oberhalb des Regals erscheinen und wieder verschwinden, zwischendurch ein wirrer Haarschopf mit fliegenden Locken. (Mein Mann sagt immer Tingeltangel-Bob zu mir und das in frisiertem Zustand.) Dazu leises Fluchen und unterdrückte Schmerzenslaute wegen der Schulter. Nach etwa einer Minute hatte ich mich endlich befreit, OHNE den Reißverschluss zu öffnen.
Ich pfefferte das überdimensionierte Stück Stoff in irgendeine Ecke (äh, beziehungsweise hängte sie selbstverständlich säuberlich an einen Haken, Schatz), versuchte mein Haar in irgendeine sinnvolle Form zu bringen, fächelte mir mit beiden Händen Luft zu und setzte das würdevollste Gesicht auf, zu dem ich in diesem Augenblick fähig war. Dann wankte ich zurück in den Saal. Den Rest des Abends versuchte ich, nicht darüber nachzudenken, wie ich denn in diese verdammte Jacke wohl wieder reinkäme, ohne den Reißverschluss zu öffnen…
Irgendwie geht’s immer

 

Eure Nachbarin

PS: Als ich mich am späteren Abend auf den Heimweg machte, öffnete sich der Reißverschluss natürlich wie von Zauberhand…
PPS: Übrigens war es nicht die erste peinliche Aktion in Zusammenhang mit Klamotten. Die beiden anderen Geschichten erzähle ich demnächst mal.
Die Sache mit der Zahnschiene

Die Sache mit der Zahnschiene

Mein Mann regt sich selten auf, aber wenn, dann richtig. Und letzte Woche war es mal wieder so weit. Der Grund hat vier Beine, trägt Flokati und ist gerade im dreiwöchigen Sonderurlaub bei Oma und Opa. Dort liegt er völlig unauffällig und pflegeleicht in der Gegend rum und macht seinem Aussehen alle Ehre. Kein Wunder, sage ich da nur. Der Hund ist ausgepowert von all dem Mist, den er hier so anstellt.
Der Zerstörer
Aus irgendeinem unerfindlichen Grund hat Ben ein Faible für medizinisches Gerät. Nachdem er, wie berichtet, mit großer Begeisterung ein Langzeit-EKG vom Hausarzt zerstört hat – 150 Euro Selbstbehalt bei der Tierhaftpflicht – hat er letzte Woche versucht, die Zahnschiene unserer Tochter anzuprobieren. Sie hat leider nicht gepasst, weshalb er sie kurzerhand gefressen hat, also zumindest ein Drittel. Dann hörte ich ihn schmatzen und hab ihm die Reste aus den Lefzen gerissen.
Corpus Delicti
Nun weiß ich ja nicht, was eine Zahnschiene aus Silikon mit dem Verdauungstrakt des Hundes so anstellt. Wahrscheinlich nicht viel mehr als Einweghandschuhe, Luftballons oder Christbaumkugeln… Da ich ihn aber nun mal in flagranti erwischt hatte, beschloss ich beim Tierarzt nachzufragen. Das Schlagwort „Darmverschluss“ trieb mich samt begeistertem Hund dann doch in die Praxis.
Dort gabs Brechmittel aus der Spritze für ihn und ein dezentes pinkes Eimerchen für mich, mit dem Hinweis, draußen mal ein bisschen rumzulaufen. Wie soll ich sagen, es war eine interessante Erfahrung. Hier die Tragödie in drei Akten.
Erster Akt
Ich also mit Hundchen (mittlerweile Hüfthöhe) und Eimerchen unterwegs, einmal ums Eck bis vor die Apotheke. Da kamen wir dann zu einem abrupten Halt. Ich sags Euch, der Hund hats mit der Medizin.
Während sich Ben die Untaten des Morgens nochmal durch den Kopf gehen ließ, manchmal in den Eimer, am liebsten aber daneben, führte ich fröhlich-skurrile Konversationen mit den Passanten. Passantin: „Ach jö! Geht’s dem nicht gut?“ Hund: „Würg!“ Ich: „Wieso? Das machen wir immer so!“ Passant: „Was is’n das für einer?“ Hund: „Würg!!“ Ich: „Kennen Sie Würgeschlangen? Das hier ist so was ähnliches. Nur halt als Hund.“
Zweiter Akt
Dann ging es ein paar Meter ums Eck, direkt vor den Eingang einer – wie soll es anders sein –  Hausarzt-Praxis. Mittlerweile hatte Benni ungefähr fünfmal gekotzt und das blaue Silikonteil schwamm quietscheentchengleich im pinken Eimer. Für mich und den Hund hätte es an dieser Stelle gereicht, aber das Brechmittel sah das anders.
Passantin: „Hat der Magen-Darm?“ Hund: „Würg!“ Ich: „Ja, wir kommen gerade vom Arzt (zeige zur Hausarzt-Praxis).“ Passant: „Ach Mensch, was hat der denn gemacht?“ Hund: „Würg!!!!“ Ich: „Ja komisch, der hat heute morgen eine Trump-Rede auf Youtube gesehen, seitdem hört das nicht mehr auf.“  Anwohner: „Kann man irgendwie helfen?“ Hund: „WÜRG!!!“ Ich: „Ja, Sie könnten ihn mir zum Auto tragen. Haben Sie einen Regenmantel?“
Dritter Akt
Armer Schatz
Etwa zehn Kotzattacken später und rund 50 Meter vor der Tierarztpraxis war dann Schluss. Mein armer Schatz – mitterweile konnte ich ihn von Herzen wieder so nennen – machte keinen Schritt mehr. Passantin von vor der Apotheke: „Und nun?“ Hund: „…“ Ich: „Jetzt ziehen wir hier hin. Wenn Sie vielleicht einen großen Pappkarton besorgen könnten?“
In der Tat hätte ich mich am liebsten dauerhaft zu meinem armen Hund aufs Gehsteigpflaster gesetzt, aber es war ein eiskalter Morgen und irgendwie hatte ich mich auch genug unterhalten. Also rief ich in der Praxis an und fragte, ob man mir wahlweise den Hund oder das Eimerchen abnehmen könne. Die Sprechstundenhilfe kam gerannt, nahm den Eimer mit dem mittlerweile untergegangenen Corpus Delicti und ich warf mir den apathischen 30 Kilo-Hund über die Schulter.
Wie es weiterging…
Der Rest ist schnell erzählt: Wir haben es ohne weitere Zwischenfälle nach Hause geschafft – versorgt mit einer Brechstopp-Pille, die ich übrigens gerne schon früher gehabt hätte. Der Hund durfte ausruhen und mir gelang es bis zum Abend, die gesamte Geschichte vor dem Rest der Familie zu verheimlichen. Dann wollte meine Tochter ihre Zahnschiene einsetzen…
Und die Moral von der Geschicht? Da fallen meinem Mann gleich eine ganze Handvoll ein. Ja, ich weiß, ich hätte die zweite Schlafzimmertür besser zumachen müssen und die Schiene statt auf den Nachttisch, aufs Regal legen können. Hätte uns gut 300 Euronen gespart. Aber ich sage euch, der Hund arbeitet das irgendwie ab…
Es grüßt aus den sonnigen Mittelrheinbergen

Eure Nachbarin

PS: Wer nun glaubt, Tölchen hätte irgendwas aus der Sache gelernt, kann im Hunderziehungsratgeber nachlesen, dass eine Reaktion innerhalb von einer Sekunde nach Untat eintreten muss, damit Hundi eine Verbindung der beiden Ereignisse herstellen kann. Also außer Spesen nix gewesen…