Autofahrer und ihre Mitreisenden – ein durchaus gespaltenes Verhältnis. Da gibt es den – in 99 Prozent der Fälle – männlichen Beifahrer, der mitbremst, sich ab 30 km/h ängstlich an den Haltegriff klammert, unvermittelt gutturale Laute des Entsetzens ausstößt, die die Fahrerin zu hektischen Brems- oder Ausweichmanövern animieren. In jedem Fall weiß er viel besser als man selbst, wie man schalten, blinken, bremsen, beschleunigen, einparken oder den Parkschein platzieren sollte.
Dann sind da die kleinen Menschen im Fond des Autos, die bei 150 Sachen auf der Autobahn „jetzt sofort“ essen, trinken, was Süßes, aufs Klo oder den nächsten Film auf dem iPad runtergeladen haben wollen. Die zetern und zoffen, singen und pupsen, einem den Fuß durch die Fahrersitzrückenlehne in die Nieren rammen oder unter der Kopfstütze hindurch an den Haaren ziehen. Die sich langweilen, zum hundertsten Mal „Conni auf dem Bauernhof“ über den Auto-CD-Player hören oder einfach nur mal brechen müssen.
Ganz hinten hat der ein oder andere noch eine Fellnase sitzen. Sie sind meist die angenehmsten Passagiere, wenn sie das Fahren gut vertragen, sich nicht über die Geburtstagstorte für Oma oder den Räucherlachs vom Aldi hermachen oder sich ohne Vorwarnung beim Rückwärtsfahren aufsetzen und einem einen Herzkasper verschaffen, weil es im Rückspiegel aussieht, als stünde plötzlich jemand direkt hinter dem Auto. Davon abgesehen verleihen sie dem Wageninneren eine besondere Duftnote, die man als Herr- und Frauchen kaum noch wahrnimmt, die Ungeübte jedoch beim Einsteigen zurücktaumeln und spontan auf eine andere Mitfahrgelegenheit hoffen lässt.
Von all jenem abgesehen macht Autofahren mit der Familie jedoch sehr viel Spaß. So wie letztens, als meine Tochter vom Beifahrersitz aus erst kritisch, dann mit wachsendem Ekel auf einen Punkt an der Autodecke starrte, der sich beunruhigenderweise genau über meinem Kopf befand. Ihr panisches „Iiiiii, Mama, was ist DAS denn?“, trug sie nicht gerade dazu bei, meine Herzfrequenz zu entschleunigen. Möglichweise machte das Auto auch einen kleinen Schlenker. „Da sitzt ne fette Spinne über deinem Kopf!!!“, überzeugte mich dann vollends, die Fahrt am nächsten Abzweig spontan zu unterbrechen und den Wagen ein wenig schneller als sonst zu verlassen.
Inzwischen hatte die mittelgroße Winkelspinne den Rückzug in Richtung Kofferraum angetreten, während ich so schnell ich konnte ums Auto herumlief, um ihr von der hinteren Seitentür aus den Weg abzuschneiden. „So schnell ich kann“ geht in der Regel einher mit „nicht schnell genug“. Und so zog ich in Sachen zügiger Fortbewegung mal wieder den Kürzeren. „Die ist in die Ritze vom Rücksitz reingeklettert“, informierte mich meine Tochter, sichtlich erleichtert, sich den vorderen Bereich des Autos nicht mehr mit dem achtbeinigen Monster teilen zu müssen.
Was soll ich sagen: Ich habe das Wageninnere an diesem Tag noch in seine Bestandteile zerlegt und viele spannende Dinge gefunden. Darunter ein halbes Croissant, ein Pixiebuch, den Sattel eines Schleichpferdes und einen Euro. McSpider ist bis heute nicht wieder aufgetaucht. Aber ich weiß, er wächst und gedeiht irgendwo unterm Rücksitz, ernährt sich von Krümeln, die es dort reichlich gibt. Er wiegt mittlerweile bestimmt 100 Gramm und hat noch fünf weitere Beine dazu bekommen. Er sitzt und und lauert und wartet genau auf den perfekten Moment… Ich habe angeregt, ein neues Auto zu kaufen.
Eure Nachbarin
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